Kategorie: Ökologie

New Orleans versinkt in den Fluten: Katrina und die Folgen


„Es tritt hiermit offen hervor, dass die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse der Gesellschaft zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klasse der Gesellschaft als regelndes Gesetz aufzuzwingen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muss, statt von ihm ernährt zu werden. Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, d.h., ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Gesellschaft.“ (Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei)


Vor fast 100 Jahren erklärte V.I. Lenin, dass das Leben im Kapitalismus für die riesige Mehrheit der der Menschheit ein “Schrecken ohne Ende“ sei. Armut, Hunger, der Mangel an Trinkwasser, Elektrizität und Wohnraum sind neben Arbeitslosigkeit, mangelnder Gesundheitsfürsorge und dem Fehlen eines Bildungswesens das Schicksal von buchstäblich Milliarden Menschen auf dieser Erde. Bis vor kurzem existierte diese schreckliche Realität für die meisten US-AmerikanerInnen nur in „sehr weit entfernten Winkeln dieses Globus, über die man nichts weiß“ – und natürlich in den Innenstädten der USA, wohin sich aber niemals eine TV-Kamera verirrte.

 

Über Nacht ist jetzt plötzlich alles anders. Jetzt flimmern Bilder über die TV-Schirme, die einen Eindruck unvorstellbarer Zerstörung vermitteln – aber diesmal kommen sie nicht aus Bangladesch oder Sri Lanka, sondern aus der Stadt des Mardi Gras und der Bourbon Street: New Orleans. Sowohl in der Natur wie in der Gesellschaft können scheinbar unbedeutende Vorfälle eine Ereigniskette in Gang setzen, deren Endergebnisse in keinem Verhältnis zu den auslösenden Faktoren steht. Vor allem in einer instabilen Situation, wenn ein System vor einem dialektischen Sprung steht, oder – naturwissenschaftlich ausgedrückt – sich an der „Chaosschwelle“ befindet, kann die kleinste Veränderung ungeheure Kräfte auslösen. Unter bestimmten Bedingungen reicht eine Schneeflocke oder auch nur ein Schneekristall, um eine Lawine auf einem schneebedeckten Hang in Gang zu setzen – der sprichwörtliche „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“.

 

In der wissenschaftlichen Disziplin der Chaostheorie wird dies auch als “sensitive Abhängigkeit” oder “Schmetterlingseffekt” bezeichnet. Gewisse Bedingungen können dazu führen, dass der normalerweise völlig unbedeutende Luftzug, der durch das Schlagen der Flügel eines Schmetterling erzeugt wird, eine Wirkungskette auslöst, an deren Ende unglaublich Kräfte zur Wirkung kommen. Mit anderen Worten: der minimale Energiebeitrag des Schlagens der Schmetterlingsflügel kann ein System zum Kippen bringen, so dass es sich plötzlich völlig anders verhält. Wenn dies schon ein süßer kleiner Schmetterling schafft, wie schlimm kann sich dann ein Hurrikan der Stärke 4 auswirken, dessen Windgeschwindigkeit bei über 160 km/h liegt? Der Hurrikan „Katrina“, von dem man zunächst dachte, dass er bloß ein „ganz gewöhnlicher“ Hurrikan sei, wird sich als ein solcher Katalysator herausstellen, der ein System zum Kippen brachte.

 

Das Ausmaß der durch Katrina bewirkten Zerstörung können zum heutigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden. Die Wahlen im Jahr 2000, der Angriff am 11. September, der Zusammenbruch des Energieriesen Enron und die Kriege in Afghanistan und im Irak haben das Bewusstsein der amerikanischen Arbeiterklasse erschüttert. Die in Jahrzehnten angehäufte Lethargie und Ignoranz gegenüber der amerikanischen Politik und der Weltpolitik wurde gewaltsam zerstört. Millionen AmerikanerInnen begannen ihre Augen gegenüber der harten Realität in aller Welt zu öffnen und verfolgen jetzt mit gesteigerter Aufmerksamkeit und Interesse die Politik sowohl auf lokaler wie auf globaler Ebene.

 

Jetzt wird eine nicht-wirtschaftliche, nicht-politische, nicht-soziale, nicht-militärische Katastrophe namens Katrina riesige wirtschaftliche, politische, soziale und militärische Auswirkungen haben. Diese Naturkraft hat eben erst begonnen das völlig verrottete kapitalistische System in den USA ins Schlingern zu bringen. Wirbelstürme mögen „natürlich“ sein, aber der Mangel an Vorausplanung auf den Gebieten der Prävention, Evakuierung und Schadensbeseitigung liegt zur Gänze in der menschlichen Sphäre. Die Regierung von G.W. Bush und die Bourgeoisie, die von dieser Regierung repräsentiert wird, muss die volle Verantwortung für diese Katastrophe übernehmen. Jede von Katrina und deren Folgen getötete Person muss als direktes Opfer der Besetzung und des Kriegs im Irak betrachtet werden.

 

Kapitalismus bedeutet Krieg und Elend! In der gemütlichen und sicheren Atmosphäre der Air Force One sitzend, begutachtete der U.S.-Präsident die Zerstörung und nannte sie „historisch“. Diese Worte werden sich in nicht allzu ferner Zukunft als wahre Prophetie erweisen. Katrina wird noch lange als entscheidender, historischer Wendepunkt im Bewusstsein der amerikanischen Arbeiterklasse betrachtet werden. Bereits jetzt wächst das Gefühl, dass Katrina die Verhältnisse in den USA auf die Spitze treiben wird. Millionen AmerikanerInnen ziehen eine Verbindung zwischen dem Irak-Krieg, der Farce des „“Heimatschutzes“, tiefen Einschnitten in den Sozialprogrammen, der Arbeitslosigkeit, den Steuererleichterungen für die Reichen und der völlig unzureichenden Planung für den Fall eines Killersturms, von dem die Behörden wussten, dass er früher oder später eintreten würde. Seit dem 11. September haben wir immer wieder erklärt, dass der “Krieg gegen den Terror” ein Krieg gegen die arbeitenden Menschen in der USA und anderswo ist. Katrina und ihre Folgen demonstrieren die Richtigkeit dieser Aussage in aller Klarheit. Wir haben während der letzten 4 Jahre harte Angriffe auf unseren Lebensstandard, unsere Arbeitsbedingungen und unsere demokratischen Rechte erdulden müssen. All dies wurde im Profitinteresse der Reichen durchgeführt. Die Katastrophe von New Orleans ist nun der stärkste Beweis für den verfaulten Charakter des Kapitalismus.

 

Es sind bereits Hunderte wegen des Wirbelsturms gestorben, viele Beobachter schätzen darüberhinaus, dass die Totenzählung in die Tausende gehen wird. Am Donnerstag nach der Katastrophe waren über 2,3 Millionen Menschen in Mississippi, Louisiana, Alabama und Florida ohne elektrischen Strom. Grobe Fahrlässigkeit und knausriges Cent-Zählen (um den Irak-Krieg finanzieren zu können) haben das Leben Hunderttausender zerstört, die zwar mit dem Leben davongekommen sind, aber ihre Familie, ihre Häuser und ihre Hoffnungen verloren haben. Die Obdachlosen haben nunmehr wenige Möglichkeiten. Selbst der „Astrodome“ in Houston, der Ölhauptstadt der USA, ist bis zum letzten Platz mit Flüchtlingen aus New Orleans gefüllt. Ärger und Frustration über die Ineffizienz und die Verzögerungstaktik der Behörden ist weit verbreitet. Und was ist die Reaktion der herrschenden Klasse? Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Dennis Hastert, fasst es so zusammen: “Es sieht so aus, als könnte man einen großen Teil dieser Gegend [New Orleans] planieren.“ Präsident Bush fällt nichts Besseres ein, als eine Spende an das Rote Kreuz zu versprechen und ist dafür, dass die ehemaligen Präsidenten Bush senior und Clinton die Spendenkampagne für die Schadensbeseitigung anführen. Spendenkampagne? Sie können Milliarden Dollar aus Steuermitteln für die Besetzung und die Unterdrückung des Irak bereitstellen und trotzdem wollen sie das Leiden von Tausenden und Abertausenden in den USA mit privater Barmherzigkeit bekämpfen. Die grauenvolle Realität des Lebens unter dem erbarmungslosen, unmenschlichen System des Kapitalismus ist klar ersichtlich.

 

„Recht und Ordnung“ und die Spin-Doktoren Umgeben von einem See aus Abwässern, Leichen und Tierkadavern sind Zehn-, wenn nicht Hunderttausende obdachlos, ohne Nahrungsmittel und Trinkwasser. Das feuchte Klima begünstigt die Ausbreitung von Krankheiten. Das Ausmaß und die Art und Weise der Schadensbeseitigung waren fast noch katastrophaler als der Sturm selbst. Die Opferzahlen könnten in den kommenden Tagen sehr schnell steigen, weil Tausende in Hoffnungslosigkeit und Schmutz dahinsiechen und von genau jenen Kräften, die angeblich zu ihrem „Schutz“ und ihrer „Hilfe“ dort sind, ihrem Schicksal überlassen werden.

 

Anstatt nach Überlebenden zu suchen und Nahrungsmittel und Wasser zu bringen, war die erste Priorität der „Ordnungs“-Kräfte, vor Plünderern zu schützen. In Biloxi, Mississippi, wurde das Kriegsrecht verhängt, um die Casinos vor Plünderern zu bewahren. Natürlich gibt es ein paar Elemente, die aus dem Chaos einen Vorteil schlagen wollen und sich einiger Großbildschirm-Fernsehapparate bemächtigen, die sie niemals werden gebrauchen können. Aber die riesige Mehrheit der „Plünderer“ „stehlen“ Kartoffelchips und Fruchtsäfte aus in Mitleidenschaft gezogenen Supermärkten, die von den Versicherungen bereits als Totalverlust abgeschrieben wurden. Im Kapitalismus muss der Respekt für und die Ehrfurcht vor Privateigentum unter allen Umständen aufrechterhalten werden.

 

Die Medien spielten eine schändliche Rolle in ihrem Versuch, die Aufmerksamkeit vom totalen Kollaps der Infrastruktur und der völlig unzureichenden, verantwortungslosen Schadensbeseitigung abzulenken. Sie versuchen gezielt, das Interesse auf die „gewalttätigen Plünderer-Banden“ zu richten. Sie geben der gesamten Berichterstattung sogar eine rassistische Nuance um die Tatsache zu beschönigen, dass es sich grundsätzlich um eine Klassenfrage handelt. Wie immer sind es natürlich die Armen aller Hautfarben, die den Preis für die Ignoranz der bürgerlichen Klasse, die dieses Land beherrscht, zu zahlen haben.

 

Aber eben diese professionellen Lügner und bezahlten Verteidiger der Verbrechen der Kapitalbesitzer sind nun tief betroffen vom entsetzlichen Elend, das sie zu sehen bekommen. Sie sind gezwungen, die Vorgehensweise bei der Schadensbeseitigung und den Mangel an Vorausplanung zu kritisieren. Viele Journalisten liefern ihre Berichte vor der Kulisse einer Kriegs- und Trümmerlandschaft unter Tränen. Und tatsächlich: Es handelt sich um eine Kriegslandschaft. In einem Klassenkrieg, geführt von den US-amerikanischen Kapitalbesitzern gegen die Arbeiterklasse der USA und anderer Länder. Eine Situation, die an die US-Marines erinnert, die in Faludscha vorstoßen und nur Schutt und Asche hinterlassen haben und an eine schwerbewaffnete Militärpolizei, die einige Gegenden mit brutaler Gewalt durchstreift. Militärhubschrauber und sogar ein Kanonenboot wurden zu Rettungsaktionen entsendet, um selbstverständlich die Ordnung wieder herzustellen (nur fragt sich, wie viele der in Mitleidenschaft gezogenen Louisianer in der Zeit fliehen können, in denen sie von Helikoptern angegriffen werden. Ein Polizeibeamter von New Orleans, der sich vorübergehend gedacht haben musste, dass er in Sadr City wäre, wurde mit der Aussage zitiert, dass sie „einigen Widerstand“ angetroffen haben.

 

Es kam sogar soweit, dass die US-Bundesagentur für das Notfallmanagement Hilfsmaßnahmen einstellte, weil es „zu gefährlich“ sei. Trotz einiger gewalttätiger Zwischenfälle haben sich die meisten Menschen gegenseitig geholfen. Aber sie haben keine Hubschrauber oder Schiffe, die notwendig sind, um von den Inseln auf trockenes Land zu fliehen, wo sie untergebracht werden könnten. Busse und Krankenwagen konnten sie nicht erreichen. Und die Medien suchen nun die Schuld für die unverzeihlich langsamen und unzulänglichen Hilfsmaßnahmen in der „Gewalt“.

 

Die ärmsten Schichten der Gesellschaft von New Orleans, diejenigen ohne Ressourcen, um aus der Stadt zu fliehen, waren diejenigen, die zusammengepfercht wie Vieh in dem unsicheren Superdome von Louisiana waren – ohne ausreichend Essen, Wasser, Betten oder medizinisches Personal. Über 30.000 Menschen landeten in dieser potenziellen Todesfalle. Dass das vollständige Gebäude unter der Wucht von Katrina nicht zusammenstürzte ist reines Glück gewesen. Die Medien machten sie dafür verantwortlich, dass sie nicht rechtzeitig die Stadt verlassen haben. Wir fragen konkret, wie sie es anstellen konnten, ohne Geld oder Transportmittel aus der Stadt zu fliehen? Alle Armen, egal welcher Hautfarbe, waren in der größten Not sich selbst überlassen und mussten für sich selbst sorgen, aber die US-Amerikaner afrikanischer Abstammung sind in New Orleans überdurchschnittlich stark vertreten. Laut einer Volkszählung im Jahre 2000 betrug das Pro-Kopf-Einkommen der Weißen in der Gemeinde New Orleans 31.971 Dollar im Vergleich zu 11.332 Dollar der Schwarzen. Wieder einmal sind es Menschen auf der niedrigsten Sprosse der US-amerikanischen Gesellschaft, die am meisten unter den Verbrechen des Kapitalismus zu leiden haben. Fehlende Helfer stecken im Irak

 

Die Nationalgarde wurde ursprünglich geschaffen, um innere, zivile Unruhen zu unterdrücken. Dies bleibt auch ihre Hauptfunktion. Aber von Zeit zu Zeit wird sie zur Unterstützung von großangelegten Hilfsmaßnahmen gerufen. Doch wo war sie jetzt? Ihre Soldaten sind im Irak stationiert und töten und werden getötet in einem unpopulären Krieg. Zu Hause hätten sie wenigstens helfen können, Überlebende zu bergen und zu evakuieren.

 

Zu Beginn der Hilfsmaßnahmen standen sieben Hubschrauber zur Verfügung, der Rest war woanders stationiert, in erster Linie im Irak. Es ist der Höhepunkt der geschichtlichen Ironie, dass der Staat, der die höchste Anzahl von Verlusten im Irak zu erleiden hat, Mississippi ist. G.W. Bush und Co. unternehmen alles, um eine Verbindung zwischen dem Irakkrieg und dem Hurrikan Katrina zu vermeiden. Aber Millionen von US-Amerikanern, auch viele US-Soldaten, haben längst diese Verbindung erkannt und werden bald Antworten verlangen.

 

“Musste dies passieren?” Diese Frage haben Millionen in den USA und in der ganzen Welt gestellt. Die einfache Antwort lautet: „Nein“. Kein Zweifel besteht in der Rolle des Kapitalismus bei der globalen Klimaerwärmung. Hat der Evakuierungsentwurf inklusive Pläne sichergestellt, dass alle Einwohner von New Orleans in Sicherheit sind, bevor der Sturm kam, dann wäre der Verlust von Menschenleben gering geblieben. Eine Regierung, die schnell Hunderttausende von Truppen bewegen und Millionen Tonnen von Ausrüstung in den Krieg überall auf der Welt transportieren kann, könnte bestimmt diese Menschen evakuieren, die zurückgeblieben sind – wenn sie nur wollte.

 

Es ist auch eine erwiesene Tatsache, dass das schockierende Unglück für ein Bruchstück der Kosten hätte abgewendet werden können, die nun erforderlich sind zur Rettung und dem Wiederaufbau. Erste Schätzungen von Versicherungsunternehmen gehen von einem Schaden von mehr als 30 Milliarden Dollar aus. Milliarden mehr von unversichertem Eigentum werden jenseits der Reparatur zerstört werden.

 

New Orleans liegt im Delta des Mississippi. Als französische Siedler sich im Jahre 1710 in diesem Gebiet niederlassen wollten, fanden sie in einem nur wenige Kilometer breiten Streifen zwischen dem längsten Fluss Nordamerikas im Süden und dem Pontchartrain-See (Lake Pontchartrain) im Norden ein kleines Stück höher gelegenes Land. Hier legten sie den Grundstein für das „neue Orléans“. Das Mississippi-Delta – und damit auch New Orleans – ist im geologischen Sinne ein wassergetränktes Torfmoor. Im Jahre 1910 legten die Pioniere die Grundlage für die Trockenlegung von New Orleans. Das gesamte Stadtgebiet wurde mit einem System von Deichen umgeben. Die Deiche verhinderten zwar ein Überlaufen des Mississippi und des Lake Pontchartrain. Sie verwandelten die Stadt aber auch in eine flache Schüssel, die aufgrund des Abpumpens von Grundwasser immer weiter unter den Meeresspiegel sinkt. Das Stadtgebiet liegt nun zwei Meter unter dem Meeresspiegel. Trotz riesiger Pumpstationen und Drainagekanäle war die Stadt bereits 1965 einem Hurrikan hoffnungslos ausgeliefert.

 

Ein Wirbelsturm der Stärke 3 fegte über die Stadt hinweg und ließ den Lake Pontchartrain überlaufen, so dass sich eine Million Kubikmeter Wasser in die flache Schüssel New Orleans ergoss. Mehr als 81 Menschen kamen dabei ums Leben. Diese Katastrophe rief Wissenschaftler auf den Plan und ließ sie neue Sicherheitsmodelle diskutieren. Es gab bereits in der Vergangenheit zahlreiche Warnungen, dass das System der Deiche und Kanäle höchstens Hurrikanen der Stärke 1 und 2 widerstehen könne. So schrieb Joseph Suhayda von der Lousiana State University bereits im Jahre 2001, dass einige der Deiche derart marode seien, dass mit Dammbrüchen und dem Versinken der gesamten Stadt zu rechnen sei. Es gab zwar von zahlreichen Behörden einen großangelegten Plan zur Verstärkung der Deiche und anderer Sicherheitsmaßnahmen, doch dieser dem US-amerikanischen Kongress unter dem Namen „Coast 2050“ vorgelegten Plan und die Umsetzung scheiterten am Geld.

 

Hurrikan Katrina hat nun die Logik der kapitalistischen Realpolitik offenbart. Zwei der Deiche zum Lake Pontchartrain brachen, mehr als drei Viertel von New Orleans stehen bis zu sieben Meter tief unter Wasser. Es trat nun genau jener meteorologische GAU ein, den Forscher vorhergesagt hatten. Warum wurde aber kein Geld in die notwendigen Verbesserungen investiert? Das Geld war vorhanden, aber es wurde in die Fonds des „Heimatschutzes“ und des Irakkrieges umgelenkt. Millionen von US-Amerikanern wollen nun wissen, wie das passieren konnte? Die Wahrheit ist hat sich offenbart: die Kapitalbesitzer und ihre Repräsentanten in der Regierung können uns einfach nicht den größtmöglichen Schutz vor solchen Katastrophen geben. Welch eine Ironie. Kuba mit seiner verstaatlichten und geplanten Wirtschaft war in der Lage das zu tun, wozu die reichste Nation der Welt nicht fähig war: Menschen sind wichtiger als Profit. Im September 2004 wurde Kuba von „Ivan“ getroffen, dem fünftschwerste Hurrikan, der je die Karibik traf. Fast zwei Millionen Menschen wurden evakuiert, über 15 Prozent der Bevölkerung. 100.000 Menschen wurden allein in den ersten drei Stunden evakuiert. Keiner kam ums Leben.

 

Auswirkungen auf die Wirtschaft Wir sollten die weitreichenden Auswirkungen von Katrina auf die US- und Weltwirtschaft nicht unterschätzen. Öl ist buchstäblich der Kraft- und Schmierstoff der modernen Welt. Die Auswirkung der Zerstörung der Golfküste hat den Rohölpreis schon auf Rekordniveau hochschnellen lassen. Vor wenigen Jahren lag der Ölpreis bei $30 pro Barrel, und damals erklärten wir, dass aufgrund der geopolitischen Instabilität dieser Wert durchaus auf $100 oder noch mehr hochschnellen könnte. Manche hielten dies damals für übertrieben. Aber aus heutiger Sicht scheint diese Prognose gar nicht mehr so abwegig.

 

Noch vor dem Sturm war der Benzinpreis bei $3 pro Gallone angelangt. Jetzt sprechen viele Kommentatoren von einem K.O.-Schlag. New Orleans ist der wichtigste Eingangshafen für Ölimporte aus dem Ausland, und die Golfküste ist das größte Ölfördergebiet der USA. Die Raffinerien sind zu 90 Prozent außer Betrieb. Am schlimmsten betroffen ist der Mittlere Westen, weil annähernd 100 Prozent des dort raffinierten Eröls von dem Rohöl stammt, das von New Orleans aus den Missisipi hoch transportiert wird. Ein Benzinpreis von $3 pro Gallone ist jetzt die Norm; und bei den benzinschluckenden Blechkisten, die uns die Autoindustrie angedreht hat, wird man für ein paar Meilen bald 4 $ zahlen müssen.

 

Und wie bei menschlichen Tragödien üblich, sind auch schon wieder die Aktienhändler von der Wall Street auf den Plan gerufen worden, die auf eine rasche Widerherstellung der Kapazitäten der Ölraffinerien spekulieren. Neben der Spekulation gibt es aber auch infrastrukturelle Gründe für einen scharfen Anstieg der Ölpreise. Es wird befürchtet, dass angesichts zahlreicher außer Betrieb gesetzter Ölraffinerien und eines raschen Absinkens der Lagerbestände das Öl rationiert werden könnte. Präsident Bush reagierte, indem er die Umweltagentur anwies, die Vorschriften zur Reinhaltung der Luft für Ölraffinerien und Kraftwerke vorübergehend außer Kraft zu setzen, was angeblich die Lagerbestände erhöhen sollte. Dabei entsprach diese Maßnahme lediglich den Zielen seiner Freunde aus der Erdölindustrie.

 

Schon vor der Katastrophe hatten hohe Öl- und Gaspreise die Kaufkraft der Verbraucher und die schwächliche wirtschaftliche Erholung untergraben. Mit den neuen gesteigerten Preisen könnte das gesamte Wirtschaftswachstum rasch zum Stillstand kommen. Wir werden die wirtschaftlichen Auswirkungen von Katrina in weiteren Artikeln untersuchen.

 

“Sozialismus oder Barbarei – Den Kapitalismus beenden, ehe er die Menschheit auslöscht Die Fernsehbilder sind schockierend: Kleinkinder und Alte sterben an Wassermangel und Leichen modern in der feuchten Hitze. Menschenmassen, die seit Tagen nichts mehr zu essen hatten, schreien um Hilfe. Menschen Fragen vor laufender Kamera: „Will man uns hier sterben lassen?“ Die wütenden Menschenmengen kann man nur vergleichen mit den Menschen in Venezuela, die jetzt in einer harten Realität aufwachen und erkennen, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen können und ihnen sonst keiner hilft. Während die meisten Menschen zusammen gearbeitet haben, um aus dieser verzweifelten Situation das Beste zu machen, haben andere buchstäblich um das Überleben gekämpft.

 

Der Kampf um Lebensmittel und Wasser ist hart. Eine Frau berichtete, dass sich Menschen wie tollwütige Hunde um einen Platz auf einem gestohlenen Lastwagen zankten, auf dem sie aus der Hölle dieser einstmals wunderschönen Stadt heraus kommen wollten. Solche Szenen erinnern an Filme wie Mad Max oder Water World. Solche nach-apokalyptischen Filme zeigen wie schlecht es um die Zukunft der Menschheit steht, wenn wir das kapitalistische System nicht abschaffen. Oder – im Falle von Millionen Menschen in aller Welt und Tausender in New Orleans – um die Gegenwart der Menschheit.

 

Nach dem 11. September 2001 konnte Bush die Menschen in den USA mit dem Hinweis auf den “äußeren Feind” manipulieren und für eine Akzeptanz des neokonservativen Projekts für ein „neues amerikanisches Zeitalter“ gewinnen. Diesmal wird sich nach einer ersten Lähmung die Wut gegen die Regierung und das System richten, das diese verteidigt. Die Dämme und Deiche um New Orleans waren schon längst reparaturbedürftig und wurden aus finanziellen Gründen sträflichst vernachlässigt. Ebenso können die Lügen der mächtigsten herrschenden Klasse die Flut nicht aufhalten. Diese herrschende Klasse ist offenkundig unfähig, auch nur die elementarsten Lebensbedürfnisse der Menschen zu befriedigen, aus deren Knochenarbeit sie ihre Profite ziehen. Alle Ausflüchte und Behauptungen, Katrina sei der Wille Gottes, sind Quatsch. Die Verantwortung für die Zerstörung von so viel Leben auf dieser Erde liegt bei der Kapitalistenklasse, die die Welt beherrscht. Ihre „Sparmaßnahmen“ und ihre Gleichgültigkeit gegenüber den langfristigen Folgen haben Tausende Tote und unsägliches menschliches Leid zur Folge. Jetzt sollen sie auch für die Kosten aufkommen.

 

Wer lamentiert, dass sich “sowieso nichts ändert”, dem sagen wir nur: blickt auf New Orleans. Hier lebten bisher über eine halbe Million Menschen. Über Nacht wurde die weltberühmte Stadt der kreolischen Küche und der Geburtsort des Jazz von den Fluten überschwemmt und unbewohnbar gemacht. Nichts ist ewig; der Kapitalismus besteht nicht seit Ewigkeiten und wird auch nicht ewig herrschen. Was soll ihn aber ersetzen? Der Schrecken ohne Ende, wie wir ihn im Fernsehen verfolgen können, oder der Sozialismus, der sich auf die menschlichen Bedürfnisse stützt? Hegel erklärt, wie sich in der Geschichte die Notwendigkeit oftmals durch einen Zufall ausdrückt. Die zerstörerische Gewalt von Katrina war ein solcher Zufall. Der „Routine“-Sturm wird gesellschaftliche Folgestürme auslösen, die jahrelang spürbar sein werden. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Und unter solchen Bedingungen kann sich das Bewusstsein im Herzschlagtempo ändern. Dies ist erst der Anfang. Katrina könnte eine tiefe Vertrauenskrise in den USA auslösen und die Regierung wie auch das gesamte kapitalistische System schwer bedrängen.

 

Wir sprechen oft darüber, wie der „Sozialismus im 21. Jahrhundert“ aussehen soll. Das schreckliche Schicksal von New Orleans macht den Menschen in den USA auf brutale Weise deutlich, wie der Kapitalismus im 21. Jahrhundert aussieht. Noch nie hat die herrschende Klasse deutlicher zu Tage gefördert, wie viel Verachtung sie für menschliche Bedürfnisse aufbringt. Mehr denn je gilt, dass wir dieses brutale und auf dem absteigenden Ast befindliche System ein für alle mal beenden müssen. Nur der endgültige Sturz des verkommenen Profitsystems kann die Grundlage für eine wahre Blüte der menschlichen Gesellschaft bilden. Eine andere Welt ist mögliche: Kämpft mit uns für eine bessere Welt.

 

John Peterson, Workers International League (USA)

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