Kategorie: Ökologie

Verkehrspolitik: Braucht Deutschland Entwicklungshilfe?

Den erbärmlichen Zustand von Infrastruktur und Verkehrspolitik in diesem Lande bringen markante Meldungen der letzten Wochen schlaglichtartig auf den Punkt.


Durch einen Tunneleinbruch in Rastatt, der die darüber liegenden Gleise um 50 cm absenken ließ, ist die Rheintalstrecke zwischen Karlsruhe und Basel und damit eine der wichtigsten Bahntrassen Europas mindestens bis zum 7. Oktober blockiert. Während sich auf den überfüllten Autobahnen ein Lkw hinter den anderen reiht und die Rastplätze die Brummiflut nicht mehr fassen können, gibt es für mehrere hundert Güterzüge, die täglich durch das Oberrheintal fahren, ausgerechnet hier keine Ausweichstrecke.

Die Bahnmanager hatten keinen „Plan B“ für einen Super-Gau beim Tunnelbau und die Spitzenpolitiker schauen weg. Sie wollen nicht an ihre Versäumnisse der letzten Jahrzehnte erinnert werden. Denn die als Umleitungsstrecke in Frage kommenden Trassen in Baden-Württemberg haben mehrere Nachteile. Sie sind nicht durchgehend elektrifiziert und teilweise nur eingleisig. Weil die Politik vor allem auf die Straße setzte, wurde der Schienenausbau in der Fläche über Jahrzehnte sträflichst vernachlässigt. In Deutschland sind nur 60 Prozent aller Bahnstrecken elektrifiziert, in der Schweiz nahezu 100 Prozent.

„Nach dem peinlichen Scheitern deutscher Tunnelbauer muss sich die Schweiz überlegen, ihr Entwicklungshilfebudget aufzustocken, um dringend benötigte Ingenieure zum Einsatz bringen zu können”, spottet die Basler Zeitung und bezeichnet Deutschland als “Drittweltland”. Dahinter steckt der Frust von Schweizer Unternehmen, die auf Bahntransporte angewiesen sind und jetzt unter Lieferengpässen leiden. Nun setzen Deutsche Bahn und Spediteure auf Ersatztransporte über die Straße. Würden jedoch alle Güter 1:1 auf Lkw umgeladen, so liefe auf der schon jetzt hoffnungslos überlasteten, parallel verlaufenden Autobahn A5 gar nichts mehr.

Autobahnprivatisierung

Während Bundesrat und Bundestag jüngst grünes Licht für die Privatisierung von Bundesfernstraßen gaben, steht im Norden ein Vorzeigeprojekt deutscher Autobahnprivatisierung vor der Pleite. Die Gesellschaft A1 mobil, ein öffentlich-privates Betreiberkonsortium, an dem neben dem Bund die Firmen Bilfinger Berger, Johann Bunte und John Laing beteiligt sind, hatte vor einem Jahrzehnt Ausbau und Betrieb der Autobahn A1 zwischen Hamburg und Bremen übernommen und bekam dafür den Zugriff auf die Lkw-Maut. Weil die Mauteinnahmen jedoch geringer als erwartet sind, ist das Projekt für die privaten Partner offenbar nicht mehr profitabel. Nun wird über kurz oder lang wieder der Bund mit unseren Steuergeldern einspringen. So viel zur neoliberalen Behauptung, privat wäre immer besser als Staat.

Der hoch subventionierte Straßenverkehr belastet die Umwelt enorm. Güter und Personen gehören auf die umweltfreundliche Bahn. Diese Erkenntnis gehört jedoch heute nicht mal mehr zum guten Ton von Mainstreampolitikern. Den Autokonzernen und ihren Lobbyisten fallen als Antwort auf den Dieselskandal und die heranrollende Autokrise nur Zauberworte wie Elektromobilität, Digitalisierung und sogenanntes „autonomes Fahren“ ein. Doch auch selbstfahrende Elektroautos und Lkw verbrauchen massiv Energie, verstopfen Straßen in Stadt und Land und ändern nichts an der steigenden Zahl von Unfalltoten. Statt Autobahnen mit Stromabnehmern für digital gekoppelte Hybrid-Lkw-Kolonnen auszurüsten, muss das bestehende Schienennetz zügig flächendeckend elektrifiziert werden. Der Kahlschlag, der seit dem Einstieg in die Bahnprivatisierung vor über 20 Jahren den regionalen Schienengüterverkehr zerstört hat, muss rückgängig gemacht werden.

Im Interesse von Mensch und Natur muss die Eisenbahn wieder das Rückgrat eines sozialen und ökologischen Verkehrswesens bilden. Damit wären Straßenverkehr und Luftverkehr im Kurz- und Mittelstreckenbereich teilweise überflüssig. Doch diese Ziele sind mit der Herrschaft privater, profitorientierter Konzerne und mit Privatisierungen im Verkehrswesen unvereinbar. Alle Auto- und Verkehrskonzerne müssen in öffentliches Eigentum überführt und unter die Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden. Das Wissen und Potenzial der Belegschaften wird weiter gebraucht. Es könnte vor allem für die Entwicklung alternativer Produkte und Systeme für eine radikale Verkehrswende genutzt werden.

Gesamtgesellschaftlich kosten die vom Straßen- und Luftverkehr verursachten Schäden deutlich mehr als eine umweltbewusste Schienen-Mobilität in den Händen des Staats und zum Nulltarif für alle. „Zentralisation des Transportwesens in den Händen des Staats“ lautet eine Forderung im Kommunistischen Manifest von 1848. Sie ist aktueller denn je.

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