Kategorie: Theorie

Industrie 4.0: Wenn Maschinen die Arbeit übernehmen

Die „Digitalisierung“ ist in aller Munde. Vielen bereitet sie Angst durch den drohenden Jobverlust.Teil I unserer Serie zum Thema Industrie 4.0.


Den alten Ideen, wie Maschinensteuern oder Grundeinkommen, welche heute zur Lösung wieder ausgegraben werden, stellen wir die Notwendigkeit einer radikalen Arbeitszeitverkürzung und der sozialistischen Revolution entgegen. Die Auswirkungen der Digitalisierung begegnen uns überall und treten als Resultat des kontinuierlichen Prozesses des technologischen Fortschritts auf.

Heute besitzt jeder ein Smartphone, kennt Plattformen wie Uber und AirBnB oder ist zumindest den automatischen „SelfCheckout“ Kassen in den Supermärkten begegnet. Immer mehr Geräte sind mit einem winzigen Computer und mit einem direkten Zugang zum Internet ausgestattet. Diese Entwicklungen veranlasste die Bundesregierung zu dem Strategieprojekt, welches den Begriff „Industrie 4.0“ in die Welt setzte. Das Ziel des Projektes ist die Verwandlung der bisherigen industriellen Produktion in autonom organisierte Produktion. Die neuen technologischen Errungenschaft en der Informations- und Kommunikationstechnik sollen genutzt werden um ganze Wertschöpfungsketten zu optimieren. Von der Idee eines Produktes — über die Entwicklung und Produktion, Verteilung und Verkauf, Nutzung und Wartung — bis zum Recycling soll der komplette Lebenszyklus eines Produktes einbezogen werden. Möglich wurde dies durch den technologischen Fortschritt und die Massenproduktion von Computerprozessoren und Sensoren, die immer kleiner und billiger produziert werden können. Die Informatik ermöglichte es Maschinen auf Einsatzgebiete trainiert zu werden und sich zu optimieren. Dadurch werden autonomere und komplexere Produktionsanlagen möglich.

Die Bestandteile einer Liftanlage, einer modernen Mühle oder eines Wasserkraftwerkes kennen beispielsweise bereits ihren Zustand oder Standpunkt und wissen, mit welchen anderen Komponenten sie zusammengehören. Ihre gesammelten Informationen der Sensoren können über das Internet übermittelt werden. Das ermöglicht es, die Produktion auch über größere geografische Distanzen hinweg zu optimieren, zu automatisieren und zu verbessern. Dadurch kann der Arbeitsaufwand in der Produktion stark verringert werden.

Digitalisierung im Kapitalismus

Politiker, Ökonomen und andere Propheten sehen in diesem Fortschritt die Garantie für künftiges Wachstum und versprechen, dass es uns von der Arbeit befreien und ein Leben in Überfluss und Wohlstand ermöglichen wird. Es gelte nur die Modernisierung nicht zu verschlafen und Umstrukturierungen durchzuführen um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Im Kapitalismus zeigt sich das Resultat des technologischen Fortschritts aber für die meisten Menschen gerade als das Gegenteil von Wohlstand und Überfluss. Wenn unsere Arbeit durch moderne Maschinen verringert werden kann, reduziert sich der insgesamt benötigte Arbeitsaufwand. Wodurch in uns schnell die Angst aufkommt unsere Arbeit zu verlieren, die uns unsere Existenzgrundlage sichert. Diese Angst ist nicht unbegründet wie Studien zeigen. Die Arbeit von Dienstleistungsberufen wie KassiererInnen, kaufmännischen Angestellten, Empfangspersonal, Buchhalter oder Postangestellte soll mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisiert werden können. Am Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos wurde vorausgesagt, dass in den nächsten Jahren in den Industrieländern fünf Millionen Arbeitsplätze wegfallen, wahrend nur zwei Millionen neue entstehen.

Die Universität Oxford zeigte auf, dass die Hälfte aller Jobs in der USA durch Maschinen ersetzt werden könnten. Die Angst vor dem Verlust der Existenzgrundlage wird zudem instrumentalisiert und ausgenutzt, um unter der konstanten Drohkulisse der Digitalisierung kontinuierlich die Löhne zu drücken und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Umstrukturierungen bedeuten meistens nichts anderes als Entlassungen und Intensivierung der Arbeitsbelastung. Anstatt Wohlstand und Überfluss bringt uns Lohnabhängigen der technologische Fortschritt also nur schlechtere Arbeitsbedingungen oder gar Arbeitslosigkeit. Für die Bürgerlichen zählt dabei vor allem die Wettbewerbsfähigkeit. In ihren Augen wird der Markt, durch Angebot und Nachfrage, eisern von Adam Smiths unsichtbaren Hand regiert. Rücksichtslos zwingt sie Firmen zu Automatisierungen und Staaten zu Austeritätspolitik. In der Linken herrscht Empörung und auf der Suche nach einem Ausweg werden alte Ideen, wie die Maschinensteuer oder das Grundeinkommen, wieder ausgegraben. Darüber woher das Geld für die Maschinensteuer oder das Grundeinkommen kommen soll, da es nicht einfach vom Himmel fällt, gibt es keine Einigkeit.

Potential und Realität

Der technologische Fortschritt hat durchaus das Potential den Überfluss und Wohlstand zu ermöglichen von dem gesprochen wird und könnte uns von einem großen Teil der Arbeitslast befreien. Kaum jemand aber liefert eine Erklärung, warum das Potential des technologischen Fortschritts nicht ausgenutzt werden kann und die Realität sich gegensätzlich entwickelt. Eine unsichtbare Hand ist dabei keine Erklärung, mit der wir uns begnügen können. Ohne Verständnis der kapitalistischen Produktionsverhältnisse kann uns eine Erklärung dafür nicht gelingen. Marx erklärte, dass dabei der Ursprung des Profits eine zentrale Rolle spielt. Dieser entsteht nicht durch Wucher oder geschicktes Ein- und Verkaufen. Marx ging von der Welt als einen geschlossenen Organismus aus, der sich entwickelt und in unzähligen, sich teilweise widersprechenden Prozessen entfaltet. In diesem komplexen Organismus interagieren die einzelnen Individuen untereinander und mit ihrer Umwelt, aber ohne Einwirkung äußerer (göttlicher) Kräfte.

Die Art und Weise, wie die Produktion und Reproduktion des menschlichen Lebens organisiert ist, bestimmen die Produktionsverhältnisse. Die Grundlage dafür ist die Interaktion zwischen Mensch und Natur, also die Arbeit selbst. Der Profit muss daher aus dem Arbeitsprozess selbst entspringen. Wie viel ein Produkt zu einem Zeitpunkt auf dem Markt kostet, ist bekanntlich abhängig von Angebot und Nachfrage. Historisch gesehen ist jedoch viel entscheidender, wie viel Arbeitszeit benötigt wird um ein Produkt herzustellen. Dass der Preis von Produkten, wie z.B. Telefonen oder Computern, in den letzten Jahrzehnten zu einem Bruchteil zusammenschrumpfen konnte, kann nur dadurch erklärt werden, dass durch Massenproduktion und technologische Fortschritte zu ihrer Herstellung viel weniger Arbeitszeit benötigt wurde. Von Produktivitätssteigerungen profitieren jeweils jedoch nicht wir Arbeitenden. Wenn wir Arbeitenden, z.B. dank verbesserter Maschinen, während eines Arbeitstages mehr produzieren, erhalten wir deswegen nicht automatisch einen höheren Lohn. Von einer durch technologischen Fortschritt gewonnenen Produktivitätssteigerung profitieren nur die Kapitalistinnen und Kapitalisten, welche sich höhere Profite sichern können.

Die Kapitalisten bezahlen uns Arbeitende nicht für die von uns direkt geleistete Arbeit, sondern für unsere Arbeitskraft , welche wir ihnen für einen Tag zur Verfügung stellen. Können die Kapitalisten die von uns hergestellten Produkte für mehr Geld verkaufen als sie für unsere Arbeitslöhne, die Rohstoffe und die Infrastruktur aufwenden müssen, stecken sie Profite ein. Während eines Teils des Arbeitstages müssen wir also arbeiten um den Gegenwert des Arbeitslohns zu produzieren um danach den Gegenwert der Profi te zu produzieren. Auch die Digitalisierung erlaubt es die Produkte schneller zu produzieren, welche nötig sind um unseren Arbeitslohn zu finanzieren. Das bedeutet, dass sich durch sie das Verhältnis zwischen bezahltem und unbezahltem Teil des Arbeitstages zugunsten der Kapitalisten verändert. Indem wir in kürzerer Zeit den Gegenwert unseres Arbeitslohns produzieren, erhöht sich der unbezahlte Teil des Arbeitstages und somit die Profite. Das ist die Erklärung dafür, was wir heute beobachten können: Vom technologischen Fortschritt profitieren nur die KapitalistInnen und uns Arbeitenden bringt er hauptsächlich schlechte Arbeitsbedingungen, Arbeitslosigkeit und Armut.

Fordern was uns zusteht

Um von der Digitalisierung zu profitieren, müssen wir dafür kämpfen, dass sich der unbezahlte Teil unseres Arbeitstags verkleinert. Der Prozess des technologischen Fortschritts macht dies im Kapitalismus zu einem endlosen Kampf um den von uns erarbeiteten Reichtum. Jede weitere Produktivitätssteigerung erhöht fortlaufend den unbezahlten Teil des Arbeitstages und vermindert die Zahl der benötigten Arbeitskräfte. An dieser Tatsache können kein Grundeinkommen und keine Maschinensteuer etwas ändern. Wir Arbeitende und die Kapitalisten stehen uns in einem unversöhnlichen Kampf gegenüber wie unser Arbeitstag aufgeteilt wird.

Einerseits versuchen die Kapitalisten immer ihren Profit zu maximieren. Andererseits mussten wir uns höhere Löhne und kürzere Arbeitstage stets erkämpfen. Wie der von uns produzierte Reichtum konkret verteilt wird, also wie das Verhältnis zwischen dem bezahlten und dem unbezahlten Teil unseres Arbeitstages ist, wurde und wird durch den Klassenkampf bestimmt. Nur unter der Drohung und Durchführung von Streiks konnten wir heutige Errungenschaften wie Achtstundentag oder Sozialdienstleistungen erkämpfen, geschenkt wird uns nichts. Um von der Produktivitätssteigerung profitieren zu können, müssen wir also immer wieder für eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit einstehen. Aber wie jede Forderung hat auch diese ihre Grenzen und kann nur eine Übergangsforderung darstellen. Eine Verkürzung der Arbeitszeit ermöglicht es unsere Lebensbedingungen zu verbessern und die Arbeit auf mehr Menschen zu verteilen, was die Arbeitslast und Arbeitslosigkeit vermindert.

Eine wirkliche Entscheidung im Klassenkampf — unsere wirkliche Befreiung von der Lohnsklaverei — kann uns nur eine sozialistische Revolution und somit der Sturz des Kapitalismus bringen. Nur so können wir tatsächlich den versprochenen Überfluss und Wohlstand erhalten.

Industrie 4.0 Teil II

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