Kategorie: Theorie

Perspektiven des Weltkapitalismus [Teil 4]

Die revolutionäre Bewegung der arabischen Massen hatte klarerweise einen großen Einfluss auf die Menschen in Schwarzafrika, die seit Jahrzehnten unter verheerenden Bedingungen leben müssen. Unmittelbar nach dem Beginn des Arabischen Frühlings kam es in vielen Ländern südlich der Sahara, besonders in Burkina Faso, Senegal, Malawi, Sambia und Swaziland zu einem Ausbruch der Unzufriedenheit in der Bevölkerung.


 

Kleinere Bewegungen gab es in allen afrikanischen Ländern. Die Klassenspannungen haben seither generell deutlich zugenommen.

 

Afrika

 

Drei Länder in Afrika sind aufgrund ihrer großen Bevölkerung und ihren relativ entwickelten Ökonomien mit einem starken Proletariat von entscheidender strategischer Bedeutung: Ägypten, Nigeria und Südafrika. Ägypten behandeln wir in diesem Dokument an anderer Stelle im Rahmen der Arabischen Revolution, deshalb werden wir uns hier auf Nigeria und Südafrika konzentrieren, um die generellen Prozesse in Afrika zu beleuchten. In Nigeria, das mit seinen 170 Millionen EinwohnerInnen das bevölkerungsreichste Land in Afrika ist, sind die sozialen Widerspruch ganz besonders krass. Obwohl die nigerianische Wirtschaft in den letzten 5 Jahren offiziell mit über 6% gewachsen ist, steigt die Armutsrate weiter an. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei mittlerweile 47%. Das ist ein Rezept für Klassenkämpfe. Die nigerianischen ArbeiterInnen haben in der Vergangenheit unzählige Massendemos und Generalstreiks gemacht. Das größte Problem ist aber das Fehlen einer politischen Führung, die diesen Kämpfen eine Perspektive gibt.  In den vergangenen Jahren begannen Teile der Gewerkschaftsbürokratie unter dem Druck der Basis eine politische Partei aufzubauen, die Nigerianische Labour Party. Doch die Führung der Gewerkschaften hat Angst, dass sie die Entwicklung einer solchen Partei nicht kontrollieren könnte, und ist deshalb nicht bereit für dieses Projekt ihr ganzes Gewicht in die Waagschale zu werfen.

 

Obwohl die Labour Party ein großes Potential hätte, ist sie noch immer eine sehr kleine Organisation, die landesweit keine bedeutsame Rolle spielt. Die Organisation mit dem größten Masseneinfluss bleibt somit der Nigerian Labour Congress, der wichtigste Gewerkschaftsverband des Landes. Das zeigte sich auch in den Massenprotesten, die im Jänner 2012 ausbrachen, nachdem die Regierung die Streichung der staatlichen Subvention des Benzinpreises plante. Diese Bewegung, die zu einem 5tägigen Generalstreik führte, unterschied sich deutlich von vergangenen Protestbewegungen. Auf den Demos waren Hunderttausende Menschen, in vielen Vierteln wurden Stadtteilkomitees gebildet, was darauf schließen lässt, dass die Massen versuchten ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Angesichts des politischen Vakuums auf der Linken und mit einer Labour Party, die darauf reduziert ist, ein reines Instrument für Verhandlungen im Sinne einiger bürgerlicher Elemente zu sein, konnten die JAF (Joint Action Front) und LASCO einen größeren Einfluss unter den fortgeschrittensten ArbeiterInnen und Jugendlichen erlangen. Das sind Anzeichen für einen Radikalisierungsprozess ähnlich wie wir ihn in vielen anderen Ländern weltweit sehen. Was wir im Jänner sehen konnten, können wir als die ersten Anfänge der Nigerianischen Revolution betrachten. Es ist offensichtlich, dass die nigerianischen ArbeiterInnen von den Bewegungen in den arabischen Ländern angesteckt wurden, und dass unter den gegenwärtigen Bedingungen das Abdrehen des Generalstreiks nicht das Ende der Bewegung bedeuten wird. Neuerliche Ausbrüche des Klassenkampfs sind in der kommenden Periode unvermeidlich. Obwohl wichtige Prozesse in ganz Afrika stattfinden, bleibt Südafrika, die bei weitem am stärksten entwickelte afrikanische Industrienation und der Schlüssel zur weiteren Entwicklung auf dem Kontinent. 16 Jahre nach dem Sturz des Apartheidregimes müssen die südafrikanischen Massen noch immer auf eine reale Veränderung ihrer Lebensumstände warten. Obwohl Südafrika über gewaltige Rohstoffvorkommen verfügt, sind 31% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 70 Prozent und ein Viertel der Bevölkerung lebt von weniger als 1,25$ täglich.Unter diesen Bedingungen radikalisieren sich die südafrikanischen Massen stetig. 2010 streikten 1.3 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst und Hunderttausende weitere waren bereit den Streik zu unterstützen. Im Sommer 2011 setzte sich dieser Trend massiver Streiks fort, als Hunderttausende Metallarbeiter und IndustriearbeiterInnen aus anderen Sektoren über Wochen die Arbeit niederlegten. Gleichzeitig kocht die Stimmung in den Townships über, jedes Monat kommt es zu Massenprotesten gegen Kürzungen, gegen die fehlende Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs und gegen die zunehmende Korruption, die in der südafrikanischen Gesellschaft allgegenwärtig ist.Der Druck von unten beginnt sich im Dreiparteienbündnis zwischen ANC, SACP und COSATU zu reflektieren. In den letzten Jahren begann sich eine Kluft zwischen den Teilen des Bündnisses, die enger mit dem Staatsapparat verbunden sind, und jenen Teilen, die näher an der Klasse und der Jugend sind, aufzutun. Dieser Prozess findet seinen Ausdruck vor allem in der ANC Youth League, dessen populistische Führungsfigur Julius Malema deutlich nach links gegangen ist. In den vergangenen Jahren hat Malema die Idee der Verstaatlichung der südafrikanischen Bergbauindustrie in den Mittelpunkt seiner Propaganda gerückt – eine Forderung, die Teil der Freiheitscharta ist, die von vielen als das Programm des ANC angesehen wird. Die Jugend reagierte mit Begeisterung auf diesen Aufruf. Auch die Führung des COSATU spricht sich für die Verstaatlichung der Minen aus, aber gleichzeitig stösst dieser Vorschlag auf den erbitterten Widerstand seitens der Führungen des ANC und der SACP, die Malema sogar vom ANC suspendiert haben. Im Juni 2011 wurde auf dem Kongress der ANCYL die Verstaatlichung der strategischen Sektoren und der Kommandozentralen der Wirtschaft ins Programm aufgenommen.

 

Das ist ein Indikator dafür, wie reif die Situation für revolutionär- sozialistische Ideen ist. Im Allgemeinen hat das kapitalistische System den afrikanischen Massen nichts zu bieten außer einer steigenden Inflation, Arbeitslosigkeit und Armut. 50% der afrikanischen Bevölkerung leben von weniger als 2.5 $/Tag. Im Durchschnitt leben in den Ländern südlich der Sahara die Armen von weniger als 70 Cent pro Tag und sind somit ärmer als sie es 1973 waren. Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus verschlechtert diese Lage weiter, und unter diesen Bedingungen beginnen die Massen wichtige Schlussfolgerungen zu ziehen und gehen nach links. Sie werden eine wichtige Rolle im generellen weltweiten Prozess Richtung Revolution spielen.

 

Die Arabische Revolution

 

Die Arabische Revolution markiert einen fundamentalen Wendepunkt in der Geschichte. Sie zeigt, wie schnell sich Ereignisse entwickeln können. Die Revolutionen in Tunesien und Ägypten schienen plötzlich, ohne Vorwarnung, zu passieren. Zumindest war das so aus der Sicht der Bourgeoisie. Das Problem ist, dass die sogenannten ExpertInnen der Bourgeoisie nichts verstehen. Die ÖkonomInnen, PolitikerInnen und JournalistInnen können nichts vorhersehen und nichts erklären. Bürgerlicher Empirismus ist nicht imstande, die Prozesse, die in den Tiefen der Gesellschaft sich entfalten, zu verstehen. Nur die Methode des dialektischen Materialismus kann hierfür eine wissenschaftliche Erklärung zur Verfügung stellen. Der Marxismus erklärt wie sich Dinge plötzlich in ihr Gegenteil verkehren können und dies auch tun. Die marxistische Theorie macht uns überlegen, weil wir Entwicklungen voraussehen können und nicht überrascht und verwundert zurückbleiben. Die Menschen in der arabischen Welt wurden als passiv, apathisch, rückständig und unterwürfig dargestellt. Aber genau das gleiche wurde vor 1917 über die russische Bevölkerung gesagt.

 

Rassistische Vorurteile gehen hier Hand in Hand mit einer oberflächlichen und unwissenschaftlichen Betrachtung der Geschichte. Man findet die gleiche Art von Vorurteilen bei manchen sogenannten MarxistInnen, die sich immer über das sogenannte niedrige Niveau des Bewusstseins der Massen beschweren. Für solche Leute wird die Dialektik immer nur ein Buch mit sieben Siegeln bleiben. Die Ereignisse im Nahen Osten und in Nordafrika sind kein isoliertes Phänomen sondern Teil eines weltweiten Prozesses. Die Arabische Revolution war eine Vorwegnahme von dem, was auch in Europa und Nordamerika passieren wird. Bis jetzt war die Situation in Lateinamerika am weitesten fortgeschritten, aber die Ereignisse in Tunesien haben das geändert. Innerhalb von Wochen ist die Arabische Revolution von einem Land auf das nächste übergesprungen. Millionen von normalen ArbeiterInnen und Jugendlichen auf der ganzen Welt konnten sehen, wie sich die Revolution vor ihren Augen entfaltete. Man sah dramatische und inspirierende Szenen, als Millionen von Menschen an Mobilisierungen teilnahmen, sich organisierten, kämpften und sogar bereit waren zu sterben, um die Gesellschaft zu ändern. Das erste Mal seit Jahrzehnten war die Revolution mehr als nur eine einfache, abstrakte Idee und nahm konkrete Formen an. Das bestätigt alles, was wir in der Vergangenheit über den internationalen Charakter der Revolution und über die führende Rolle der ArbeiterInnenklasse gesagt haben. Es bestätigt auch die Notwendigkeit einer revolutionären Führung, damit die Revolution siegen kann. Trotzki sagte in den 1930ern über die spanischen ArbeiterInnen, sie hätten nicht eine sondern zehn Revolutionen machen können. Dies trifft auch auf die tunesischen und ägyptischen ArbeiterInnen zu. Was jedoch gefehlt hat, war die revolutionäre Führung. Aus diesem Grund wird die Arabische Revolution einen langgezogenen und konvulsiven Charakter annehmen und durch viele Stadien gehen. In Ägypten und Tunesien war der Sturz von Ben Ali und Mubarak ein großer Schritt vorwärts. Aber es war nur der erste Schritt. Was es braucht, ist ein Sturz des gesamten Regimes, nicht nur des Individuums, das an der Spitze stand. Die Forderung nach der Enteignung des Vermögens dieser Parasiten und der imperialistischen Konzerne, die sie unterstützten, verbindet demokratische Losungen mit dem sozialistischen Programm. Mit ihrem erstaunlichen Mut und Aufopferungsgeist erinnert das großartige revolutionäre ägyptische Proletariat an Barcelona 1936, als die ArbeiterInnen spontan ohne Partei, ohne Führung, ohne Programm, ohne Plan aufbegehrten und den Faschismus fast mit bloßen Händen zerschlugen. Die Massen haben beim Ausbruch der Revolution nie einen vorgefassten Plan. Die Revolution hat schon viel erreicht. Ein wichtiges Element in der Gleichung war dabei die Rolle der Frauen – deren Aktivität ist immer ein sicheres Anzeichen, dass die Revolution die Massen aufgerüttelt hat. Sie hat die religiöse Spaltung und jene zwischen den Geschlechtern, Sprachen und Nationalitäten aufgebrochen. Die Revolution vereint die Massen im Kampf.

 

Die Rolle des islamischen Fundamentalismus und der Muslimbruderschaft in diesen Ereignissen wurde von den westlichen Medien absichtlich hochgespielt. Tatsächlich sind diese Stützpfeiler des Regimes und werden vom Imperialismus als willkommener Buhmann eingesetzt. Unter dem Druck der Massen sehen wir bereits wie sich die islamistischen Organisationen in verschiedene Fraktionen entlang von Klassenlinien zu spalten beginnen. Zu einem großen Teil hat und wird die Revolution auch weiterhin den politischen Islam als das enttarnen, was er ist: ein Nebel, hinter dem rechte bürgerliche Politiker aller Schattierungen stehen. Aber dieser Prozess ist kein linearer. Ohne eine richtige revolutionäre Führung muss die Bewegung notwendigerweise einige Umwege in Kauf nehmen und aus schmerzhaften Erfahrungen lernen (wie in einem Trial and Error- Verfahren). Viele bürgerliche Elemente in der Gesellschaft haben sich hinter die islamischen Liberalen und Konservativen gestellt, wie z.B. hinter die Ennahda in Tunesien oder die Muslimbruderschaft in Ägypten. Da die ArbeiterInnenklasse bisher keine klare Alternative aufgezeigt hat, schaffen es diese Parteien und Strömungen einige Schichten der Massen für sich zu gewinnen. Das gilt vor allem dann, wenn die Bewegung zeitweise abebbt.

 

Unter diesen Bedingungen sehen die Massen diese Parteien als oppositionelle Kräfte an, die frei sind von Verbindungen zum alten Regime. Trotzdem, und entgegen den Meinungen der rein empirisch vorgehenden bürgerlichen „ExpertInnen“, die nicht zögern den Sieg des islamischen Fundamentalismus im Nahen Osten zu deklarieren, wäre es falsch, den Wahlerfolg oder das vorläufige Anwachsen der islamischen Parteien als Niederlage der Revolution anzusehen. Das ist bloß eine Stufe in einem langgezogenen Prozess. Wer auch immer im Zuge der Arabischen Revolution an die Macht kommt, wird sofort mit den Forderungen der Massen konfrontiert sein, die eine Lösung ihrer grundlegenden Probleme (Armut, Arbeitslosigkeit und fehlende Demokratie) in dieser Welt wollen und nicht erst im Jenseits. Deshalb werden wir in der nächsten Periode den Aufstieg und Fall vieler Strömungen und Parteien sehen. Keine dieser Parteien fordert den Kapitalismus als System heraus. Tatsächlich verteidigen sie allesamt die kapitalistische Ordnung und deshalb werden sie auch nicht imstande sein, die grundlegenden Forderungen der Menschen zu erfüllen. An irgendeinem Punkt werden sie in Konflikt mit den Massen kommen. Die ArbeiterInnen und Jugendlichen sind noch voller Zuversicht aufgrund ihres Sieges im Frühling 2011. Sie werden jede Partei, die an die Macht kommt, auf die Probe stellen. Zunächst kann es eine Periode geben, in der sie abwarten und beobachten, was ihnen angeboten wird, aber unvermeidlich werden diese Parteien als nicht gut genug empfunden werden. Deshalb bedeutet der Aufstieg der „islamischen“ Organisationen nicht die endgültige Niederlage der Revolution; im Gegenteil, er ist die Vorbereitung zukünftiger Erhebungen.

 

Etappen in der Revolution

 

Eine Revolution ist kein singuläres Ereignis, sondern ein Prozess. Jede Revolution entfaltet sich in mehreren Etappen. Die erste Stufe gleicht immer einem riesigen Karnevalsumzug, wenn die Massen mit einer gewaltigen Euphorie auf die Strassen gehen. Die Massen haben das Gefühl, dass sie gewonnen haben. In solch einer Situation müssen Strategie und Taktik sehr konkret sein und die reale Situation reflektieren. Wir fordern völlige Demokratie, die sofortige Abschaffung von allen reaktionären Gesetzen und die Einrichtung einer Verfassungsgebenden Versammlung. Aber die Frage lautet: Wer wird die Verfassungsgebende Versammlung einberufen. Die ägyptische Armee, die ein integraler Bestandteil des alten Regimes war? Die ArbeiterInnen und Jugendlichen müssen daher den Kampf fortsetzen, auf der Strasse, in den Fabriken, bis alle ihre Forderungen erfüllt wurden. Die unmittelbaren Forderungen sind demokratischer Natur. Das war auch in Russland 1917 der Fall. Die objektiven Aufgaben der Russischen Revolution waren ebenfalls demokratisch: Sturz des Zaren, formale Demokratie, Befreiung vom Imperialismus, Pressefreiheit usw. Doch die Russische Revolution zeigte auch, dass diese demokratischen Aufgaben nur gelöst werden können, wenn die ArbeiterInnenklasse die Macht erobert. Deshalb müssen die demokratischen Forderungen mit sozialistischen Forderungen verknüpft werden.

 

Die Bolschewiki eroberten die Macht auf der Grundlage demokratischer Forderungen: Frieden, Brot und Land. Das waren keine sozialistischen Losungen. Theoretisch kann man diese Forderungen auch unter kapitalistischen Bedingungen durchsetzen. Aber Lenin verband diese Übergangsforderungen mit einer anderen Forderung: Alle Macht den Sowjets. Auf diese Weise, in dem er die weitestgehenden demokratischen Forderungen aufstellte, knüpfte er am tatsächlichen Bewusstseinsstand der Massen an und konnte so die zentrale Frage der Arbeitermacht stellen. Auf ähnliche Weise können wir heute in Ägypten sagen: „Ihr wollt Demokratie? Wir auch! Aber kein Vertrauen in die Armee und in die Muslimbruderschaft – lasst uns für wirkliche Demokratie kämpfen!“ Revolutionen entwickeln sich nicht geradlinig. In jeder Revolution können wir das beobachten. In Russland kam es nach dem Sturz des Zaren im Februar zu einer Phase der Reaktion in den Monaten Juli und August, auf die ein neuerlicher Aufschwung der Revolution im September und Oktober folgte. In Spanien folgte auf den Sturz der Monarchie im April 1931 die Niederlage der Asturischen Kommune im Oktober 1934 und der Sieg der Reaktion im Bienio Negro (den „zwei schwarzen Jahren“), die aber nur das Vorspiel für einen neuerlichen Aufschwung 1936 ausgehend von der Wahl der Volksfront waren. Mangels einer bolschewistischen Führung war es unvermeidlich, dass die Ägyptische Revolution zurückgeworfen wird. Aber diejenigen, die die Revolution gemacht haben, beginnen zu erkennen, dass sie betrogen werden. Sie sagen: „Was hat sich verändert? Im Grunde genommen gar nichts.“ Es ist wie in den Julitagen in Russland 1917. Deshalb bewegt sich die Revolution hin zu einer neuen Stufe.

 

Den Anfang macht einmal mehr die Jugend, die beklagt, dass sich nichts verändert hat. Das ist eine unvermeidliche Stufe, in der die Massen wichtige Erfahrungen machen. Wir können nicht mit Gewissheit voraussagen, was in der unmittelbaren Zukunft geschehen wird. Wahrscheinlich werden wir eine Reihe von instabilen bürgerlichen Regimes erleben. Das wird keine einfache Phase sein. Die Massen werden aus sehr schmerzhaften Erfahrungen lernen, dass die ArbeiterInnenklasse die Macht erobern muss oder es sonst sehr böse ausgehen kann. Es wird dabei zu einem langwierigen Prozess innerer Differenzierungen kommen. Es wird Niederlagen geben, auch sehr schwere. Doch unter den gegebenen Umständen wird jede Niederlage nur das Vorspiel zu einem neuerlichen revolutionären Aufschwung sein. Wenn das alles schon vor 10 Jahren passiert wäre, wäre es wahrscheinlich viel leichter gelungen ein bürgerlich-demokratisches Regime zu konsolidieren. Doch jetzt stecken sie in einer tiefen Krise: Die Bürgerlichen können den Massen nichts bieten. Nicht einmal in den USA können sie das – wie soll das dann in Ägypten möglich sein? Es wird kein Brot, keine Jobs usw. Geben. Lenin schrieb 1915: „Wer eine ‚reine’ soziale Revolution erwartet, der wird sie niemals erleben. Der ist nur in Worten ein Revolutionär, der versteht nicht die wirkliche Revolution. „Die Russische Revolution von 1905 war eine bürgerlich-demokratische Revolution. Sie bestand aus einer Reihe von Kämpfen aller unzufriedenen Klassen, Gruppen und Elemente der Bevölkerung. Darunter gab es Massen mit den wildesten Vorurteilen, mit den unklarsten und phantastischsten Kampfzielen, gab es Grüppchen, die von Japan Geld nahmen, gab es Spekulanten und Abenteurer usw. Objektiv untergrub die Bewegung der Massen den Zarismus und bahnte der Demokratie den Weg, darum wurde sie von den klassenbewussten Arbeitern geführt. (...) Teile des Kleinbürgertums und der rückständigen Arbeiter werden unweigerlich an ihr teilnehmen – ohne eine solche Teilnahme ist ein Massenkampf nicht möglich, ist überhaupt keine Revolution möglich –, und ebenso unweigerlich werden sie in die Bewegung ihre Vorurteile, ihre reaktionären Phantastereien, ihre Fehler und Schwächen hineintragen. Objektiv aber werden sie das Kapital angreifen, und die klassenbewusste Avantgarde der Revolution, das fortgeschrittene Proletariat, das diese objektive Wahrheit des mannigfaltigen, vielstimmigen, buntscheckigen und äußerlich zersplitterten Massenkampfes zum Ausdruck bringt, wird es verstehen, ihn zu vereinheitlichen und zu lenken, die Macht zu erobern, die Banken in Besitz zu nehmen, die allen (wenn auch aus verschiedenen Gründen!) so verhassten Trusts zu expropriieren [enteignen] und andere diktatorische Maßnahmen durchzuführen, die in ihrer Gesamtheit den Sturz der Bourgeoisie und den Sieg des Sozialismus ergeben, einen Sieg, der sich durchaus nicht mit einem Schlag aller kleinbürgerlichen Schlacken ‚entledigen’ wird.“Diese Zeilen treffen heute auf die Arabische Revolution perfekt zu.

 

Libyen

 

Die Linke hat sich angesichts der Ereignisse in Libyen enorm verwirrt gezeigt. Auf der einen Seite kapitulierten Teile der Linken vor dem Imperialismus und unterstützten die Militärintervention der NATO. Das war sowohl naiv wie auch reaktionär. Man darf sein eigenes Urteilsvermögen nicht durch die heuchlerischen Chöre der Medien vernebeln lassen. Die Lügen von der sogenannten „humanitären“ Intervention zum „Schutz der Zivilisten“ zu glauben, war extrem dumm. Aber das andere Extrem in der Linken war nicht viel besser. Sie unterstützten Gaddafi, den sie in den buntesten Farben als „fortschrittlich“, „antiimperialistisch“ und sogar „sozialistisch“ darstellten. Nichts davon stimmte. Es stimmt, dass das libysche Regime (und auch das syrische Regime) einen anderen Charakter hatten als die Regime in Tunesien und Ägypten. Aber es waren trotzdem sehr unterdrückerische Regime. Auch waren sie nicht genuin antiimperialistisch. Das Gaddafi-Regime war ein sehr eigenartiges Gebilde. Anfangs hatte Gaddafi eine Massenbasis aufgrund seiner antiimperialistischen Rhetorik. Das Regime präsentierte sich selbst als „sozialistisch“ und verstaatliche den Grossteil der Ökonomie. Aufgrund der großen Erdölreserven und einer sehr kleinen Bevölkerung konnte das Regime einen relativ hohen Lebensstandard, ein Gesundheits- und Bildungswesen für die Mehrheit der Bevölkerung garantieren. Das gab dem Regime lange Zeit hindurch eine beachtliche Stabilität. Das erklärt auch, warum Gaddafi nach dem ersten Aufstand gegen ihn trotz alledem imstande war genügend Unterstützung zu mobilisieren, um mehrere Monate lang auszuharren, bis er letztendlich doch gestürzt wurde.

 

Aber es handelte sich um ein System, dass alle Macht in den Händen eines Individuums konzentrierte und in dem die Entwicklung politischer und staatlicher Institutionen effektiv verhindert wurde. Es gab keine herrschende Partei (politische Parteien waren generell nicht erlaubt), eine sehr kleine Bürokratie nur und eine schwache, gespaltene Armee. Gaddafi hielt sich an der Macht durch ein kompliziertes System aus Repression, Klientelwirtschaft, Bündnissen mit Stammesführern und einem Netzwerk informeller Kontakte. In den vergangenen 20 Jahren – und speziell im letzten Jahrzehnt – begann das Gaddafi- Regime die staatliche Kontrolle über die Wirtschaft zu lockern und es wurde versucht Abkommen mit dem Imperialismus zu machen. Die Märkte wurden geöffnet und eine „neoliberale“ Politik wurde etabliert. Marktwirtschaftliche Reformen wurden umgesetzt, Libyen beantragte die Mitgliedschaft bei der WTO, senkte die Subventionen und kündigte ein Privatisierungsprogramm an. Diese Schritte Richtung Marktwirtschaft führten für viele Menschen in Libyen zu einem Sinken des Lebensstandards, auf der anderen Seite bereicherte sich eine kleine Minderheit, allen voran die Familie von Gaddafi. Das war eine der wichtigsten Ursachen für die massive Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die zum Aufstand führte. Der Aufstand in Bengasi war eine echte Revolution, doch mangels einer revolutionären Partei wurde sie von bürgerlichen Politikern, dem sogenannten Nationalen Übergangsrat, in falsche Bahnen gelenkt. Diese Elemente haben sich selbst zur Führung der Bewegung ernannt, wurden von niemandem gewählt und waren niemand rechenschaftspflichtig. Mit Ellbogentaktik bahnten sie sich den Weg und drängten die revolutionären Massen, vor allem die Jugend, zur Seite.

 

Das Ergebnis war eine konfuse und chaotische Situation, die leicht degenerieren konnte. Während all den revolutionären Erhebungen im Nahen Osten und in Nordafrika war der Imperialismus nicht imstande zu intervenieren. Doch nun sahen die USA, Frankreich und Großbritannien eine Möglichkeit sich einzumischen und traten in Kontakt mit den Nationalen Übergangsrat, der eine Allianz aus bürgerlichen Elementen und ehemaligen Ministern des Gaddafi-Regimes darstellte. Die neuen Machthaber in Libyen sind noch mehr dazu bereit, sich in den Dienst des Imperialismus zu stellen, als dies bei Gaddafi der Fall war. Aber trotz der „Freundschaftsdemos“ in Bengasi, misstrauen die Massen in Libyen dem Imperialismus. Sie wissen, dass die Revolution in Libyen nur deshalb die Unterstützung des Westens erhielt, weil das Land reich an Erdölvorkommen ist und britische, französische und US-Konzerne die natürlichen Ressourcen des Landes gerne plündern würden. Wenn wir ein Phänomen analysieren, müssen wir sorgfältig unterscheiden zwischen den verschiedenen Tendenzen und sorgsam trennen was progressiv und was reaktionär ist. Im Fall von Libyen ist das nicht immer einfach. Die Bewegung in Libyen beinhaltet viele verschiedene Elemente, sowohl reaktionäre wie auch potentiell revolutionäre. Eine Reihe von politischen Kräften strebt nach der Führung der Revolution. Dieser Kampf ist noch lange nicht abgeschlossen und kann in ganz unterschiedliche Richtungen gehen. Das Schicksal Libyens ist noch nicht entschieden und wird ganz wesentlich von internationalen Ereignissen und speziell den Entwicklungen in Ägypten abhängen.

 

Syrien

 

Wie auch in Libyen wurden recht früh auch schon in Syrien die Auswirkungen der Revolution in Tunesien und Ägypten spürbar, mit ähnlichen Folgen. Die Massen glaubten, sie könnten einfach durch eine Massendemo nach der anderen das Regime stürzen. Doch die Situation erwies sich als weit komplizierter. Das Regime verfügte weiterhin über eine gewisse Massenbasis in Teilen der Bevölkerung. Dies zusammen mit dem Fehlen einer revolutionären Führung, und im wesentlichen das Ausbleiben eines entschiedenen Auftretens der ArbeiterInnenklasse, führte zu einer Pattsituation über Monate. Das syrische Baath-Regime stützte sich in der Vergangenheit auf eine geplante Wirtschaft nach dem Modell der ehemaligen Sowjetunion, was in den 1960ern und 1970ern eine bedeutsame ökonomische Entwicklung ermöglichte. In den 1980ern verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion begann das Regime den Kapitalismus zu restaurieren. In Folge dieses Übergangs kam es immer stärker zu einer sozialen Polarisierung, wobei sich eine kleine Minderheit selbst bereicherte, während sich sonst Armut in der Gesellschaft breit machte. Die Arbeitslosigkeit stieg sehr stark an und liegt nun bei über 20 Prozent (laut einigen Schätzungen); die Jugendarbeitslosigkeit liegt noch viel höher. Es ist genau diese soziale Polarisierung die wahre Ursache für die Revolution in Syrien. Das syrische Regime wird von den Massen gehasst, doch wie auch in Libyen sieht der Imperialismus auch in Syrien eine Möglichkeit zu intervenieren und versucht seine eigenen Marionetten an die Spitze der Syrischen Revolution zu setzen, um diese so in sichere Kanäle zu lenken. In der Armee kam es zu einer offenen Spaltung, viele Offiziere erklärten sich selbst zur „Freien Syrischen Armee“. Das zeigt, dass viele gewöhnliche Soldaten mit der Revolution sympathisieren und ein Teil der Offizierschaft die Zeichen der Zeit erkannt hat. Sie versuchen Anerkennung unter den Massen zu bekommen und haben das Schiff verlassen, bevor es zur Gänze untergeht. Diese Offiziere haben sich für die Errichtung einer Flugverbotszone ausgesprochen, die vom Imperialismus durchgesetzt werden soll. Dies lässt darauf schließen, dass sie in den Reihen der Revolution eine konterrevolutionäre Rolle einnehmen werden. Was in Syrien fehlt, ist eine klare marxistische Führung, die den Massen erklärt, dass das Regime gestürzt werden muss und in der Tat auch gestürzt werden kann, aber das an seiner Stelle eine geplante Wirtschaft unter der direkten Kontrolle der ArbeiterInnen erforderlich ist. Ohne eine derartige Führung wird die Revolution in Richtung einer „bürgerlich-demokratischen Konterrevolution“ gehen. Das würde keines der brennenden Probleme der Massen lösen. In Wirklichkeit wird die soziale Ungleichheit weiter und sogar schneller als zuvor zunehmen. Mit der Zeit werden die Massen verstehen, dass das Problem nicht nur darin besteht einen Diktator wie Assad loszuwerden. Sie werden einsehen, dass auf einer kapitalistischen Grundlage ihre Probleme nicht gelöst werden. Der Imperialismus ist ernsthaft besorgt über die Entwicklungen in der arabischen Welt, die einen wichtigen Stellenwert in ihren geopolitischen Überlegungen einnimmt. Der Sturz von Mubarak war ein schwerer Schlag für die Strategie der USA im Nahen Osten. Dadurch sind sie zu einer noch engeren Beziehung zu Israel gezwungen, dem einzigen Verbündeten in der Region, auf den sie sich verlassen können. Sie werden auch alles unternehmen, um das Regime in Saudi-Arabien und die reaktionären Scheichtümer in den Golfstaaten stützen zu können.

 

Vor kurzem schlossen die USA ein Rüstungsabkommen mit Saudi-Arabien in der Höhe von 60 Mrd. $ ab. Sie hoffen auch tausende Bunkerknacker an die Vereinigten Arabischen Emirate verkaufen zu können. Sie setzen auf Manöver, um die monarchistische Clique in Bahrain zu retten, wo die Massen trotz der brutalen Repression und der Anwesenheit saudischer Söldner wieder in Bewegung sind. Doch all diese Manöver werden letztendlich nichts bringen. Das Regime in Saudi- Arabien marschierte aus Angst um die eigene Sicherheit in Bahrain ein. Die königliche Familie ist korrupt und heuchlerisch und steht nun vor einer Krise rund um die Frage, wer Thronfolger wird. Gleichzeitig sinkt der Lebensstandard der Bevölkerung, und der Zustand der Millionen ArbeitsmigrantInnen ist erschreckend. Der Kopf des wahabitischen Klerus ermahnte das Regime, sofort Zugeständnisse zu machen und den Lebensstandard zu heben, weil sonst in Saudi-Arabien dasselbe passieren könnte wie in Tunesien und Ägypten. Der Geist ist aus der Flasche ausgekommen und kann nicht mehr so schnell zurückgesteckt werden. Die revolutionären Erhebungen haben sich bereits auf Libyen, Syrien, Djibouti, den Jemen, Bahrain, Jordanien, Oman, Algerien und Marokko ausgedehnt. Und die Massen sind, sobald sie einmal in Bewegung sind, nicht so einfach mit Versprechungen wieder zu befrieden, wie die Ereignisse in Ägypten gezeigt haben. Die Revolution wird sich in Wellen entfalten. Auf Flut wird Ebbe folgen, Müdigkeit, Enttäuschung, Niederlagen und selbst Reaktion werden wir sehen. Doch das wird nur das Vorspiel sein für einen neuen und noch dramatischeren revolutionären Aufschwung.

 

Iran

 

Die Arabische Revolution hatte einen großen Effekt auf den Iran. Als die iranische Revolution im Juni 2009 begann, hatten Tausende iranische Jugendliche unvorstellbare Hoffnungen. Doch die Bewegung war bereits nach dem massiven Aufstand zu Aschura im Dezember 2009 an seine Grenzen gestoßen. Die Arabische Revolution diente als neuer Impuls, belebte die Bewegung im Februar und März 2011 erneut. Hunderttausende gingen abermals auf die Strassen. Doch die Bewegung wurde durch die Rolle von Mousavi, Karroubi und andere liberale Parlamentarier der reformistischen Bewegung falsch orientiert und schaffte es nicht sich zu etwas zu entwickeln, das über eine große Demonstration hinausgehen würde. Im April 2011 wurde die Bewegung nach ihren letzten Zuckern niedergeschlagen. Nach mehr als zwei Jahren des revolutionären Kampfes ist die Bewegung nun an einem Tiefpunkt angelangt. Doch keines der Probleme ist gelöst. Die Wirtschaftskrise hat sich vertieft, die Inflation und die Arbeitslosenrate steigen stetig, und die Abschaffung der Subventionen für Güter des täglichen Bedarfs wird eine Welle der Unzufriedenheit unter den Massen, einschließlich der Schichten, die 2009 sich noch nicht an der Massenbewegung beteiligt haben, auslösen. Obwohl die Bewegung niedergeschlagen wurde, bedeutet das nicht, dass die Lage im Iran stabil ist. Im Sommer 2011 kam es zu massiven Bewegungen im Gebiet der Azeris und in Kurdistan, an denen sich Zehntausende beteiligten. Und wie wir vorhergesagt haben, kam es zu einer zunehmenden Zahl an Arbeiterprotesten, während die „demokratische“ Bewegung niederging. Seit dem Frühling 2011 sehen wir eine stetige Zunahme an Streiks. Interessant daran ist, dass diese Arbeiterbewegung von neuen Schichten an großteils prekär beschäftigten Arbeitern getragen wird, die sich nicht an den Streiks der vergangenen Periode beteiligt haben. Vor allem in der petrochemischen Industrie, die eine strategische Bedeutung für das Regime hat, hat eine Reihe von teils wochenlangen Streiks, an denen sich Hunderttausende beteiligten, die scheinbare Ruhe durchbrochen, die in der iranischen Gesellschaft oberflächlich betrachtet vorherrscht. Diese Streiks sind eine Vorwegnahme einer neuen Welle der revolutionären Bewegung, die sich dann auf einer höheren Ebene entfalten wird. Die Spannungen in der Gesellschaft spiegeln sich in einer Spaltung an der Spitze des Regimes, einschließlich eines offenen Konflikts zwischen Khamenei und Ahmadinejad, wider. Die Krise an der Spitze ist ein Symptom für die zunehmende Krise in der Gesellschaft, die sich in einem sehr fragilen und nervösen Gleichgewicht befindet, das früher oder später zu neuen und noch explosiveren Erschütterungen führen muss.

 

Israel und Palästina

 

Zu guter Letzt hat auch Israel die größten Massenproteste seiner Geschichte erlebt. Netanjahu war nach der Ägyptischen Revolution der Schrecken ins Gesicht geschrieben, als sein wichtigster Verbündeter in der Region gestürzt wurde. Dann im Sommer 2011 gingen die Menschen gegen die Teuerungswelle auf die Strasse und forderten bessere Lebensbedingungen und billigere Wohnungen. Netanjahu versuchte die Bedeutung der Bewegung runterzuspielen und sagte öffentlich, dass die DemonstrantInnen vom Ausland bezahlt würden. Doch es ist schwer die Menschen davon zu überzeugen, wenn bei einer Bevölkerung von 7 Millionen 500.000 auf der Strasse sind. Diese wunderbare Bewegung straft all jene Sekten der Unwissenheit, die Israel als einen einzigen reaktionären Block betrachten.

 

Palästina wurde ebenfalls von der Arabischen Revolution angesteckt. Die Bevölkerung hat erkannt, dass Abbas die palästinensische Sache völlig verraten hat. Sein Versuch die UNO dazu zu bringen, Palästina als Staat anzuerkennen, war ein verzweifelter Versuch Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Wie nicht anders zu erwarten war, hat dieser Versuch aber nichts gebracht. In der palästinensischen Jugend wird sich die Idee breit machen, dass es eine zweite Intifada braucht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen würde dies alles verändern.

 

Unter solchen Bedingungen versucht die zionistische herrschende Klasse in Israel von den innenpolitischen Problemen abzulenken. Und wie in der Vergangenheit muss der Iran herhalten, der als Bedrohung für die ganze jüdische Bevölkerung in Israel dargestellt wird. Das ist der wahre Grund, warum Israel einmal mehr damit droht den Iran anzugreifen. Außerdem fühlen sich die Israelis vom zunehmenden Einfluss des Iran in der Region bedroht.

Als Grund für dieses Säbelrasseln wird uns von den Medien die „Gefahr“, die von der aufstrebenden Nuklearmacht Iran ausgeht, genannt. Doch die wahren Ursachen liegen tiefer. Israel und der Iran bedienen beide die Kriegstrommeln, um von den wachsenden sozialen Konflikten im eigenen Land abzulenken. Beide haben ein Interesse an dieser militärischen Auseinandersetzung, weil es die sich in den Tiefen der Gesellschaft entwickelnden Bewegungen beruhigen und die gespaltenen herrschenden Zirkel an der Spitze vereinen könnte. Ein richtiger Krieg ist aber ausgeschlossen. Wenn dann kommt es zu begrenzten Luftangriffen gegen strategische Militär- und Nuklearanlagen – wie es die Israelis auch in Syrien und im Irak in der Vergangenheit gemacht haben. Die Möglichkeit eines solchen Angriffs wird noch dadurch größer, dass die USA in der Golfregion ihre militärische Präsenz verstärken, nachdem sie ihre letzten Truppen aus dem Irak abziehen.

 

Wenn Israel auf solch einen Angriff setzt, würde das im ganzen Nahen Osten zu einer Explosion führen. Die Massen würden gegen den israelischen und den US- Imperialismus auf die Strasse gehen und jedes Regime erschüttern. Selbst im Iran könnte das Regime sich nicht mehr als eine kurzfristige Atempause von solch einem Konflikt erwarten. Wie alle militärischen Konflikte würde auch dies alle Widersprüche in der Gesellschaft zum Vorschein bringen und den wahren Charakter des Regimes auch gegenüber seinen letzten verbliebenen Anhängern offenlegen. Sowohl die israelische Regierung wie auch das iranische Regime spüren den Atem der Massen im eigenen Land im Nacken und können daher keinen Rückzieher machen – sie sind daher gezwungen die gegenseitigen Provokationen ständig zu verschärfen. Das Proletariat im Nahen Osten ist der entscheidende Faktor in der gesamten Situation. Der Aufbau einer starken marxistischen Strömung in der arabischen Welt ist eine dringliche Aufgabe. Sie wird im Feuer des Gefechts aufgebaut werden müssen. Die Arabische Revolution wird über Jahre dauern mit Auf und Abs wie die Spanische Revolution in den 1930ern. Es wird zu einem Prozess der inneren Differenzierung in diesen Bewegungen kommen. Ein linker Flügel wird sich herauskristallisieren, und ein linksextremer Flügel. Wir müssen einen Weg finden, um Teil dieses Prozesses zu werden.

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