Kategorie: Amerika

FARC | Strategiewechsel im Klassenkampf?

Kolumbien. Das Referendum über ein Ende des bewaffneten Kampfes zwischen der FARC und der Regierung endete mit einem knappen Sieg des „NO“-Lagers. Was hat das zu bedeuten und wie wird es nun weitergehen?


Die FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, „Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens“) ist die bedeutendste Guerillabewegung Kolumbiens und die älteste noch aktive Guerilla der Welt. Ausgehend von dem sogenannten „Bogotazo“, einem Aufstand im Jahre 1948 nach der Ermordung von Jorge Eliécer Gaitán, einem populären anti-oligarchischen Politiker, der die Mehrheit in der Liberalen Partei auf sich vereinigen konnte, etablierte sich in Kolumbien ein Zustand des permanenten Bürgerkriegs.

Das folgende Jahrzehnt war von Kämpfen geprägt, diverse Guerillagruppen formierten sich und nahmen den bewaffneten Kampf gegen die Großgrundbesitzer und ihre Privatarmeen auf. Im Jahr 1958 wurde schließlich ein Kompromiss zwischen der Konservativen Partei und dem rechten Flügel der Liberalen Partei geschlossen, welcher in der Nationalen Front seinen Ausdruck fand. Viele Guerilla-Truppen weigerten sich allerdings den Frieden anzuerkennen und wurden in der Folge mit voller Härte verfolgt. Aus dieser blutigen Erfahrung heraus kam es 1964 auch zur Gründung der FARC.

Die seit 2012 geführten Verhandlungen über ein Ende der bewaffneten Kämpfe sind bei weitem nicht die ersten ihrer Art. Bereits 1985 hatte sich ein Flügel der FARC entschlossen, gemeinsam mit anderen Guerilla-Gruppen den Schritt in die Legalität zu wagen und eine eigene Partei zu gründen. Die geschaffene „Patriotische Union“ gewann auch zusehends die Zustimmung der Bauern- und Arbeiterschaft und konnte sich so bereits nach kurzer Zeit in der Parteienlandschaft Kolumbiens etablieren. Dies bedeutete eine enorme Bedrohung der Interessen der Oligarchie sowie des US-Imperialismus.

Die herrschende Klasse Kolumbiens, welche sich nicht nur aus Großgrundbesitzern, Industrieoligarchen und aus Drogenbaronen zusammensetzt, stützte sich in der Folge auf das Militär, die Polizei, rechtsradikale Paramilitärs, sowie die militärisch-zivile Unterstützung der USA („Plan Colombia“ mit einem aufgelaufenen Budget von 10 Mrd. U$ und der weltweit größten Botschaft der USA mit 4500 Angestellten im Jahr 2003), um ein Blutbad unter der Anhängerschaft der neuen Patriotischen Union anzurichten. Nachdem bis 1988 zwei Präsidentschaftskandidaten, acht Parlamentarier und bis zu 5000 Parteimitglieder umgebracht wurden, verschwand die Partei von der Bildfläche.

1990 startete die Guerillabewegung M-19 (Movimiento 19 de Abril, Bewegung 19. April), die sich 1970 von der FARC abspaltete, einen zweiten Versuch der Guerillabewegungen, sich als legale Partei zu etablieren. Die neue Partei „Alianza Democrática M-19“ schaffte als dritte Kraft hinter der Konservativen und der Liberalen Partei auch den Einzug ins Parlament. Diese neue Partei zeichnete sich jedoch durch eine Reihe von politischen Schwächen aus. Geprägt von politischen Traditionen wie dem linken Nationalismus und dem „Focoismus“ (der Idee Che Guevaras der sozialistischen Revolution als voluntaristischer Akt bewaffneter Kräfte abseits der Arbeiterklasse) wollte sie ursprünglich durch einen bewaffneten Aufstand die Regierung des Konservativen Misael Pastrana Borrero zu Fall bringen, dessen Wahlsieg 1970 durch Wahlfälschungen zustande gekommen war. Schlussendlich wurde der M-19 ihre Naivität gegenüber der notwendigen sozialen Dynamik für eine Revolution und dem bürgerlichen Staat zum Verhängnis. Entwaffnet und mit unzureichender Verankerung in der Arbeiterschaft, sah sie sich, genau wie schon die Patriotische Union vor ihr, massiver Repression ausgesetzt, sowohl vonseiten des Staates als auch durch die AUC (Autodefensas Unidas de Colombia), den neugegründeten Dachverband der rechtsextremen Bürgerwehren, deren Hauptziel die Bekämpfung der Guerillagruppen war.

Die militärische Repression nahm während der Amtszeit von Präsident Uribe (2002-2010) enorm an Intensität zu. Gemeinsam mit dem damaligen Verteidigungsminister, jetzigen Präsidenten und frischgebackenen Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos wurde zu radikalen Mitteln gegriffen, um die FARC militärisch zu besiegen. Der Regierung gelang es auch erhebliche Teile der politischen als auch der militärischen Führung der FARC zu töten, der vernichtende Schlag blieb jedoch aus.

Unter Uribe kam es auch zum sogenannten „Falsos Positivos“-Skandal, bei dem Soldaten gemeinsam mit Paramilitärs ganze Dörfer auslöschten, um die ermordeten Zivilpersonen anschließend als Guerillakämpfer zu verkleiden und so die Prämien für „tote Kommunisten“ zu kassieren. Seit 2010 ist Juan Manuel Santos amtierender Präsident. Ob der Skandale und der Unwahrscheinlichkeit diesen Konflikt militärisch beenden zu können, strebte er einen Friedensprozess an, der mit dem Referendum am 2. Oktober dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen werden sollte.

Der Friedensvertrag sollte der FARC den Status einer Partei zusichern. Schon vor den nächsten Wahlen hätte ihr die Regierung Sitze im Parlament zugestanden. Alle KämpferInnen, die keine Menschenrechtsverletzungen begangen haben, würden in den Genuss einer Amnestie kommen und volle politische Partizipationsrechte sowie eine finanzielle Entschädigung garantiert bekommen. Das war ein durchaus verlockendes Angebot, nicht zuletzt da die Kampffähigkeit der FARC während Uribes Amtszeit stark abgenommen hat. Die FARC rückte dafür im Zuge der Verhandlungen auch von ihren revolutionärsten Forderungen ab, konnte der Regierung jedoch ein, wenn auch noch sehr vages, Bekenntnis zu einer Agrarreform abringen.

Während sowohl der amtierende Präsident als auch die FARC für das Abkommen warben, war der populärste Gegner des Friedensvertrags Ex-Präsident Uribe, der einen homophoben, sexistischen und antikommunistischen Wahlkampf betrieb. Das Motiv hinter seiner Kampagne war aber wohl nicht so sehr die Angst vor einer „chavistischen Gender-Diktatur“. Vielmehr ging es ihm darum den Plan, Menschenrechtsverletzungen sowie Kriegsverbrechen von beiden Seiten durch unabhängige Institutionen überprüfen zu lassen, zu verhindern, da sonst wohl seine Verwicklung in die während seiner Amtszeit begangenen Verbrechen aufgedeckt werden würde. Auch die anvisierte Agrarreform ist Uribe ein Dorn im Auge.

Trotz einer erstaunlich niedrigen Wahlbeteiligung von nur 37,4% lässt sich klar erkennen, dass die Gebiete, in denen die FARC über die letzten Jahrzehnte aktiv war, den Vertrag eher unterstützten, als die Regionen, die von den Kämpfen verschont geblieben waren. Dieses Phänomen lässt sich auch mit dem Blick auf die Oligarchie Kolumbiens beobachten, denn während die eine Fraktion sich mit einem Machtverlust durch eine eventuelle Bodenreform konfrontiert sieht, unterstützte eine andere Fraktion das Abkommen in der Hoffnung durch eine Befriedung der umkämpften Gebiete, um diese effektiver und nachhaltiger ausbeuten zu können.

Direkt im Anschluss an das Referendum traf sich Santos zunächst mit Uribe, worauf sich die FARC wieder in den Dschungel begab und Stellung bezog. Die Führung der FARC ist äußerst bestrebt, diese Verhandlungen positiv abzuschließen, dies wird jedoch nicht ohne weitere Zugeständnisse an die kolumbianische Oligarchie passieren können. Dem wird die geplante Agrarreform höchstwahrscheinlich zum Opfer fallen und auf bloße Formalitäten reduziert werden.

Die bereits aufgenommenen Nachverhandlungen lassen das weitere Geschehen offen. Es besteht die Möglichkeit, dass der Friedensprozess nun von vorne beginnt und auch andere bewaffnete Gruppen wie z.B. die Ejército de Liberación Nacional (ELN, deutsch Nationale Befreiungsarmee) einschließt und eine linke Alternative in Kolumbien aufgebaut wird, welche angesichts der in den letzten Jahren immer wieder aufflammenden Klassenkämpfen auch dringend nötig wäre.

Aktuell verlautbaren sowohl die Regierung als auch die Guerilla, das Friedensabkommen trotz des gescheiterten Referendums durchsetzen zu wollen und haben die Waffenruhe bis zum Ende des Jahres verlängert. Inwieweit sich jedoch die FARC mit ihren Forderungen behaupten kann, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Zentral ist jedoch, dass sich die FARC die Erfahrungen der Patriotischen Union und der M-19 vor Augen führt und nicht blind und entwaffnet in eine Falle der Oligarchie läuft. Genauso wichtig wird es auch sein, dass sich die Linke nicht nur auf eine Arbeit im Parlament fokussiert, sondern sich vor allem auf die in den letzten Jahren immer wieder aufflammenden sozialen Proteste und Streiks stützt und auf diesem Weg eine Massenverankerung aufbaut.

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