Kategorie: Jugend

Wer hat Angst vor dem Marxismus?

Ein sozialistisches Bildungsseminar in Delmenhorst bringt einen örtlichen CDU-Kommunalpolitiker auf die Palme. Dass die CDU als politische Repräsentantin des deutschen Unternehmertums nicht viel vom Marxismus hält ist klar. Aber die Ausfälle des Delmenhorster Ratsherren Bastian Ernst (CDU) gegen den Marxismus enthalten so viele alternative Fakten und abstruse Vorwürfe, dass wir sie nicht unkommentiert lassen können.


Nach dem wir am 1.7. und 2.7. zusammen mit der Linksjugend Solid Delmenhorst das Marxistische Sommerseminar 2017 in Delmenhorst veranstaltet hatten, zeigte sich Herr Ernst nun in einer Anfrage im Jugendausschuss und der Delmenhorster Zeitung vom 23.7. entsetzt darüber, dass eine marxistische Bildungsveranstaltung vom Bundesprojekt “Demokratie leben” unterstützt wird. Der Marxismus sei “linksextremistisch” und “demokratiefeindlich”. Als einzigen Beleg zieht Ernst die Bayrische Informationsstelle gegen Extremismus heran, die dem Marxismus ein “grundsätzlich anderes Menschenbild als das freiheitlicher Demokratien” attestiert. Im Mittelpunkt stünde hier nicht das “Individuum in seiner unantastbaren Würde”, sondern die Klasse. Wie Herr Ernst und die Bayrische Informationsstelle gegen Extremismus zu diesen Erkenntnissen kommen bleibt unklar, einen Verweis auf die Werke von Marx oder Engels sucht man vergebens. Herr Ernst geht in einer Facebook-Diskussion sogar so weit, dem Marxismus abzusprechen überhaupt eine Meinung zu sein.

Seine gesamte “Kritik” erweist sich eigentlich schon von Anfang an als lächerlich. Herr Ernst versucht hier, eine Meinung die ihm nicht passt aus der öffentlichen Diskussion zu verdrängen. Anstatt sich einer sachlichen und demokratischen Diskussion zu stellen und die Meinung des Gegenübers zu respektieren, wirft Herr Ernst mit wüsten Beschimpfungen um sich. Das Angebot eines unserer Genossen, sich in einer moderierten Podiumsdiskussion der Debatte zu stellen, schlug er aus. Stattdessen versuchte er uns mit den sinnlosen Krawallen in Hamburg in Verbindung zu bringen, um von vornherein inhaltliche Argumente zu vermeiden. Allein dieses Verhalten spricht Bände über das Demokratieverständnis des Bastian Ernst. Ernst zu nehmen ist das nicht.

Aber wir wollen nicht vom Thema ablenken. Ist der Marxismus demokratiefeindlich?

Wir leben in einem demokratischen Staat. Das höchste staatliche Organ, das Parlament, wird alle vier Jahre von der Bevölkerung gewählt. Es herrscht Meinungs- und Pressefreiheit. Unsere Wirtschaft ist jedoch ganz und garnicht demokratisch: Während die Mehrheit der Bevölkerung täglich acht Stunden oder mehr arbeitet und den gesamten gesellschaftlichen Reichtum erwirtschaftet, landet der Profit am Ende in den Händen einiger weniger Unternehmer, Banker und Milliardäre. Diese wirtschaftliche Elite kontrolliert unsere Wirtschaft und entscheidet, was hergestellt wird. Und hergestellt wird, was privaten Investoren Profite einbringt - nicht was von der Gesellschft gebraucht wird. Während in Europa 4 Millionen Menschen obdachlos sind, stehen 11 Millionen Wohnungen leer; während wir zweieinhalb mal genug Essen für die gesamte Menschheit produzieren, leiden Millionen an Hunger und Unterernährung; während mehr und mehr Menschen (unbezahlte) Überstunden schieben, sind weltweit 35 Millionen Menschen arbeitslos. Milliarden von Euro, Pfund und Dollar liegen ungenutzt auf Firmenkonten in Steuerparadisen, während uns gleichzeitig erzählt wird, es sei kein Geld für Bildung, Gesundheit und bezahlbaren Wohnraum da. Aber das Geld ist da, es ist bloß in den falschen Händen.

Unsere Wirtschaft hat ein enormes Potential, doch dieses wird nicht genutzt, wenn für Privatinvestoren kein Profit dabei rausspringt. Um dieses Potential zum Wohle der Gesellschaft zu nutzen, muss die Gesellschaft die Kontrolle über die Wirtschaft übernehmen und sie sinnvoll, zum Wohle der Gesellschaft, nutzen. Aber man kann nur kontrollieren, was einem gehört. Unser Programm ist nichts anderes, als die Einführung der Demokratie in der Wirtschaft. Wir kämpfen für die Vergesellschaftung der Wirtschaft unter der basisdemokratischen Kontrolle und Planung der Beschäftigten, der arbeitenden Bevölkerung und der Konsumenten. Eine Wirtschaft, die für die Bedürfnisse aller und nicht das Profitstreben Weniger produziert. Nichts anderes ist der Sozialismus.

Wir leben in einem demokratischen Staat. Aber die wirtschaftliche Ungleichheit wirkt sich auch auf die Demokratie in unserem Staat aus. Unsere Abgeordneten sind auf vier Jahre gewählt. Währenddessen sind sie nicht ihren Wählern, sondern allein ihrem Gewissen verpflichet. Wahlversprechen sind nicht bindend und Meinungen können sich ändern. Jeder Leser sollte diese Fragen für sich beantworten: Hast du das Geld um dich mit einem Abgeordneten zu einem netten Abendessen zu treffen oder einen professionellen Lobbyisten zu bezahlen der deinen politischen Vorstellungen Gehör verschafft? Kannst du alten Freunden nach ihrer politischen Karriere einen gut bezahlten Posten in deinem Unternehmen anbieten? Und was ist mit der Meinungsfreiheit? Hast du das Geld eine Zeitung herauszugeben oder eine privaten Fernsehsender zu gründen?

All das zeigt, dass politische Freiheit ohne wirtschaftliche Freiheit bedeutungslos ist. Nur indem die wirtschaftliche Ungerechtigkeit aufgehoben wird, wird echte Demokratie erst möglich. Eine Demokratie der arbeitenden Bevölkerung, in der alle Abgeordneten und Staatsbeamten jederzeit ab- und neuwählbar sind und durch ein imperatives Mandat an den Willen ihrer Wähler gebunden sind. Anstelle eines Bosses der willkürlich über Löhne entscheidet und alleine bestimmt was wie hergestellt wird, werden die Betriebe von allen die dort arbeiten, bzw. durch von ihnen demokratisch gewählte Organe organisiert. Das ist sozialistische Demokratie.

Und ja, wir sind Revolutionäre. Aber eine Revolution bedeutet nicht, dass alle mit Gewehren rumlaufen und den Reichstag niederbrennen. Eine Revolution ist ein zutiefst demokratischer Prozess, in dem die Mehrheit der Bevölkerung, Gesellschaft und Wirtschaft nach ihren Vorstellungen grundlegend verändert. Mit Gewalt hat das erstmal nichts zu tun. All die bürgerlichen Verfechter der parlamentarischen Demokratie sollten dabei auch nicht vergessen, dass es ohne die britische, amerikanische und französische Revolution gar keine parlamentarische Demokratie gäbe. Und wenn Herr Ernst so ein Problem mit Revolutionen hat, dann fordern wir ihn auf das Banner einer sehr blutigen Revolution 1848, nämlich die Schwarz-Rot-Goldene Fahne, auf Facebook als Titelbild zu entfernen.

Wir sind uns bewusst, dass der Begriff Sozialismus oft mit der stalinistischen Diktatur in der Sowjetunion ab Ende der 20er Jahre in Verbindung gebracht wird. Nicht zuletzt, weil tausende Mitglieder unserer politischen Strömung, die in der Tradition von Marx, Engels, Lenin und Trotzki steht, in den stalinistischen Gulags ermordert wurden. Aber den Sozialismus auf Grund der stalinistischen Diktatur in der Sowjetunion zu kritisieren, ist, wie die Demokratie wegen der Demokratischen Republik Kongo abzulehnen. Für die Degeneration der Sowjetunion in eine bürokratische Diktatur gibt es konkrete Gründe, die sich aus der damaligen wirtschaftlichen Situation ergeben. Diese auszuführen würde aber den Rahmen dieser Stellungnahme sprengen, wir laden Herrn Ernst aber herzlich ein, im nächsten Jahr am Workshop zu diesem Thema teilzunehmen.

Anstatt uns wüste Beschimpfungen und alternative Fakten, die von großer sachlicher Unkenntnis zeugen, entgegen zu werfen, möchten wir Herrn Ernst dazu einladen, mit uns auf einer fairen und sachlichen Ebene zu diskutieren. Seine gespielte Empörung über die Brutstätte linksextremistischer Triebe im schönen Delmenhorst, hat, zwei Monate vor der Bundestagswahl, wohl eher den Zweck, die CDU als Beschützerin des kleinen Mannes vor den gewalttätigen linken Chaoten hinzustellen. Ernst zu nehmen ist das nicht.

Der Funke - Ortsgruppe Bremen, 26.7.2017

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