Kategorie: Europa

Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Ende Mai 2019 und mitten in der bisher größten Krise der Europäische Union (EU) wird ein neues EU-Parlament gewählt. Über das, was in diesem abgehobenen „Hohen Haus“ in Straßburg und Brüssel überhaupt gemacht wird, herrscht wenig Transparenz. Wie stehen wir zur EU und den Wahlen?


Die EU hat derzeit rund 510 Millionen Einwohner und ohne Großbritannien noch knapp 450 Millionen Menschen – deutlich mehr als die USA. Die EU ist Ausdruck des Versuchs der europäischen Kapitalistenklasse, sich zusammenzuraufen und als Block gegenüber den USA, China und Japan auf dem Weltmarkt zu behaupten. Als Triebfeder der europäischen Einigung galt die „Achse Bonn-Paris“. Beide Seiten verstanden nach drei Kriegen, dass sie im Sinne einer besseren Entwicklung der Produktivkräfte die Märkte gegenseitig öffnen mussten. Statt Hass auf den „Erbfeind“ jenseits des Rheins wurde so die „Deutsch-Französische Freundschaft“ zur Staatsdoktrin. Die EU ist jedoch weder ein „Friedensprojekt” noch fortschrittlich oder internationalistisch. Eine Blutspur zieht sich von den Kolonialkriegen Frankreichs der 1950er und 1960er Jahre bis zur Festung Europa und dem Massensterben im Mittelmeer. Die Militarisierung der EU schreitet voran.

In der „Achse Berlin-Paris“ gibt längst Berlin den Ton an. Das deutsche Kapital hat mit der EU auf „friedlichem Wege“ erreicht, was nach zwei Weltkriegen im Fiasko endete: eine weitgehende Vorherrschaft auf dem europäischen Kontinent. Letzter Schub war die EU-Osterweiterung seit den 1990er Jahren. Das deutsche Kapital erschloss nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regimes in Ost- und Südosteuropa neue Märkte und Zugang zu einem Heer qualifizierter, billiger Arbeitskräfte. Heute werden diese als Wanderarbeiter in Deutschland und Westeuropa extrem ausgebeutet oder schuften als Fabrikarbeiter in den verlängerten Werkbänken der westeuropäischen Konzerne. Berlin hat faktisch in der EU das letzte Wort. Schon mehrfach wurden etwa unter dem Druck der deutschen Autoindustrie in Brüssel Umweltauflagen gekippt.

Wieder im Rückwärtsgang

Der europäische Einigungsprozess ist längst ins Stocken geraten und wieder rückläufig, wie das britische Austrittsreferendum vom Juni 2016 und das anhaltende Brexit-Chaos zeigt. Obwohl die britische herrschende Klasse mehrheitlich für den Verbleib in der EU war und ist, scheint sie nicht mehr Herr der Lage zu sein. Der für Ende März 2019 anvisierte Brexit bedeutet den Austritt der bisher zweitstärksten Volkswirtschaft aus der EU. Die Abkehr von „Schengen“ – also Freizügigkeit ohne Grenzkontrollen – und Differenzen in der Außenpolitik sind Ausdruck unterschiedlicher Interessenlagen. In Westeuropa kommt Panik auf, weil der chinesische Imperialismus in Südosteuropa vordringt. Statt Harmonisierung gibt es immer mehr nationale Alleingänge.

Auf kapitalistischer Grundlage wird es keine Vollendung der europäischen Einheit geben. Spätestens seit der Krise von 2008-9 kommen die Widersprüche zwischen nationalen kapitalistischen Interessen an die Oberfläche. Es ist letztlich unmöglich, nationale Volkswirtschaften zu vereinigen, die in unterschiedliche Richtungen tendieren.

Der Ansatz zur kapitalistischen Vereinigung und Einheitswährung hatte vor allem für die schwächeren Volkswirtschaften des Südens schmerzhafte Folgen. Mit dem Euro wurde ihnen die Möglichkeit genommen, durch Abwertung der nationalen Währung ihre Exporte zu verbilligen. Die Folgen sind industrieller Kahlschlag und verstärkter Druck auf die Arbeiterklasse. Die soziale Lage in Ost- und Südeuropa ist verheerend und geprägt von Massenarbeitslosigkeit und einer heranwachsenden No-Future-Generation. Die EU erzwingt durch Druck auf Regierungen Austerität, den Abbau von Rechten der Arbeiterklasse und eine Zerstörung der sozialen Absicherung. Markantes Beispiel hierfür ist Griechenland.

Die Schaffung eines Binnenmarktes mit ungehindertem Zugang für das Kapital ging und geht einher mit dem von „Brüssel“ vorgegebenen „Wettbewerb“ und „Subventionsabbau“. Das bedingte eine Offensive der Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung von staatlichen Industrien und Einrichtungen (Bahn, Post, Telekom, Energie, Stadtwerke, Krankenhäuser, Verkehrsinfrastruktur etc.). So werden profitable Anlagemöglichkeiten für das Kapital erschlossen. Dies schadet der Arbeiterklasse wie auch der ganzen Gesellschaft.

Während sich deutsche Mainstream-Politiker damit herausreden, dass „Brüssel“ all dies verlange, sitzen die Urheber dieser Politik in Berlin und in den Chefetagen der Banken und Konzerne. Der Autor hat mehrfach Anhörungen der Linksfraktion im Brüsseler EU-Parlament erlebt, bei denen Beschäftigte aus Luftfahrt oder Eisenbahnen stets mit praktischen Argumenten darauf hinwiesen, dass die aufgezwungene Liberalisierung und Privatisierung den Betriebsablauf hemmt und sozial wie ökologisch völlig kontraproduktiv ist. Darauf gingen die ranghohen Vertreter der EU-Kommission nicht ein. Ihre Antwort war stets gebetsmühlenartig: „Wir brauchen mehr Wettbewerb!“

„Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, dass die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann“, brachte es Karl Marx nach der Niederschlagung der Pariser Kommune auf den Punkt. Dies gilt umso mehr für supranationale Institutionen wie die EU. Die EU-Bürokratie als Instrument der Großkonzerne und Banken ist nicht reformierbar. So sind alle Bestrebungen von Parteien, Gewerkschaften und Nicht-Regierungs-Organisationen, die EU-Institutionen mit „Reformen“ „demokratischer“ und „sozialer“ zu machen, vergebliche Liebesmüh, lenken von den eigentlichen Aufgaben ab und streuen den Massen Sand in die Augen.

Die einzige Sprache, die die Herrschenden und ihre Agenten in Berlin, Brüssel und Paris verstehen, ist der Klassenkampf. Dies wurde 2003 deutlich, als die Gewerkschaften auf die von der EU-Kommission verlangte Liberalisierung und Prekarisierung der Arbeit in den Seehäfen (Port Package I) mit einem koordinierten europaweiten Streik antworteten. Der Druck reichte aus, um auch etliche bürgerliche EU-Parlamentarier zur Ablehnung des Port Package I zu bewegen und das Projekt vorerst zu stoppen. Die Hafenarbeiter waren sich ihrer Macht bewusst. Sie können den Welthandel empfindlich stören.

Alternative

Unsere Alternative zur kapitalistischen EU ist nicht der Traum von nationaler Souveränität. Denn auch Nicht-EU-Staaten sind nicht unabhängig, sondern von Weltmarkt, Banken und Konzernen, imperialistischen Mächten und Institutionen wie IWF oder Weltbank abhängig. Unsere Alternative heißt: Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa. Die Produktionsmittel und Reichtümer des Kontinents müssen in öffentlichen Händen liegen und unter der Kontrolle der arbeitenden Klasse stehen. Unter dem Diktat der Nahrungsmittel- und Handelskonzerne wird derzeit die Hälfte aller produzierten Lebensmittel vernichtet, während Millionen Menschen in Tafeln, Suppenküchen und Einrichtungen der Armenspeisung Schlange stehen. Es gibt Millionen Obdachlose, während viele Gebäude leerstehen. Europa- und weltweit wäre es mit einer nicht auf privaten Profit, sondern auf Mensch und Umwelt orientierten demokratischen und transparenten Planwirtschaft möglich, für alle ausreichend Essen und Trinken, menschenwürdige Wohnungen, gute Arbeit, soziale Sicherheit und ein erfülltes Leben zu garantieren.

Eines ist sicher: Die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa werden wir niemals per Mehrheitsbeschluss des EU-Parlaments oder Richtlinien der EU-Kommission erreichen. Der Klassenkampf entwickelt sich in einzelnen Ländern in unterschiedlicher Ausprägung. Doch ähnliche Angriffe auf die Arbeiterklasse bereiten den Boden für einen internationalen Kampf. Früher oder später wird aus den Bewegungen heraus zunächst in einem europäischen Land – und von starken Erwartungen der Arbeiterklasse getragen – eine radikale linke Regierung an die Macht gespült werden.

Meint es eine solche Regierung mit einem radikalen linken Reformprogramm im Interesse der arbeitenden Menschen wirklich ernst, so wird sie in Konfrontation mit der nationalen herrschenden Klasse und der EU-Kommission geraten. Die EU basiert auf kapitalistischem Privateigentum und „freier Marktwirtschaft“. Jede Regierung, die eine Vermögensumverteilung zugunsten der Masse der Bevölkerung oder gar eine Wiederverstaatlichung privatisierter Betriebe in Angriff nehmen würde, wäre starker Erpressung durch Kapital und EU ausgesetzt.

Eine konsequente antikapitalistische Politik eines Mitgliedslandes würde unweigerlich zum Ausschluss aus der EU (und NATO) führen. Unsere Verbündeten in Europa sind nicht Regierungen, EU-Gerichte und bürgerliche Institutionen, sondern die Arbeiterklasse, Gewerkschaften, fortschrittliche Massenbewegungen und die lernende Jugend. An sie müsste eine linke, revolutionäre Regierung appellieren, um Unterstützung zu erlangen, Sabotage zu verhindern und die Machtverhältnisse europaweit umzukrempeln.

Die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich ist ein Ausdruck der Unruhe, die die arbeitende Bevölkerung und Teile des Kleinbürgertums erfasst hat und revolutionäre Sprengkraft in sich birgt. Dass sich eine solche Bewegung vor der EU-Wahl ausbreitet, ist für die Herrschenden ein Albtraum.

Im EU-Wahlkampf werden wir für eine europaweite Solidarität von Belegschaften, Gewerkschaften, sozialen und Jugendbewegungen werben und über Klassenkämpfe in anderen Ländern aufklären. Linke EU-Parlamentarier sollten Zeit, Mittel und Privilegien dafür verwenden, den Charakter der EU zu entlarven, die internationale Einheit in den Klassenkämpfen zu fördern und für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu werben. So können wir auch den Rechtsnationalisten das Wasser abgraben, die jetzt von der Unzufriedenheit im europäischen Kapitalismus profitieren wollen. Bei genauerer Betrachtung sind sie Handlanger des Kapitals und wollen vom Klassenkampf ablenken.

  • Nein zum Europa der Bürokraten, Banken und Konzerne!

  • Für die Enteignung der Banken und Großkonzerne und einen integrierten demokratischen Produktionsplan.

  • Nein zur Militarisierung Europas!

  • Nein zur Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen im Interesse des privaten Profits!

  • Nein zu jeder Form von Diskriminierung gegen Migranten, Frauen, Jugendliche und einzelne Gruppen!

  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

  • Europaweite Vernetzung der Gewerkschaftsbasis und kämpferische Einheitsfront gegen transnationale Konzerne!

  • Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!


Warnendes Beispiel Griechenland

Die von der Linkspartei Syriza geführte Regierung unter Alexis Tsipras in Griechenland versprach Anfang 2015 ein Ende der Austeritäts- und Kahlschlagspolitik. Im Juli 2015 sagten in einer Volksabstimmung 62 Prozent Nein (OXI) zum Austeritätsdiktat der Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission. Die Herrschenden in Europa waren entsetzt. Die Masse signalisierte ihre Bereitschaft zum Widerstand. Doch statt Mobilisierung der Basis kapitulierte Tsipras vor der Troika und setzte die Politik der Angriffe auf die Arbeiterklasse fort. „Wir müssen jetzt leider privatisieren, aber dafür bleiben wir in der EU und können uns einen Gegenpol gegen die Neoliberalen bilden“, begründete Syriza-Vorstandsmitglied Georgios Chondros diesen Verrat. Die griechische Regierung vertritt seither den EU-Mainstream. Der einzige fortschrittliche Ausweg hätte in Griechenland darin gelegen, sich der Troika-Erpressung zu widersetzen, die Banken, Konzerne und großen Ländereien zu verstaatlichen und den Wiederaufbau der Wirtschaft auf sozialistischer Grundlage und unter Arbeiterkontrolle voranzutreiben.

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