Kategorie: Asien

Keine gemeinsame Anti-Kriegs-Opposition mit Fundamentalisten!

Er hat mit Karl Liebknecht mehr gemein als nur den Beruf: Manzoor Ahmed versteht sich als revolutionärer Marxist und wurde im vergangenen Oktober als Kandidat der Pakistan Peoples Party (PPP) im Wahlkreis Kasur in die pakistanische Nationalversammlung gewählt. Jetzt war er als Ehrenvorsitzender der PTUDC (Solidaritätskampagne mit linken pakistanischen Gewerkschaften) in Europa zu Besuch und traf dort u.a. den Vorstand der britischen Journalistengewerkschaft und Vertreter anderer Gewerkschaften. 


Du wurdest im vergangenen Oktober als Kandidat der Pakistan Peoples Party (PPP) ins Parlament gewählt und hast Dich im Wahlkampf als revolutionärer Marxist präsentiert. Was hat ein Marxist überhaupt im Parlament zu suchen?

Ich konnte den Wahlkreis Kasur nur erobern, weil mich viele hundert engagierte und begeisterte Männer und Frauen, Gewerkschafter, Jugendliche und arme Bauern aktiv unterstützt haben. Meine bürgerlichen Gegenkandidaten, darunter reiche Unternehmer und der amtierende Außenminister, hatten eine Menge Geld und Fahrzeuge und angeheurte Wahlagenten. Wir hatten revolutionäre Ideen und Perspektiven und sammelten sogar noch Spenden zur Finanzierung unserer Kampagne. Ich wurde massiv als "Kommunist" und "Atheist" beschimpft und stritt dies auch gar nicht ab. Die massive Unzufriedenheit mit den katastrophalen sozialen Verhältnissen in Pakistan stärkte unsere Kampagne gegen US-Imperialismus und Militarismus, gegen Kapitalismus und Feudalismus. Jetzt stehe ich bei meinen Wählern im Wort und will die Aufmerksamkeit, die einem Parlamentsabgeordneten in einer bürgerlichen Gesellschaft zuteil wird, nutzen, um soziale Bewegungen zu fördern. Ich verstehe mich als Vertreter der Arbeiterklasse in diesem Parlament. Doch meine Rolle außerhalb des Parlaments ist noch viel wichtiger.

Wie demokratisch waren überhaupt die Wahlen unter dem Militärdiktator General Musharraf?

Die Befugnisse des neuen Parlaments sind äußerst gering. Musharraf hat das letzte Wort. Kandidieren durften überhaupt nur Bürger mit Universitätsabschluss. Das Regime hat sich ein Wahlrecht zu seinen Gunsten ausgedacht und die Wahlkreise entsprechend zugeschnitten. Die Wahlen wurden in vielen Orten manipuliert. Trotzdem kann sich Präsident Musharraf nicht auf eine eigene absolute Mehrheit im Parlament stützen. Seine Parteienkoalition bekam nur 22% der Stimmen. In unserem Wahlkreis garantierten unsere aufmerksamen Helfer in allen Wahllokalen eine korrekte Auszählung der Stimmen bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses.

Wie wird ein revolutionärer Marxist in einem von Reaktionären dominierten Parlament empfangen?

Ich habe mich gleich am ersten Tag in der öffentlichen konstituierenden Sitzung mit einem gut sichtbaren Karl-Marx-Anstecker für alle Fernsehzuschauer im Lande deutlich zu erkennen und manche Mullahs im Parlament damit fast zur Weißglut gebracht. Ich habe erlebt, wie kritische Abgeordnete mit Zuckerbrot und Peitsche mundtot gemacht wurden. So haben sich gleich 10 rechte PPP-Abgeordnete von der bürgerlichen Mehrheit kaufen lassen, einige von ihnen sind jetzt Minister unter General Musharraf geworden, darunter für Verteidigung, Inneres, Eisenbahn und Telekom. Auch mich wollten sie mit viel Geld kaufen, und ein Mitarbeiter des Geheimdienstes ISI war sehr wütend, als ich ihn abblitzen ließ. Ich sagte nur: schafft Arbeit für alle Arbeitslosen in meinem Wahlkreis. Das konnten und wollten sie aber nicht gewährleisten. Als Marxist bin ich nicht käuflich.

Und was tut der Abgeordnete Manzoor Ahmed konkret für die Massen im Wahlkreis?

Der Wahlkreis ist je zur Hälfte städtisch und ländlich und hat massive Umweltprobleme. Größtes Problem ist das Wasser. Die Chemikalien aus über 500 Gerbereien in der Stadt verseuchen das Wasser und verursachen gefährliche Krankheiten wie Krebs und Gelbsucht. Ich engagiere mich für lokale Projekte - Wasserversorgung und Kläranlagen - und hoffe dabei vor allem auf solidarische internationale Hilfe aus der Arbeiterbewegung und Initiativen. Die Kleinbauern in den Dörfern hatten meine volle aktive Unterstützung, als sie gegen örtliche Zuckerfabrikanten protestierten, die sich über Monate geweigert hatten, für das gelieferte Zuckerrohr den vereinbarten Preis zu zahlen. Der Protest hatte Erfolg. Jetzt drohen weitere Privatisierungen von Schulen und Krankenhäusern. Dadurch werden Bildung und Gesundheitsvorsorge für die Masse der Bevölkerung unbezahlbar.

Welche Rolle hat der drohende Irak-Krieg im Wahlkampf in Pakistan gespielt?

Ein imperialistischer Krieg gegen den Irak kann in Pakistan zu politischen und sozialen Explosionen führen. Selbst eine Rebellion in der Armee ist nicht ausgeschlossen. Aus Furcht vor einer solchen Entwicklung versucht die herrschende Klasse, das Feindbild Indien am Leben zu halten und die Aufmerksamkeit der Massen abzulenken. Denn die große Mehrheit der Bevölkerung lehnt einen Krieg der USA gegen Irak strikt ab. Die Fundamentalisten haben bei dieser Wahl vor allem in den Grenzregionen zu Afghanistan hinzugewonnen, denn dort hat jede Familie Tote zu beklagen oder Kriegsinvaliden. Sie haben sich von 3 auf 10 Prozent der Stimmen gesteigert und sind mit 65 Sitzen im Parlament vertreten. Die herrschende Klasse in Pakistan ist voll auf die Linie des US-Imperialismus eingeschwenkt ist und wirbt um Verständnis für die Politik von Bush. Auch die Mehrheit der PPP-Kandidaten hat keinerlei Kritik an der US-Politik geäußert. So haben sich die Fundamentalisten als "anti-imperialistisch" profilieren können.

Also Fundamentalisten und Marxisten gemeinsam gegen den US-Imperialismus? Wie habt Ihr Euch von den Fundamentalisten abgegrenzt?

Ganz einfach. Erstens: wir haben - anders als die Fundamentalisten - klargemacht, daß die herrschende Klasse Pakistans voll im Interesse von IWF und Weltbank handelt und eine Austeritätspolitik betreibt, die die Landwirtschaft und Industrie im Lande runiert und Massenarbeitslosigkeit verursacht hat. Zweitens: die Fundamentalisten waren in der Vergangenheit eine Agentur des US-Imperialismus und wurden von diesem hochgepäppelt und aufgebaut. Keiner weiß, ob sie dies morgen nicht wieder sein werden. Marxisten waren hingegen immer Gegner des US-Imperialismus und des pakistanischen Kapitalismus und werden dies bleiben. Mit einigen wenigen aufrechten PPP-Linken im Parlament mache ich radikale Oppositionspolitik. Ich habe einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der den US-Feldzug gegen den Irak verureilt und gleichzeitig die reaktionäre Außen- und Innenpolitik Pakistans kritisiert. Die Fundamentalisten stehen auf der anderen Seite der Barrikaden. Eine gemeinsame Anti-Kriegs-Opposition mit den reaktionären Fundamentalisten im Parlament und außerhalb des Parlaments kommt für mich nicht in Frage.

 

Die PPP beruft sich auf den legendären Zulfikar Ali Bhutto, den Vater der heutigen Parteiführerin Benazir Bhutto. 1967 von Bhutto gegründet, wurde die sich auf sozialistische Ziele berufende PPP von der 1968 ausgelösten revolutionären Welle im Lande 1970 an die Macht getragen. 1977 putschen pro-amerikanische Militärs mit CIA-Unterstützung gegen Bhuttos Regierung, und 1979 wurde Ali Bhutto vom Regime hingerichtet. Seine Tochter Benazir übernahm die Parteiführung und gewann nach dem Ende der Diktatur 1988 und 1993 die Wahlen. Allerdings führte ihre prokapitalistische Politik zu Verwirrung, Demoralisierung und Niederlagen. Die PPP hat breite Unterstützung in der pakistanischen Arbeiterklasse und ist dennoch kaum vergleichbar mit der europäischen Sozialdemokratie. Sie ist eher eine Bewegung oder Wahlmaschinerie mit einer Dynastie an der Spitze - ohne Parteitage, ohne richtig funktionierende Untergliederungen. Sie hat eine extrem große Bandbreite: von reaktionären feudalen Großgrundbesitzern bis zu revolutionären Marxisten um die Zeitung "The Struggle".

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