Kategorie: Kultur

Sehenswert: Der junge Karl Marx

Das Interesse an marxistischen Ideen ist nicht totzukriegen. Seit Anfang März läuft in deutschen Kinos ein Spielfilm über den jungen Karl Marx. Erfüllt dieser Film die Erwartungen der Zuschauer?


Über Karl Marx und seine Ideen gibt es in der bürgerlichen Gesellschaft viele Klischees und gezielte Verzerrungen. „Wir behandeln sechs Unterrichtstunden lang Marxismus, damit ihr später nicht darauf reinfallt“, sagte einst mein Geschichts- und Sozialkundelehrer. Und in der Tat war das gewollte Fazit dieses Lehrers nach diesen sechs Stunden: Marx ist ein fanatischer Weltverbesserer und Schöpfer einer Heilslehre, die mit der heutigen Realität nichts zu tun hat. Dies hielt mich nicht davon ab, das Kommunistische Manifest zu lesen und immer wieder zu lesen und mittlerweile einen Großteil meines Lebens für marxistische Ideen zu kämpfen.

Als ich vor einiger Zeit vom Filmprojekt „Der junge Marx“ hörte, das von allerlei Sponsoren getragen wurde, war ich skeptisch und musste wieder an den alten Lehrer denken. Wahrscheinlich wieder so eine rührig-kitschige Inszenierung eines vermeintlich weltfremden und jähzornigen Träumers und Revolutionsfanatikers, dachte ich zuerst. Zur Auffrischung las ich noch einmal Franz Mehrings Marx-Biografie. Als ich dann wenige Tage später den Film bei der Premiere am 2. März sah, war meine spontane Reaktion: Besser als erwartet.

Vorweg sei gesagt: Der Film ist ein Film über den jungen Marx und endet Anfang 1848, also kurz vor seinem 30. Geburtstag. Es ist kein Doku- oder Lehrfilm über sein gesamtes Leben oder über die Entstehung, Entwicklung und Aktualität seiner Ideen, sondern eben ein zweistündiger Spielfilm, bei dem ein Stück weit auch die Freiheit des Künstlers zum Tragen kommt. Es lässt sich lange darüber diskutieren, ob einzelne, allzu menschliche Szenen notwendig sind, ob manches Ereignis, manche Idee, manche Person und manches Zitat zu oberflächlich, abgespeckt, klischeehaft und verkürzt dargestellt sind oder wie gut die deutsche Synchronisation gelungen ist. Aber das ist nicht der Punkt.

Unbestreitbar gut sind die schauspielerischen Leistungen der Hauptdarsteller, so August Diehl als Karl Marx, Stefan Konarske als Friedrich Engels. Vicky Krieps als Jenny Marx und Hannah Steele als Engels’ Lebenspartnertin Mary Burns. Sie vermitteln ein realitätsnahes Bild der Persönlichkeiten und ihres Lebens. So wird rasch klar, dass sich mit Marx und Engels 1844 in Paris „genau die Richtigen“ gefunden haben, die auf Augenhöhe über Jahrzehnte bis zum Tode von Karl Marx als Pioniere des Wissenschaftlichen Sozialismus fruchtbar zusammenarbeiteten und sich ergänzten, gleichzeitig jedoch ohne ihre Partnerinnen ihr Werk so nicht zustande gebracht hätten. Da ist zum einen Jenny Marx, die nicht als Heimchen am Herd ihr Dasein fristet und Karl den Rücken freihält, sondern sich in die politischen Debatten und die Redigierung des Manifests mit einmischt. Da ist Mary Burns, die irischstämmige klassenbewusste Proletarierin aus Manchester, die Friedrich in den Proletarieralltag einführt und bei ihm für „Bodenhaftung“ sorgt. So vollzieht Engels, auch wenn er für seinen und Marx' Lebensunterhalt zur Arbeit als Manager im elterlichen Betrieb in Manchester gezwungen ist und ihm dieser Druck bisweilen unendlich schwer fällt, einen Bruch mit der bürgerlichen Klasse, in die er hineingeboren wurde und nimmt bis zu seinem letzten Atemzug den Standpunkt der arbeitenden Klasse ein. Symbolisch ist ein Schlagabtausch von Marx und Engels mit einem bourgeoisen Freund von Engels senior in einem Londoner Club, bei dem dieser Kapitalist Kinderarbeit als vermeintlichen Sachzwang unter Konkurrenzdruck verteidigt und Marx kurz und knapp feststellt: „Ich nenne es nicht Lohn, ich nenne es Ausbeutung.“

Der Film präsentiert uns einen jungen Marx, der sich als konsequenter und radikaler Demokrat mit spitzer Feder und seinen Zeitungsprojekten gegen die Obrigkeit auflehnt, statt opportunistischer Anpassung und Karriere seinen Zielen und Überzeugungen treu bleibt und dafür auch ins Exil geht und Not und Entbehrungen auf sich nimmt. Einen glänzenden jungen Intellektuellen, der wesentlich dazu beitrug, der damals in den Kinderschuhen steckenden jungen Arbeiterbewegung Orientierung, Perspektiven und Programm zu vermitteln. Er zeigt, dass sich Marx und Engels aber nicht mit einer sektiererischen Randexistenz als Literaten und Kritiker zufrieden geben wollten, sondern um ihren Zugang zur Organisation der fortschrittlichsten Kräfte im Proletariat kämpften und beim Übergang und der Umbenennung vom Bund des Gerechten zum Bund der Kommunisten eine maßgebliche Rolle spielten. Sie waren aber keine Wohltäter, die sich aus Mitleid mit den Proletariern erbarmten, sondern setzten darauf, dass sich das Proletariat als einzige wirklich revolutionäre Klasse organisiert und darauf vorbereitet, die Staatsmacht zu erobern.

Ende 1847 beauftragte der Bund Marx und Engels mit der Abfassung einer populären programmatischen Schrift bis Anfang 1848. Weil sich die Ablieferung des Manuskripts verzögerte, drängte die Leitung des Bunds die beiden zur Eile und drohte damit, andere Mitglieder mit der Erstellung des Manifests zu betrauen. Schließlich ging das Manifest aber doch noch rechtzeitig zum Ausbruch der internationalen Revolution in Druck. Damit endet der Film übrigens.

Natürlich setzt „Der junge Karl Marx“ viel Wissen voraus, weil theoretische Fundamente wie Materialismus und Dialektik ebenso wie engagierte Debatten mit verschiedenen Strömungen in der Bewegung, aus denen heraus sich der von uns etwas verkürzt als „Marxismus“ bezeichnete Wissenschaftliche Sozialismus von Marx und Engels entwickelt hat, im Grunde nur schlagwortartig erwähnt werden. Wer den Film in seinen Nuancen erfassen und irgendwie auch genießen will, sollte natürlich ein gewisses Maß an Wissen mitbringen. So regt er dazu an, die „blauen Bände“ mal wieder in die Hand zu nehmen und erneut frühe Werke von Marx und Engels zu studieren. Doch auch wer dieses Wissen noch nicht mitbringt, wird durch den Film in aller Regel nicht abgeschreckt, sondern vielleicht sogar animiert, Marx und Engels zu lesen und die geschichtlichen Zusammenhänge ihrer Zeit zu erfassen – angefangen mit dem Kommunistischen Manifest. Zeigt mir mal ein politisches und literarisches Werk aus den 1840er Jahren, das sich auch im 21. Jahrhundert so aktuell und hochmodern liest wie eben das Manifest!

Dass der Funke bei manchen Kinobesuchern überspringen kann, haben wir jetzt erfahren. Noch nie war das Interesse am Manifest im Kino so hoch und selten zuvor hat ein Spielfilm so engagierte Diskussionen ausgelöst und Neugier bei jungen Menschen geweckt wie in den vergangenen Wochen. Also: Schaut Euch den Film an und nehmt ihn zum Anlass, um die revolutionären Ideen von Marx und Engels zu verinnerlichen und umzusetzen. 

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