Traut euch: Werft die Troika raus!

Die SYRIZA-Regierung stemmt sich mit allen Mitteln gegen den Staatsbankrott. Warum es für die linke Regierung unausweichlich ist, den aktiven Bruch mit ihren Erpressern zu vollziehen, erklärt unser Autor.


Die SYRIZA-Regierung stemmt sich mit allen Mitteln gegen den Staatsbankrott. Warum es für die linke Regierung unausweichlich ist, den aktiven Bruch mit ihren Erpressern zu vollziehen, erklärt unser Autor.

 

Rekapitulieren wir. Am 20. Februar, nicht ganz einen Monat nach dem Wahlsieg von SYRIZA, unterzeichnete die neue griechische Regierung ein Abkommen mit der Eurogruppe. Dieses Abkommen setzte die Weichen für die momentane Situation. In ihm akzeptierte Griechenland die Bedingungen des EU-Diktats für vier weitere Monate.

 

Durch ihre bedingungslose Akzeptanz der kapitalistischen Logik, die sie zu Schuldendienst und Unterwerfung zwingt, kann die SYRIZA-Regierung ihre Versprechen nicht umsetzen. Das zeigt das „Gesetz zur Bekämpfung der humanitären Krise“, das am 19. März verabschiedet wurde. Im Wahlprogramm waren hierfür (auch damals schon knapp berechnet) zwei Milliarden Euro vorgesehen. Das Gesetz kostet nun nur mehr 200 Millionen, also ein Zehntel dessen. Das Gesetz verspricht 150.000 Familien (anstatt der vorgesehenen 300.000), die unter Bedingungen „extremer Armut“ leben (Einkommen bis 4.800 Euro im Jahr) kostenlosen Strom. 170.000 Haushalte erhalten eine Nahrungsmittelsubvention, 50.000 Haushalte eine Mietsubvention und für Arbeitslose und Unterbeschäftigte wird der Zugang zum Gesundheitswesen ermöglicht. Angesichts der realen Zustände in Griechenland ein Tropfen auf den heißen Stein. Was bringt beispielsweise Zugang zu einem Gesundheitssystem, in dem es keine Medikamente mehr gibt? Indessen wurde die versprochene sofortige Erhöhung des Mindestlohns auf 751 Euro auf Ende 2016 verschoben – angesichts der aktuellen Situation auf den „St. Nimmerleinstag“.

 

Am 23. März besuchte der neue griechische Premierminister Alexis Tsipras die Kanzlerin. Anstelle eines neuen Kürzungsprogramms präsentierte er ihr jedoch eine Reparationsforderung für militärische und wirtschaftliche Kriegsverbrechen, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg bei der Besetzung Griechenlands verübte. Die griechische Regierung beziffert die Höhe der Verpflichtungen auf 278,7 Milliarden Euro.

 

Diese Forderung ist inhaltlich richtig, wurde von Tsipras jedoch nur als mediales Druckmittel vorgebracht und dann wieder fallen gelassen. Dies entspricht Tsipras' Taktik der „diskursiven“ Ablenkung – dem Versuch, durch Symbole Vorteile und inhaltliche Erfolge zu erzielen. Die Frage der deutschen Kriegsverbrechen und Schulden wurden also jüngst wieder erhoben, als die Troika wieder einmal nach Athen einflog, um die üblichen entwürdigenden Kontrollen durchzuführen, die laut den Bekräftigungen der Regierung seit den Wahlen „vorbei“ seien.

 

Der Bankrott

 

Nun häufen sich in den letzten Tagen Meldungen über einen möglichen Bankrott und Euro-Austritt Griechenlands. Hauptsächlich anonyme Quellen aus den Apparaten (EZB, Ministerien, Bundesbank,...) werden in Zeitungen zitiert, die Mimik der handelnden Akteure wird interpretiert und auch die internationale Reisediplomatie weckt großes Interesse. Dies sind klare Zeichen dafür, dass die Situation jederzeit auf unvorhersehbare Weise eskalieren kann. Alle Seiten haben daher Angst, einen entscheidenden Schritt zu tun. Doch die Zeit wird die Situation nicht beruhigen.

 

Selbst unter global positiven wirtschaftlichen Bedingungen wären die griechischen Staatsschulden nicht bezahlbar. Unter der sich konkret verschlechternden wirtschaftlichen Lage in Griechenland ist es höchstens eine Frage von Wochen, bis die Zahlungsunfähigkeit offen eingestanden werden muss. Ständig steht die SYRIZA-Regierung vor der Frage: zahlen wir Renten und Löhne der öffentlich Beschäftigten aus, oder zahlen wir die nächste Kreditrate an die Troika? Am 9. April wurde diese Frage zugunsten der Troika entschieden. Trotz vorheriger Ankündigungen anonymer Stimmen in der Regierung, die an diesem Datum fällige Tranche nicht auszuzahlen, weil dadurch die Renten und Löhne in Gefahr gerieten - „wir sind eine linke Regierung. Es ist klar, auf welche Seite wir uns stellen“ - wurde die Tranche pünktlich überwiesen.

 

Das Zögern Schäubles

 

Der SYRIZA-Führung geht die Zeit aus, da sie durch ihre schwankende Politik ihre öffentliche Unterstützung untergräbt. Aus Sicht der europäischen Finanzinstitutionen und des IWF ist die Frage Griechenlands geklärt: Sie verlangen die völlige politische Niederlage der Links-Regierung. Aus ihrer Sicht gibt es hier keinen Verhandlungsspielraum. Wie der Funke berichtet hat, hat die EZB mit der neuen ELA-Praxis gegenüber Griechenland (Einschränkung der gängigen Refinanzierung der Geschäftsbanken über das EZB-Akut-Programm) bereits aktive Schritte gesetzt, die Refinanzierung des griechischen Finanzmarktes einzuschränken. Mit einem griechischen Staatsbankrott würden die ELA-Kreditlinien der EZB unmittelbar wertlos, die griechischen Banken würden kollektiv in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. Dabei geht es um einen Betrag von 75 Mrd. Euro. Weiter steht die griechische Zentralbank auf dem Target-2 Verrechnungskonto der EZB mit 50 Mrd. Euro in der Miese. Ein griechischer Bankrott würde auch den Ausfall dieser Forderungen bedeuten. Rechnen wir die vom Staat Griechenland und seiner Nationalbank zu tragen Schuldenposten zusammen: 318 Mrd. Staatschuld, plus 75 Mrd. ELA-Verbindlichkeiten gegenüber der EZB, plus 50 Mrd. Verbindlichkeiten auf dem Target-2 Konto der EZB ergibt eine Verbindlichkeit von 443 Mrd. Euro, die die öffentliche Hand Griechenlands aufgehäuft hat. Hauptgläubiger sind die EZB, der ESM (also die Mitgliedsländer des Euros), der IWF und zum kleineren Ausmaß europäische Geschäftsbanken.

 

Würde also Griechenland den Staatsbankrott erklären, würde unmittelbar ein Loch von 443 Mrd. Euro ins europäische Finanzsystem gerissen werden. Die Folgen wären global unmittelbar zu spüren; das prekäre Gleichgewicht, in dem sich die Weltwirtschaft seit 2010 befindet, würde mit einem Schlag zum Kippen gebracht. Die Krise würde sofort auf unkontrollierbare Weise eskalieren.

 

Diese Perspektive wird öffentlich als das Schreckgespenst „Graccident“ diskutiert. Daher spielen Schäuble und Co. auf Zeit, um die Finanzwelt noch besser von Griechenland zu isolieren als dies heute bereits der Fall ist. Dass diese Schulden nicht zurückgezahlt werden können wissen sie selbst, allerdings wollen sie eine geregelte und von ihnen kontrollierte Schuldentilgung Griechenlands. Eine Abkoppelung Griechenlands aus dem Euroraum dürfte mittlerweile die Mehrheitsposition des deutschen Kapitals sein.

 

Tsipras und Varoufakis scheinen das Zögern der EU und damit Deutschlands jedoch als Verhandlungserfolg ihrer Hinhaltetaktik zu missverstehen, jedenfalls ist dies ihre öffentliche Lesart. Dies ist ein tragisches Missverständnis mit potentiell desaströsen Resultaten für die Linksregierung in Athen: Da dieselben strukturellen Probleme wie in Griechenland in größeren Volkswirtschaften wie Italien und Spanien bestehen, darf es aus Sicht des Kapitals keine sozialen Zugeständnisse an die griechische Arbeiterklasse geben – der Euro als Ganzes stände damit am Spiel, und nicht nur die Mitgliedschaft eines Landes.

 

Schuldenschnitt

 

Es deutet einiges darauf hin, dass die SYRIZA-Regierung vor der Troika kapitulieren könnte: um die Schulden zu bedienen hat sie die Rentenkassen geplündert. Als dieses Geld nicht ausreichte, wurden Ende April per Erlass die Konten der Gemeinden auf die griechische Zentralbank überschrieben. Damit hat die Zentralbank Zugriff auf die Spargroschen und Geschäftskonten der Kommunen, was in gegebener Situation einer Enteignung gleichkommt. Trotz dieser neuen Enteignung verkündete der stellvertretende Finanzminister Dimitris Mardas am Morgen des 22. April, dass 400 Mio. Euro fehlen, um die April-Renten zu bezahlen. Diese Meldung wurde zwei Stunden später dementiert. Es ist jedoch glasklar. Die einzige relevante Frage für die Links-Regierung lautet: Enteignet man die Banken und ihre Zahlungsansprüche (also Schuldenschnitt und Graccident), oder enteignet man die Menschen? Wer hat die Macht? Die Banken und Konzerne oder die arbeitenden und arbeitslosen Massen die SYRIZA an die Regierung gebrach haben? Diese Frage gilt es in der Praxis zu entscheiden.

 

Die unmittelbare und einseitige Schuldenstreichung durch die griechische Regierung, empfinden Schäuble und Varoufakis gleichermaßen als Katastrophe. Dabei ist dieser Schritt einzige Möglichkeit, die Zwangsjacke der Troika zu zerreißen. Anstatt das Geld an die Gläubiger zu überweisen, könnte man es sofort in produktiven Wiederaufbau des Landes investieren. Der Schuldenschnitt würde in der Logik der Ereignisse ein Ausscheiden aus dem Euro bedeuten. Diese Maßnahmen können für sich genommen entweder in die Katastrophe oder zur Befreiung führen. Damit sie zur Befreiung führen, müssen sie mit dem Aufbau einer auf die Bedürfnisse des Menschen gerichtete sozialistische Wirtschaft verbunden sein. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der Dynamik der Katastrophe in die Griechenland durch die kapitalistische Krise katapultiert wurde. Die Kontrolle über den Reichtum des in Griechenland verbliebenen Kapitals muss durch die Arbeiterklasse ausgeübt werden. Nur so kann man die Verschärfung des Wirtschaftskrieges (Kapitalflucht und Investitionsboykott) der internationalen und einheimischen Oligarchie brechen. Wird die Auseinandersetzung mit dem Kapital ernsthaft gesucht, wird die Arbeiterbewegung die Notwenigkeit sozialistischer Maßnahmen schnell erkennen und anwenden.

 

In SYRIZA setzt sich die Idee, dass der bisher gewählte Weg des „Dialogs“ mit der Troika eine allumfassende Sackgasse ist, immer mehr durch. Das klarste Programm der SYRIZA-Linken vertritt dabei die Kommunistische Strömung in SYRIZA, die griechische Sektion der IMT und Schwesterorganisation des Funke. Sie war die erste politische Kraft, die die Akzeptanz der Troika-Herrschaft vom 20. Februar scharf verurteilt hat. Sie forderten den sofortigen Schuldenschnitt und die „Herausgabe einer nationalen Währung zum Zweck einer zukünftigen wirtschaftlichen und Währungseinheit Europas auf sozialistischer Basis. Eine Währung, die zum Aufbau einer geplanten und vergesellschafteten Wirtschaft dient, die den wirklichen Bedürfnissen des arbeitenden Volkes dient, ist dem heutigen Euro vorzuziehen. Der Euro ist Ausdruck der Anarchie und der Krise des europäischen Kapitalismus, dessen Beibehaltung ungezähmte Austerität voraussetzt. Austritt aus der Europäischen Union und der NATO zur Befreiung von den Erpressungen und Verpflichtungen dieser wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bündnisse.“

 

Mit dieser schnellen Initiative brach die Kommunistische Strömung das Eis der parteiinternen Kritik. Die Relevanz dieser Initiative spiegelt sich in Radiointerviews, Erwähnungen in allen wichtigen Zeitungen, selbst in der NY Times und al Jazeera wieder. Die GenossInnen von der Kommunistischen Strömung sind dabei die einzigen, die mit einer konsequenten anti-kapitalistischen Alternative argumentieren. Die Bürokratie um Tsipras reagiert darauf mit panischer Denunziation und Verleumdung, doch die Strömung unserer GenossInnen wächst stetig und festigt ihr Bündnis mit den anderen linken Kräften in der Partei. Das zeigen die gut besuchten Diskussionsveranstaltungen, die unsere GenossInnen mit Gästen aus der linken Plattform organisieren.

 

Griechenland ist ein lebendiges Beispiel für die entscheidende Rolle der MarxistInnen in jedem revolutionären Prozess. Vom politischen Erfolg der MarxistInnen in SYRIZA hängt es ab, ob der unvermeidliche Staatsbankrott Griechenlands in die Katastrophe führt, oder ob er als Schritt zur Befreiung dienen kann. Tsipras' Position in der eigenen Partei ist stark untergraben, der linke Flügel in der Parteiführung und in der Parlamentsfraktion wurde gestärkt. Noch kann das Ruder herumgerissen werden. Wir alle haben es in der Hand, etwas dazu beizutragen. Unterstützt die Kommunistische Strömung in SYRIZA!

 

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