Kategorie: Theorie

Objektivismus gegen subjektiven Idealismus: Die Heisenberg-Debatte

 

Zwei der zentralen Figuren in der Entwicklung der Quantenphysik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Heisenberg und Bohr, lassen wieder einmal die Wogen im deutschen Feuilleton hochgehen. Heisenberg stand an der Spitze des NS-Atomwaffenprogramms und wollte Bohr - wenn erfolglos - zur Mitarbeit am Rüstungsprogramm der "neuen Herren der Welt" bewegen. Anstatt eine moralische Bewertung der Figur Heisenberg abzugeben, wie dies die deutschen bürgerlichen Kommentatoren tun, ist es die Aufgabe von MarxistInnen die Philosophie Heisenbergs und ihren Einfluss auf seine wissenschaftliche Methode und sein politisches Handeln zu analysieren.


 

Heisenberg und die neue Physik

 

Als am Beginn des 20. Jahrhunderts einerseits das Welle-Teilchen-Problem (gewisse natürliche Phänomene zeigten z.B. für Elektronen Wellen-, andere Teilchencharakter) noch nicht gelöst war und andererseits neue Experimente die Unhaltbarkeit der klassischen, "Newtonschen" Mechanik auf der subatomaren Ebene (d.h. das Verhalten von Elektronen, Photonen usw.) zeigten, war eine neue Ära der Physik eingeläutet. Eine neue Generation von Wissenschaftlern entwickelte die Quantenphysik. Als einer der fähigsten Köpfe tat sich Werner Heisenberg hervor, der eines der größten Probleme der damaligen Physik, die Bestimmung der Energiestufen von Elektronen, löste. Er entwickelte die sogenannte Matrix-Mechanik, eine rein mathematische Lösung des Problems, ohne jeden Bezug zur physikalischen Wirklichkeit. Durch Abstrahierung in das Reich der Formeln konnte er zwar einen richtigen Zahlenwert für die Energiestufen angeben, ohne jedoch nur im geringsten zeigen zu können, welche Mechanismen oder Gesetze in der Natur für diese ausschlaggebend sind. Auf der anderen Seite arbeitete Erwin Schrödinger das Konzept der Wellenmechanik aus, das exakt die selben Resultate zeigte,aber nicht auf die absolute mathematische Abstrahierung angewiesen war, sondern den Wissenschaftlern jener Zeit die Vorgänge in der Natur hinter dem Modell zeigte.

 

Schon dieser Konflikt zeigte die Herangehensweise Heisenbergs an wissenschaftliche Probleme. Seiner Philosophie nach (die im wesentlichen nur von Kant abgeschrieben war) ist es den Menschen unmöglich, die Natur (die "Dinge an sich") zu erkennen, sie müssen sich mit dem äußeren Anschein, d.h. mit den Zahlenwerten der Energiestufen, zufrieden geben. Derartige Versuche, das menschliche Bewusstsein für beschränkt zu erklären, sind aber in der Wissenschaftsgeschichte nicht unbekannt.

1927 entwickelte Heisenberg die sogenannte Unschärferelation: Es ist unmöglich Ort und Impuls eines subatomaren Teilchen gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit zu ermitteln. Je genauer man den Ort eines Teilchen bestimmt, umso ungenauer wird die Ortsmessung und umgekehrt, dies jedoch nicht etwa aufgrund technischer Schwierigkeiten beim Messen, vielmehr ist dies eine der inneren Eigenschaften von derartiger Teilchen. Nun kommt aber der einmalige Streich des Herrn Heisenberg: Er proklamiert diesen Indeterminismus als grundlegende Eigenschaft der Natur. Die Unschärferelation dient nicht mehr zur Beschreibung subatomarer Teilchen sondern rechtfertigt die Ablehnung von Kausalität in der Natur überhaupt. Der Indeterminismus ist nach Heisenberg ein fundamentales Gesetz der Physik und alle anderen Naturgesetze hätten damit konsistent zu sein.

 

Die zufällige Natur

Nach diesem Gesetz wäre die Natur eine völlig zufällige, unzusammenhängende Erscheinung, jeder Ausgang eines Experiments wäre unabhängig davon, was in der Welt sonst noch existiert oder jemals existiert hat. Das ist nicht nur die Ablehnung von Wissenschaft, die als Grundlage eine reale Welt hat, die von den Menschen erforscht werden kann, vielmehr ist dies die Ablehnung von rationalem Denken überhaupt. Wenn es keine Ursache und keine Wirkung (d.h. keine Kausalität) gibt, gibt es nichts zu erklären, ja nicht einmal eine Beschreibung der Welt ist möglich, da wir nicht sicher sein könnten, ob es überhaupt etwas außer uns selbst gibt. Dies ist exakt die Philosophie des subjektiven Idealismus der Sophisten: "Ich kann nichts über die Welt wissen. Wenn ich etwas wissen kann, kann ich es nicht verstehen. Wenn ich etwas verstehen kann, kann ich es niemanden erklären."

 

Heisenberg entwickelte in der Folge in Zusammenarbeit mit Bohr die sogenannte Kopenhagener Schule der Quantenphysik, die in Wahrheit keine wissenschaftliche Schule ist, vielmehr versucht sie uns zu erklären, dass Physik nicht herausfinden soll, wie die Natur ist, sondern nur was wir über die Natur sagen können. John Wheeler, einer ihrer wichtigsten Vertreter erklärt uns, dass Vorgänge in der Natur keine Vorgänge sind, solange sie nicht beobachtet werden. Dies hat aber nichts mehr mit Wissenschaft zu tun, das ist bloß eine gewisse Weltanschauung - die des subjektiven Idealismus. Heisenberg hat diesen Gedanken schon 1919, als er in den Reihen des reaktionären Freikorps gegen die deutschen Arbeiterbewegung kämpfte, entwickelt. Er sei vielmehr an den philosophischen Grundlagen seiner Arbeit als an den konkreten wissenschaftlichen Ergebnissen interessiert. Überdies sei es notwendig, sich vom Gedanken zu trennen, dass es objektive Prozesse in Raum und Zeit gäbe. Seine philosophische Interpretation der Quantenphysik war also weit davon entfernt, Ergebnis wissenschaftlicher Experimente zu sein, es ging ihm vielmehr darum, seinen philosophischen Idealismus auf die Physik zu übertragen. Diese idealistische Weltanschauung gebraucht er dann auch zur Rechtfertigung seiner Zusammenarbeit mit dem NS-Regime als Chefentwickler der Atombombe: Da es keine objektiven Gesetze in der Natur gebe, könne man auch im vorhinein nicht sagen, was richtig oder falsch wäre, jeder müsse für sich selbst entscheiden.

 

Tot und lebendig

Zurück zur Quantenmechanik. Schrödinger zeigte schon früh mit einem mittlerweile berühmten Gedankenexperiment (heutzutage bekannt als "Schrödingers Katze") die Absurdität der idealistischen Auffassung Bohrs, Heisenbergs und anderer: Man nehme eine Katze, setze sie eine Kiste und gebe ein verschlossenes Gefäß mit einem starken Gift, einen Geigerzähler sowie ein radioaktives Element hinein. Misst der Geigerzähler den Zerfall eines Atoms, wird das Gefäß zerbrechen, das Gift strömt aus und die Katze stirbt. Nach Heisenberg gibt es nun keinen physikalischen Vorgang, außer man beobachtet ihn, d.h. solange niemand in die Kiste sieht, weiß die Apparatur nicht, ob das Atom zerfallen ist oder nicht, somit ist die Katze gleichzeitig tot und lebendig! Heisenberg kommt zu diesem abstrusen Resultat nur deswegen, weil er nicht akzeptieren kann, dass die formale Logik ab einem gewissen Punkt ihre Gültigkeit verliert. Wendet man auf die Vorgänge auf der subatomaren Ebene und die Erforschung derselben nicht konsequent die Gesetze des dialektischen Materialismus an, endet man automatisch in den eben beschriebenen Skurrilitäten oder, was dasselbe bedeutet,in mystischen Sätzen wie: "Wir können nichts wissen".

 

Anmerkung des Autors: Dieser Artikel basiert auf dem Buch: "Aufstand der Vernunft" von Alan Woods und Ted Grant. Dieses Buch beschäftigt sich mit marxistischer Philosophie und deren Zusammenhang mit der modernen Wissenschaft, von Relativitätstheorie, dem Urknall, über die Entstehung des Lebens, Genetik, bis hin zur Chaostheorie. Die UnterstützerInnen des Funke haben eine deutsche Übersetzung erarbeitet, die ab Herbst 2002 erhältlich sein wird.

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