Kategorie: Kapital und Arbeit

Druckerstreik: Interview mit Jörg Tenholtern

Nach sechs Wochen Arbeitskampf in der Druckindustrie, bei dem es vor allem um die 35 Stunden-Woche und die im Manteltarifvertrag (MTV) festgeschriebenen Arbeitsbedingungen geht, befürchten Streikende bei der heute beginnenden neuen Verhandlungsrunde zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Bundesverband Druck und Medien (bvdm) "faule Kompromisse". Ein Gespräch mit Jörg Tenholtern, ver.di-Vertrauensleutesprecher bei der Frankfurter Societätsdruckerei (FSD), in der neben der FAZ auch andere Tages- und Wochenzeitungen gedruckt werden.


Welche Erfahrungen hat die Belegschaft bisher im Arbeitskampf gesammelt und wie fest steht die Streikfront noch?

Die Streikfront ist ungebrochen. Die Leute sind immer noch voll dabei. Auch letzten Sonntag war die Beteiligung riesengroß, obwohl die Kollegen durch den Streik sehr viel an Sonntagszulagen verlieren Wenn unser Geschäftsführer Dr. Roland Gerschermann sagt, wir seien alle von ver.di manipuliert, dann zeigt dies: Die Vertrauensleute haben durch Aufklärung ein hohes Bewusstsein der Belegschaft erreicht. Wir müssen die Leute nicht zum Warnstreik herausprügeln, sondern sie eher wieder reinschicken, weil sie nach einem befristeten Warnstreik nicht mehr reingehen, sondern weiterstreiken wollen. Die Leute haben es verstanden, was auf dem Spiel steht und lassen sich nicht mehr ins Bockshorn jagen.

Aber die Gegenseite schläft auch nicht.

Dr. Gerschermann war mehrfach, teilweise sogar dreieinhalb Stunden, hier draußen. In früheren Jahren war es ihm mal gelungen, wenigstens einige Streikende wieder reinzuholen. Diesmal gelang ihm dies nicht. Gerade auch Kollegen, die früher nie mitstreikten, haben selbstbewusst mit dem Chef diskutiert, der stellenweise sprachlos war. Sie führten Argumente an, die er nicht einfach wegwischen konnte.

Welches Echo findet der Arbeitskampf in der Öffentlichkeit?

Es ist ermutigend, dass hier im Gewerbegebiet viele Angestellte anderer Firmen vorbeikommen und uns sagen: Ihr habt recht, macht weiter so. Fremde LKW-Fahrer haben uns sogar angeboten, das Tor zu versperren. Die Bereitschaft der Menschen auch in anderen Betrieben zur aktiven Solidarität ist da. Das muss endlich auch ver.di begreifen.

Wieso dieser kritische Seitenhieb auf Ihre Gewerkschaft ver.di?

Eine Solidaritätserklärung ist schön, aber wir sehen hier keine Leute. In den anderen Fachbereichen von ver.di besteht kaum Interesse an unserem Arbeitskampf. Dieser Gesamtdienstleister ver.di ist überhaupt kein Dienstleister, denn er bringt keine Leistung. Die Leistung bringen die Leute im Betrieb und ein paar gute Fachsekretäre, die uns unterstützen, und das war’s. Das kann aber nicht alles gewesen sein, und das war auch nicht das Ziel der Gründung von ver.di. Die Leute sind sauer. Dem ver.di-Apparat sage ich: schaut aus euren Büros heraus und seht auf die Kollegen, die für die 35 Stunden-Woche streiken, dann wißt ihr was ihr zu tun habt.

Ver.di-Verhandlungsführer Frank Werneke hat in einem FAZ-Interview seine Kompromissbereitschaft angedeutet und hofft darauf, bei den am Dienstag beginnenden Gesprächen mit dem bvdm ein Einigungspaier zustande zu bringen. Was halten Sie davon?

Es ist daneben, wenn der Verhandlungsführer ausgerechnet in diesem Blatt, das sonst nie über den Arbeitskampf berichtet, ausführlich solche Kompromissangebote macht. Wir haben in der Tarifkommission klare Forderungen gestellt und sind mit diesem Wischiwaschi von Werneke nicht einverstanden. Viele Kollegen waren darüber sehr erbost. Die Kollegen fühlen sich verkauft. Das haben wir am Freitag bei einem bundesweiten Treffen der betrieblichen Streikleitungen Frank Werneke deutlich gemacht.

Können Sie das konkretisieren?

Wir kritisieren, dass Frank Werneke nicht nur einen Kompromiß für die Lohnerhöhung genannt hat, sondern vor allem auch über Öffnungsklauseln, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Nachtzuschläge gesprochen hat. Aber genau das wollen wir nicht. Unsere Forderung ist nach wie vor: Die 35 Stunden-Woche bleibt bestehen, und keine Form von Arbeitszeitverlängerung! Wir fordern die Verhandlungskommission auf, angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen und steigendem Arbeitsdruck in den Betrieben keine faulen Kompromisse gegenüber den Arbeitgebern einzugehen, so wie das beispielsweise die IG Metall getan hat. MTV und 35 Stunden-Woche müssen erhalten bleiben.

Interview: Hans-Gerd Öfinger

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