Kategorie: DIE LINKE

Das BGE als Wolf im Schafspelz

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wird in linken Kreisen oftmals als das ideale Modell präsentiert, um den Herausforderungen der Industrie 4.0, Arbeitslosigkeit, Hartz IV-Schikanen und prekären Arbeitsverhältnissen zu begegnen. Dies aber ist eine gefährliche Illusion. Im Folgenden wollen wir den Mechanismus des Bedingungslosen Grundeinkommens näher betrachten.


Das BGE ist eine alternative Leistungsart zur Abschaffung des Sozialstaats, welcher in Deutschland auf diversen Sozialversicherungen (Kranken-, Renten-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungen) fußt und von der Arbeiterklasse in den letzten 150 Jahren erkämpft wurde. Denn würden alle diese Transferleistungen, welche teilweise nach Bedürftigkeit gezahlt werden, zu einem Grundeinkommen zusammengefasst, so würde der Neoliberalismus dem Ziel eines Minimalstaats durch Abschaffung der Sozialversicherungssysteme einen deutlichen Schritt näherkommen. Nun werden die linken Befürworter dieses Modells aber entgegenhalten, dass es der Bevölkerung relativ egal sein könne, auf welchem Wege ihre Leistungen bezogen werden.

Wir werden sehen, dass dies eine grobe Fehleinschätzung ist, denn das BGE ist unmittelbar mit der Finanzierungsfrage verbunden. Götz Werner, Gründer der dm-Drogeriekette, bekundete in einem Artikel des „Freitag“ vom 25.05.2016, er streite zwecks Finanzierung eines BGE in der Höhe von monatlich 1.000,00 € um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf mindestens 50 %, da diese (nach Meinung des Milliardärs) die „erfolgreichste“ Steuerart Deutschlands sei. Dass in Wirklichkeit sogar eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 80 % notwendig wäre, ist ebenso eine Tatsache, wie die, dass indirekte Steuern wie jene Mehrwertsteuer von Grund auf asozial sind, da sie niedrige Einkommensklassen am stärksten betreffen. Zudem würde eine solche Erhöhung zu großen Preissteigerungen führen, welche einen großen Teil des ausbezahlten BGE sofort wieder auffressen würden. Und wenn die Löhne nominell gleichblieben, würden sie bei einer Anhebung der Mehrwertsteuer auf 50 % real schrumpfen.

Es ist eine Illusion, dass mit der Einführung eines BGE gleichhohe oder gar höhere Löhne die Folge wären. Oft wird davon ausgegangen, dass die niedrigen Löhne steigen würden, da nun der Zwang zur Arbeit aufgrund des BGE kleiner wäre. Dabei wird allerdings völlig vergessen, dass sich die Löhne nicht einfach beliebig und rein nach Angebot und Nachfrage entwickeln. Das untere Ende der Lohnskala ist im Kapitalismus seit jeher am zum Überleben Notwendigen in einer bestimmten Gesellschaft ausgerichtet. Dies würde sich auch durch ein BGE nicht ändern – allerdings mit dem signifikanten Unterschied, dass sich die kapitalistische Klasse nun über noch kleinere Lohnzahlungen freuen könnte, um die Arbeitsfähigkeit der Arbeitenden sicherzustellen.

In letzter Instanz wäre ein BGE vor allem eine massive Subvention für die großen Unternehmen, denn ihre Lohnkosten könnten dadurch innerhalb kurzer Zeit stark gesenkt werden. Zudem wäre absehbar, dass die den Markt dominierenden Unternehmen dabei die Warenpreise nicht senken würden, wie es bei ihren Kursgewinnen auch nie getan wurde. Die Einführung eines BGE würde den Unternehmen enorme – von der Arbeiterklasse finanzierte – Extraprofite schenken, während viele Lohnabhängige mit real gesunkenen Löhnen konfrontiert wären. Wer schließlich überhaupt nicht arbeiten gehen würde, wäre nur noch stärker vom Sozialleben ausgeschlossen.

Der Hauptwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit

Wir müssen uns fragen, inwiefern aus sozialistischer Perspektive ein BGE wirklich erstrebenswert sei. Als Sozialisten teilen wir die postmoderne Idee überhaupt nicht, dass uns die Arbeit ausgehe und viele gar nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt gebraucht würden. Dies ist in vielerlei Hinsicht grundsätzlich falsch und obendrein hochgradig zynisch. Falsch deshalb, weil sich diese Annahmen lediglich auf die reichen, westlichen Industriestaaten beschränken, jedoch in den letzten Jahrzehnten ein großer Teil der Produktion in andere Länder ausgelagert wurde. Zynisch, weil damit vorausgesetzt wird, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung auf dem heutigen, extrem tiefen Lebensstandard weiterleben sollte. Es braucht die Arbeitskraft jedes Menschen auf dieser Erde, um allen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Es braucht dazu aber auch fortschrittliche Technik, was heute oft nicht der Fall ist. Eines der größten Verbrechen des Kapitalismus ist, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung dank total veralteter Technologie völlig ineffizient arbeitet, da es oft profitabler ist, Menschen mit vergleichsweise primitiven Werkzeugen zu Hungerlöhnen arbeiten zu lassen. Durch Arbeit auf der Höhe der technischen Möglichkeit ließen sich auch die meisten unangenehmen Arbeiten weitgehend verhindern.

Da ausschließlich die menschliche Arbeitskraft gesellschaftlichen Wert erschafft, so ist es eben die Arbeit und die menschliche Schöpfungskraft, welche verantwortlich sind für den technologischen Fortschritt und den gesellschaftlichen Wohlstand. Das BGE hingegen versucht die Rolle der menschlichen Arbeit vom konsumierbaren Wohlstand zu entkoppeln. Wohlstand wird so nicht mehr als Resultat gesellschaftlicher Arbeit, sondern als reine Kaufkraft mit dem verfügbaren Einkommen wahrgenommen. Folge davon ist eine weitere Entfremdung vom Produktionsprozess. Die Befürworter behaupten dabei, Freiheit erlange man durch eine Befreiung vom Zwang der Arbeit. Sozialisten wollen aber nicht den Menschen von der Arbeit befreien, sondern die Arbeit aus den Klauen der kapitalistischen Profitlogik entreißen.

Was Arbeit im Kapitalismus schwer macht – die Entfremdung des Individuums vom Arbeitsprozess, dass Mehrwert entsteht und vom Kapitalisten angeeignet wird, prekäre Arbeitsbedingungen, drohende Arbeitslosigkeit und deren Konsequenzen – ist eine direkte Folge des Privateigentums an den Produktionsmitteln. Das Grundeinkommen zielt jedoch in eine ganz andere Richtung. Anstatt Arbeit für alle zu fordern, die Arbeit unter allen zu verteilen und damit die Erwerbsarbeitslosigkeit abzuschaffen, wird das kapitalistische System durch die Einführung eines BGE nur weiter gefestigt.

Linke Modelle des BGE gehen die Probleme unserer Zeit daher völlig falsch an. Man möchte scheinbar eine soziale und gerechte Gesellschaft schaffen, ohne die herrschenden Machtverhältnisse und den Besitz der Wirtschaft durch eine kleine, reiche Minderheit anzutasten. Es ist zudem eine völlige Illusion, dass die herrschende Klasse eine fortschrittliche Umsetzung des BGE zulassen würde. Es ist eine Frage des Kräfteverhältnisses zwischen der Arbeiterklasse und den Kapitalisten. Die Lohnabhängigen sollten ihre Stärke besser dafür nutzen, die Wirtschaft unter die demokratische Kontrolle der Mehrheit zu bringen. Damit wären gute Löhne, Arbeitsbedingungen und auch substanzielle Arbeitszeitverkürzungen realisierbar.

Oft wird dem BGE eine emanzipatorische Wirkung für Frauen zugesprochen. Laut den Befürwortern wird ein BGE die bisher unbezahlte Arbeit (z.B. Haushalt, Betreuung, Erziehung) entlohnen und die Menschen, welche bisher finanziell abhängig waren von ihren Angehörigen, hätten so eine Möglichkeit, sich aus dieser Abhängigkeit zu emanzipieren. Dies mag teilweise stimmen, die entscheidendere Auswirkung wäre aber, insbesondere aufgrund der Lohndifferenzen zwischen Mann und Frau, dass das BGE quasi eine Herdprämie darstellen würde - also die Frauen erst recht an den Herd gedrängt würden. Das BGE hätte also keineswegs eine emanzipatorische Wirkung, sondern würde die bestehenden Rollenbilder vielmehr weiter zementieren. Auch sollte unser Ansatz nicht sein, die Haushaltsarbeit gänzlich im Privaten zu belassen, sondern diese soweit wie möglich gesellschaftlich zu organisieren.

Die marxistische Herangehensweise

Die führenden Kräfte in der Debatte um ein BGE sind eben keine Linken, sondern im Gegenteil, neoliberale Vertreter des Kapitalismus. Es ist kaum zu glauben, dass Teile der Linken sich einmal mehr in einen sinnlosen Kampf stürzen wollen, der von Anfang an verloren und propagandistischer Selbstmord ist. Wir sollten stattdessen für eine flächendeckende armutsfeste Sozialversicherung, ein gutes Stipendienwesen und gute Renten kämpfen. Vor allem müssen wir aber wieder einen Fuß in die Betriebe kriegen und sozialistische Gedanken unter der Klasse der Lohnabhängigen verbreiten. Wenn wir das schaffen, dann sind wir nicht auf solche Pseudolösungen angewiesen, sondern können das Problem an der Wurzel packen.

Die Vertreter des BGE verlangen zu Recht mehr freie Zeit, damit die Menschen in den Bereichen der Kunst, Erziehung, Sport, Politik, Familie und vielen weiteren aktiver sein können. Das Bedürfnis nach mehr freier Zeit und weniger durch Lohnarbeit fremdbestimmter Zeit ist völlig berechtigt. Es geht aber darum, die notwendige Arbeitszeit für alle zu reduzieren und die freie Zeit für alle zu vergrößern. Das ist das Grundinteresse aller Lohnabhängigen. Nicht die individuell zu entscheidende Lohnarbeitszeitverkürzung auf null steht auf der Tagesordnung, sondern die kollektiv zu erkämpfende Arbeitszeitverkürzung für alle. Diese ist aufgrund höherer Produktivität und größeren gesellschaftlichen Reichtums heute objektiv möglicher denn je. Dies sollte das gemeinsame Kampfziel aller Gewerkschafter und Linken sein.

Wir brauchen eine schonungslose Kritik der Lohnarbeit und des Kapitals, das von ihr lebt. Die Kritik an der Lohnarbeit dient aber den Vertretern des BGE nur dazu, ihren eigenen Abschied von der Lohnarbeit zu fordern. Sie wollen sich von unselbständiger Beschäftigung befreien und sich gewissermaßen mit Hilfe von Steuergeldern selbständig machen. Die Lohnarbeit aber besteht weiter und muss auch weiterbestehen, wenn das Geld fließen soll, dessen Bezug als Menschenrecht deklariert wird. Geld setzt die Produktion von Waren voraus. Es ist der Wertausdruck der Waren und selbst eine Ware. Die Produktion von Waren wiederum ist heutzutage kapitalistische Warenproduktion.

Und das wiederum bedeutet, dass auch die Arbeitskraft eine Ware ist, die vom Kapital gekauft wird, damit es sich über die Nutzung ihrer unbezahlten Arbeit vermehren kann. Das Kapital selbst besteht am Anfang und am Ende dieses Prozesses aus Geld, das sich immer wieder anlegt, zu dem ausschließlichen Zweck, sich uferlos zu vermehren. Geld ist also auch die Erscheinungsform des Kapitals. Eingeschlossen in diese Produktion von Kapital als Selbstzweck der Geldvermehrung sind die Erscheinungen, die von den Vertretern des BGE so heftig angegriffen werden. Die Unselbständigkeit der Lohnarbeiter, die Produktion von Arbeitslosigkeit, Armut, Ausgrenzung und Existenzunsicherheit sind die notwendigen Folgen der Kapitalverwertung. Und ausgerechnet das Geld, dessen Summen sich in diesem Prozess immer mehr vergrößern, soll die Heilung der Probleme, die Alternative zu Lohnarbeit und Armut, soll soziale Sicherheit ermöglichen?

Die Rate der Ausbeutung der Arbeitskraft (Mehrwertrate) ist das exakte Maß für die Kräfteverhältnisse im kapitalistischen Produktionsprozess. Die Senkung von betrieblichen Löhnen ist ein wichtiger Faktor, dieses Kräfteverhältnis zugunsten des Kapitals zu verschieben, die Mehrwertrate (aus dem der Profit des Kapitalisten stammt) zu erhöhen und die Seite des variablen Kapitals (also die Seite der Arbeitenden) zu senken. Umgekehrt führen höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und generell alle Formen der Kontrolle der Arbeiter und Arbeiterinnen gegenüber der Unternehmensleitung zu einer Erhöhung des variablen Kapitals auf Kosten der Mehrwertrate, was also den kapitalistischen Profit herabsetzt. Daher kann es in keiner Weise unsere Aufgabe sein, dem Kapitalismus mithilfe eines BGE einen Freifahrtschein für seine ungezügelte Profitlogik zu gewährleisten. Unsere Antwort auf Dumpinglöhne, hohe Arbeitszeiten und Ungleichbehandlung von Männern und Frauen darf nicht mit der Logik des Kapitalismus harmonieren, wenn wir es mit unserem sozialistischen Profil ernst meinen.

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