Kategorie: Amerika

Konterrevolution in Venezuela lässt nicht locker

Am späten Nachmittag des 4. August 2018 ließ ein versuchter Terroranschlag auf den venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro aufhorchen. Der Präsident nahm gerade eine Militärparade in Caracas ab, als eine Sprengstoffexplosion die Tribüne erschütterte. Er blieb unverletzt, aber mehrere seiner Leibwächter trugen Verletzungen davon.


Dieser Angriff ist vor dem Hintergrund der vor fast 20 Jahren in Venezuela ausgelösten Bolivarischen Revolution kein Einzelfall. Denn Attentate, Terrorakte und gewalttätige Übergriffe durch Teile der rechten Opposition gegen Anhänger dieser Revolution, gegen Arbeiter, Bauern und Jugendliche gehören seither zum Alltag. 2002 wurde ein Staatsstreich gegen den Präsidenten Hugo Chávez allein durch den millionenfachen Widerstand der Massen gestoppt.

Die nach wie vor herrschende Oligarchie, rechte Teile des Militärs und faschistische Kräfte haben sich nie mit dem revolutionären Prozess versöhnt, der Millionen Menschen wachgerüttelt hat. US-Präsident Donald Trump dachte im vergangenen Jahr laut über eine US-Militärinvasion in Venezuela zum Sturz von Maduro und seiner Regierung nach. Berichte über Putschpläne von Teilen des Militärs in enger Tuchfühlung mit US-amerikanischen und kolumbianischen Geheimdiensten machten die Runde. All diese Kräfte wollen sich die tiefe wirtschaftliche und politische Krise des Landes zunutze machen, um die Regierung zu stürzen und alle noch vorhandenen Errungenschaften im Interesse der breiten Mehrheit der Bevölkerung zu zerstören.

Begleitet von imperialistischer Aggression, Wirtschaftskrise, Hyperinflation und der Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Arbeiterklasse und die Armen hatten am 20. Mai in Venezuela Präsidentschaftswahlen stattgefunden. Doch der wiedergewählte Präsident Maduro und seine Regierung setzen ihre Politik der Zugeständnisse an das Kapital fort. Ohne subventionierte Lebensmittelpakete, Migration und Dollar-basierte Wirtschaft hätte die Situation bereits zu einer landesweiten sozialen Explosion geführt. Die Stimmung der Chavista-Basis ist zunehmend kritisch gegenüber der Führung.

Die imperialistischen Staaten weigerten sich, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen im Mai anzuerkennen. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) bezeichnete auf ihrer Generalversammlung am 5. Juni die Wahlen als „nicht legitim“ und forderte die Mitgliedstaaten auf, "die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Maßnahmen zu ergreifen", um die „Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Venezuela " zu ermöglichen.

Maduro (6.248.864 Stimmen) gewann deutlich vor dem Oppositionskandidaten Henri Falcón (1.927.958 Stimmen), was eine klare Absage an den Imperialismus war. Besonders auffällig war, dass ein bedeutsamer Teil der Lohnabhängigen und Armen für Maduro stimmte und damit großes Klassenbewusstsein zeigte. Die Bevölkerung glaubt nicht daran, dass ihre dringlichsten Probleme von der reaktionären Opposition, die auf der Seite des europäischen und US-amerikanischen Imperialismus steht, gelöst würden.

Imperialistische Reaktion

Die Antwort des Imperialismus und seiner regionalen Verbündeten auf die Wahlen, die sie nicht verhindern konnten, war vorhersehbar: Mehr Druck, mehr Sanktionen und weitere Aufrufe zum Staatsstreich. Unter dem Mantel der „Sorge um die Demokratie“ wollen die Imperialisten die „humanitäre Krise“, wie die Lage in Venezuela bezeichnet wird, regeln - doch die Arbeiterklasse lässt sich nicht täuschen. Die Denunzierung kam etwa von der inzwischen abgewählten Rechtsregierung in Mexiko (mit einer Geschichte von Wahlbetrug und Menschenrechtsverletzungen), aus Honduras (ein Regime, das durch einen blutigen Militärputsch und Wahlbetrug bestätigt wurde), oder Brasilien (dessen derzeitige Regierung von niemandem gewählt wurde). Selbstverständlich hat auch Washington seine Finger entscheidend im Spiel – mit einer langen Liste von Militärputschen, Invasionen und Drohnenbombardierungen von Unschuldigen im Namen von "Frieden" und "Demokratie".

Die Trump-Regierung verschärfte die Sanktionen gegen Venezuela, noch bevor die endgültigen Wahlergebnisse bekannt gegeben worden waren. Selbstverständlich will die US-Regierung Venezuela zur Unterwerfung bringen. Diese Sanktionen werden durch Maßnahmen einer Reihe lateinamerikanischer Regierungen und zahlreicher weiterer Restriktionen ergänzt, die den Zugang Venezuelas zum Finanzsystem der Welt zunehmend erschweren. Das Mittel zum Erfolg des Imperialismus ist ökonomische Abschottung der ungeliebten Feinde.

Unterdessen setzt sich die Wirtschaftskrise in Venezuela fort. Sie wird durch Sanktionen und die Tatsache verstärkt, dass die Regierung keinen Zugang zu neuen Finanzierungsquellen hat. Es fehlen Mittel für Investitionen, Wartung und Reparaturen etwa der Erdölindustrie. Ausdruck der Krise sind regelmäßige Stromausfälle, Wasserknappheit oder enorme Preiserhöhungen im öffentlichen Verkehr.

Vorübergehende Fluchtventile

Der einzige Grund, warum die Wirtschaftskrise noch nicht zu einer sozialen Explosion geführt hat, liegt in der Emigration, subventionierten Nahrungsmittelpaketen oder Boni für Familien und Jugendliche, welche die Situation mildern. Eine echte Lösung ist das nicht. Für diese Maßnahmen druckt die Regierung Geld, das es nicht hat. Dies erhöht das massive Haushaltsdefizit und treibt die Inflation in schwindelnde Höhen. Darüber hinaus werden viele der Produkte, aus denen die Lebensmittelpakete bestehen, importiert. Sie verschlingen nicht nur die ohnehin schon dürftigen internationalen Währungsreserven, sondern sind zudem anfällig für Sanktionen aus Ländern wie Kolumbien, Brasilien, Argentinien und Mexiko, die Venezuela gegenüber äußerst aggressiv auftreten.

Ein wichtiges Fluchtventil ist die Migration. Hunderttausende Venezolaner, hauptsächlich jüngere Menschen, verlassen das Land auf der Suche nach Jobs im Ausland, wodurch sie ihre Familien mit Überweisungen über Wasser halten. Vor ein paar Jahren betraf dieses Phänomen vor allem Familien der Mittel- und Oberschicht mit dem Ziel Europa oder USA. Mittlerweile gibt es immer mehr Jugendliche aus Arbeiterfamilien, die in Nachbarländer gehen, wo sie in den schlechtesten Jobs mit schlechter Bezahlung und unter den schlimmsten Bedingungen brutal ausgebeutet werden. Wenn man bedenkt, dass der Mindestlohn in Venezuela 1,25 Dollar entspricht (auf dem Schwarzmarkt), kann jedes Geld, das diese Migranten zurückschicken können, ihren Familien helfen.

Zugeständnisse an das Kapital

Unmittelbar nach den Wahlen nahm Maduro seine Politik der Zugeständnisse an die Opposition und Kapitalisten wieder auf und verärgerte die Chavista-Basis, indem er auf einem hochrangigen Treffen mit den Vertretern des Finanzkapitals all dessen Forderungen im Wesentlichen akzeptierte.

Die Wiederwahl von Maduro hat nichts gelöst. Sie hat die Rückkehr der Oligarchie und ihrer direkten Vertreter an die Macht aufgeschoben, doch noch immer zahlen die arbeitenden Menschen den Preis der Wirtschaftskrise. Es ist klar, dass die Politisierung der Arbeiter und Bauern unabdingbar ist. Die Sehnsucht nach einem freien Leben ist da, doch auf Maduro ist dabei kein Verlass. Die geeinte Arbeiterklasse muss ihr Glück selbst in die Hand nehmen und unter dem Banner echter Forderungen für die Verbesserung ihrer Lebenssituation und eine sozialistische Demokratie kämpfen. Es ist keine leichte Aufgabe, da die Wirtschaftskrise die arbeitenden Menschen schwer belastet, die verzweifelt von ihrem täglichen Überleben absorbiert werden. Es ist jedoch notwendig und die einzige Möglichkeit, wie diese komplexe Situation eine Lösung für die Arbeiter und die Armen von Venezuela haben kann, die in den letzten 20 Jahren so viel gekämpft, erreicht und geopfert haben.

Was nun?

Die Situation wird für die Masse der Arbeiter, Bauern und Armen immer unerträglicher und wird neue soziale Explosionen auslösen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Teile des Militärs einen Putsch vorbereiten, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Die IMT kämpft in Venezuela am linken Flügel der chavistischen Bewegung für den Aufbau einer revolutionären Führung und ein sozialistisches Programm. Eine wirkliche Lösung der brennenden Alltagsfragen erfordern eine Enteignung von Kapitalisten, Banken und Großgrundbesitzern, Kontrolle von unten und eine demokratische geplante Wirtschaft im Interesse der breiten Masse. Das einzige wirksame Mittel gegen Bürokratie und Korruption liegt in Arbeiter- und Bauernräten, die die Macht und Kontrolle ausüben. Ein revolutionäres Venezuela sollte an die Arbeiter, Bauern und Armen in ganz Lateinamerika appellieren, die tatkräftig zu unterstützen und ihrem Beispiel zu folgen.

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