Kategorie: Statisch

Weltperspektiven 2014

Eine langfristige Sichtweise

Der Marxismus wirft einen langfristigen Blick auf die Geschichte. Es gibt bestimmte Momente, die entscheidende Wendepunkte darstellen. Solche Momente waren 1789, 1917 und 1929.Zu solchen Zeiten wird der gesamte Prozess beschleunigt und Prozesse, die für alle Zeiten gefestigt schienen werden in ihr Gegenteil verwandelt. Zu dieser Liste von großen historischen Wendepunkten müssen wir nun 2008 hinzufügen. Die neue Periode, die mit der Krise von 2008 begann findet ihren Ausdruck in einer Intensivierung des Klassenkampfes und der Beziehungen zwischen den Staaten, durch Kriege und internationale Konflikte.

Die Dialektik beschäftigt sich mit Prozessen in ihrer Entwicklung durch Widersprüche. Die dialektische Methode eröffnet uns die Möglichkeit über das momentan Gegebene (die „Fakten“) hinauszusehen und die zugrunde liegenden Prozesse unter der Oberfläche zu betrachten. Das kapitalistische System hat immer wieder sein Geleichgewicht hergestellt und wieder zerstört. Das manifestiert sich im Ausbruch von Krisen die in Intervallen auftreten. Im Bereich der Wirtschaft zeigt sich dies in einem Wechsel von Boom und Krise, den fundamentalen Charakteristika des kapitalistischen Systems in den letzten 200 Jahren. Auf Perioden des Aufschwungs und Vollbeschäftigung folgt eine Periode des Falls in der die Investitionen zurückgehen, Fabriken geschlossen werden, die Arbeitslosigkeit steigt und die Produktivkräfte stagnieren.

Marx erklärt, dass der eigentliche Grund für alle kapitalistischen Krisen die Überproduktion ist, oder, mit den Worten moderner Ökonomen die Überkapazität (das ist eine Folge der Überproduktion der Produktionsmittel). Die Tatsache, dass die Gesellschaft in eine Krise gerät, weil sie zu viel produziert, ist ein Merkmal des Kapitalismus, das in früheren Gesellschaften unbekannt war. Es ist der fundamentale Widerspruch des Kapitalismus, der nicht innerhalb der Grenzen des Privateigentuma an Produktionsmittel und dem Nationalstaat gelöst werden kann. Was wie eine lange Periode erschien – etwa drei Jahrzehnte, hat sich historisch als falsch erwiesen.

Der Zusammenbruch des Stalinismus war ein entscheidender Wendepunkt. Aus psychologischer Sicht gab er den Bürgerlichen und den VerteidigerInnen ihrer Ideologie ein neues Leben. Außerdem hat er die Sozialdemokratie weiter ins Lager des Kapitalismus getrieben, indem neue Illusionen in die „freie Marktwirtschaft“ geschaffen wurden. Er hat das Schicksal der ehemals stalinistischen Parteien, die jeden Anspruch für den Sozialismus zu stehen aufgegeben haben und ein schwacher Abklatsch der Sozialdemokratie geworden sind, besiegelt. Der gleiche Prozess führte zum virtuellen Zusammenbruch des Linksreformismus als klare Tendenz in der Arbeiterbewegung.

Während des letzten Booms ist der Kapitalismus durch eine beispiellose Expansion des Kredites und einer Intensivierung der Arbeitsteilung auf Weltebene durch sogenannte Globalisierung, über seine natürlichen Grenzen hinausgegangen. Das Wachstum des Welthandels trieb das System in eine scheinbar endlose Aufwärtsspirale. Die Expansion des Kredits lies die Nachfrage vorübergehend ansteigen. Im Fall von Großbritannien verdoppelte sich der Anteil der Privatkredite, gemessen am BIP in den letzten 50 Jahren auf 200%. Die USA und andere Länder gingen den gleichen Weg.

Die Sonne schien, die Märkte boomten und alle waren glücklich. Alles schien zum Besten zu stehen in der großartigsten aller kapitalistischen Welten. Dann kam der Crash von 2008. Mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers kamen sie einer Katastrophe im Ausmaß von 1929, oder sogar noch schwerwiegender, sehr nahe. Sie wurden nur durch massiven Zuschuss von öffentlichen Geldern gerettet. Die ganze Last der Schulden, die von den privaten Banken angehäuft worden waren, wurde auf die SteuerzahlerInnen abgewälzt. Der Staat – von dem die Ökonomen behauptet hatten, dass er keine Rolle in der Wirtschaft zu spielen hätte – musste das zusammenbrechende Gebäude der „freien Marktwirtschaft“ stützen.

Die Krise geht weiter

Seit 2008 tragen alle Faktoren, die das System vorwärts getrieben hatten gemeinsam dazu bei es nach unten zu ziehen. Die massive Erhöhung des Kredits wurde zu einem riesigen Berg an Schulden, eine kolossale Belastung für den Konsum, welche die Wirtschaft unter ihrem Gewicht erdrückt.

Während die Presse und PolitikerInnen von einer Erholung sprechen, versinken die ernsthaften Strategen dies Kapital im schwärzesten Pessimismus. Die weitsichtigeren Ökonomen reden nicht von einer Erholung, sondern von der Gefahr einer neuen und noch tieferen Krise. Die „Erholung“ ist in Wirklichkeit eine bequeme Fiktion, berechnet um die Nerven der InvestorInnen zu beruhigen und ihr „Vertrauen“ wiederherzustellen.

Sofern man überhaupt davon sprechen kann, ist die teilweise Erholung in den USA die schwächste Erholung nach einer Krise in der der gesamten Geschichte. Nach einer Krise erholt sich die Wirtschaft normalerweise sehr stark auf Basis von Investitionen, die der Lebensnerv des kapitalistischen  Systems sind. Aber das ist jetzt nicht der Fall. Laut IWF wird die Weltwirtschaft nur 2,9% wachsen, was in etwa der Hälfte des Vor-Krisen-Niveaus entspricht.

Durch die Globalisierung wurde der irrationalen Natur des Kapitalismus, der in unlösbaren Widersprüchen gefangen ist, ein noch schärferer, schmerzhafterer und destruktiverer Charakter verliehen. „Nationale Souveränität“ hat sich als leeres Wort entpuppt, denn jede Regierung ist der Unbeständigkeit des Weltmarktes ausgesetzt.

Die Spekulation blüht, trotz allem Gerede über Regulationen. Riesige Geldmengen schwappen über die Welt und erhöhen das Risiko eines beispiellosen wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Der weltweite Derivat-Markt, der 2008 59bill. USD betrug, ist bis 2012 auf 67 Bill. USD angestiegen. Dies zeigt welche ungezügelte Spekulationsblase die Bürgerlichen heutzutage erfasst hat. Die verschlungenen Verbindungen des Derivat-Marktes, die niemand mehr wirklich zu verstehen scheint, haben neue und komplexe Risiken hervorgebracht.

Die Nervosität der Bürgerlichen spiegelt sich im ständigen Steigen und Fallen der Märkte wieder. Der kleinste Vorfall kann eine Panik auslösen: politische Spannungen in Portugal; soziale Unruhen in Ägypten; Unsicherheit über die ökonomischen Perspektiven Chinas; die Möglichkeit einer Militäraktion im Mittleren Osten, die zu einem Anstieg der Ölpreise führt; jedes dieser Dinge kann eine Panik auslösen, die die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession zurückwirft. Die Renditen für Staatsschulden spielen in etwa die gleiche Rolle wie Charts am Ende eines Spitalbettes, auf denen der Anstieg und Fall von Fieber aufgezeichnet wird. Ab einer gewissen Grenze, droht den Patienten bei einem weiteren Anstieg des Fiebers der Tod.

Das Lebenselixier des Kapitalismus

Das Hauptproblem ist der Mangel an Investitionen in Produktivkräfte. In den USA bleiben die privaten Investitionen sogar unter ihrem Langzeit Anteil der nationalen Produktion, während die öffentlichen Investitionen ihren Höhepunkt mit dem Stimulus 2010 hatten und seitdem rückläufig sind. Die KapitalistInnen investieren nicht in Produktionstätigkeit, die dazu führen würden, dass ArbeiterInnen in ausreichender Zahl eingestellt werden würden, und somit die Wirtschaft in Gang käme. Der Grund dafür ist, dass es keinen Markt für ihre Waren gibt, dass heißt es gibt keine „effektive Nachfrage“.

Die wirtschaftlichen Prognosen sind dunkel und unsicher. Niemand will Geld ausgeben oder investieren, weil sie die Zukunft nicht vorhersagen können. Die Zahl der Arbeitsplätze ist 2013 zwar gestiegen, aber die Fabrikarbeit geht weiterhin zurück. Erste Prognosen, die US Erholung würde durch einen Wiederaufschwung der Produktion ausgelöst werden, wurden vollständig widerlegt. Eine gesunde und nachhaltige Erholung muss auf produktiven Investitionen basieren und nicht auf einer größeren Anzahl Burger bei Mc Donalds.

Die Investitionskosten sind momentan viel niedriger als 2008. Trotzdem sind die Unternehmensinvestitionen in den USA nur leicht über ihrem damaligen Level. Eine aktuelle Umfrage unter den 40 größten börsennotierten US-Unternehmen hat ergeben, dass etwa die Hälfte von ihnen vorhaben ihre Kapitalausgaben im Laufe des Jahres 2013 zu beschneiden. Wozu sollten sie neue Fabriken bauen und in teure neue Maschinen und Computer investieren, wenn sie nicht einmal ihre jetzigen Produktionskapazitäten ausnutzen können?

In Großbritannien gehen nur 15% der gesamten Finanzströme wirklich in Investitionen. Der Rest geht in Unterstützung bereits existierender Unternehmensvermögen, Immobilien oder ungesicherte persönliche Finanzen. Statt in neue Anlagen und Maschinen zu investieren nehmen große Unternehmen billig Kredite auf um ihre eigenen Aktien zurückzukaufen. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 wurden für diesen Zweck in den USA 308 Milliarden USD ausgegeben.

Das Problem ist also nicht der Mangel an Liquidität. In den USA schwimmen die Unternehmen in Bargeld, doch sie investieren nicht in die Produktionstätigkeit. In den letzten vier Jahren wurden riesige Summen in die Wirtschaft gepumpt, vor allem in die Banken. Das Ergebnis war ein alarmierender Anstieg der Staatsschulden, ohne irgendeine wirtschaftliche Erholung, die diesen Namen auch verdient. Nach Schätzungen von Moody zu Beginn des Jahres 2013 (von Forbes im März 2013 berichtet) waren 1.45bill. USD Bargeld in nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gebunkert. Allein im Jahr 2012 ist diese Summe um 130 Mrd. USD gestiegen (in der Gesamtsumme enthalten). Das ist kein neues Phänomen. In den späten 1920ern gab es ebenfalls eine massive Anhäufung von gebunkertem Bargeld in der Wirtschaft – kurz vor dem Zusammenbruch.

Die bürgerlichen Ökonomen haben ein Problem damit das Wort „Überproduktion”auszusprechen (seltsamerweise haben einige selbsternannte marxistische Ökonomen das selbe Problem). Aber aus einer marxistischen Perspektive ist die Ursache für die Krise sehr klar. Im Produktionsprozess wird Mehrwert akquiriert, aber das erschöpft den Prozess des Geldverdienens noch nicht. Die Möglichkeit der KapitalistInnen den von den ArbeiterInnen erwirtschafteten Mehrwert zu realisieren hängt davon ab ob sie ihre Wahren auf dem Markt verkaufen können. ‚Aber diese Möglichkeit ist durch die effektive Nachfrage, also von der Zahlungsfähigkeit, in einer Gesellschaft begrenzt.

Der Drang der KapitalistInnen zu produzieren um Profite zu erhalten ist praktisch unbegrenzt, aber die Möglichkeiten einen Markt für die Produkte zu finden hat sehr klare Grenzen. Die Weltwirtschaft hängt gefährlich von den USA ab. In Wirklichkeit hängt die ganze Welt vom US-Konsum ab. Aber Konsum in den USA ist kaum in einem passenden Zustand um als Motor des weltweiten Wachstums zu fungieren. Die Medianeinkommen sind seit Beginn der Erholung in den USA um 5,4% gefallen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei circa 7%. Der Verbrauch macht etwa 70% des US-Bruttoinlandsproduktes und etwa 16% der weltweiten Nachfrage aus. Überall hoffen also die Exporteure, dass der US-Konsument sie retten wird.

Aber all das schafft neue Widersprüche. Letztes Jahr haben die zunehmenden Importe das US-Handelsbilanzdefizit um 12% auf 45 Mrd. USD pro Monat steigen lassen, was der größte Sprung in 5 Jahren war. Davon machten Importe aus China fast zwei Drittel aus. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, wird das US-China-Defizit bald die 300 Mrd. USD überschreiten. Auf der anderen Seite fallen die US-Exporte. Obamas Ziel die Exporte in 5 Jahren zu verdoppeln ist ein hoffnungsloser Traum. Die US-Erholung könnte versanden und die Weltwirtschaft mit nach unten ziehen. Dies ähnelt einem alten russischen Märchen von einer Hütte, die durch Hühnerbeine gestützt wird.

Quantitative Easing

Der sogenannte Wirtschaftsaufschwung ist fast ausschließlich auf große Mengen von fiktivem Kapital zurückzuführen, die in den USA und anderen Ländern in die Wirtschaft injiziert wurden. Wie ein totkranker Patient wird der Kapitalismus durch ständige Infusionen frischen öffentlichen Geldes am Leben erhalten. Viele Zentralbanken sind dazu gezwungen auf sogenanntes Quantitative Easing (QE) - im Wesentlichen das Drucken von Geld - zurückzugreifen. Doch selbst diese „monetäre Lockerung“ und Nullzinsen schaffen es nicht die Probleme zu lösen, sondern haben stattdessen Inflation als Konsequenz.

Der schwache Aufschwung der US-Wirtschaft war nicht unwesentlich auf die Geldpolitik der Federal Reserve (Zentralbank der USA) zurückzuführen: Seit 2009 kauft die Fed finanzielle Vermögenswerte, wie US-Staatsanleihen und einige Unternehmensanleihen, in großem Stil. Diese Ausweitung der Geldmenge hielt die Zinsen niedrig, was insbesondere hochverschuldeten Unternehmen und Haushalten zugutekam. Dies war ein wichtiger Faktor für den schwachen Aufschwung der US-Wirtschaft und der Finanzmärkte. Wie Krücken einen Menschen ohne Beine, halten die Maßnahmen die Finanzmärkte aufrecht.

Das kapitalistische System basiert auf der Logik eines Irrenhauses. In all der Gier und dem Zwang nach schnellen Profiten produzierte die Bourgeoise in den zwanzig Jahren die den Crash 2008 vorausgingen nur eine enorme Inflation der Finanzmärkte. Dies war wesentlich der lockeren Geldpolitik der Fed geschuldet, welche die Zinsen niedrig hielt. Dieselbe irrsinnige Geldpolitik wird nun in einem verzweifelten Versuch verwendet die Blase erneut aufzublähen. Scheinbar vergessen ist, dass diese Geldpolitik überhaupt erst zum Crash führte. Es wirkt gar so als hätte die Bourgeoise alle guten Geister verlassen. Doch wie Lenin einmal sagte: Ein Mensch der vor dem Abgrund steht kann nicht vernünftig denken.

Das Quantitative Easing Programm der Fed macht pro Monat allein 85 Milliarde US-Dollar aus. Großbritannien, der Euroraum und insbesondere Japan müssen fast sklavisch das Versprechen der Fed nach langfristigem billigem Geld nachahmen. Paradoxerweise kommen diese Versprechen in einem Moment, in dem die Fed versucht einen Gang hinunter zu schalten. Die Fed findet sich deswegen in einer brenzligen Situation: Bernanke versucht den Anfang vom Ende des billigen Geldes zu verkünden, jedoch ohne gleich eine Panik auszulösen.

Die involvierten Verantwortlichen sind sich bereits seit geraumer Zeit durchaus im Klaren, dass sie Teil eines äußerst gefährlichen Experimentes sind. Der Chefökonom von HSBC für Asien erklärte, dass QE "uns zwar Zeit kauft, jedoch keine wesentlichen Probleme löst" (FT 20/09/13). "Je länger sie dieses Programm weiterführen, desto schwieriger wird es aus der Krise zu entkommen" sagt Mike Crapo, Republikaner und Teil des Banken-Komitees des Senates.

Mehr noch, zeigt die Erfahrung, dass die lockere Geldpolitik dem Gesetz sinkender Grenznutzen unterliegt: Immer größere Mengen an Geld werden benötigt um immer geringere Effekte zu erzielen. Financial Times Kolumnistin Gillian Tett sagt dazu: "eine Möglichkeit den wöchentlichen Tanz um QE zu interpretieren ist, dass die politischen Entscheidungsträger versuchen ein Finanzsystem aufrecht zu erhalten, welches im besten Fall eigenartig, im schlimmsten Fall instabil ist". Wir befinden uns "in einer Welt, in der die Finanzmärkte und die 'animal spirits' von billigem Geld abhängig sind".

Im Editorial der Financial Times (21/09/13) wird mit QE in den USA abgerechnet:
„Obwohl QE die Stimmung auf den Finanzmärkten gehoben hat, war dieser Effekt deutlich schwächer als viele erhofft hatten. Trotz niedriger Finanzierungskosten sind die Investitionen am Boden. Staaten reduzieren ihre Defizite, Haushalte tilgen ihre Schulden und Unternehmen horten Bargeld. Infolgedessen wird das Geld der Fed nicht für die Finanzierung von neuen Immobilien oder Kapitalinvestitionen verwendet, was zu Wirtschaftswachstum führen würde. Stattdessen hebt das Geld nur den Wert bereits bestehenden Vermögens.

Die Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac pumpen weiterhin Geld in den Hypothekenmarkt. Während sie jedoch noch vor der Krise für 60 % aller hypothekarisch besicherten Kredite verantwortlich waren, sind es inzwischen 90 %. Dies ist der Stoff, der 2008 zum Kollaps führte. Sich der Gefahr bewusst, kündigte Bernanke im Juni vorsichtig an, dass sich die Fed aus dem QE-Programm zurückziehen könnte. Keynesianer, allen voran Paul Krugman, waren entsetzt: Sie warnten vor voreiligen Aktionen, die das falsche Signal an die Weltwirtschaft senden könnten und dass die Geldpolitik gestrafft werden würde bevor noch die Wirtschaft genügend Dynamik entwickelt hätte um sich selbstständig aus der Krise zu erholen. Dies passierte bereits 1937-38.

Bernanke versuchte daraufhin mit "wenn" und "aber" seine Aussagen aufzuweichen. Er wies darauf hin, dass die Fed ihr QE-Programm nur zurückfahren würde, wenn die Arbeitslosigkeit in den USA unter 7 Prozent gefallen ist - dies ist inzwischen der Fall - um das Risiko eines verfrühten Endes zu minimieren, das das  Zinsniveau weiterhin für eine lange Zeit nahe Null bleiben würde, jede Erhöhung nur sehr vorsichtig und langsam erfolgen würde, und so weiter.

Doch alles ohne Erfolg. Die Bourgeoisie ist abhängig von QE und billigen Krediten, wie ein Heroinabhängiger, der regelmäßig seine Dosis benötigt. Die Ankündigung führte deswegen unmittelbar zu Panik auf den Finanzmärkten. Hedge funds begannen gehaltene Anleihen zu verkaufen und führten damit zu einem rapiden Preisverfall und hohen Finanzierungskosten. Mitte September war die Fed gezwungen einzulenken und QE3 weiterhin bestehen zu lassen. Die Märkte stiegen daraufhin wieder, obwohl Janet Yellen, die neue Vorsitzende der Fed ankündigte bis Ende 2014 die Käufe im Rahmen des QE-Programms auf null zurückzufahren.

Die Krise in den USA

2009, zwei Wochen nachdem er ins Weiße Haus eingezogen war, hielt Obama eine Rede in der er sagte: „Wir können diese Ökonomie nicht wieder auf dem selben Sandhaufen aufbauen. Wir müssen unser Haus auf einen Fels bauen. Wir müssen eine neue Grundlage für Wachstum und Wohlstand legen – eine Grundlage, die uns aus der Ära des Ausborgens und Ausgebens in eine Ära des Sparens und Investierens führt; wo wir im eigenen Land weniger konsumieren und mehr ins Ausland exportieren“.

Vier Jahre später baut die USA immer noch auf Sand und bereitet die Grundlage für eine zukünftige Krise. Das zeigt sich in der erschreckenden Zahl der akkumulierten Staatsschulden. Die prekäre Natur dieser Situation zeigte sich im US Government Shutdown, der sowohl die USA als auch den Rest der Weltwirtschaft als Ganzes in den freien Fall zu ziehen drohte.  Die US-Staatsanleihen erreichten 16.7 Billionen USD, was die vom Kongress vereinbarte Grenze ist.

Der Ernst der Krise zeigt sich durch eine offene Spaltung der herrschenden Klasse und ihrer politischen Vertretung. In der Boomphase konnten die beiden Parteien des Kapitals, die zwei verschiedene Flügel des US Kapitalismus repräsentieren, zu den meisten Fragen einen Kompromiss ausverhandeln. Jetzt wo der Schrank leer ist, wird das alte politische System zu einer Fessel für jede zukünftige Entwicklung der Gesellschaft und des kapitalistischen Systems, mit katastrophalen Folgen.

Die Notwendigkeit die US-Schuldengrenze zu erhöhen, brauchte diese Spaltung an einen kritischen Punkt. Ein Fehlschlag hätte bedeutet die USA in den Default gehen zu lassen. Das hätte zu einem geschätzten 6.8%igen Rückgang des US-BIP und zu einem Verlust von 5 Millionen Arbeitsplätzen in der OECD geführt. Dennoch war die rechten „Tea-Party“ RepublikanerInnen, getrieben von ihrem Hass auf Obama, Obamacare und ihrer engstirnigen Besessenheit von Defizitabbau, durchaus bereit die USA und die Weltwirtschaft zum Einsturz zu bringen.

Die KeynesianerInnen weisen darauf hin, dass die Verringerung des Lebensstandards mitten in einer Rezession die Krise nur vertieft und verlängert. Das ist soweit erst einmal richtig. Aber die MonetaristInnen zeigen gleichzeitig ebenso richtigerweise auf, dass die keynesianische Politik der Defizitfinanzierung ein Rezept für Inflation ist und letztendlich eine schlechte Situation noch schlimmer macht.

In einer kapitalistischen Wirtschaft gibt es nur wenige Hebel um die privaten Investitionen zu steigern wenn die Zinsen gegen Null gehen und es ein massives öffentliches Defizit gibt. Es ist eine Ironie, dass ein Ökonom wie Jeff Sachs – der Mann, der den Neoliberalismus nach Osteuropa brachte – jetzt eine weltweite Version des New Deal fordert. Das zeigt die Verzweiflung der Bürgerlichen, die sich wie in einer Sackgasse fühlt. Die herrschende Klasse spaltet sich an der Frage, was man gegen die riesigen Schulden, die wie ein Damoklesschwert über der US-Wirtschaft hängen, tun soll.

Der US Gouvernement Shutdown alarmierte die bürgerlichen Kreise weltweit. Der Chef der Weltbank, Jim Yong Kim, nannte es „einen sehr gefährlichen Moment… Untätigkeit könnte zu steigenden Zinsen, sinkendem Vertrauen und einer Verlangsamung des Wachstums führen“. Die Chefin des IWF, Christine Lagarde, sprach eine noch deutlichere Warnung aus, als sie sagte, dass der Pass im US-Kongress die Welt in eine neue Rezession zu stürzen drohe. Der Dollar begann im Vergleich zu anderen Ländern zu fallen, da die Investoren ihr Vertrauen verloren.

Die verrückte Politik der Zwangsverwaltung führte zu Kürzungen der Investitionen in wissenschaftliche Forschung, Bildung und Infrastruktur, was bedeutet aktiv die Dinge zu reduzieren, die Amerika eigentlich vermehrt brauchen würde um eine zumindest kleine Reduktion des Haushaltsdefizites zu erreichen. Die republikanische Rechte fordert, dass Obama seine schüchterne Gesundheitsreform aufgibt. Der Stillstand im Kongress war bildlicher Ausdruck der Spaltung der herrschenden Klasse, die inzwischen zwar gekittet, aber nicht gelöst wurde.

Ein Teil der bürgerlichen Ökonomen sprechen sich nun für eine Milderung oder Abschaffung der Einsparungen, Schutz der Armen, Erhöhung ihrer Fähigkeiten, Fokussierung der Investitionen in grüne Energie, usw. aus. Damit soll die Nachfrage durch steigenden Konsum angekurbelt werden. Aber solche Vorschläge stoßen sofort auf den erbitterten Widerstand der Bosse, der RepublikanerInnen und der MonetaristInnen.

Dies ist eine sehr riskante Politik, die einige Ökonomen mit der Situation mit der Roosevelt 1938 konfrontiert war verglichen haben, als ihn der Kongress gezwungen hat die Stimuli zu zügeln, woraufhin es zu einem neuerlichen Abschwung kam. Faktisch war es nicht Roosevelts New Deal Politik, die die Weltwirtschaftskrise beendet hat, sondern der Zweite Weltkrieg. Aber diese Option ist nicht mehr möglich, wenn der amerikanische Präsident nicht einmal in der Lage ist einen Bombenangriff auf Syrien zu befehlen.

In seiner Rede 2009 entschied sich Obama nicht zu erwähnen, was mit einem Haus passiert, das auf Sand gebaut wurde: “Da nun ein Platzregen fiel und kam ein Gewässer und wehten die Winde und stießen an das Haus, da fiel es und tat einen großen Fall”.

Die Krise in Europa

Der globale Charakter der Krise macht es unmöglich Europa und Amerika zu „entkoppeln“. Die Ankündigung, dass die USA das quantitative easing zurückschrauben werden führte sofort zu einem Umbruch der Märkte, was die Zinsen in der Eurozone in die Höhe trieb. Der Effekt war, dass die Geldpolitik noch straffer gestaltet wurde, wenn die Rezession und die steigende Arbeitslosigkeit eigentlich das genaue Gegenteil erfordern würden.

Nirgendwo zeigt sich die Krise stärker als in Europa. All die Träume der europäischen Bourgeoisie von einem vereinten, kapitalistischen Europa haben sich schnell in Asche verwandelt. Alle nationalen Widersprüche sind an die Oberfläche getreten und bedrohen nicht nur die Zukunft des Euro, sondern auch die der Europäischen Union selbst.

Das Gewicht der Schulden ist wie ein gigantischer Mühlstein um den Hals der europäischen Wirtschaft, der sie nach unten zieht und eine echte Erholung verhindert. Niemand kennt das wahre Ausmaß der Schulden der europäischen Banken. Die faulen Kredite der Banken in der EU sind laut Wall Street Journal auf 1.05 Billionen EUR gestiegen (doppelt so viel wie 2008). Aber das ist nur ein Schätzwert (also eigentlich geraten) und die realen Zahlen sind wahrscheinlich viel größer. Die meisten Investmentbanken schätzen, dass Europas Bankensektor um 2-2.5 Billionen EUR verkleinert werden muss um eine Größe zu erreichen die als ausreichend mit Kapital ausgestattet bezeichnet werden kann.

Es gab zwar eine schleppende Erholung in Deutschland, aber Italien und Spanien bleiben in der Rezession und Griechenland befindet sich in einer tiefen Krise. Italien hat seit Beginn der Krise 9% des BIP eingebüßt und Griechenland mindestens 25%. Es wird für Deutschland nicht möglich sein das Wachstum zu halten wenn es keine Erholung in der Eurozone als Ganzes gibt, die der Hauptmarkt für die Exporte ist. 2012 fielen die europäischen Autoverkäufe auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen vor 24 Jahren, im Jahr 1990. Die Autoverkäufe in Europa fielen auch weiter in sechs der ersten acht Monate im Jahr 2013.

Die Einführung des Euro im Jahr 1999 würde als Schlüssel für eine Goldene Zukunft des Friedens, Wohlstandes und der Europäischen Integration gefeiert. Aber wie wir vorausgesagt haben, unter den Bedingungen der Krise hat er sich in die Quelle für nationale Konflikte und Desintegration verwandelt.Auch wenn der Euro nicht die Ursache für die Probleme von Ländern wie Griechenland, Italien und Spanien ist, wie engstirnige NationalistInnen sich vorstellen, so hat er sie doch zweifellos um ein vielfaches verschlimmert.

In der Vergangenheit hatten diese Länder durch Abwertung eine Lösung für Krisen. Jetzt ist das unmöglich. Statt ihren Marktankteil auf Kosten der ausländischen Konkurrenz durch Abwertung der Währung zu vergrößern sind sie gezwungen auf „innere Abwertung“ also strenge Austeritätsmaßnahmen, zurückzugreifen. Aber das hat nur den Effekt die Krise zu vertiefen und die Klassenteilung in der Gesellschaft zu verstärken.

Der unmittelbare Auslöser war die Krise in Griechenland, die den Euro und die Europäische Union selbst bedroht. Es war normal, dass die Krise zuerst am schwächsten Glied der Kette des europäischen Kapitalismus entstand. Aber die Auswirkungen der Griechenland Krise betrafen ganz Europa. Während des Aufschwungs, der auf die Einführung des Euro folgte, gewann Deutschland viel durch Exporte in die Eurozone. Was als enormes Plus begann, hat sich jetzt in ein gewaltiges Minus verwandelt. Wenn Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, verspricht dass er alle wirtschaftlichen Ressourcen die ihm zur Verfügung stehen verwenden wird um den Euro zu retten, vergisst er zu erwähnen woher diese Mittel kommen sollen.

Jeder Finanzausgleich zur Rettung der Eurozone wird immer ein Transfer von deutschem Steuergeld zu jemand anderem sein. Das verursacht ernsthafte Probleme für Angela Merkel. Deutschland ist in der Position eines unerbittlichen Verteidigers von Sparpolitik und finanzpolitischen Einschränkungen. Es kann es sich leisten das zu tun. Es ist die stärkste europäische Wirtschaft und wirtschaftliche Stärke muss sich früher oder später auch in politischer Stärke ausdrücken. Trotz der Illusionen der französischen Bourgeoisie in der Vergangenheit, ist es Deutschland, das heute alles entscheidet.

Aber die Austeritätspolitik hat gewisse soziale und politische Grenzen. Länder wie Griechenland oder Portugal haben diese Grenzen bereits erreicht und Spanien und Italien sind nicht weit davon entfernt. Trotz des jüngsten Optimismus der Bürgerlichen, hat sich nichts gelöst. Die Krise der Eurozone kann jeden Moment wieder ausbrechen. Die Einführung eines immensen Sparkurses führte in Portugal zu einer schweren politischen Krise, wo riesige Massenproteste fast zum Sturz der Regierung geführt hätten. Portugals Staatsschulden steigen und werden 2015 wahrscheinlich über 130% der nationalen Ausgaben ausmachen. Also wofür waren all die Opfer und Schmerzen?

Manche Teile der „Linken“ in Europa – so zum Beispiel Lafazanis, der Führer der Linken in der SYRIZA – fordern einen Ausstieg aus dem Euro, und sogar der EU selbst, als Lösung der Krise und der Probleme der Arbeiterklasse. Als MarxistInnen jedoch sehen wir den Grund der Krise nicht in der Existenz der Europäischen Union. Es ist eine Krise des kapitalistischen Systems.

Die Europäische Union ist nichts weiter al seine Union der Bosse zur Stärkung der Interessen der mächtigen europäischen KapitalistInnen. Die EU macht überall Politik gegen die Interessen der Arbeiterklasse. Und sie kann nicht einfach in eine Art „soziales Europa“ reformiert werden. Wir stellen uns zwar gegen sie, aber die Lösung ist nicht die Einführung einer Vielzahl kleiner nationaler kapitalistischer Länder, sondern die Einheit der ArbeiterInnen in Europa und der Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

Die politische Instabilität, die durch die Sparmaßnahmen verursacht wurde, zeigt sich in einer Reihe instabiler Koalitionsregierungen und heftige Schwankungen der öffentlichen Meinung. In Italien gelang es nur unter größten Schwierigkeiten eine Koalition der Demokratischen Partei mit Berlusconi zu gründen, und die Führer der Koalition verbringen die meiste Zeit damit sich gegenseitig öffentlich anzugreifen. Berlusconis Hauptanliegen ist es nicht im Gefängnis zu landen. Die allgemeinen Interessen des italienischen Kapitalismus müssen einen lausigen zweiten Platz hinter diesen übergeordneten Überlegungen einnehmen.

Das unerfreuliche Spektakel von Zankerei und Spaltungen an der Spitze, Korruptionsskandale (wie in Spanien), die Nichteinhaltung von Versprechungen (Frankreich), und PolitikerInnen die ihre eigenen Taschen füllen (Griechenland) , während sie dem Rest der Gesellschaft unerträgliche Mühen auferlegen, hat zu einer allgemeinen Gegenbewegung gegen alle existierenden Parteien und ihre FührerInnen geführt. Das ist eine alarmierende Entwicklung für die Bürgerlichen, die alle verbleibenden politischen Waffen die sie besitzt aufbrauchen wird um das System zu bewahren. In Europa bereitet sich eine massive soziale und politische Krise vor.

Die Bourgeoisie starrt einem Abgrund entgegen und könnte gut zum Rückzug gezwungen werden. Abgesehen von allem anderen haben die Einsparungen eklatant dabei versagt die Wirtschaft anzukurbeln. Im Gegenteil, sie haben eine schlechte Situation unendlich verschlimmert. Aber was ist die Alternative? Die Bourgeoisie ist zwischen dem Teufel und dem tiefen blauen Meer gefangen. Es ist nicht klar ob die Eurozone völlig auseinanderbrechen wird – eine Aussicht, die die in Schrecken versetzt und das nicht nur in Europa. Um einen völligen Zusammenbruch zu verhindern, werden die EU Bosse gezwungen sein einige ihrer sehr harten Bedingungen aufzugeben. Am Ende wird nur sehr wenig der ursprünglichen Idee der europäischen Einigung, die auf kapitalistischer Basis unmöglich ist, übrig bleiben.

Das Problem der europäischen Bourgeoisie ist einfach erklärt. Die herrschende Klasse kann es sich nicht leisten die von der Arbeiterklasse während des letzten halben Jahrhunderts erkämpften Zugeständnisse zu erhalten, aber die Arbeiterklasse kann keine weiteren Einschnitte in den Lebensstandard akzeptieren. Überall sehen wir einen stark gesunkenen Lebensstandard; Lohnkürzungen; es gibt das Phänomen der Migration aus den Ländern Südeuropas in Länder wie Deutschland wieder. Aber wenn Deutschland auch von einer Rezession betroffen ist, wohin werden sie migrieren?

Die Arbeiterklasse hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg enorm verstärkt. Die sozialen Reserven der Reaktion wurden stark reduziert. Die Bauernschaft, die in der Vergangenheit nicht nur in Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland, sondern auch in Deutschland, einen sehr großen Teil der Gesellschaft ausmachte, wurde auf eine kleine Minderheit reduziert. Bereiche wie LehrerInnen, Beamte und Bankangestellte, die sich in der Vergangenheit zur Mittelklasse zählten und nicht im Traum daran gedacht hätten einer Gewerkschaft beizutreten oder zu streiken, zählen nun zu den militantesten Teilen der Arbeiterbewegung. Das gleiche gilt für StudentInnen, die vor 1945 vor allem zum rechten Flügen zählten oder sogar FaschistInnen waren, sind nun beständig Links und in vielen Fällen offen für revolutionäre Ideen.

Die europäischen ArbeiterInnen haben im den letzten Jahrzehnten keine entscheidende Niederlage erlitten. Es wird nicht leicht sein sie zu zwingen das aufzugeben, was sie sich erkämpft haben. Das zeigte sich im Oktober 2013 bei den belgischen Feuerwehrleuten, die sich mit 30 Lastwagen vor dem Parlament versammelten, alle Eingänge blockierten und die Polizei mit Wasser und Löschschaum besprühten und zusätzliche 75 Mio. EUR forderten um das Personal auf ein akzeptables Sicherheitsniveau zu erhöhen. Die Regierung wurde gezwungen dem zuzustimmen als die EisenbahnerInnen anboten den Feuerwehrleuten zu helfen, indem sie alle Bahnhöfe blockieren. Diese Veränderung im Kräfteverhältnis bedeutet ein ernstes Dilemma für die Bourgeoisie bei der Umsetzung der notwendigen Sparmaßnahmen. Dennoch wird die herrschende Klasse durch die Krise gezwungen ihre Angriffe fortzusetzen.

Deutschland

Oberflächlich betrachtet scheint es so als ob Deutschland den schlimmsten Auswirkungen der Krise entkommen wäre. Aber Deutschlands Zeit wird kommen. Die Achillesferse des deutschen Kapitalismus ist seine beispiellose Exportabhängigkeit: im Jahr 2012 erreichten die deutschen Exporte einen Rekord von 44% des BIP (1.1 Billionen EUR). Der Grund für diesen scheinbaren Erfolg ist, dass die Reallöhne der deutschen ArbeiterInnen auf dem gleichen Level gehalten werden, dass sie 1992 hatten. Laut der FT „hat Deutschland jetzt in ganz Westeuropa den höchsten Anteil an Niedriglöhnen relativ gesehen zum nationalen Medianeinkommen“. Ein Viertel der ArbeiterInnen erhalten nur „Niedriglöhne“. Die Anzahl der ZeitarbeiterInnen hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht.

Die deutschen Exporte, die einzige Wachstumsquelle in der letzten Periode, basieren also auf niedrigen Löhnen und hohen Investitionen. Die hohe Produktivität die aus den deutschen ArbeiterInnen herausgepresst wird, verschaffte der deutschen Industrie einen großen Vorteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten, wie die folgenden Zahlen zeigen.

Entwicklung der Industrieproduktion von 2000-Oktober 2011:

Deutschland          + 19.7%
Portugal                - 16.4%
Italien                   - 17.3%
Spanien                 - 16.4%
Griechenland         - 29.9%

Tatsache ist, dass der deutsche Kapitalismus auf Kosten der schwächeren europäischen Mitbewerber, deren Industien nicht konkurrenzfähig waren, gewinnen konnte. Ihr Verlust war Deutschlands Gewinn. Zusätzlich dazu arbeitete auch noch der Euro zum Vorteil von Deutschland. Deutsche Banken verliehen gerne Geld an Länder wie Griechenland, damit diese deutsche Produkte kaufen können. Aber jetzt hat sich dieser Prozess in sein Gegenteil verkehrt. Auch wenn sie das nicht öffentlich zugeben können, beweisen das geleakte Protokoll des ersten IWF Rettungspaketes für Griechenland, das was wir in der Vergangenheit bereits gesagt haben, nämlich, dass die Rettungspakete für Griechenland vor allem benötigt werden um die deutschen (und französischen) Banken zu retten.

Die rechten Demagogen fluchen jetzt auf Europa und den Euro. Aber die ernsthafteren Strategen des deutschen Kapitals haben gewisse Vorahnungen. Sie verstehen, dass Deutschland sein wirtschaftliches Gleichgewicht nicht wieder herstellen kann solange der Rest der Eurozone sich in der Krise befindet. Wohin sollen sie ihre Waren exportieren?

Bei einer Rede während einem wichtigen Wirtschaftsgipfel in Hamburg, warnte der Führer der deutschen SPD, Helmut Schmidt, davor, dass: „Das öffentliche Vertrauen in die europäischen Regierungen und die Europäische Union zerschlagen wurde und Europa am Rande einer Revolution steht.“ Er betonte weiter, dass große politische und wirtschaftliche Veränderungen in Europa notwendig sind. Aber welche Veränderungen werden benötigt? Und wer wird sicherstellen, dass sie durchgeführt werden?

Großbritannien

Die ehemalige Werkstatt der Welt hat ihre industrielle Basis verloren und wird vollständig durch parasitäres Finanzkapital und Dienstleistungen dominiert. UK hat mehr Banker, die über eine Million GBP pro Jahr verdienen als der Rest der EU. Großbritannien spricht von „Erholung“ aber das zugrunde liegende Bild ist das des Niedergangs.

In der letzten Periode gab es in Großbritannien den größten und beständigsten Rückgang des Lebensstandards seit den 1860ern – also vor über 150 Jahren. Es gab Warnungen vor einer neuen Explosion in der Jugend entlang der Linien der Unruhen, die vor ein paar Jahren Gemeinden und Städte in ganz Großbritannien eingehüllt haben. Es wird geschätzt, dass zwei Millionen Kinder jeden Morgen hungrig zur Schule gehen. Diese Offenbarung schockierte die Öffentlichkeit, so dass die Regierung schnell die Einführung von freien Mahlzeiten für alle Grundschulkinder ankündigte.

Soziale Einstellungen in Großbritannien sind einer massiven Verschiebung unterworfen. Die alte Haltung von Achtung und Respekt gegenüber dem Establishment hat sich in Hass verwandelt. Menschen denen in der Vergangenheit mit Ehrfurcht begegnet wurde, Mitglieder des Parlament, der Presse, der Justiz und der Polizei, werden nun mit Mistrauen und Verachtung betrachtet.

„Die Öffentlichkeit scheint zu glauben, dass im Establishment etwas faul ist.“, sagt John McDermott in der FT. „2010 ergab eine Meinungsumfrage, dass 81% der BritInnen der Aussage ‚PolitikerInnen verstehen die reale Welt überhaupt nicht‘ zustimmen.  Die britische Umfrage zur sozialen Einstellung ergab, dass nur 18% darauf vertrauen, dass die Regierung die Bedürfnisse der Nation über die der Partei stellt. Diese Zahl sank von 38% im Jahr 1986. Banken ergeht es noch schlimmer. 1983 dachten noch 90% sie seien „gut geführt“ und im Vergleich dazu sind es heute 19%, was den vielleicht dramatischsten Einstellungswechsel in der 30-jährigen Geschichte des Berichtes darstellt.

„Die Ansichten der Briten über ihre Institutionen nehmen zu und ab – fragen sie Ihre Majestät. Aber aufeinander folgenden Skandale im Bankensektor, im Parlament und in den Medien geben einem das Gefühl als ob das Vertrauen in diejenigen, die die Macht im Land ausüben fast zusammengebrochen ist...Es besteht eine tiefe Ungewissheit unter den Mächtigen, wie weit die Anti-Elite-Stimmung in Großbritannien und darüber hinaus schon fortgeschritten ist.“ (FT, 28/9/13)

Der Labour Vorsitzende Ed Miliband war schließlich durch den steigenden Druck aus den Reihen der Arbeiterbewegung gezwungen dem wachsenden Ärger gegen die großen Unternehmen und die Banken, Ausdruck zu verleihen, wenn auch auf sehr milde Art und Weise. Trotz des begrenzten und schwachen Charakters provozierte dies einen Wutausbruch in der bürgerlichen Presse. Die Financial Times beschuldigte Miliband des „Handles mit populistischer Effekthascherei“. Hier sehen wir die Anfänge des Gegendrucks, der sich um ein vielfaches Verstärken wird, wenn die Labour Party unter den Bedingungen einer Krise in die Regierung kommt.

Frankreich

Die EU war ursprünglich dafür vorgesehen eine Art Wohnanlage zu sein, in der Frankreich der politische Führer Europas und Deutschland der Wirtschaftsmotor sein sollte. Aber jetzt haben sich diese Träume der französischen herrschenden Klasse als utopische Träume entpuppt. Berlin entscheidet alles, Paris entscheidet nicht.

Bei den letzten Wahlen errang die Sozialistische Partei einen überwältigenden Sieg auf allen Ebenen. Aber die Unterstützung für Hollande ist sehr schnell verdampft. So wie alle anderen reformistischen FührerInnen hat er die Rolle eines Managers der kapitalistischen Krise übernommen. Das Ergebnis ist, dass er die Schlechtesten Umfragewerte von allen Präsidenten seit 1958 hat. Die neuesten Umfragen ergaben sogar einen Anstieg der Unterstützung für die Rechte Marine Le Pen, und Hollande hinkt hinterher.

Die Medien werden versuchen, dies als einen Rechtsruck zu präsentieren. Aber eigentlich drückt es die allgemeine Stimmung der Frustration und Unzufriedenheit mit den bestehenden Parteien und Enttäuschung über „die Linke“, die viel versprochen und nur wenig gehalten hat, aus. Es bleibt abzuwarten ob die Kommunistische Partei, mit ihrer reformistischen Politik Unterstützung von den Sozialisten gewinnen kann, oder ob die Front de Gauche an ihren früheren Wahlerfolg anknüpfen kann.

Teilweise um die Aufmerksamkeit von den Schwierigkeiten im eigenen Land abzulenken hat Hollande eine Reihe von militärischen Auslandsabenteuern in Afrika (Mali und die CAR) ins Leben gerufen. Nachdem er in Europa von Deutschland blockiert wird, versucht er Frankreichs alte Rolle in Afrika und im Nahen Osten wiederherzustellen. Aber in Wirklichkeit fehlen dem französischen Imperialismus die Muskeln um auf Weltebene eine unabhängige Rolle spielen zu können. Diese militärischen Abenteuer werden unweigerlich in Tränen enden und neues Öl ins Feuer der Unzufriedenheit im eigenen Land gießen.

Frankreich bleibt ein Schlüsselland für den Klassenkampf in Europa. Die französischen ArbeiterInnen haben immer wieder gezeigt, dass sie ihre revolutionären Traditionen nie vergessen. Die Massen suchen nach einem Weg aus der Krise. Sie setzten ihr Vertrauen in die sozialistischen FührerInnen, aber diese sind organisch mit dem kapitalistischen System und der bestehenden Ordnung verbunden. Die „Linke“ zerstört die Hoffnungen der Massen. Bereits bei den letzten Wahlen haben die FührerInnen der KP und der Parti de Gauche das linke Bündnis gebrochen. Die KP ist in einem Bündnis mit der SP, einer Regierungspartei, und die Parti de Gauche ist in einigen Gemeinden in einem Bündnis mit den Grünen, die auch zwei Minister in der derzeitigen Regierung haben. Durch den Bruch des linken Bündnisses – zumindest auf Gemeindeebene – enttäuschen sie jene ArbeiterInnen und Jugendliche die nach einer linken Alternative zur SP suchen. Es ist ein Hinweis auf die komplette reformistische Blindheit der KP Führung, die sich genau in dem Moment an die SP klammern, wenn Hollande und seine Regierung diskreditiert und zutiefst unpopulär sind. Statt eine klare Opposition zur Regierung beizubehalten, versuchen sie verzweifelt ihre Positionen in der Kommunalverwaltung zu erhalten. MarxistInnen müssen von den FührerInnen des Linken Bündnisses einen Bruch mit den Sozialisten und den Grünen und eine Stärkung des Linken Bündnisses auf Basis von wirklich linker und sozialistischer Politik fordern.

Was wir sehen ist ein klarer Prozess der Polarisierung zwischen den Klassen, die in einem bestimmten Stadium in einer sozialen Explosion ausgedrückt werden wird. Auf Wahlebene frustriert, werden die ArbeiterInnen und die Jugend auf die Straße gehen, wie sie es in der Vergangenheit so oft getan haben. Eine Wiederholung vom Mai 1968 ist in Vorbereitung. Aber diesmal wird es auf einer höheren Ebene stattfinden und die StalinistInnen besitzen nicht länger die Kraft oder die Macht es zu verraten.

Italien

Italien taumelt am Rande einer Abwärtsspirale aus Herabstufungen und steigenden Anleiherenditen. Die Folgen könnten verheerend sein, nicht nur für Italien, sondern für die ganze Eurozone. Die akkumulierten Schulden betragen inzwischen rund 2 Billionen EUR. Die Fremdkapitalkosten der Regierung drohen Italiens Wirtschaft auf lange Sicht zu erwürgen.

Die Arbeitslosigkeit steigt. In den letzten drei Jahren haben eine Million Menschen zwischen 25 und 34 ihren Job verloren. Von den Menschen unter 35 arbeiten nur vier von zehn. Offiziell gibt es insgesamt über drei Millionen Arbeitslose, aber viele Menschen haben die Suche nach einem Job aufgegeben, weil sie kein Vertrauen darin haben einen zu finden. 2012 wurden mehr als neun millionen Menschen als arm eingestuft, von denen 4,4 Millionen in absoluter Armut leben.

Eine aktuelle Umfrage von Legacoop (die wichtigste Supermarktkette) hat jetzt schriftlich bestätigt, was ohnehin schon seit einiger Zeit offensichtlich war: drei Millionen Haushalte – 12,3% der Bevölkerung – können es sich nicht leisten jeden zweiten Tag eine proteinreiche Mahlzeit zu essen; neun Millionen ItalienerInnen wären nicht in der Lage unerwartete Ausgaben von 800 EUR zu decken; ItalienerInnen geben vermehrt den Gebrauch des Autos auf (25% der Bevölkerung); sie fahren nicht mehr auf Urlaub (vier Millionen Menschen weniger diesen Sommer); und sie kaufen sich auch kein neues Gewand mehr (23% der Bevölkerung). Die Ausgaben für Lebensmittel sind in den letzten sechs Jahren um 14% auf das Level von 1972 (2.400 EUR pro Kopf) gefallen.

Die Financial Times beschreibt die Aufgaben vor denen Italien steht als „wirtschaftlich schmerzhaft und politisch selbstmörderisch”. (7/10/13) Der italienische Kapitalismus kann nicht mit Deutschland und Frankreich konkurrieren und fällt zurück. In der Vergangenheit hätte er seine Währung abgewertet, aber mit dem Euro ist dieser Weg versperrt. Stattdessen muss auf „interne Abwertung“ (das heißt tiefe Einschnitte in den Lebensstandard) zurückgegriffen werden. Aber dafür bräuchte es eine stake Regierung. Das ist jedoch nicht möglich.

Jede Partei in Italien ist gespalten. In der PD gibt es eine Spaltung zwischen dem alten KP Apparat und den offen bürgerlichen Elementen der Christdemokraten. Montis kleine Partei ist von Fraktionen zerrissen und wird bei den nächsten Wahlen vermutlich von 10 auf 4% fallen. Sogar Grillos Fünf-Sterne-Bewegung ist gespalten, wobei einige klar in Richtung einer Zusammenarbeit mit der PD tendieren.

Die GewerkschaftsführerInnen haben bei der Unterstützung der sogenannten Regierung der nationalen Einheit eine schändliche Rolle gespielt indem sie alle arbeiterfeindlichen Sparmaßnahmen geschluckt haben. Das gilt besonders für die „linken“ Führer der Metallarbeitergewerkschaft, der FIOM, die, nachdem sie die Hoffnung der ArbeiterInnen geweckt hatte, diese dann zerstörte indem sie gemeinsam mit dem CGIL Vorsitzenden Camusso ein gemeinsames Dokument für den CGIL Kongress unterzeichnete. Hier sehen wir die Rolle des Linksreformismus in Aktion. Die rechten Gewerkschaftsführer klammern sich an die Bourgeoisie und die linken Gewerkschaftsführer klammern sich an den rechten Flügel. Keiner von ihnen hat auch nur das geringste Vertrauen in die Arbeiterklasse, die im entscheidenden Moment führungslos zurück bleibt.

Der Verrat der Führung kann zu vorübergehender Demoralisierung und Apathie führen. Aber das wird nicht das Ende der ganzen Angelegenheit sein. Die italienischen ArbeiterInnen – so wie die spanischen, griechischen und französischen – haben eine lange Tradition spontaner, aufständischer Bewegungen. Blockiert von ihren traditionellen Massenorganisationen, werden sie einen Weg finden ihrer Wut auf explosive Art und Weise Ausdruck zu verleihen. Genau das ist im Heißen Herbst 1969 passiert. Die fünf Tage andauernde unbefristete Streik der TransportarbeiterInnen in Genua gegen die Privatisierung im November 2013 zeigt die wahre Stimmung, die sich in der italienischen Arbeiterklasse entwickelt. Solche Entwicklungen sind in der Situation in Italien angelegt. Und das trifft noch mehr auf die Jugend zu.

Spanien

Fünf Jahre nach dem Beginn der Rezession, wird Spaniens Wirtschaft 2013 um weitere 1,4% fallen. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch von fast 27% des Arbeitskräftepotentials, mit einer Jugendarbeitslosigkeit von schmerzhaften 57%. Seit 2007 wurden über 6 Millionen Arbeitsplätze zerstört und Hunderttausende junge Menschen sind gezwungen zu emigrieren.

Nach mehreren Jahren von massiven Sparpaketen wird das Haushaltsdefizit 2013 voraussichtlich immer noch 6,5% des BIP betragen, während sich die Verschuldung 100% des BIP nähert. Sparmaßnahmen wurden mit Konterreformen auf dem Arbeitsmarkt kombiniert, was es Spanien erlaubt hat im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn wieder konkurrenzfähig zu werden. Mit anderen Worten, die ArbeiterInnen mussten den vollen Preis der kapitalistischen Krise zahlen. Und nach all diesem Schmerz und Leid, ist das einzige das erreicht wurde das leise Gerede von einer leichten Erholung nächstes Jahr mit prognostizierten Wachstumsraten von lediglich 0,2%  2014 und vielleicht 1% 2015. Auf dieser Basis wird es bis 2021 dauern um sich auf das Vor-Rezessions-Niveau zu erholen, fast 15 verlorene Jahre!

Die Wahrheit ist, dass die enorme Menge an Unternehmens-, Haushalts-, und jetzt Staatsverschuldung, die in den langen Jahren des Booms angesammelt worden sind, bisher noch nicht vollständig vom System absorbiert worden sind. Die momentanen „optimistischen“ Prognosen basieren auf einer Erholung des Exports, der völlig davon abhängig ist, dass Europa aus der Rezession heraus kommt – eine sehr fragile Grundlage für Optimismus.

Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf das Bewusstsein der Massen waren tief und werden lange anhalten. Zur wirtschaftlichen Rezession müssen wir die begleitenden Korruptionsskandale hinzuzählen, die alle Institutionen der bürgerlichen Demokratie (die Justiz, die Monarchie, der Kongress, die führende Partei) betrafen. Was wir in Spanien sehen ist eine Krise des Regimes, die das ganze Gebäude, auf das die herrschende Klasse seit dem Ende der Franko Diktatur ihre Legitimität aufgebaut hat, auftrennt. Die ganzen alten Geister der Vergangenheit kommen zurück um die schwache und rückschrittliche spanische Bourgeoisie heimzusuchen. Die nationale Frage in Katalonien wurde, von der Wirtschaftskrise angeheizt, wiederbelebt. Der Kampf um Gerechtigkeit für die Opfer des Franko Regimes ist wieder in den Vordergrund gerückt und offenbart den reaktionären Charakter des Staatsapparates und der herrschenden Klasse, der sich unter einer dünnen Schickt der Demokratie verbirgt.

Besonders seit 2011 gab es eine Welle der Massenmobilisierung nach der anderen. Die Bewegung der Indignados, die Bewegung gegen Zwangsräumungen, den Bildungsstreik, den Kampf der Bergleute, die spontane Bewegung der Beamten, zwei 24h-Generalstreiks, usw. Natürlich können die Massen nicht in einem ständigen Mobilisierungszustand sein und es wird Höhen und Tiefen geben und Zeiten der Pause. Doch die Wut, die sich unter der Oberfläche angestaut hat und keinen Weg des Ausdrucks findet ist immer noch da und kann jederzeit zu neuen Explosionen führen.

Portugal

Portugal bleibt in der Rezession mit einem prognostizierten Rückgang des BIPs zwischen 1,6 und 2,7% 2013 und einem (vielleicht) sehr kleinen Wachstum 2014. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch von 16% und die Regierung wird die Ziele für die Defizitreduktion dieses Jahr verfehlen (5,5% des BIP war das Ziel, die tatsächliche Zahl wird wahrscheinlich eher 6% sein) und das trotz Jahren der massiven Sparmaßnahmen, auferlegt durch den EU Rettungsschirm von 78 Milliarden EUR im Jahr 2010.

Das Budget für 2014 enthält weitere Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor in der Höhe von 2% bis 12% pro ArbeiterIn und 728 Millionen EUR Kürzungen bei den Pensionen. Trotzdem sind 2014 noch weitere 3,3 Milliarden EUR an Einsparungen und ein zusätzliches Rettungspaket notwendig. Das führte zu einem Zusammenbruch der Unterstützung für die rechte Regierung. 2013 wurden die Partien der herrschenden Koalition bei den lokalen Wahlen schwer geschlagen. „Das politische Umfeld verschlechtert sich“, stöhnt die Financial Times.

Die portugiesische Regierung, die sklavenhaft alle von der EU diktierten Sparmaßnahmen umgesetzt hat, bittet um Geduld: „Bitte gebt uns mehr Zeit.“ Aber die Geldgeber in Washington, Brüssel, Frankfurt und der Troika sind nicht in der Stimmung für Geduld. Als Preis für ein neues Rettungspaket werden sie beinharte Garantien dafür verlangen, dass die Sparmaßnahmen weiterhin umgesetzt werden. Die Bühne ist also frei für noch größere Massenproteste.

Passos de Coelho, der sich im Juni 2011 als er gewählt wurde noch rühmte ein starker Mann und ein Musterschüler der Troika zu sein, wurde jetzt als schwacher Führer einer gespaltenen Koalition entlarvt. Seine Regierung, die den Hass der Menschen in Portugal verdient hat, kam dem Zusammenbruch nach dem Generalstreik am 27. Juni 2013 sehr nahe. Das war die letzte in einer Reihe von Massenmobilisierungen gegen die rechte Koalition.

Die portugiesische Arbeiterklasse entdeckt ihre Traditionen der Revolution 1974/75 wieder. Im September 2012 ging eine Million Menschen auf die Straße, dann eineinhalb Millionen im März 2013. Das Problem ist das der Führung. Die „oppositionelle“ Sozialistische Partei ist immer noch diskreditiert (sie hat die Bedingungen für das Rettungspaket unterschrieben, kurz bevor sie aus dem Amt geworfen wurden) und gewinnt nur aufgrund der steigenden Wahlenthaltungen ein paar Prozent dazu.

Die Kommunistische Partei profitiert am meisten von dieser beispiellosen Welle der Unzufriedenheit. Allerdings haben beide Parteien links von der SP keine ernsthafte Alternative zur Krise zu bieten. Der Bloco de Esquerda unterstützt ein reformistisch-keynesianistisches „soziales Europa“ und ein „Schulden Audit“ während die PCP eine halb stalinistische „patriotische und demokratische“ Wirtschaft außerhalb des Euro befürwortet.

Griechenland

Nach fünf Jahren massive Sparmaßnahmen sind die Probleme von Griechenland schlimmer als je zuvor und weit davon entfernt gelöst zu werden. Die Brandrodungspolitik der Troika hat das Land in eine tiefe Krise gestürzt. 1,4 Millionen Menschen sind arbeitslos, darunter zwei von drei Jugendlichen. Armut, die so seit den Kriegsjahren nicht mehr gesehen worden ist, ist zur Norm geworden.

Die Regierung in Athen beklagt sich (zurecht) dass die von Brüssel geforderten Kürzungen die Wirtschaft weiter in die Rezession treiben, die Steuereinnahmen nach unten drücken, das Defizit erhöhen und sie somit zwingen noch mehr Geld auszuborgen. Aber diese Apelle treffen auf taube Ohren. Die Deutschen und andere Kreditgeber antworten, dass die SüdeuropäerInnen jahrelang über ihren Verhältnissen gelebt hätten und jetzt „Disziplin lernen“ müssen.

Jedes nachfolgende Rettungspaket hat nur dazu gedient Zeit zu gewinnen. Aber die Märkte lassen sich nicht täuschen. Der endgültige Ausgang der Griechenland Krise ist nur verschoben worden, aber früher oder später wird er unvermeidlich werden.

Gleichzeitig ist Griechenland ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten für Finanzspekulanten. Die Financial Times veröffentlichte einen Artikel mit dem Titel „Hedge-Fonds profitieren in Griechenland, dem neuen Land der großen Möglichkeiten“  im dem wir lesen:

Griechenlands Bankensektor ist zu einem Gebiet von größtem Interesse geworden. Paulson & Co, Baupost, Dromeus, York Capital, Eaglevale und OchZiff gehören zu jenen, die Aktien der Alpha Bank und der Piraeus Bank übernommen haben. Sie alle haben ordentlich profitiert. Der fieberhafte Handel mit Optionsscheinen bedeutet auch, dass Hedgefonds bald die griechischen Bankaktien beherrschen könnten”. (11/10/13, unsere Hervorhebung)

Diese Plünderungen Griechenlands, die Zumutungen durch die Troika, und der Zusammenbruch des Lebensstandards haben eine massive Welle von Generalstreiks, Demonstrationen und Massenprotesten provoziert. Zwei Regierungen wurden bereits gestürzt, eine dritte steht kurz davor. Samaras kämpft darum die fragile Koalition, die nicht mehr lange bestehen bleiben kann, zusammenzuhalten. Am meisten profitieren wird davon die Syriza. Aber auf der rechten Seite ist auch Golden Dawn gewachsen.

Impressionistische Elemente haben aus dem Aufstieg von Golden Dawn den Schluss gezogen, dass es eine unmittelbar drohende Gefahr des Faschismus gibt. Aber das was mit Golden Dawn passiert ist, bestätigt unsere Position bezüglich den Möglichkeiten des Faschismus in der gegenwärtigen Epoche. Die griechische Bourgeoisie ist eine bösartige und reaktionäre herrschende Klasse, und ein Teil wäre vielleicht bereit Golden Dawn die Macht zu übergeben – wenn sie könnten. In der Tat haben die reaktionärsten Teile der herrschenden Klasse (die Schiffbauer) sie offen unterstützt und finanziert.

Im Gegensatz zu anderen rechten politischen Formationen in Europa (Fini in Italien, Marine le Pen in Frankreich), die versuchen sich von ihrer faschistischen Vergangenheit zu distanzieren und ein „respektables” parlamentarisches Image aufzubauen, ist Golden Dawn eine offen faschistische Organisation, deren enge Verbindungen mit der Polizei und den Armeeoffizieren aufgedeckt wurde. Diese verrückten Hunde hatten ihre eigene Agenda, die auch die Machtübernahme zu enthalten scheint.

Das Problem ist, dass die griechische Arbeiterklasse mächtig, militant und ungeschlagen ist. Die Bourgeoisie fürchtet, dass die Faschisten durch voreilige Maßnahmen eine Massenbewegung provozieren könnten, die unmöglich zu kontrollieren wäre. Die Golden Dawn Schläger sind zu weit gegangen als sie einen bekannten linken Sänger ermordet und somit Massenproteste provoziert haben. Die griechische Bourgeoisie war gezwungen einige Maßnahmen gegen sie zu ergreifen.

Natürlich hat die Bourgeoisie nicht die Absicht die Faschisten zu vernichten. Sie haben einige Maßnahmen kosmetischer Natur ergriffen um den Ärger der Massen zu beruhigen. Später werden sich die Faschisten unter einem neuen Banner, wahrscheinlich als Teil einer rechten Koalition mit einem mehr respektablen (weniger Nazi) Image, neu gruppieren. In der Zwischenzeit werden die wildesten lumpenproletarischen Elemente als Helfer des repressiven Staatsapparates (mit dem sie organisch verbunden sind) übrig bleiben, als Streikbrecher und Schläger agieren, MigrantInnen verprügeln und linke Personen attackieren.

Die unmittelbare Perspektive für Griechenland ist weder Faschismus noch Bonapartismus sondern ein weitere Schwung nach links. Der unvermeidliche Zusammenbruch der Samaras Regierung wird die Frage nach einer Syriza Regierung stellen. Aber in dem Maß in dem Tsipras näher an die Macht kommt, wird seine Sprache moderater in der Hoffnung, dass er dann mehr Stimmen bekommt. Aber im Gegenteil, dies provoziert eine Stimmung der Skepsis bei dem Teil der griechischen Menschen, die es gewöhnt sind, dass die FührerInnen viel versprechen und nur wenig halten wenn sie einmal gewählt sind.

Die wahre Stimmung der Massen zeigte sich in einer Umfrage, die ergab, dass die ArbeiterInnen in Griechenland bereits revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen. Sie stellte fest, dass 63% der GriechInnen einen „tiefgreifenden Wandel“ – was eine Revolution bedeutet – in der Gesellschaft wollen, während 23% direkt sagen, dass sie für eine Revolution stehen. Das Problem ist also nicht das Fehlen einer revolutionären Reife auf Seiten der Massen, sondern die Tatsache, dass keine der existierenden Parteien oder Führungen bereit ist dem brennenden Wunsch der Massen die Gesellschaft zu verändern einen bewussten Ausdruck zu verleihen.

In den letzten vier oder fünf Jahren haben die griechischen ArbeiterInnen ihren Willen die Gesellschaft zu verändert reichlich gezeigt. Sie haben einen Generalstreik nach dem anderen veranstaltet. Aber die Schwere der Krise so stark, dass selbst die stürmischsten Streiks und Demonstrationen das Problem nicht lösen können. Dem Ruf nach mehr eintägigen Streiks wird in den Fabriken mit steigender Skepsis begegnet. Auf der Straße der Streiks und Demonstrationen blockiert werden sich die ArbeiterInnen der Wahlebene zuwenden. Früher oder später werden sie eine linke Regierung wählen, was die Syriza mit einer direkten Entscheidung konfrontieren wird: entweder die Durchführung einer sozialistischen Politik oder eine Übernahme der Rolle den korrupten und degenerierten griechischen Kapitalismus zu verwalten. Dies wird eine neue Etappe in der griechischen Revolution darstellen, und wichtige Möglichkeiten für die griechischen MarxistInnen eröffnen.

Die BRICS-Staaten

Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs war das Wachstum des Welthandels die wichtigste Triebkraft der Weltwirtschaft. Allerdings sagt die UN-Behörde UNCTAD nun voraus, dass der Welthandel wahrscheinlich viele Jahre lang nur schleppend vorankommen wird, und dass dies tiefgreifende Auswirkungen auf diejenigen Schwellenländer haben wird, die von Exporten abhängig sind.

Die übertriebenen Hoffnungen, dass Asien die Weltwirtschaft antreiben könnte, sind zerstört worden. Chinas Wachstum verlangsamt sich, das Wachstum Indiens fällt noch schneller. Die europäische Wirtschaft stagniert nach wie vor und die Aussichten für Japan schwinden dahin. Die japanische Regierung hat versucht, eine stagnierende Wirtschaft durch Gelddruck wiederzubeleben, aber diese Politik hat keinerlei Grundlage. Die Staatsschulden Japans belaufen sich auf 250% des BIP. Die BRICS sind alle in derselben Lage und die Vorhersagen des IWF für Südostasien mussten scharf nach unten korrigiert werden. Die IWF spricht nun von einer „strukturellen Verlangsamung“ der Schwellenländer.

Das Wachstum in den sogenannten Schwellenmärkten hat sich verlangsamt. Das ist nicht schwer zu verstehen. Wenn Europa und die USA nicht konsumieren, kann China nicht produzieren. Wenn China nicht produzieren kann, können Länder wie Brasilien, Argentinien und Australien ihre Waren nicht exportieren.

Das Spekulationsgeld, das in der vergangenen Periode in die BRICS-Staaten geflossen ist, fließt nun wieder heraus, was deren Währungen steil fallen lässt. Die indische Rupie, die indonesische Rupiah, der argentinische Peso, der brasilianische Real sowie der südafrikanische Rand mussten alle starke Abwertungen verzeichnen. Der nigerianische Finanzminister hat davor gewarnt, dass das Ende der US-amerikanischen „quantitative easing“-Politik die Schwellenmärkte erschüttern und deren Kosten für neue Kredite erhöhen wird. Dasselbe wurde von Najib Razak, dem malaiischen Premierminister, bekräftigt. Auch er geht davon aus, dass Geld zurück in die USA fließen wird.

Starkes Wirtschaftswachstum und steigende Lebensstandards haben dem Klassenkampf im letzten Jahrzehnt einen Dämpfer verpasst, doch jetzt ist das Wachstum in Brasilien und der Türkei eingebrochen. Tatsächlich ist das Wachstum in allen Entwicklungsländern so bemerkenswert gesunken, dass es für die neue Generation der Jugend schwierig oder unmöglich ist, in den Arbeitsmarkt einzutreten.

China

Die Krise der BRICS-Staaten ist untrennbar mit dem Wachstumsrückgang in China verbunden. Der Aufstieg Chinas, der von manchen – sogar von selbsternannten „MarxistInnen“ - als Garantie für die Zukunft des Weltkapitalismus angesehen wurde, hat nur zur Verschärfung all der Widersprüche beigetragen. Durch das explosive Wachstum der chinesischen Wirtschaft hatte der Weltkapitalismus noch eine Weile lang Luft zum Atmen, doch dieser riesige Vorteil stellt sich nun als riesiges Problem heraus. Die massiven Investitionen in die chinesische Industrie mussten sich früher oder später als riesige Masse billiger Waren ausdrücken, die einen Markt außerhalb von China finden mussten. Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat diese Lawine billiger chinesischer Exportgüter die Überproduktionskrise für die globale Industrie verschärft.

Durch die Kombination von einem breiten Zustrom billiger Arbeitskräfte vom Land mit modernen Maschinen und Produktionstechniken – angetrieben durch staatlichen Subventionen – ermöglichte es China, schnell eine kraftvolle industrielle Basis aufzubauen. Auf der ganzen Welt wurden dadurch Arbeitsplätze und Produktionskapazitäten zerstört, Fabriken in Konkurrenzländern machten dicht. Ausländische Firmen wurden von dem Strom billiger chinesischen Güter das Fürchten gelehrt. Anfänglich waren die Profitraten hoch, doch wie Marx erklärt, normalisieren diese sich, wenn andere Kapitalisten in den Markt eintreten. Das sehen wir gerade in China. Die Periode explosiven Wachstums hat ihre Grenzen erreicht. Nun wird China mit denselben Probleme konfrontiert, an denen jede kapitalistische Wirtschaft leidet.

Chinas günstige Güter dominieren mittlerweile viele Branchen. Doch sobald der Großteil der Produktion in einer bestimmten Industrie nach China abgewandert ist, folgt die Überkapazität auf dem Fuße. Jetzt machen sie sich immer mehr Sorgen wegen der steigenden Überproduktion („Überkapazität“) in der chinesischen Wirtschaft. Das stellt für die nunmehr zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ein erhebliches Risiko dar.

Während der weltweiten Finanzkrise hat China dabei geholfen, das kapitalistische System zu retten, indem es dem Weltmarkt durch ein gigantisches Investitionspaket Luft zum Atmen verschaffte. Infolge dessen zog Chinas Wirtschaft an und wuchs in den Jahren 2009-10 um 8.7 bzw. 10.3%. Das war das größte Experiment in keynesianistischer Wirtschaftspolitik der Geschichte. Doch nun sind die Widersprüche zu Tage getreten. Nun sind viele der Industrien, die von dem Paket profitierten – von Stahl über Schiffbau bis hin zur Metallurgie – von der riesigen Überkapazität, oder, um sie bei ihrem richtigen Namen zu nennen: Überproduktion, paralysiert. Der Rückgang des chinesischen Wirtschaftswachstums bedeutet riesige Verluste und einen schmerzvollen, doch notwendigen Prozess der Aussiebung.

Die Financial Times vom 17. Juni 2013 kommentieren dies: „Von Chemie über Zement bis hin zu Baggern und Flachbildfernsehern ertrinkt die chinesische Industrie in überschüssigen Kapazitäten, die die Profite im In- und Ausland nach unten treiben und drohen, Chinas wackliges Wachstum weiter zu destabilisieren.“

China hat beinahe die Hälfte der weltweiten Aluminium- und Stahlproduktion und ungefähr 60% der weltweiten Zementproduktion, doch die Produktionskapazitäten werden ständig erweitert, obwohl das Wachstum zurückgeht und Exportmärkte dahinschwinden. Obwohl die chinesische Stahlproduktion auf Rekordniveau läuft, werden nur ca. 80% der Produktionskapazität genutzt. Industriekapitäne und Beamte sagen, dass der Kapazitätenüberhang noch weiter korrigiert werden muss, um das Gleichgewicht in der Branche wiederherzustellen.

Noch einmal:
„Nach einer Studie der China Enterprise Confederation wurden letzte Jahr nur ungefähr zwei Drittel der Zementkapazität ausgenutzt.

Usha Haley schreibt: 'Es gibt eine enorme Überkapazität und keine Marktforschung und wir haben herausgefunden, dass Subventionen ungefähr 30% der industriellen Outputs darstellen. Die meisten Firmen, die wir untersucht haben, würden ohne Subventionen wahrscheinlich bankrottgehen.'

In fast allen Industrien stützten sich die Investitions- und Wachstumspläne der Unternehmen auf den Glauben, dass die Regierung niemals zulassen würde, dass das Wachstum unter 8 oder 9% sinkt. Doch das ist nicht länger der Fall. Chinas Wachstum ist auf 7.5% gefallen und stieg später wieder auf 7.8%. Doch selbst das war die langsamste Wachstumsrate seit 13 Jahren.

Die Überkapazitäten in der Automobilindustrie arten aus und im Fall von Geely, die Volvo 2010 aufkauften, kamen mehr als die Hälfte ihre Nettoprofite direkt aus Subventionen aus dem Jahr 2011. Tatsächlich war das Einkommen, das Geely in diesem Jahr aus Subventionen bezog, nach einer Analyse von Fathom China mehr als 15 Mal größer als die nächstgrößere Quelle von Nettoprofiten – 'Verkauf von Altmetall'.“ (FT, 17. Juni 2013)

Das Ausmaß der Überkapazitäten und die Verlangsamung des chinesischen Wachstums deuten darauf hin, dass noch viele weitere Firmen bankrottgehen werden. Dies wird tiefgreifende Effekte auf die psychische Verfassung aller Klassen in China haben.

Perspektiven für den Klassenkampf

All die Erfolge der chinesischen Wirtschaft stützten sich letztlich auf die Arbeit der chinesischen ArbeiterInnen, die unter Bedingungen wie im viktorianischen England für niedrige Löhne schuften. Nirgends ist die Ungleichheit so verhasst wie in China, das sich „sozialistisch“ nennt. Eine neue Klasse chinesischer Bourgeois ist entstanden und sonnt sich in einem Luxus, der für den Rest des Landes unvorstellbar ist.

China wird von einer winzigen Elite von superreichen Oligarchen regiert, die sich bereichert haben, indem sie den Staat ausnehmen und die chinesischen ArbeiterInnen brutal ausbeuten. Doch die Basis der chinesischen Bourgeoisie ist sehr schmal. Von einer Bevölkerung von ungefähr 1.345 Milliarden sind 1.2 Millionen Millionäre (in US-Dollar) – also 0.1% der Bevölkerung. Die Zahl der Dollarmillionäre wächst schnell, aber sie zeigt auch, wie schwach die KapitalistInnen in China sind. 1.2 Millionen Millionäre sind weniger als die absolute Anzahl von Millionären in Großbritannien oder Italien.

Es ist wahr, dass es unter ihnen eine Schicht von UnterausbeuterInnen und Unter-UnterausbeuterInnen gibt: FabrikmanagerInnen, DirektorInnen, VorarbeiterInnen, IngenieurInnen, BürokratInnen und Beamte in Staats- und Parteiinstitutionen. Zusammen mit ihren Familien bilden sie einen Teil des Establishments. Doch selbst wenn man dies berücksichtigt, ist die überragende Mehrheit der Bevölkerung vom wirtschaftlichen Reichtum und der Macht, die er mit sich bringt, ausgeschlossen. Der obszöne Reichtum der herrschenden Klasse und ihrer Kinder („Prinzlinge“) werden von der Bevölkerung gehasst. Die alles durchdringende Korruption, die auf jeder Ebene floriert, ist ein zusätzlicher Grund zur Empörung.

Die Medien berichten häufig über Prozesse, die zum Todesurteil für Beamte führen, die mit ihren korrupten Praktiken zu weit gegangen sind. So versucht die herrschende Elite, den Ärger der gewöhnlichen ChinesInnen zu besänftigen, während sie gleichzeitig zu verhindern suchen, dass die Korruption, die mit dem bürokratischen und totalitären Regime unausweichlich einhergeht, einen übermäßigen Teil vom Reichtum, den die ArbeiterInnenklasse produziert, konsumieren.

Die neue ArbeiterInnengeneration ist nicht bereit, die niedrigen Löhne und die schlechten Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, die von der vorherigen Generation aus ehemaligen LandarbeiterInnen aus elenden Dörfern bereitwillig ertragen wurden. Der wachsende Unmut in der chinesischen Gesellschaft drückt sich in der steigenden Zahl von Streiks, Demonstrationen und Suiziden in den Fabriken aus. In einer totalitären Gesellschaft, wo Unzufriedenheit mit Gewalt unterdrückt wird und es kaum rechtliche Absicherung gibt, kann es plötzlich und ohne Vorwarnung zu Explosionen kommen. Es ist kein Zufall, dass der chinesische Staat zum ersten Mal in der Geschichte mehr für innere Sicherheit als für Verteidigung ausgibt.

Russland

Im Gegensatz zur Mehrheit der europäischen Staaten hat der russische Staat kein ernsthaftes Schuldenproblem. Dank Öl- und Gasexporten und dem Wirtschaftswachstum der letzten Periode hat er beachtliche finanzielle Reserven aufbauen können. Doch Wachstum stößt nunmehr an seine Grenzen. Wie auch die anderen BRICS-Staaten befindet sich auch die russische Wirtschaft im Niedergang und hat eine geschätzte Wachstumsrate von 1%.

Vor diesem Hintergrund erhebt sich eine Welle der Unzufriedenheit, nicht nur in der ArbeiterInnenklasse, sondern auch in breiten Teilen des Kleinbürgertums, was sich im Aufstieg der Opposition gegen Putin widerspiegelt. Durch die Kreditausweitung ist die Mehrheit der ArbeiterInnen und jungen Menschen hochverschuldet. Dasselbe gilt für Unternehmen und Kommunen. Das resultiert in sinkenden Investitionen und wirtschaftlicher Stagnation. Zum ersten Mal haben Branchen wie die Automobilindustrie ernsthafte Verkaufsprobleme.

Die Wirtschaft wird mittels keynesianistischer Methoden, etwa direkte staatliche Investitionen in Infrastruktur oder in Projekte wie die olympischen Winterspiele in Sochi 2014 oder der FIFA World Cup 2018, vom Staat aufgepäppelt. Dieses moderne Äquivalent des Pyramidenbaus der ägyptischen Pharaonen ist nur durch die Ausbeutung schlechtbezahlter ArbeiterInnen und die hohen Öl- und Gaspreise möglich. Doch eine lange Periode mit hohen Ölpreisen resultierte unausweichlich in neuen Technologie für Öl- und Gasproduktion in den USA („Fracking“). Putins Projekt eines „Energieimperialismus“ ist zur Farce geworden. Seine hysterische Reaktion auf Mätzchen von Greenpeace in der Barentssee war ein deutliches Zeichen, nicht von Stärke, sondern von Panik.

Das Wirtschaftswachstum der letzten Periode ermöglichte es Putin eine Art halb-paternalistische Politik zu betreiben. So erhielt sein Regime den Anschein von Stabilität. Doch das kann nicht ewig so weitergehen. Die Mehrheit der neuen ArbeiterInnen ist mit niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert. Die legale und halblegale Migration aus Zentralasien hat sich verstärkt. Die soziale und politische Stabilität weist bereits Belastungserscheinungen auf, und das bestimmt Putins Politik, sowie die der Opposition.

Das Hauptziel der liberalen Opposition, ist es, kleinbürgerliche Elemente aus Putins Armen zu reißen. Der Protagonist der Opposition ist nur Alexey Navalny. In der letzten Moskauer Bürgermeisterwahl im September 2013 erreichte er 27,24%, gegenüber 51% für Putins Kandidaten, Sobyanin. Der Kandidat der kommunistischen Partei und Führer ihres „linkes“ Flügels, Ivan Melnikov, erreichte nur 10,69%.

Der Anwalt und Kleinanleger Navalny wurde wegen seines Nationalismus aus der liberalen Partei Yabloko ausgeschlossen. Sein Programm schließt die Bekämpfung der Korruption, „billige Regierung“, niedrige Steuern, die Einführung eines Visumsystems für die Länder des ehemalig sowjetischen Zentralasiens, und die Abschiebung arbeitsloser Nicht-StaatsbürgerInnen, ein.

Die Restauration des Kapitalismus führte zu einer extremen Polarisierung von Reichtum. Der jüngste Credit Suisse Wealth Report zeigt graphisch auf, wie groß der Teil des weltweiten Reichtums in US-amerikanischen Händen immer noch ist. Das gilt für sowohl die absolute Anzahl an Dollar-MillionärInnen, als auch für den Umfang des Reichtums, der sich in ihren Händen konzentriert.

Außerdem wird darin die Tatsache unterstrichen, dass Russland nun die höchste Verteilungsungleichheit in der Welt hat, abgesehen von kleinen karibischen Staaten, in denen MilliardärInnen leben. Auf der ganzen Welt besitzen MilliardärInnen 1%-2% der Privatvermögen, in Russland besitzen 110 Milliardäre 35% allen Reichtums.

Der Anstieg der Spannung zwischen den Klassen wurde teilweise und vorübergehend vom Wirtschaftswachstum abgeschwächt. Dessen rapide Verlangsamung ist eine Widerspiegelung der allgemeinen Krise des Weltkapitalismus. Der IMF strich seine Prognose für das BIP-Wachstum in Russland 2013 auf 1.5% zusammen, verglichen mit 5%-8% Wachstum vor der Finanzkrise. Die Situation in Russland entwickelt sich in Richtung einer (auch kurzfristig möglichen) Finanzkrise.

Lenin sagte, dass es die erste Bedingung der Revolution ist, dass die herrschende Schicht in der Krise ist und auf die alte Weise nicht weiterregieren kann. Das Establishment ist tatsächlich von einer allgemein pessimistischen Stimmung ergriffen, die teilweise an Panik grenzt. Putins Hauptidee besteht darin, einen starken Polizeistaat aufzubauen, bevor die Krise einschlägt.

Lenins zweite Bedingung für die Revolution ist die Aktivierung der mittleren Gesellschaftsschichten, die zwischen Revolution und Konterrevolution schwanken. Die Massendemonstrationen gegen Wahlbetrug, die einen überwiegend mittelständischen Charakter trugen, zeigen, dass dieser Prozess bereits begonnen hat.

Die dritte Bedingung, dass die ArbeiterInnen bereit sein müssen, zu kämpfen und Opfer zu bringen, um die Gesellschaft zu verändern, ist in Russland noch nicht gegeben. Doch die Ankunft der Krise in Russland und die steigende Enttäuschung gegenüber Putin bedeuten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Russland soziale Explosionen erlebt, wie es sie auch in der Türkei und Brasilien gegeben hat.

Das Problem liegt in der Führung. Die völlige Unfähigkeit der sogenannten kommunistischen Partei, den Massen eine Alternative aufzuzeigen, bedeutet, dass die Proteste von bürgerlichen Liberalen und kleinbürgerlichen Demokraten geführt wurden. Doch diese Bewegung ist nur ein Symptom der wachsenden Unzufriedenheit, die sich früher oder später in einer sozialen Explosion ausdrücken muss. Die russische ArbeiterInnenklasse wird im Kampf zu den wahren Traditionen der Oktoberrevolution und des Bolschewismus zurückfinden.

Indien und Pakistan

Die indische Bourgeoisie leidet unter Größenwahn. Premierminister Monamhan Singh behauptete, die „Reisegeschwindigkeit“ Indiens betrage 8-9%. Tatsächlich ist es eher die Hälfte davon: Private Investitionen gibt es immer weniger, die Inflation liegt mit steigender Tendenz bei 10%, die Rupie ist 2013 innerhalb von 3 Monaten um 13% gefallen und der Economist (24/8/13) warnt: „Die Magnaten, die den Aufstieg Indiens zur Supermacht bejubelten, warnen nun vor Unruhen“.

Diese Warnung erfüllt sich zur Zeit. Die Reifung der indischen Verhältnisse zeigt sich an einer Reihe verschiedener Massenbewegungen. Zuerst gab es die Antikorruptionsbewegung, ihr folgten Massendemonstrationen gegen Vergewaltigungen und Angriffe auf Frauen. Beide waren Großteils kleinbürgerlich geprägt, doch sie enthüllten eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit den konservativen, hindunationalistischen Grundlagen des indischen Staates.

Diese Demonstrationen waren wie Schaum auf den Wellen des Ozeans; das soll heißen, Symptome viel tieferer und stärkerer Bewegungen unter der Oberfläche. Die Unzufriedenheit der Massen, die vom indischen Wirtschaftswachstum nichts haben, verwandelt sich in Wut. Das zeigte sich an einer Reihe Bauernaufstände und vor allem am zweitägigen Generalstreik im Februar 2013.

Auf der anderen Seite einer künstlich gezogenen Grenze erlebt Pakistan die größte Armut seit seiner Unabhängigkeit. Wirtschaftlicher Zusammenbruch, terroristische Angriffe, Selbstmordattentate, Stromausfälle, Preissteigerungen, durch Armut verursachte Selbstmorde ganzer Familien, Handel mit Kindern und menschlichen Organen, Folter von und Mord an Frauen – all das erinnert an Lenins Aussage: „Der Kapitalismus ist ein Schrecken ohne Ende.“

Die Hoffnungen der Massen auf eine Besserung der Lage unter einer PPP-Regierung wurden grausam verraten. Nun führt die Rechtsregierung der Muslimliga weitere Angriffe durch. Sie plündern den Staat durch Privatisierungen von Staatsbetrieben wie Pakistan International Airlines, der Post, dem Schienenverkehr, WAPDA (Water and Power Development Authority) und anderen.

Deshalb wird es mehr Kündigungen, mehr Arbeitslosigkeit, mehr Armut und mehr wirtschaftliche Entwurzelung geben. Die Leiden der Menschen werden unter anderem verschärft durch monströses religiöses Sektierertum, ethnische Massenmorde, blutige Stellvertreterkriege in Baluchistan und Dronenangriffe in Puktoonhua. Der pakistanische Geheimdienst ISI führt sich weiterhin wie ein Staat im Staate auf, wobei er Konflikte, Morde und Gewalt schürt um seine Intrigen durchzuführen. Um die Aufmerksamkeit von den schrecklichen Qualen der Massen abzulenken, spielt die degenerierte herrschende Klasse in Pakistan mit dem Feuer, indem sie Konflikte mit Afghanistan und Indien schürt. Der Konflikt in Kaschmir vergiftet weiterhin die Beziehungen zwischen beiden Ländern wie ein krebsbringendes Geschwür.

Es gibt keinen Ausweg auf kapitalistischer Basis. Weder die Muslimliga noch die PPP noch eine Militärdiktatur könnte Erfolg haben. Nur die sozialistische Revolution kann einen Weg aus der Hölle aufzeigen, in der Millionen von Menschen in Pakistan, Indien, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka leben. Die schrecklichen Lebensbedingungen werden untragbar. Die objektiven Bedingungen für einen revolutionären Aufschwung, wie es ihn 1968-69 gegeben hat, reifen heran. Damals scheiterte die Revolution, weil sie keine Führung hatte. Doch die Kräfte der IMT, die in Pakistan unter den schwerst vorstellbaren Bedingungen heranwachsen, machen einen Sieg in Zukunft möglich. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, die Kräfte der pakistanischen Marxisten zu stärken, um diesen Sieg sicherzustellen.

Afghanistan

Nach dreizehn Jahren blutigen Kampfes streben die Imperialisten danach, sich aus dem afghanischen Sumpf herauszuarbeiten. Als die US-geführte Koalitionsarmee in Afghanistan einmarschierte, sagten wir voraus, dass ihr anfänglicher Erfolg sich in ein Scheitern verwandeln würde. Wir haben damals geschrieben:

„Wie schnell die Verteidigung der Taliban zusammen gebrochen ist und wie schnell die Nordallianz Kabul genommen hat, hat viele dazu gebracht, anzunehmen, der Krieg sei vorbei und die Taliban seien erledigt. Das ist eine schwere Fehleinschätzung der Situation. […]

Die Taliban haben die Macht verloren, aber nicht ihre Möglichkeiten, Krieg zu führen. Sie sind bestens an Guerillakämpfe in den Bergen gewöhnt. Sie haben das schon einmal gemacht und sie werden es wieder tun. Im Norden kämpften sie in fremdem und feindlichem Gebiet. Aber in den Dörfern und Bergen des Paschtun-Gebietes spielen sie ein Heimspiel. Es eröffnet sich die Perspektive einer Guerillakampagne, die noch Jahre andauern kann. Der Beginn der alliierten Kriegskampagne war der einfache Teil.  Der nächste Teil des Krieges wird nicht mehr so einfach. Britische und amerikanische Truppen werden in den Paschtun-Gebieten Such- und Vernichtungsmissionen durchführen müssen, und dort werden sie den Guerillakämpfern schutzlos ausgeliefert sein. Unvermeidlich wird es viele Tote geben. An einem gewissen Punkt wird dies die öffentliche Meinung in Großbritannien und Amerika beeinflussen.

Die Amerikaner hofften, in der Lage zu sein, einen schnellen, chirurgischen Eingriff gegen Bin Laden durchführen zu können, und sich dabei hauptsächlich auf die Luftwaffe zu verlassen. Stattdessen wird der Konflikt immer komplizierter und schwieriger, und die Perspektive eines Endes wird fast unbegrenzt hinausgeschoben. Sie werden nicht nur in Afghanistan, aber auch in Pakistan und anderen Ländern Truppen stationieren müssen, um der Lage Herr zu werden.

Das ist eine sehr viel schlimmere und gefährlichere Position als die, in der sich die Amerikaner nach dem 11. September befanden. Washington wird nun gezwungen sein, das bankrotte und instabile Regime in Pakistan und andere „verbündete“ Staaten in der Region zu finanzieren, während sie sie gleichzeitig durch ihr militärisches Handeln destabilisieren. Wenn der Sinn und Zweck all dessen war, den Terrorismus zu bekämpfen, wurde das genaue Gegenteil erreicht. Vor diesen Geschehnissen konnten die Imperialisten sich leisten, einen relativ sicheren Abstand von den Spannungen und Kriegen in diesem Teil der Welt zu halten, doch nun haben sie sich vollkommen darin verstrickt. Ihre Handlungen seit dem 11. September haben die USA und Großbritannien in eine Lage gebracht, aus der sie sich nur schwer wieder werden befreien können.“

Dies wurde am 15. November 2001 geschrieben (Afghanistan after the fall of Kabul: Is the war over?). Zwölf Jahre später sehen wir keinen Grund, irgendetwas an dem zu ändern, was wir damals schrieben.

Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 528 Dollar in den Jahren 2010/11 ist Afghanistan eines der 10 ärmsten Länder in der Welt. 2008 lebten 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, mehr als die Hälfte der Bevölkerung gilt als von Armut bedroht. Die Kindersterblichkeit von 134 von 1000 ist die höchste in der Welt. Die Lebenserwartung beträgt 48,1 Jahre. 75% der Bevölkerung sind AnalphabetInnen. Zudem ist das Land der weltgrößte Opiumproduzent.

Die riesigen Geldmengen, die für diesen sinnlosen Krieg ausgegeben wurden, wären genug gewesen, um die Leben der Menschen dort völlig umzukrempeln. Stattdessen haben die Imperialisten das Land verwüstet und sind nun gezwungen, es wieder zu verlassen, ohne irgendetwas erreicht zu haben. Sie verhandeln mit den Taliban, die unausweichlich eine große Rolle in zukünftigen afghanischen Regierungen spielen werden. Nichts wurde erreicht, außer die ganze Region und vor allem Pakistan weiter zu destabilisieren.

Lateinamerika

Die Volkswirtschaften einer Anzahl südamerikanischer Länder (unter anderem Brasilien, Chile, Peru, Bolivien, Ecuador und Kolumbien), die vom Export von Rohstoffen, Waren und Energiequellen an China profitierten, leiden nun unter den Dominoeffekten der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft. Dies wird in der kommenden Periode tiefgreifende soziale und politische Implikationen haben, wie die riesigen Bewegungen gegen die Erhöhung von Nahverkehrspreisen in Brasilien gezeigt haben.

Nach einer Periode des steigenden Klassenkampfes in Lateinamerika (vor allem in Venezuela, Bolivien und Ecuador), in der rechte Regierungen durch Massenaufstände gestürzt wurden, Präsidenten gewählt wurden, deren Maßnahmen sie in Konflikt mit dem Imperialismus brachten und es viele regionale Aufstände gab, scheint die revolutionäre Welle auf dem Kontinent in eine relative Ruhephase eingetreten zu sein. Es herrscht ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Klassen; keine von ihnen hat es geschafft, einen entscheidenden Sieg zu erringen.

Putschversuche in Venezuela, Ecuador und Bolivien wurden (mehrmals) von den Massen abgewehrt. Die Kräfte der Reaktion und des Imperialismus waren unfähig, einen vernichtenden Schlag gegen eine dieser Bewegungen durchzuführen. Selbst die gelungenen Putsche in Paraguay und Honduras erwiesen sich als unzureichend, um den dortigen revolutionären Bewegungen einen Riegel vorzuschieben.

In Kolumbien hat der Beginn von Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der FARC – ein Anzeichen für die Unfähigkeit von FARC, den Krieg zu gewinnen – dazu geführt, dass der Klassenkampf sich auf „traditionelle“ Weise fortsetzt. Der neue Präsident, Santos, hat einen starken Abstieg seiner Popularität hinnehmen müssen (sie sank zwischen Juni und August 2013 von 46% auf 21%), nachdem eine Reihe von Streiks der KaffeebaüerInnen, Justizbeamten, StudentInnen und nicht zuletzt ein landesweiter Landwirtschaftsstreik seine Regierung in arge Bedrängnis brachten. Der Versuch der kolumbianischen herrschenden Klasse, ihre Herrschaftsweise zu „normalisieren“ (nachdem man sich vormals stark auf Paramilitärs hatte verlassen müssen), ging nach hinten los, indem er zu einer Entfesselung des Klassenkampfs führte.

Mit der Rückkehr der PRI an die Macht hat die mexikanische herrschende Klasse es geschafft, eine relativ starke Regierung aufzustellen, mit der sie endlich ausführen konnten, was sie seit Jahren planten. Schon bevor Peña Nieto eingeschworen wurde, wurde die Arbeitsmarktreform durchgewunken, die eine Reihe von Errungenschaften der mexikanischen Revolution eliminierte und die Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse vereinfachte.

Ein anderer zentraler Schritt war die Konterreform im Energiesektor, die es multinationalen Unternehmen erlaubt, in den Elektrizitäts- und Ölsektoren zu investieren. Die Verstaatlichung des Öls unter der Cardenas-Regierung 1938 bescherte Mexiko für viele Jahrzehnte eine gewisse sozioökonomische Stabilität. Das ist jetzt vorbei. Vor der Energiereform steuerte die Ölgesellschaft Pemex fast 40% des Staatsbudgets bei, die jetzt zu einem Großteil an Privatkapitalisten gehen werden. Dies wird zu einem Defizit im Budget führen, welches durch gesteigerte Besteuerung und Sozialkürzungen ausgeglichen wird werden müssen.

Der Zerfall des mexikanischen Kapitalismus drückt sich in wachsender Arbeitslosigkeit, der Entwicklung der Schattenwirtschaft und wachsender Armut und sozialer Zersetzung aus. Diese wiederum drückt sich am deutlichsten in der Entwicklung des Drogenmarkts und dem damit einhergehenden „War on Drugs“ aus, welcher für die Massen ein großes Problem darstellt. Diese Reformen bedeuten einen Wendepunkt, und sie werden die Lebensbedingungen der Menschen in Mexiko in den nächsten Jahren sehr verschlechtern.

Die Führungen der Gewerkschaften und der linken Morena-Bewegung sind durch ihre reformistisch-parlamentarische Haltung gekennzeichnet. Dadurch wirken sie als Bremse, die einen vereinigten Widerstand mit Methoden revolutionärer Massenaktion bislang verhindert hat. Dennoch gibt es eine wachsende Wut. Sie drückt sich durch die Gründung von Morena, durch militante Arbeitskämpfe – etwa diejenigen der LehrerInnen und ArbeiterInnen der Elektrizitätswerke – aus, durch die Radikalisierung breiter Schichten der Jugend, die sich der Bewegung anschließen, und durch die Gründung vieler „Bürgerwehren“ und Selbstverteidigungsgruppen aus.

Im Bundesstaat Guerrero hat es bewaffnete Massenmobilisierungen gegeben, und in Michoacan gibt es Gemeinden, die sich im offenen BürgerInnenkrieg befinden. Obwohl dieser Prozess natürlich voller Widersprüche ist, sind das Symptome des enormen Drucks, den der zerfallende mexikanische Kapitalismus auf die Massen ausübt – und diese ziehen revolutionäre Schlüsse. Die Regierung von Peña Nieto wird weiterhin Angriffe und Konterreformen durchführen, und das wird für weitverbreiteten Widerstand der ArbeiterInnen sorgen.

Doch weil der subjektive Faktor Mängel aufweist – und zwar mangelt es an einer klar revolutionären Führung – wurden die lateinamerikanischen Massen bislang daran gehindert, die Macht zu ergreifen und den Kapitalismus abzuschaffen. Dies hat die Entwicklung in eine Sackgasse geführt, hin zu einem instabilen Klassengleichgewicht. Dieser Zustand wurde vom wirtschaftlichen Boom verlängert. Die Rezession der Jahre 2007-08 hat Südamerika nur teilweise betroffen, und auf dem Rücken des ressourcenhungrigen China konnte sich die Region schnell erholen. Doch das ist vorbei, wie sich in Brasilien deutlich gezeigt hat.

Brasilien

In der letzten Periode (bis 2011) konnte sich Brasilien an hohen Wachstumsraten laben, vor allem wegen eines großen Exportvolumens an China. Das ermöglichte es den Kapitalisten, Lohnerhöhungen zuzulassen, wenn sie mit Fachkräftemangel oder Streiks konfrontiert wurden. Zwischen 2002 und 2013 stiegen die Löhne, in Real gemessen, um 3,5%. Der Anstieg in Dollar war noch höher, weil der Real überbewertet war. 95% der Lohnkämpfe führten zu Steigerungen über der Inflationsrate.

Jetzt hat sich alles verändert. Die starke Verlangsamung der Wirtschaft 2011 (+2.7%) und 2012 (+0.9%), deckte plötzlich eine weit verbreitete Frustation auf, was in der Massenbewegung vom Juni 2013 kulminierte. Die relativ niedrigen Investitionen durch die Kapitalisten führten dazu, dass die Lohnsteigerungen nicht von entsprechenden Produktivitätssteigerungen begleitet wurden. Seit 2003 haben sich die Lohnstückkosten in Brasilien verdoppelt, in Dollar ausgedrückt haben sie sich gar verdreifacht.

Die geringen Investitionen haben zu einem starken Rückgang der Produktivität im Vergleich zu den anderen großen Volkswirtschaften geführt. Der Boom der Exporte nach China verschleierte die katastrophale Lage Brasiliens für eine Weile. Ein Bericht des Economist vom September 2013 weist darauf hin, dass Brasilien sich auf eine Periode der Krise und des Klassenkampfs zubewegt. Die Inflation, die sich 6% nähert, senkt den Lebensstandard der „kleinen Leute“ und befeuert die ökonomischen Forderungen der ArbeiterInnenklasse. Diese Tatsache erklärt den Wunsch eines Teils der brasilianischen Bourgeois, den PT loszuwerden. Sie glauben nicht, dass der PT in der Lage sein wird, den aus ihrer Sicht nötigen Angriff so schnell und so brutal wie nötig durchzuführen. Ein anderer Teil hat panische Angst vor der Aussicht, den gesteigerten Klassenkampf ohne die Hilfe der PT-Führung bewältigen zu müssen.

Die Bewegung gegen die Erhöhung der Nahverkehrspreise, die sich blitzartig über das ganze Land verbreitet hat, spiegelte eine größere Unzufriedenheit, die sich in der Gesellschaft aufgestaut hatte, wider. Sie signalisierte, dass die Revolutionäre Welle aus den arabischen Ländern und Südeuropa in Brasilien angekommen war. Obwohl die Bewegung ohne Führung war und unausweichlich viele verwirrte Elemente enthielt, stellte sie einen wichtigen Wendepunkt dar. Ihr folgte eine Reihe nationaler Aktionstage der Gewerkschaftsbewegung und eine riesige Mobilisierung zu den LehrerInnenstreiks. Dilma Roussef (Lulas Nachfolgerin, ebenfalls PT) wird sich definitiv nicht auf einem solchen Boom ausruhen können wie dem, der Lulas Macht stabilisierte. Das wird den brasilianischen MarxistInnen in der nächsten Periode Ausnahmebedingungen bescheren.

Venezuela

In Venezuela stellte Nicolas Maduros knapper Sieg in den Präsidentschaftswahlen im April – nach Chávez' Tod – eine deutliche Warnung an die bolivarische Bewegung dar. Doch der Versuch der Oligarchie, das knappe Ergebnis zu nutzen, um Maduro zu stürzen, ging nach hinten los – ein weiteres Mal kamen die Massen auf die Straße und zerlegten die Provokationen der Rechten durch revolutionäre Mobilisierung.

Der Schlüsselfaktor ist jetzt die Tatsache, dass die ökonomische Verzerrung, die verursacht wird vom Versuch, die kapitalistische Wirtschaft zu regulieren, von der mutwilligen Sabotage durch die herrschende Klasse, und dem Investitionsstreik der Kapitalisten, eine ernsthafte Erosion der sozialen Basis der Revolution herbeiführt. Zum Mangel an Gütern des täglichen Bedarfs kommt die ausartende Inflation, die jetzt bei 50% liegt. Diese Situation kann sich nicht sehr lang halten. Entweder, die Revolution unternimmt entscheidende Schritte hin zur Abschaffung des Kapitalismus, oder das wirtschaftliche Chaos wird die Bedingungen schaffen, die die Bourgeoisie braucht, um die politische Macht wieder zu ergreifen und zu versuchen, die Revolution zu zerschlagen.

Die Politik der Regierung Maduro nach den Wahlen im April bestand darin, die Opposition in der politischen Arena anzugreifen und in der ökonomischen Sphäre zu versuchen, zu einem Kompromiss mit den Kapitalisten zu kommen. Es gab Zugeständnisse für Privatunternehmen, was den Zugang zu harter Währung angeht, eine Lockerung der Preiskontrollen und es wurde darüber diskutiert, nach chinesischem Vorbild Sonderwirtschaftszonen einzurichten. Das war eine utopische Politik, die nichts lösen konnte. Jedes Zugeständnis an die herrschende Klasse wird die soziale Basis der Revolution erodieren, ohne irgendetwas an den fundamentalen ökonomischen Problemen zu verbessern.

Im Vorfeld der Kommunalwahlen im Dezember 2013 änderte die Regierung ihre Haltung und versetzte den Kapitalisten ernsthafte Schläge. Dabei bewegte sie sich zwar immer noch im Gebiet der Kapitalismusregelung, waren bei den arbeitenden Massen aber sehr populär und entfachten den Enthusiasmus der Basis neu. Diese Maßnahmen gegen Spekulation und Überteuerung sorgten für den Sieg in den Kommunalwahlen. Selbst wenn die Oligarchie die Macht wieder ergreift, wird das nicht das Ende der Revolution sein. Es könnte sogar die heilsame Wirkung haben, die bolivarische Bewegung zu radikalisieren, wie es auch nach der Niederlage in Spanien im Oktober 1934 passierte (der „bienio negro“, die „zwei schwarzen Jahre“), die sich nur als Vorspiel einer noch schärferen Klassenauseinandersetzung entpuppte. Kein Führer der bolivarischen Bewegung verfügt über die gleiche Autorität wie Chávez, und deshalb nimmt die Kritik an der Führung, den Bürokraten und den Reformisten durch die Basis einen viel schärferen und offeneren Charakter an.

Es bleibt die Hauptaufgabe, eine in der Avantgarde der ArbeiterInnenklasse verwurzelte, revolutionäre Führung aufzubauen, um die außergewöhnliche Energie, die die Massen über 15 Jahre hinweg gezeigt haben, zu kanalisieren und sie auf die Ergreifung der Macht und die Abschaffung des Kapitalismus zu richten.

Internationale Beziehungen

Lenin schrieb einst über das „brennbare Material in der Weltpolitik“, und an solchem Material herrscht in der Welt heute durchaus kein Mangel. Die aggressiven Handlungen der imperialistischen Mächte stärkten deren innere Opposition und können als weiterer radikalisierender Faktor dienen. Revolutionäre Stimmungen können nicht nur aus ökonomischen Faktoren, sondern auch aus Kriegen, terroristischen Aktionen, Naturkatastrophen und Ereignissen von weltweiter Bedeutung hervorgehen. Das zeigte in der Vergangenheit der Vietnamkrieg, und dasselbe kann wieder passieren.

Die Enthüllungen von Wikileaks und Snowden haben die wahren Meinungen, Motive und Interessen des US-Imperialismus aufgezeigt, die lächelnde Maske der Diplomatie abgerissen und die hässliche Fratze des zynischen Eigeninteresses enthüllt. Sie haben außerdem die Unfähigkeit der USA gezeigt, die Geheimnisse anderer Regimes für sich zu behalten. Sie haben das Ausmaß gezeigt, in dem die USA ihre Verbündeten bespitzeln. Und sie haben der Weltöffentlichkeit das wahre Wesen der bürgerlichen Diplomatie aufgezeigt. So haben sie der internationalen ArbeiterInnenklasse einen wichtigen Dienst erwiesen.

Der Fall der UdSSR vor fast 25 Jahren hat die internationalen Beziehungen massiv verändert. Die USA verblieben zu diesem Zeitpunkt als einzige Supermacht. Mit kolossaler Macht ging kolossale Arroganz einher, die sich am deutlichsten in der sogenannten Bush-Doktrin ausdrückte. Der US-Imperialismus verkündete sein Recht, in jedem Land zu intervenieren, Regierungen abzusetzen und seinen Willen überall durchzusetzen. Doch zwei Jahrzehnte später ist dieser Größenwahn etwas heruntergekommen.

Der Aufstieg Chinas als ökonomische und Militärmacht hat das Kräfteverhältnis in Asien und dem pazifischen Raum grundlegend verändert. Die herrschende Elite Chinas hat Ambitionen, ihre politische und militärische Rolle auf das Niveau ihrer wachsenden Wirtschaftsmacht zu heben. Dadurch gerät sie immer mehr in Konflikt mit anderen Ländern in dieser wichtigen Region, vor allem mit Japan. Der Konflikt um die umstrittenen Inseln ist nur ein Ausdruck dessen. Washington beobachtet dieses Phänomen mit wachsender Unruhe. Der US-Imperialismus hat den Pazifik stets als zentrales Element seiner globalen Strategie betrachtet. Der Aufstieg Chinas stellt daher eine direkte Bedrohung seiner Interessen dar, was in der Zukunft zu ernsthaften Konflikten führen kann.

Russland spielt international eine unabhängigere Rolle als zuvor. Nachdem es in Jugoslawien und dem Irak – zuvor Teile der russischen Einflusssphäre – schwer gedemütigt wurde, ist es nun nicht länger bereit, die weltweiten Anmaßungen des US-Imperialismus zu akzeptieren. Das zeigte sich an seinem Handeln in Georgien, das die USA in ihre Umlaufbahn ziehen wollten. Russland hat 2008 mit Waffengewalt Georgien die Nase blutig geschlagen und von einem NATO-Beitritt abgehalten. In Syrien hat Russland eine weitere Linie in den Sand gemalt, die die Amerikaner nicht zu überschreiten wagten.

Das liegt jedoch nicht an Russlands Stärke, sondern an der relativen Schwäche und Lähmung des US-Imperialismus. In den letzten zehn Jahren haben sich die US-Imperialisten verhalten wie Elefanten im Porzellanladen. Daraus folgt, dass sie fast nirgends wirklich zuverlässige Verbündete haben. Der Einmarsch in den Irak stellte sich als Desaster heraus. Bush wollte die Stärke Amerikas demonstrieren, doch das Abenteuer ging nach hinten los und bewirkte die weitere Destabilisierung einer ohnehin schon instabilen Region. Die Vernichtung der iranische Armee sorgte für Chaos im Irak und eine relative Stärkung des Irans.

All das hat die öffentliche Meinung in den USA stark beeinflusst. Nach den offensichtlichen Fehlschlägen im Irak und in Afghanistan hat die amerikanische Öffentlichkeit militärische Abenteuer im Ausland ziemlich satt, und im Kongress und der Bevölkerung beginnt man, sich den alten amerikanischen Isolationismus zurückzusehnen. Daher war es Obama unmöglich, seine offene Absicht, Syrien zu bombardieren, durchzusetzen. In einer jämmerlichen Rede, in der er sich in jedem zweiten Satz widersprach, sagte er, die USA könnten nicht mehr tun, was sie wollen.

Der mittlere Osten ist nun ein brodelnder Kessel der Instabilität. Die schlampige und kurzsichtige Politik des US-Imperialismus hat das verschärft. Das Wachstum iranischer Macht in der Region nagt an Saudi-Arabien. Riad hat die Tatsache akzeptieren müssen, dass Teheran nun auf große Teile des Iraks bestimmenden Einfluss ausübt. Das Chaos im Irak hat einen blutigen, sektiererischen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten hervorgebracht, mit dem tägliche terroristische Bombenanschläge und Massaker einhergehen. Das saudische Königshaus befürchtet, dass ihm die Macht entgleiten könnte. Der Massenaufstand 2011 in Bahrein verstärkte diese Angst.

Im mittleren Osten sehen wir die Grenzen der US-Macht. Die offene Schwäche des US-Imperialismus hat dazu geführt, dass die traditionellen Verbündeten der USA im mittleren Osten immer mehr ihren eigenen Interessen folgen, was mehrmals zu Interessenskonflikten und offenem Ungehorsam geführt hat. Das zeigte sich am Versprechen der Saudis, die Kürzung von US-Zuschüssen an die ägyptische Armee auszugleichen. Die Saudis waren empört über die Entfernung Mubaraks, der für sie ein verlässlicher Partner gewesen war. Washington hatte die ägyptische Armee provoziert, indem es ihr nach dem Sturz Mursis die Zuschüsse gestrichen hatte.

Die herrschende Clique in Katar hat Ägypten mit acht Milliarden Dollar überhäuft. Sie war der Hauptunterstützer der Morsi-Regierung am Golf. Sie wetteten darauf, dass das Vakuum, das gestürzte arabische Autokratien hinterlassen würden, von Islamisten gefüllt würde. Diese wollten sie sich zunutze machen, um ihre eigene Position in der Region zu stärken.

Katar hat sich zuerst in Lybien, dann in Syrien die Finger verbrannt und in Ägypten Milliarden von Dollars verloren. Dieses Geld hätte ihnen politische Vorteile erkaufen sollen, doch sie haben auf das falsche Pferd gewettet. Die vereinigten Arabischen Emirate und die Saudis werden die ägyptische Wirtschaft am Leben halten. Das alles erinnert an die Kriege zwischen den Familien der Mafiosi, und nichts anderes sind diese verwöhnten, ölreichen königlichen Gangster

Syrien

Was als Massenaufstand gegen das Baath-Regime in Syrien begann, ist zu einem sektiererischen Bürgerkrieg degeneriert. Die saudischen und katarischen herrschenden Cliquen haben interveniert, um die revolutionären Elemente zu zerschlagen und den Kampf in eine sektiererische Richtung abzulenken.

Washington wollte sich auf die bürgerlich-“demokratischen“ Elemente der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) stützen, doch wurde es von den Saudis und Katarern völlig überrumpelt. Diese bewaffneten und unterstützten die dschihadistischen Milizen, aber jeweils verschiedene Flügel davon. Die Saudis stützen sich auf die Salafisten und auf nichtdschihadistische Elemente, um zu versuchen, die Vorherschaft von Dschabat al-Nusra und al-Qaida zu brechen.

Die Nationale Koalition in Istanbul, die vom Westen unterstützt wird, wurde im November 2012 gegründet und gilt über 100 Ländern als „legitime“ Repräsentantin der syrischen Opposition. Doch die USA und die EU würden sich gern auf die „moderaten“ bürgerlichen Elemente der Opposition stützen. Doch dabei sind sie auf ein unüberwindbares Problem gestoßen. Elf islamistische Milizen distanzieren sich von der NK, von denen einige formal Teil der FSA sind, und verweigern ihr die Anerkennung.

Es ist allgemein bekannt, dass die dschihadistischen Milizen die meisten Kampfhandlungen durchführen und nicht gewillt sind, sich der NK unterzuordnen. Das hat in Kämpfen zwischen verschiedenen oppositionellen Gruppen und einer weiteren Fragmentierung der Opposition geführt. Indem sie die Schwäche der Zentralregierung ausnutzten, haben sich die KurdInnen im Nordosten mittlerweile praktisch unabhängig gemacht. Das bedeutet, dass es nun zwei mehr oder weniger unabhängige kurdische Staaten in der Region gibt. Das steigert die Instabilität und wird den kurdischen Separatismus in der Türkei und dem Iran stärken.

Die reaktionären islamistischen Elemente beherrschen die bewaffnete Rebellion jetzt völlig. Es gibt offene Kämpfe zwischen den Dschihadisten und der FSA, und zwischen den Dschihadisten und den KurdInnen. Es gibt außerdem einige Milizen, die zwar für die Regierung kämpfen, aber nicht von Assad kontrolliert werden. Syrien bewegt sich in dieselbe katastrophale Richtung wie der Irak oder Afghanistan: Örtliche Warlords ergreifen die örtliche Macht. Das Land zerfällt vor unseren Augen. In Syrien haben wir es mit Konterrevolution auf beiden Seiten zu tun.

Die zwei Seiten hatten bis zur Erschöpfung gekämpft. Doch der blutige Waffenstillstand wurde im Sommer 2013 wieder gesprengt, als Hisbollah und die Iraner die Bühne betraten und das Kräftegleichgewicht zugunsten der Regierung entscheidend veränderten. Die Amerikaner suchten einen Grund, in Syrien einzugreifen, um die Lage zu „retten“, doch die Schwäche des US-Imperialismus zeigte sich daran, dass Obama nicht einmal in der Lage war, den Kongress dazu zu bringen, für die Bombardierung von Syrien zu stimmen. So wurde er von den Russen völlig überrumpelt. Sie rissen die diplomatische Initiative an sich, als John Kerry die unbedachte Aussage machte, Syrien könnte einem Angriff entgehen, wenn es seine chemischen Waffen aufgäbe.

Am Chemiewaffenthema erkennt man die widerliche Heuchelei der Imperialisten. Auch wenn man die Tatsache übergeht, dass die USA selbst das größte Chemiewaffenarsenal in der Welt besitzen und diese Waffen, wie z.B. Agent Orange oder Napalm, auch ausgiebig gegen die Menschen in Vietnam eingesetzt haben – sie haben auch Falludscha mit weißem Phosphor bombardiert, mit schrecklichen Folgen für die Bevölkerung. Sie hatten keine Einwände gegen die Verwendung von chemischen Waffen durch Saddam Hussein, als dieser sie im ersten Golfkrieg gegen iranische Soldaten einsetzte.

Es ist völlig offensichtlich, dass die Frage der Chemiewaffen eine Ausrede war, um Syrien anzugreifen, weil die Regierungskräfte mithilfe des Irans und der Hisbollah den Rebellen schwere Niederlagen zufügten. Andererseits ging es nicht darum, den Rebellen zum Sieg zu verhelfen. Es sollte nur das Kräftegleichgewicht wiederhergestellt werden, um Raum für diplomatische Manöver zu schaffen. Die Interessen des unglücklichen syrischen Volkes oder humanitäre Erwägungen spielten keinerlei Rolle.

Diese Tour wurde durchkreuzt, als das syrische Regime auf die Aufforderung Russlands hin anbot, sein gesamtes Chemiewaffenarsenal abzuliefern. Das hatte keine Auswirkungen auf die militärische Schlagkraft des Regimes, das bereits während des gesamten Kriegsverlaufs auf sehr effektive Weise mit konventionellen Waffen seine Gegner abgeschlachtet hatte. Nachdem Assad die Amerikaner in der Chemiewaffenfrage praktisch ausgetrickst hatte, begann er eine große Offensive gegen die Rebellen und fügte ihnen weitere schwere Niederlagen zu. Dennoch ist unklar, ob eine der zwei Seiten stark genug ist, einen entscheidenden Sieg zu erreichen.

Die Russen und Amerikaner versuchen, unter Einbeziehung anderer Mächte in der Region, eine Art „Friedenskonferenz“ in Genf zu organisieren. Selbst wenn die stattfindet, wird sie den Interessen der Menschen in Syrien nicht dienlich sein. Auf der einen Seite steht die schwärzeste Dschihad-Reaktion, unterstützt von den Saudis und den Katarern. Die Amerikaner interessieren sich ausschließlich dafür, ihren eigenen Einfluss zu wahren und den Iranischen zurückzudrängen. Auch den Russen geht es nur darum, ihren Einfluss auf Syrien, ein traditionell verbündetes Land, zu wahren. Bis jetzt haben sie Assad gestützt, aber sie würden ihn sofort opfern, um ihre grundlegenden Interessen in Syrien zu wahren. Nach dem Debakel im Irak sind sich die Russen und Amerikaner (und ihre „demokratischen“ Verbündeten in Europa) einig, dass der syrische Staat erhalten werden muss, um für „Law and Order“ zu sorgen.

Das unklare Kräfteverhältnis schafft eine Gelegenheit für die auswärtigen Mächte, ihre Suche nach einer „Verhandlungslösung“ zu intensivieren. Die teilweise Verbesserung der Beziehungen zwischen Washington und Teheran könnte es möglich machen, dass der Iran an einer Friedenskonferenz teilnimmt – eine Perspektive, die in Damaskus und Teheran für Jubel, in Israel und Saudi-Arabien für Wut sorgt.

Man weiß nicht, was die Menschen in Syrien über all das denken. Sie werden in Genf weder anwesend noch vertreten sein, und ihre Meinung interessiert keine der involvierten Mächte. Das Chaos in Syrien kann erst enden, wenn die sozialistische Revolution in einem Schlüsselland der Region siegt; nur so kann das Gleichgewicht der Klassenkräfte entscheidend verändert werden. Die Zukunft Syriens hängt jetzt von Ereignissen außerhalb seiner Grenzen ab; von revolutionären Entwicklungen in der Türkei, dem Iran und vor allem in Ägypten.

Die ägyptische Revolution

Die großartige ägyptische Revolution ist noch nicht vorbei. Sie hat die gewaltige Macht von Millionen entfesselt – was die bürgerliche Presse den „arabischen Mob“ nennt – und stellt somit einen Wendepunkt in der Weltgeschichte dar. Die Geschehnisse im mittleren Osten werden sowohl ökonomische als auch politische Auswirkungen von noch gar nicht abschätzbarer Tiefe haben. Ägypten ist das Schlüsselland der arabischen Welt. Was dort passiert, hat immer einen Dominoeffekt auf die ganze arabische Welt und darüber hinaus. Die Revolution ist mit dem Massenaufstand, der Morsi und die Muslimbruderschaft stürzte, in eine neue Phase eingetreten.

Die revolutionäre Massenbewegung, die Morsi stürzte, spülte 17 Millionen Menschen auf die Straßen Ägyptens. Eine derart riesige Bewegung ist in der Geschichte völlig einmalig. Im Juni 2013 befand sich die Macht in den Händen der Massen, doch es war ihnen nicht bewusst, und es gab niemanden, der es ihnen hätte erklären können. Das Kernproblem ist leicht erklärt: Die Massen waren stark genug, die Regierung zu stürzen, aber sie waren nicht organisiert und bewusst genug, die Macht zu nutzen, die sie praktisch schon in der Hand hatten. Deshalb wurde die Gelegenheit verfehlt und die Armeeführung war in der Lage, einzuschreiten und das Machtvakuum zu füllen.

Die Handlungen der Armee spielten dieselbe Rolle wie die von Napoleon am 5. Oktober 1795, als er einen royalistischen Mob auf der Straße mit „einem bisschen Artillerie“ auseinandertrieb. Damals und heute trommelten die Reaktionäre eine Bewegung zusammen, deren Erfolg den Sieg der Konterrevolution bedeutet hätte. In Ägypten zeigten die Massen ihre enthusiastische Unterstützung für die Unterdrückung der Bruderschaft, die sie zurecht für die Kraft der schwärzesten Reaktion hielten. Aber diese historische Analogie hat ihre Grenzen. Napoleon konnte seine konterrevolutionäre Diktatur durchsetzen, weil die revolutionären Massen erschöpft waren. Doch in Ägypten verfügt die Revolution über beachtliche Reserven, die sich bei jedem entscheidenden Schritt durchsetzen.

Die Stärke der Revolution zeigte sich an der Schwäche der Bruderschaft und ihrer Unfähigkeit, auf den Sieg von Morsi effektiv zu reagieren. Nur in Kairo und Alexandria schafften sie es, große Demonstrationen aufzustellen und selbst dort nur in den wohlhabenden Mittelschichtgegenden. Überall sonst wurde ihnen mit entschlossenem Widerstand durch die revolutionären Massen entgegengetreten, die sie aus einem Viertel nach dem anderen vertrieben. Am Ende wurden sie von der Armee mit Leichtigkeit zerstreut und besiegt.

In Ermangelung einer wirklich revolutionären marxistischen Partei war es den Generälen möglich, auf bonapartistische Weise zu lavieren, sich zunächst auf die Massen zu lehnen, um der Muslimbruderschaft Schläge zu versetzen und am nächsten Tag ArbeiterführerInnen zu verhaften.

Die Revolution ist die große Schule der Massen, die nur aus Erfahrung lernen können. Die zweite Revolution war auf einem viel höheren Level als die erste. Vergangen war die Zaghaftigkeit und Naivität, die in Slogans wie „Wir alle sind ÄgypterInnen“ zum Ausdruck gekommen war. Sie wurde verdrängt von einer harten, kompromisslosen, revolutionären Entschlossenheit, die dafür sorgte, dass der ganze Prozess nur einen Bruchteil der 18 Tage dauerte, die die Revolution von 2011 in Anspruch genommen hatte. Doch die Machtübrgabe an die Generäle bedeutete, dass die selbe alte herrschende Klasse die Macht behielt. Nur innerhalb der herrschenden Klasse wurde die Macht an eine andere Fraktion übergeben, als die, die Morsi repräsentierte. Das bedeutet, dass die Massen eine weitere harte Lektion durchleben werden müssen.

Es stimmt, dass Sisi ein Konterrevolutionär ist, genau wie der russische Bonapartist Kerenski nach der Februarrevolution. Doch er ist viel schlauer als Morsi. Jeder wusste, dass Morsi ein Konterrevolutionär war, doch in den Augen der Massen ist Sisi ihr Verbündeter. Sie halten die Repression gegen die Muslimbrüder für revolutionär. Deshalb waren sie bereit, Sisi Zeit zu geben, doch ihre Geduld wird nicht unbegrenzt halten. Die Biblawi-Regierung, die Sisi eingesetzt hat, ist bereits sehr unbeliebt.

Nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wird die Kritik an der Regierung schärfer werden. Die Widersprüche zwischen der Revolution und den neuen Herrschern werden immer deutlicher werden, denn unter dem Strich werden die Wirtschaftskrise, die Massenarbeitslosigkeit, die Armut, die hohen Preise unverändert bleiben. Wenn Sisi zur nächsten Wahl antritt, ist es gut möglich, dass er mit einer großen Mehrheit gewählt wird. Doch sobald er an der Macht ist, wird man von ihm erwarten, die Dinge zu liefern, die die ArbeiterInnen, BäuerInnen und Arbeitslosen wollen: Arbeit, Brot und Wohnungen. Das ist auf einer kapitalistischen Basis unmöglich, und so wird einer neuen, stürmischen Periode der revolutionären Erhebung der Boden bereitet.

Neue, frische Schichten beteiligen sich pausenlos am Kampf. Die alten, müden Schichten, von denen einige in den früheren Perioden eine führende Rolle spielten, werden dazu tendieren, sich enttäuscht und desorientiert zurückzuziehen, denn sie haben die Ereignisse weder vorhergesehen, noch verstehen sie sie. Sie beschweren sich laufend über das angeblich „niedrige Niveau“ der Massen, doch sie selbst begehen den schlimmsten Fehler, indem sie Revolution und Konterrevolution verwechseln.

Diese fehlgeleiteten „Linken“, die die Propaganda der Bourgeois und der Imperialisten nachbeten, und die die großartige Massenbewegung, die Morsi stürzte, als „Putsch“ abtun, haben nichts verstanden. Die Bewegung im letzen Juni war im Grunde genommen die zweite ägyptische Revolution. Die Massen stürzten das verhasste Regime der reaktionären Muslimbruderschaft, bekamen einen Vorgeschmack von ihrer eigenen, kollektiven Stärke, die sie nicht verloren haben, und die die Grundlage darstellt, auf der sich in der kommenden Periode eine neue revolutionäre Offensive abspielen wird. Wir müssen uns von den alten, demoralisierten Elementen ab- und der Jugend, der neuen KämpferInnengeneration zuwenden, die die revolutionäre Zukunft verkörpert.

Iran

Die Wahl Rohanis signalisiert den Anfang einer Veränderung der Situation. Die Wahlen waren ein klares Zeichen dafür, dass das Regime seinen vorherigen Kurs nicht fortsetzen konnte. Die Massenbewegung von 2009 wurde gewaltsam unterdrückt und durch ständig steigenden, inneren Druck und Beschränkung demokratischer Rechte niedergehalten. Die Krise des Regimes wurde im offenen Konflikt zwischen Ahmadinedschad und Khamenei widergespiegelt. Die Wirtschaft befand sich in einer tiefen Krise, die durch die US- und EU-Sanktionen noch stark verschärft wurde. Die ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit stieg auf neue Höhen. Der Rial brach zusammen, Inflationsraten stiegen auf über 100%. Industrie, Produktion und Handel kamen zum Stillstand.

Millionen ArbeiterInnen mussten mit explodierenden Preisen klarkommen, während sie ihre Arbeit oder jedenfalls ihre Löhne verloren hatten. Für den Mittelstand war es nicht weniger desaströs; Familien, die an relativ stabile Lebensverhältnisse gewöhnt waren, waren über Nacht insolvent, ihre Ersparnisse waren wertlos und ihre Geschäfte ruiniert.

Die Präsidentschaftswahlen sollten geplant und ohne Kontroversen ablaufen. Doch während der Kampagne griffen sich die beiden Kandidaten, trotz ihrer eingehenden, vorherigen Prüfung, scharf an. Die offene Spaltung der herrschenden Klasse ermöglichte es den Massen, die Bühne zu betreten.

Hassan Rohanis Wahlkampftreffen standen im Mittelpunkt der Mobilisierungen. Die plötzliche Teilnahme der Massen brachte alle Pläne der herrschenden Clique durcheinander. Die Mullahs waren gezwungen, ihren Kurs zu ändern. Rohani repräsentiert einen Flügel des Regimes, der Reformen von oben will, um Revolution von unten zu verhindern. Daraus resultiert, dass das Regime gezwungen ist, einige begrenze Schritte zu gehen, um den Druck zu mildern, der vor allem auf der Jugend und dem Kleinbürgertum lastet. Deshalb gibt es so starke Illusionen in Rohani. Doch je mehr er die Demokratieprobleme löst, desto offensichtlicher werden die Wirtschaftsprobleme werden.

Das Regime versucht, zu einem Deal mit den Amerikanern zu kommen, um den Markt zu öffnen und Konzessionen herauszuhandeln, vor allem für die heruntergekommene Öl-Infrastruktur. Ein solcher Deal wird, wenn er zustande kommt, die Lage der Massen nicht ändern. Die einzige Möglichkeit für die iranische Bourgeoisie, aus ihrer Krise zu kommen, besteht in intensivierter Ausbeutung der ArbeiterInnen, was nur Öl ins Feuer gießen wird. Jeder Schritt hin zur „Öffnung“ wird nur die Selbstorganisation der ArbeiterInnen und der Jugend stärken und so große revolutionäre Explosionen in der Zukunft vorbereiten.

Diese „Öffnung“ schafft neue Gelegenheiten für Opposition und Linke. Einige oppositionelle, gar linke, Zeitungen sind aufgetaucht. Schrittweise treten die oppositionellen Kräfte hervor. Die Jugend ist offen für sozialistische und revolutionäre Ideen. Es stimmt, dass es Illusionen in Rohani gibt, aber diese werden die Prüfung durch Erfahrung nicht lang überleben. Die Massen werden durch die Schule der bürgerlichen Demokratie gehen müssen, um die notwendigen Schlüsse zu ziehen – aber ziehen werden sie sie bestimmt.

Ungleichheit und Konzentration des Kapitals

Marx’ Prognose, dass die Entwicklung des Kapitalismus unweigerlich zu einer Konzentration von immer größerem Reichtum in immer weniger Händen führen würde, wurde durch die Ereignisse vollständig bestätigt. „Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich die Akkumulation von Elend […] auf dem Gegenpol“ schrieb er im ersten Band des Kapitals. Das ist genau die Situation in der wir uns heute befinden. Überall gab es einen starken Anstieg der Ungleichheit.

Die involvierten Summen sind enorm. Zwischen 1993 und 2011 ist das Durchschnittseinkommen in den USA insgesamt um moderate 13.3% gestiegen. Aber das Durchschnittseinkommen der der ärmsten 99%, also alle mit einem Familieneinkommen bis 370,000 USD pro Jahr, ist nur um 5.8% gestiegen. Diese Lücke ist das Maß dafür wie viel das oberste 1% verdient. Der Anteil der ArbeiterInnen am US- Nationaleinkommen betrug vor der Krise 62%.Heute liegt er bei etwa 59% des BIP. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen ist heute niedriger als vor der Krise und die Ungleichheit steigt.

Es ist unglaublich paradox, dass der US-Aktienmarkt seit der Krise um 50% gestiegen ist, während das Medianeinkommen sinkt. Obszöner Reichtum erzeugt auch politische Macht: Plutokraten können sich Zeitungen und Fernsehkanäle kaufen und Parteien und Lobbyarbeit finanzieren. In den USA muss man Millionär sein um Präsident zu werden und zusätzlich dazu noch die Unterstützung von vielen Milliardären haben. Demokratie kann zum Vorteil der Meistbietenden gekauft und verkauft werden.

Der Mythos von sozialer Mobilität wurde als das entlarvt was er ist: eine zynische Lüge. Reiche Eltern haben reiche Kinder. Die herrschende Klasse ist eine sich selbst erhaltende Elite, die sich völlig vom Rest der Gesellschaft getrennt hat. Der Zugang zu höherer Bildung wird immer teurer. Die AbsolventInnen sind mit enormen Schulden von durchschnittlich 25,000 USD pro Student konfrontiert und sind oft nicht in der Lage einen Arbeitsplatz in dem Beruf ihrer Wahl zu finden, wenn sie überhaupt einen Job finden. Die Leiter des Aufstiegs wurde geknickt entfernt. Hunderttausende HochschulabsolventInnen servieren Burger bei Mc Donalds oder füllen Regale in Supermärkten. Die Situation mit der die US-Jugend heute konfrontiert ist ähnelt statistisch jener der Jugend in der arabischen Welt vor den Explosionen der tunesischen und der ägyptischen Revolution.

Der amerikanische Traum wurde zu einem Alptraum. 47 millionen AmerikanerInnen sind gezwungen auf Lebensmittelmarken zurückzugreifen um am Ende des Monats noch Essen zu haben. Die wachsende Wut über diese Ungerechtigkeit drückte sich im Slogan der Occupy Bewegung in den USA aus: „Wir sind die 99%“. Die Gefahren dieser Situation sind den weitsichtigeren Strategen des Kapitals durchaus bewusst.

Der Abgrund zwischen den Klassen

Die Massen sind bereit Opfer zu bringen unter der Bedingung, dass der Grund gerecht ist und sie für alle gleich sind. Aber niemand ist bereit Opfer zu bringen um die Banker zu retten und auch die Gleichheit der Opfer steht außer Frage. Die Banker stecken sich das Geld in die Tasche, das großzügig vom Steuerzahler (oder besser gesagt von der Regierung, denn niemand hat die SteurezahlerInnen um ihre Meinung gefragt) ausgeteilt wird und zahlen sich damit selbst riesige Boni.

Mitten in der Krise werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Credit Suisse hat ein Diagramm veröffentlicht, das den Anstieg der Zahl der Dollar-Millionäre (basierend auf dem Gesamtvermögen von Mitte 2012 bis Mitte 2013).

                  Spanien: 402,000 (+ 13.2%)
                  USA: 13,210,000 (+ 14.6%)
                  Frankreich: 2,210,000 (+ 14.9%)
                  Deutschland: 1,730,000 (+ 14.6%)
                  UK: 1,520,000 (+ 8.2%)
                  Italien: 1,440,000 (+ 9.5%)
                  China: 1,120,000 (+ 8.7%)
                  Kanada: 993,000 (+ 4.7%)

Ein weiterer Bericht von Credit Suisse zeigt einige interessante Zahlen zur ungleichen Verteilung des Reichtums. Er zeigt auf, dass am oberen Ende 32 Millionen Menschen 98.7 Billionen USD kontrollieren. Das bedeutet, dass 41% des Weltvermögens in der Hand von 0.7% der gesamten erwachsenen Bevölkerung liegt. Diejenigen mit einem persönlichen Vermögen von 100,000 USD bis zu 1 Mio. USD machen 7.7% der Bevölkerung aus. Sie kontrollieren somit etwa 101.8 Billionen USD, was 42.3% des Weltvermögens entspricht.

Am anderen Extrem verfügen 3.2 Milliarden Menschen lediglich über 7.3 Billionen USD. Das bedeutet, dass 68.7% der erwachsenen Weltbevölkerung lediglich über 3% des gesamten Vermögens verfügen. Weiters heißt das, dass die reichsten 0.7% der erwachsenen Weltbevölkerung gemeinsam über ein Vermögen verfügen, dass 14-mal größer ist als das der ärmsten 68%. Diese Zahlen bestätigen Marx Vorhersage über die Konzentration des Kapitals:

„Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degeneration auf dem Gegenpol, d.h. aus Seite der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert.” (Capital  vol.1, chapter 25)

“Konzentrierte Ökonomie”

Lenin wies darauf hin, dass Politik konzentrierte Ökonomie ist. Für eine geraume Zeit, zumindest in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, schien der Kapitalismus „die Waren zu liefern“. Die Generation, die in den USA und in Europa in den Dekaden nach dem 2. Weltkrieg aufgewachsen ist, genoss die Vorteile eines beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwungs: Vollbeschäftigung, steigender Lebensstandard und Reformen.

Das war die klassische Periode des Reformismus in Europa. Die Kapitalisten konnten es sich leisten auf Grundlage einer expandierenden Wirtschaft und hoher Gewinne Reformen zu ermöglichen. Aber dies ist nicht länger der Fall. Das wahre Programm der Bürgerlichen ist es den Sozialstaat völlig abzuschaffen und die Arbeitslosen zu zwingen für jeden Lohn zu arbeiten, den die Arbeitgeber anbieten. Das wäre sozusagen ein Rückschritt in die Zeiten von Marx und Dickens. Nur die Macht der organisierten ArbeiterInnen hält sie davon ab diese soziale Konterrevolution vollständig durchzuführen.

Die Perspektiven sind Jahre der Einsparungen, Austerität und fallender Lebensstandard. Das ist ein fertiges Rezept für Klassenkampf, der überall stattfinden wird. Die Bürgerlichen verlangen die Tilgung der  Schulden, ein ausgeglichenes Budget, den Abbau der „verschwenderischen“ Sozialausgaben (damit meinen sie die Ausgaben für Schulen, Krankenhäuser und Pensionen, nicht etwa die Zahlungen an die Banken). Wie wahre Sophisten argumentieren sie, dass auch wenn solche Maßnahmen „kurzfristig“ zu einem deutlichen Wirtschaftsabschwung und einem starken Rückgang des Lebensstandards (für einige) führen, sie auf lange Sicht gesehen magischer weise die Grundlage für „eine nachhaltige Erholung“ legen. Darauf hätte der alte Keynes geantwortet: „Auf lange Sicht gesehen sind wir alle tot“.

Die Situation ist so prekär, dass alles eine schwere Krise auslösen könnte; das gilt sowohl für die Wirtschaft (siehe die Abschaltung der Regierung in den USA und auch die wachsenden Schulden in Europa), als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Der Klassenkampf kann auch durch ein einzelnes Ereignis ausbrechen (so wie bei der belgischen Feuerwehr).

Folgende Frage stellt sich für die Bürgerlichen: Wie kann man in einer solchen Krisensituation regieren? In vielen Ländern Europas zeigt sich die politische Sackgasse in instabilen Koalitionen und in Parlamenten ohne absolute Mehrheiten aus. Die Institutionen der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie werden bis an ihre Grenzen getestet.

Die steigenden Enthaltungen bei Wahlen sind ein Phänomen der wachsenden Unzufriedenheit mit allen bestehenden Parteien. Das ist nicht wirklich überraschend, wenn man sich das Verhalten der Führung der Arbeiterparteien ansieht. Selbst wenn sie in der Opposition sind unterstützen die Sozialdemokraten weiterhin die generelle Politik der Kürzungen und Sparmaßnahmen. Das zeigte sich sehr eindeutig am Beispiel der schwedischen SDP, der britischen Labour Party, der deutschen SPD, der spanischen PSOE und der PASOK in Griechenland. Das ist es, was die Stimmung der Enttäuschung und Gleichgültigkeit erzeugt.

Auch in Deutschland gibt e seine wachsende Tendenz zur Wahlenthaltung. Merkel hat zwar die Wahlen, aber keine Mehrheit gewonnen und braucht die SPD für eine „große Koalitions“ Regierung. 40% der deutschen WählerInnen sind nicht durch eine Partei im Parlament vertreten. Die Linke ist von einem Höchststand von ca. 12% auf unter 9% der Stimmen gefallen. Aber die Natur verabscheut das Vakuum und die Bildung der SPD-CDU Koalition bedeutet, dass die Linke die einzige wirkliche Opposition darstellt und an Unterstützung gewinnen könnte.

Als Ergebnis davon haben wir in mehreren Ländern den Aufstieg neuer Parteien gesehen: Grünen (in Schweden), Populisten in Island und Italien (Grillo), „Piratenparteien“ (Schweden, Deutschland, Island), und den Aufstieg der extremen Rechten (Griechenland, Schweden, Norwegen, Frankreich) und die Anti-EU Partei UKIP in Großbritannien. All dies deutet auf eine Gärung in der Gesellschaft hin, ein tiefes Unbehagen und Unzufriedenheit mit der bestehenden politischen Ordnung.

In Europa gibt e seine wachsende Unzufriedenheit mit den Institutionen der bürgerlichen Demokratie, vor allem in den Ländern, die am stärksten von der Krise betroffen sind. Das alte etablierte Zweiparteiensystem (rechter Flügel gegen Sozialdemokratie) befindet sich in der Krise. Ein Teil der Unzufriedenheit wird von Parteien links von der Sozialdemokratie genutzt, wie wir es im Wachstum von Syriza, IU und der französischen FdG sehen. In Italien, wo es so etwas nicht gibt, hat die „5-Sterne-Bewegung“ von Grillo (eine verwirrte kleinbürgerliche Protestbewegung) diese Lücke vorübergehend gefüllt.

Dennoch bieten selbst diese Parteien keine echte Alternative zur Krise des Kapitalismus und wachsen daher nicht so schnell, wie sie es tun könnten, wenn sie auch nur teilweise die Stimmung der Wut in der Gesellschaft widerspiegeln würden. Daher, nachdem sie in den reformistischen Parteien kein Echo findet, spiegelt sich die Unzufriedenheit der Massen in einem Anstieg der Enthaltungen oder ungültigen Stimmzettel wieder. 2008 erhielten die PP und die PSOE in Spanien 83% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 75%. Heute prognostizieren ihnen Meinungsumfragen kaum 50% bei einer viel geringeren Beteiligung (ca. 50% geben an, dass sie entweder nicht oder ungültig wählen oder nicht wissen wen sie wählen werden – das ist eine Rekordzahl).

In Portugal sehen wir eine ähnliche Situation, die sich aus den letzen Kommunalwahlen ergibt. Die Enthaltungen sind um 550,000 gestiegen; ungültige und leere Stimmzettel haben sich mit einem Anstieg um 170,000 verdoppelt. Die regierende Rechtskoalition verlor 600,000 Stimmen; die sozialdemokratische PS, die in „Opposition“ ist verlor 270,000 Stimmen; die kommunistische PCP gewann knapp 13,000 Stimmen, während die linksgerichtete BE 45,00 Stimmen verloren hat.

Die Massenorganisationen

Das zentrale Problem ist das der Führung. Die Arbeiterführer – sowohl die der politischen Parteien als auch die der Gewerkschaften – leben in der Vergangenheit. Sie haben die Natur der gegenwärtigen Krise nicht verstanden und träumen von der Möglichkeit in die „gute alte Zeit“zurückzukehren. Sie sind organisch unfähig mit der Bourgeoisie zu brechen und einen ernsthaften Kampf zu führen um auch nur die Errungenschaften der Vergangenheit zu verteidigen und noch weniger um für eine Verbesserung der Lebendbedingungen zu kämpfen.

Es gibt einen scharfen Kontrast zwischen dem brennenden Zorn der Arbeiterklasse und der Passivität und Hilflosigkeit ihrer Führung. Generell haben die Massenorganisationen ein sehr niedriges Aktivitätslevel. Daher gibt es auch keinen wirklichen Druck auf die Führung um zu verhindern, dass diese immer weiter nach rechts rückt. Das war die allgemeine Tendenz der letzten Periode. Die Degeneration aller Führungen hat eine beispiellose Tiefe erreicht. Es ist eine schockierende Tatsache, dass die Organisationen, die von der Arbeiterklasse geschaffen wurden um die Gesellschaft zu verändern, sich jetzt in ein monströses Hindernis auf dem Weg der sozialen Transformation verwandelt haben.

Historisch gesehen ist es die Aufgabe der Sozialdemokratie geworden die ArbeiterInnen zu demoralisieren und die Mittelklasse in die Arme der Reaktion zu treiben. Sie haben jeden Anspruch für den Sozialismus zu stehen vor langer Zeit aufgegeben, richten sich in ihren Reden an die Banker und KapitalistInnen, und nehmen einen „moderaten“ und „respektablen“ Ton an. Sie versuchen die herrschende Klasse davon zu überzeugen, dass sie fit dafür sind ein hohes Amt im Staat zu übernehmen. Um sich in den Augen der Bürgerlichen als zuverlässige „Staatsmänner“ (und Frauen) zu beweisen, sind sie noch eifriger bei der Durchführung von Einschnitten und Gegenreformen (immer unter dem Deckmantel von „Reformen“) als die Konservativen.

Die LinksreformistInnen, die die Sozialistischen Parteien in Europa in den 1970ern dominiert haben, sind zu einem Schatten ihrer selbst zusammengeschrumpft. Ohne eine solide Basis auf ideologischer oder theoretischer Ebene, hinken sie dem rechten Flügel kläglich hinterher. Letztere sind selbstbewusster, weil sie das Gefühl haben von den großen Unternehmen unterstützt zu werden. Dagegen haben die Linken kein Vertrauen, weder in die Arbeiterklasse noch in sich selbst. Die LinksreformistInnen in den Gewerkschaften sind um nichts besser als ihr politisches Gegenüber. Sie haben selbst in den elementarsten Dingen, der konsequenten Verteidigung von Löhnen, Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsrechten, versagt.

Eine ganze Reihe „linker” Regierungen wurde abgesetzt nachdem sie Einschnitte durchgeführt hatten: Spanien, Island, Norwegen, Griechenland und etwas früher Italien. Bei anderen ist die Unterstützung zusammengebrochen und sie werden wahrscheinlich ihre Macht bei den nächsten Wahlen verlieren (Dänemark, Frankreich, Irland). Die irische Labour Party war weit vorne in den Meinungsumfragen bevor sie in eine bürgerliche Koalition eingetreten ist, die jetzt Einschnitte durchführt. Die Unterstützung ist zusammengebrochen, und zwar von 24 auf 4%.

In Griechenland brach die sozialistische Partei PASOK, die eine Massenbasis und teilweise fast 50% der Stimmen hatte, zusammen. Das war das Resultat davon, dass man die Politik der herrschenden Klasse und der EU durchgeführt hat. Sie wurde zuerst durch die „nationale“ Regierung von Papademos ersetzt und trat dann in eine Koalition mit dem rechten Flügel von Samaras. Aber der wichtigste Faktor ist der rasante Aufstieg von Syriza, die ursprünglich darum gekämpft hatten 4 oder 5% zu erhalten und jetzt sogar 30% in den Meinungsumfragen erreichen.

Doch die Massenorganisationen, selbst die degeneriertesten, werden an einem bestimmten Punkt den Druck der Massen unweigerlich wiederspiegeln. In der kommenden Periode wird es gewaltige Schwankungen der öffentlichen Meinung auf die linke, aber auch auf die rechte Seite geben. Wir müssen darauf vorbereitet sein und die wahre Bedeutung erklären können. Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Krise werden die Massen jede Partei und ihrer Führer Testen und entsorgen. Aber eine Konstante bleibt dabei die Ablehnung von jedem der in einer Regierung beteiligt war, die Austeritätsprogramme durchgeführt hat.

In Großbritannien gibt es einige Hinweise, dass der Druck von unten (vor allem aus den Gewerkschaften) Miliband dazu zwingt sich von den Tories und den Liberalen zu distanzieren. Miliband spiegelt, wenn auch schüchtern, den wachsenden öffentlichen Ärger gegen die Großkonzerne und Banken wieder. Einmal an der Macht, werden die reformistischen Führer unter massivem Druck der herrschenden Klasse und gleichzeitig auch der Massen stehen. Sie werden zwischen zwei Mühlsteinen zerkleinert werden. Es wird Abspaltungen nach rechts und links geben. In einigen Fällen können sie sogar vollständig zerstört werden (so wie die PRC in Italien und möglicherweise die Pasok in Griechenland). Aber in jedem Fall werden sie in die Krise geraten.

Mit einer Verschärfung der Krise werden sich linke Tendenzen innerhalb der Massenarbeiterparteien und der Gewerkschaften heraus kristallisieren. Die marxistische Tendenz muss das innere Leben der Massenorganisationen aufmerksam verfolgen und sich bemühen die sich nach links bewegenden Teile der ArbeiterInnen und der Jugend, die nach einer Alternative suchen,  zu erreichen und zu gewinnen.

Unsere Fähigkeit effektiv in zukünftige Ereignisse zu intervenieren wird von unserem heutigen Erfolg im Aufbau der marxistischen Tendenz bestimmt werden. Es ist nicht das gleiche in eine Massenbewegung mit 20 oder 50 Kadern zu intervenieren wie mit 500 oder 1000. Qualität muss in Quantität umgewandelt werden, so dass diese Quantität dann wiederum in Qualität auf einer höheren Ebene transformiert werden kann. Um die Massen zu bewegen braucht es einen geeigneten Hebel, und dieser Hebel kann nur eine starke und zahlreiche marxistische Tendenz sein.

Die Gewerkschaften

Die Gewerkschaften sind die Basisorganisationen der Klasse. In der Krise spüren die ArbeiterInnen die Notwendigkeit für Gewerkschaften sogar noch mehr als in „normalen” Zeiten. In der Industrie gab es einige sehr radikale Kämpfe und Konflikte und immer wenn die Gewerkschaftsführung einen Anhaltspunkt in Form von Generalstreiks, Streiks in gewissen Sektoren,... geboten haben, haben die ArbeiterInnen massiv reagiert. Das Problem ist, dass die Gewerkschaftsführung völlig hilflos ist wenn sie mit der Krise des Kapitalismus konfrontiert wird, weil sie keine Alternative (anders als eine milde Form des keynesianischen Stimulus) haben.

In Spanien gab es einen radikalen Streik der LehrerInnen auf den balearischen Inseln, der drei Wochen andauerte und große Unterstützung in der Bevölkerung hatte (es gab eine Demonstration in Palma mit 100000 TeilnehmerInnen und das auf einer Insel mit einer Gesamtbevölkerung von rund 800000). Der Streik wurde mit traditionellen Klassenkampfmethoden, die in der letzten Zeit verloren gegangen sind, durchgeführt: Massenversammlungen, gewählte Delegierte, Unterstützung von Eltern und SchülerInnen und eine Streikkasse. Aber die Gewerkschaftsführung lies die balearischen LehrerInnen allein und weigerte sich den Kampf über die LehrerInnen hinaus und auf das Festland zu verbreiten. Die Bewegung musste sich zurückziehen, besiegt durch Erschöpfung.

Unter diesen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, dass viele ArbeiterInnen die Sinnhaftigkeit eines isolierten 24-Stunden Generalstreiks, ohne einen nachhaltigen Kampfplan der Gewerkschaftsführung, in Frage stellen. In der Tat werden diese von den Herrschenden als Mittel zum Dampf ablassen verwendet. In Griechenland ist die Waffe des eintägigen Generalstreiks inzwischen kontraproduktiv. Die Forderung solcher Aktionen wird von den ArbeiterInnen mit Skepsis betrachtet, denn sie verstehen, dass drastischere Maßnahmen nötig sind. Unter den Bedingungen in Griechenland ist ein umfassender politischer Generalstreik nötig um die Regierung zu stürzen.

Wir sehen sowohl an der politischen als auch an der industriellen Front einen Anstieg von Zorn und Unzufriedenheit, die allerdings noch keinen klaren Ausdruck findet. In Spanien, Portugal, Griechenland, Italien sind hunderttausende Jugendliche gezwungen in eine Lebenssituation zurückzukehren, von der die Eltern dachten, dass sie sie hinter sich gelassen hätten.

Es gibt ständig Angriffe auf die öffentliche Gesundheitsversorgung und das Bildungssystem, wachsende Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen, die Skandale der Zwangsräumungen und Zwangsversteigerungen bei einer gleichzeitig steigenden Anzahl leerer Wohnungen und Häuser, eine steigende Zahl an Obdachlosen, von denen sich viele selbst zur „Mittelklasse“ gezählt hatten und die jetzt unter die Armutsgrenze gedrückt wurden, usw.

Unter diesen Bedingungen sehen die ArbeiterInnen die Gewerkschaften mehr denn je als ihre erste Verteidigungslinie. Der ganze Druck wird durch verschiedene spontane Protestbewegungen an die Oberfläche kommen müssen, Explosionen der Wut, die schließlich auch einen Einfluss auf die Massenorganisationen haben werden.

Die ersten Schritte der Radikalisierung werden in Streiks, Generalstreiks und Massendemonstrationen ihren Ausdruck finden. Wir haben das bereits in Griechenland, Spanien und Portugal gesehen. Aber angesichts der Tiefe der Krise können solche Aktionen allein neue Angriffe auf den Lebensstandard nicht verhindern.

Sogar in Belgien, wo eine militante Aktion der Feuerwehrleute und der EisenbahnarbeiterInnen die Regierung zum Rückzug gezwungen hat, wird dies nur ein rein vorübergehender Sieg sein. Was die Regierung mit der linken Hand gibt, wird sie mit der rechten Hand wieder wegnehmen. In Griechenland gab es fast 30 Generalstreiks, doch die Regierung setzt ihre Angriffe fort.

Nach und nach lernen die ArbeiterInnen durch Erfahrung, dass radikalere Maßnahmen notwendig sind. Sie beginnen revolutionäre Schlüsse zu ziehen. Trotzki hat die Wichtigkeit von Übergangsforderungen als Mittel zur Erhöhung des Bewusstseins der ArbeiterInnen auf das von der Geschichte geforderte Niveau erklärt. Aber er hat auch aufgezeigt, dass in der Situation einer tiefen Krise solche Forderungen nicht genug sind:

“Natürlich sind die Forderungen nach einer gleitenden Lohnskala und Arbeiterselbstverteidigung nicht genug. Das sind nur die ersten Schritte, um die Arbeiterschaft vor Hunger und den Messern des Faschismus zu beschützen. Das sind dringliche und notwendige Mittel der Selbstverteidigung. Doch für sich allein genommen, warden sie das Problem nicht lösen. Die Hauptaufgabe besteht jetzt darin, den Weg für ein besseres ökonomisches System zu ebnen, für einen gerechteren, vernünftigeren und ordentlichen Einsatz der Produktivkräfte im Interesse aller Menschen.

“Das kann nicht nur gewöhnliche, ‘normale’, routinemäßige Methoden der Gewerkschaftsarbeit erreicht warden. Dem können Sie nicht widersprechen, weil unter den Bedingungen des kapitalistischen Niedergangs stellt sich heraus, dass die Gewerkschaften nicht einmal die weitere Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter stoppen kann. Entschiedene und tiefreichende Methoden sind notwendig. Die Bourgeoisie, die die Produktionsmittel besitzt und die Staatsmacht kontrolliert, hat die ganze Ökonomie in einen Zustand der völligen und hoffnungslosen Unordnung gebracht. Es ist notwendig aufzuzeigen, dass die Bourgeoisie bankrott ist und dass die Ökonomie in neue und ehrliche Hände übergehen muss, d.h. in die Hände der Arbeiter selbst.” (Trotzki, Diskussion mit einem Gewerkschafter der CIO, 29. September 1938)

Die Rolle der Jugend

Eines der Hauptmerkmale der gegenwärtigen Situation ist die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, vor allem bei jungen Menschen. Das ist nicht die Reservearmee von Arbeitslosen, von der Marx sprach. Das ist dauerhafte, strukturelle Arbeitslosigkeit, organische Arbeitslosigkeit, die wie ein wie ein giftiges Geschwür an den Eingeweiden der Gesellschaft nagt und sie von innen zerstört.

Die schlimmsten Auswirkungen der Arbeitslosigkeit lassen sich unter der Jugend feststellen, die die schwerste Last der kapitalistischen Krise zu tragen hat. Jugendliche Hoffnungen und Sehnsüchte stoßen auf eine undurchdringliche Grenze. Das ist noch untragbarer wenn ein großer Teil der Arbeitslosen gut ausgebildet ist. Das ergibt eine sehr leicht entzündliche und unbeständige Mischung.

Dies ist die erste Generation von jungen Menschen, die nicht mehr erwarten können einen besseren Lebensstandard zu haben als ihre Eltern. Sie wurden ihrer Zukunft beraubt. Eine ganze Generation von Jugendlichen wird auf dem Altar des Kapitals geopfert. Zwischen Brasilien und der Türkei gibt es natürlich Unterschiede. Aber es gibt auch gemeinsame Merkmale, die geholfen haben die Unzufriedenheit zu schüren. Diese Merkmale werden überall zu ähnlichen Protesten führen. Ein wichtiger Faktor war Jugendarbeitslosigkeit.

Dieses Phänomen ist nicht auf die ärmeren Länder Lateinamerikas, des Nahen Ostens oder Asiens beschränkt. Arbeitslosigkeit und Armut sind eine explosive Kombination, die sich zu jeder Zeit in jedem Land entzünden kann. Jugendarbeitslosigkeit war ein wichtiger Faktor im sogenannten Arabischen Frühling. Hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa kann einen ähnlich radikalisierenden Effekt haben. Bereits jetzt ist die Radikalisierung der Jugend auf die eine oder andere Weise ein allgemeines Phänomen in ganz Europa.

In Großbritannien folgte auf eine Welle der Radikalisierung unter StudentInnen eine Explosion von Ausschreitungen von arbeitslosen Jugendlichen in allen großen Städten, die das Establishment erschütterten. In Griechenland ging den großen Bewegungen der Arbeiterklasse eine riesige Bewegung der SchülerInnen voraus. In Spanien und den USA hatten wir die Occupy-Bewegung und die Indignados, die überwiegend von Jugendlichen getragen wurde. Es gibt viele historische Präzedenzfälle dafür. Der Russischen Revolution von 1905 gingen die Studentendemonstrationen von 1900 und 1901 voraus. Der Mai 1968 in Frankreich wurde von Studentendemonstrationen, die von der Polizei brutal unterdrückt wurden, ausgelöst.

Lenin sagte: “Wer die Jugend hat, hat die Zukunft”. Wir müssen um jeden Preis einen Zugang zur revolutionären Jugend finden, ihr einen bewussten und organisierten Ausdruck ihres instinktiven Wunsches, Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu bekämpfen und eine bessere Welt zu erlangen, geben. Der Erfolg oder Misserfolg der IMT hängt zu einem guten Teil davon ab, ob wir dieses Ziel erreichen können.

Sind die Bedingungen reif für eine Revolution?

Wir bewegen uns auf globaler Ebene auf eine völlig neue Situation zu. Das wird bereits aus den Ereignissen der letzen 12 Monate ersichtlich. Tränengaswolken füllen die Straßen von Istanbul. Polizeiknüppel knacken Schädel in Sao Paolo und 17 Millionen Menschen stürzen einen ägyptischen Präsidenten. In Bulgarien sind Proteste ausgebrochen. Das ist nur der Beginn einer Welle von politischer Unzufriedenheit in den Entwicklungsländern, die mit revolutionärem Potential gefüllt ist.

Die Dialektik lehrt uns, dass sich früher oder später alles in sein Gegenteil verwandelt. Dieses dialektische Gesetz wurde durch die Ereignisse der letzten 12 Monate mehr als bestätigt. Erinnern wir uns daran, dass die Türkei und Brasilien bis vor kurzem zwei der Leitfeuer der Schwellenländer waren. Die Möglichkeit einer revolutionären Aufwallung in diesen Ländern kam den Strategen des Kapitals nicht einmal in den Sinn. Genauso wenig sahen sie die Möglichkeit eines revolutionären Sturzes von Mubarak in Ägypten oder von Ben Ali in Tunesien.

Zyniker und Skeptiker sind überall in ausreichender Zahl vorhanden. Sie sind das Strandgut der Niederlagen der Vergangenheit, frühzeitig gealterte Männer und Frauen, die alles Vertrauen in die Arbeiterklasse, den Sozialismus und sich selbst verloren haben. Die professionellen ZynikerInnen fristen ein kümmerliches Dasein am Rande der Arbeiterbewegung, und manchmal auch in ihr. Ihr Hauptziel im Leben ist es über die ArbeiterInnen und die Jugend zu stöhnen und zu schimpfen, ihre Erfolge klein zu reden und ihre Fehler zu übertreiben.

Solche Exemplare finden sich vor allem in den Reihen der ehemaligen StalinistInnen. Nachdem sie längst alle Hoffnung auf eine sozialistische Revolution aufgegeben haben, beschäftigen sich diese elenden Kreaturen nur noch mit einer Sache: Ihre toxische Marke des Pessimismus und Skeptizismus in der Jugend zu verbreiten um sie zu demoralisieren und von der Teilnahme an einer revolutionären Bewegung abzuhalten.

Diese Leute, die Trotzki korrekterweise als brandige Skeptiker bezeichnet hat, argumentieren, dass die Arbeiterklasse noch nicht für Sozialismus bereit sei, dass die Bedingungen noch nicht reif seien, usw. Es versteht sich von selbst, dass für solche Individuen, die Voraussetzungen für den Sozialismus nie erreicht sein werden. Nachdem sie einige unerreichbare Standards für revolutionäre „Reife“ in ihren Köpfen etabliert haben, können sie sich bequem im ihrem Armsessel zurücklehnen und – nichts tun.

Es ist notwendig die grundlegende Idee, dass das Hauptmerkmahl einer Revolution das Eintreten der Massen auf die Bühne der Geschichte ist, zu betonen. 1938 schrieb Trotzki: „Das ganze Gerede, wonach die geschichtlichen Bedingungen noch nicht „reif“ genug seien für den Sozialismus, ist nur das Produkt der Unwissenheit oder eines bewussten Betrugs. Die objektiven Voraussetzungen der proletarischen Revolution sind nicht nur schon „reif“, sie haben sogar bereits begonnen zu verfaulen. Ohne sozialistische Revolution, und zwar in der nächsten geschichtlichen Periode, droht die ganze menschliche Kultur in einer Katastrophe unterzugehen. Alles hängt ab vom Proletariat, d.h. in erster Linie von seiner revolutionären Vorhut. Die historische Krise der Menschheit ist zurückzuführen auf die Krise der revolutionären Führung”. (Trotski, Das Übergangsprogramm, Mai-Juni 1938)

Diese Zeilen sind für die momentane Situation auf Weltebene absolut relevant. Sie wirken sogar so als wären sie erst gestern geschrieben worden!

Gegen die Zyniker und Skeptiker, die die revolutionäre Rolle des Proletariats verleugnen, werden wir immer das revolutionäre Potential der ArbeiterInnen und Jugendlichen, das ständig durch die Ereignisse bestätigt wird, in den Vordergrund rücken. Die wunderbaren revolutionären Bewegungen in der Türkei, Brasilien und Ägypten, die Generalstreiks in Griechenland und Spanien, die Massenbewegung in Portugal, die fast zum Sturz der Regierung geführt hat, die Generalstreiks in Indien und Indonesien sind alles deutliche Hinweise darauf, dass die sozialistische Weltrevolution begonnen hat.

Allerdings bedeutet die Tatsache, dass eine Revolution begonnen hat nicht, dass sie sofort erfolgreich sein wird. Das hängt von vielen Faktoren ab, der wichtigste ist die Qualität der Führung. Hegel schrieb:
„Wenn wir eine Eiche sehen wollen mit ihrer ganzen Lebenskraft, dem Stamm, den ausladenden Ästen, der Laubmasse, dann sind wir nicht zufrieden, wenn man uns stattdessen eine Eichel zeigt.“ (Hegel, Die Phänomenologie des Geistes, Vorwort).

Was wir heute haben ist nur die frühe Erwartung einer sozialistischen Revolution. Es ist das erste Wiedererwachen der Massen nach einer langen Periode in der der Klassenkampf in vielen Ländern abgestumpft war. EinE AthletIn braucht nach einer längeren inaktiven Periode Zeit die Glieder zu strecken, sich „aufzuwärmen“ und die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln sich an ernsthafteren Aktivitäten zu beteiligen. Ebenso braucht die Arbeiterklasse Zeit die notwendigen Erfahrungen zu sammeln um ihr von der Geschichte gefordertes Niveau zu erreichen.

Generell lernen die Massen aus Erfahrungen. Das ist manchmal schmerzhalft und immer langwierig. Dieser Lernprozess würde aber sowohl schneller als auch weniger schmerzhaft verlaufen, wenn es eine starke marxistische Partei mit einer weitsichtigen Führung, wie die von Lenin und Trotzki, gäbe. Wenn es letzen Juni in Ägypten ein solches Äquivalent der bolschewistischen Partei gegeben hätte, wer würde dann noch daran zweifeln dass die revolutionären ArbeiterInnen und die Jugend leicht die Macht hätten  ergreifen können.

DiplomatInnen in den Ländern der europäischen Peripherie sprechen duster von einer möglichen „Krise der Demokratie“, und es ist eine Tatsache, dass die Institutionen der bürgerlichen Demokratie bis zum Zerreißen getestet werden. In den Regierungen Europas, allen voran in Berlin, herrscht permanente Sorge, dass die Einführung von Sparmaßnahmen soziale Konflikte von solchem Umfang auslösen könnte, dass sie eine Bedrohung für die bestehende Gesellschaftsordnung darstellen würden.

Der wahre Grund warum die bürgerlichen über den Sturz Morsis in Ägypten so entsetzt waren, ist dass sie fürchten solche Dinge könnten auch in Europa passieren.  Die FT hat eine unangenehme Parallele zum Revolutionsjahr 1848 gezogen: “Es […] erinnert mich – an 1848. Metternich, der höhnisch aus seinem Fenster auf den irrelevanten Mob blickt, ein paar Stunden vor seinem Sturz, Guizot, unfähig zu atmen vor Schock, als er sein Amt zurücklegt, Thiers, für einen Tag Premierminister, der in seinem Wagen, am Tourette Syndrom des 19. Jahrhunderts leidend, von den Massen gejagt wird,…“

Die bürgerlichen ÖkonomInnen geben zu, dass die Perspektive des Kapitalismus, die von 20 Jahren Sparmaßnamen ist. Das bedeutet zwei Jahrzehnte erhöhten Klassenkampfes mit unvermeidlichen Höhen und Tiefen. Auf Momente großer Aufwallungen werden Perioden der Erschöpfung, Enttäuschung, Desorganisation, Niederlagen und sogar der Reaktion folgen. Aber im momentanen Klima wird jede Pause nur der Auftakt für neue und noch explosivere Kämpfe sein. Früher oder später wird sich in einem oder anderen Land die Machtfrage stellen. Die Frage ist ob in diesem entscheidenden Moment der subjektive Faktor stark genug sein wird um die nötige Führung zu bieten.

Auf allen Ebenen bauen sich unerträgliche Spannungen auf. Aber nicht nur die wirtschaftlichen Faktoren Arbeitslosigkeit und sinkender Lebensstandard sind Quelle des generellen Unwohlseins in der Gesellschaft. Es spiegelt die Enttäuschung mit allen bestehenden Institutionen der kapitalistischen Gesellschaft wider: PolitikerInnen, Kirche, Medien, Banker, Polizei, das Rechtssystem, usw. Es ist auch durch die Ereignisse auf Weltebene betroffen (Irak, Afghanistan, Syrien, usw.).

Die Bedingungen sind nicht überall gleich. Beispielsweise ist die Situation in Griechenland weiter fortgeschritten als in Deutschland. Aber überall gibt es, nicht weit unter der Oberfläche, eine brodelnde Unzufriedenheit, ein Gefühl, dass in der Gesellschaft etwas wirklich schief läuft, dies unerträglich ist und die bestehenden Parteien und ihre FührerInnen uns nicht gut vertreten. Die objektiven Bedingungen für eine sozialistische Revolution sind entweder reif oder sie reifen sehr schnell heran. Aber der subjektive Faktor fehlt. Wie Trotzki vor langer Zeit sagte, das Problem ist ein Problem der Führung.

Aus einer ganzen Reihe von objektiven, historischen Gründen wurde die Bewegung zurückgeworfen; die Kräfte des genuinen Marxismus wurden auf eine kleine Minderheit reduziert, die von den Massen isoliert ist. Das ist das zentrale Problem und der zentrale Widerspruch der gelöst werden muss. Es ist notwendig die nötigen Kader zu gewinnen, zu trainieren, in die Organisation zu integrieren und sie auf die Massenorganisationen der ArbeiterInnen zu orientieren.

Das braucht Zeit. Wir werden aufgrund der Langsamkeit des Prozesses einige Zeit zur Verfügung haben. Aber wir haben nicht alle Zeit der Welt. Es ist wichtig, dass wir uns der Aufgabe des Aufbaus der Kräfte des Marxismus mit einer gewissen Dringlichkeit widmen und zu verstehen dass der Weg zu einem großen Sieg in der Zukunft von kleinen Erfolgen in der Gegenwart vorbereitet wird. Wir haben die notwendigen Ideen. Unsere Perspektiven haben sich durch den Gang der Ereignisse bestätigt. Wir müssen diese Ideen jetzt in die Arbeiterklasse und die Jugend tragen. Der Weg zu den ArbeiterInnen und der Jugend steht weit offen. Marschieren wir mit Vertrauen nach vorne.

Bauen wir die Internationale Marxistische Tendenz auf!
Lang lebe die sozialistische Weltrevolution!


Eine langfristige Sichtweise

Der Marxismus wirft einen langfristigen Blick auf die Geschichte. Es gibt bestimmte Momente, die entscheidende Wendepunkte darstellen. Solche Momente waren 1789, 1917 und 1929.Zu solchen Zeiten wird der gesamte Prozess beschleunigt und Prozesse, die für alle Zeiten gefestigt schienen werden in ihr Gegenteil verwandelt. Zu dieser Liste von großen historischen Wendepunkten müssen wir nun 2008 hinzufügen. Die neue Periode, die mit der Krise von 2008 begann findet ihren Ausdruck in einer Intensivierung des Klassenkampfes und der Beziehungen zwischen den Staaten, durch Kriege und internationale Konflikte.

Die Dialektik beschäftigt sich mit Prozessen in ihrer Entwicklung durch Widersprüche. Die dialektische Methode eröffnet uns die Möglichkeit über das momentan Gegebene (die „Fakten“) hinauszusehen und die zugrunde liegenden Prozesse unter der Oberfläche zu betrachten. Das kapitalistische System hat immer wieder sein Geleichgewicht hergestellt und wieder zerstört. Das manifestiert sich im Ausbruch von Krisen die in Intervallen auftreten. Im Bereich der Wirtschaft zeigt sich dies in einem Wechsel von Boom und Krise, den fundamentalen Charakteristika des kapitalistischen Systems in den letzten 200 Jahren. Auf Perioden des Aufschwungs und Vollbeschäftigung folgt eine Periode des Falls in der die Investitionen zurückgehen, Fabriken geschlossen werden, die Arbeitslosigkeit steigt und die Produktivkräfte stagnieren.

Marx erklärt, dass der eigentliche Grund für alle kapitalistischen Krisen die Überproduktion ist, oder, mit den Worten moderner Ökonomen die Überkapazität (das ist eine Folge der Überproduktion der Produktionsmittel). Die Tatsache, dass die Gesellschaft in eine Krise gerät, weil sie zu viel produziert, ist ein Merkmal des Kapitalismus, das in früheren Gesellschaften unbekannt war. Es ist der fundamentale Widerspruch des Kapitalismus, der nicht innerhalb der Grenzen des Privateigentuma an Produktionsmittel und dem Nationalstaat gelöst werden kann. Was wie eine lange Periode erschien – etwa drei Jahrzehnte, hat sich historisch als falsch erwiesen.

Der Zusammenbruch des Stalinismus war ein entscheidender Wendepunkt. Aus psychologischer Sicht gab er den Bürgerlichen und den VerteidigerInnen ihrer Ideologie ein neues Leben. Außerdem hat er die Sozialdemokratie weiter ins Lager des Kapitalismus getrieben, indem neue Illusionen in die „freie Marktwirtschaft“ geschaffen wurden. Er hat das Schicksal der ehemals stalinistischen Parteien, die jeden Anspruch für den Sozialismus zu stehen aufgegeben haben und ein schwacher Abklatsch der Sozialdemokratie geworden sind, besiegelt. Der gleiche Prozess führte zum virtuellen Zusammenbruch des Linksreformismus als klare Tendenz in der Arbeiterbewegung.

Während des letzten Booms ist der Kapitalismus durch eine beispiellose Expansion des Kredites und einer Intensivierung der Arbeitsteilung auf Weltebene durch sogenannte Globalisierung, über seine natürlichen Grenzen hinausgegangen. Das Wachstum des Welthandels trieb das System in eine scheinbar endlose Aufwärtsspirale. Die Expansion des Kredits lies die Nachfrage vorübergehend ansteigen. Im Fall von Großbritannien verdoppelte sich der Anteil der Privatkredite, gemessen am BIP in den letzten 50 Jahren auf 200%. Die USA und andere Länder gingen den gleichen Weg.

Die Sonne schien, die Märkte boomten und alle waren glücklich. Alles schien zum Besten zu stehen in der großartigsten aller kapitalistischen Welten. Dann kam der Crash von 2008. Mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers kamen sie einer Katastrophe im Ausmaß von 1929, oder sogar noch schwerwiegender, sehr nahe. Sie wurden nur durch massiven Zuschuss von öffentlichen Geldern gerettet. Die ganze Last der Schulden, die von den privaten Banken angehäuft worden waren, wurde auf die SteuerzahlerInnen abgewälzt. Der Staat – von dem die Ökonomen behauptet hatten, dass er keine Rolle in der Wirtschaft zu spielen hätte – musste das zusammenbrechende Gebäude der „freien Marktwirtschaft“ stützen.

Die Krise geht weiter

Seit 2008 tragen alle Faktoren, die das System vorwärts getrieben hatten gemeinsam dazu bei es nach unten zu ziehen. Die massive Erhöhung des Kredits wurde zu einem riesigen Berg an Schulden, eine kolossale Belastung für den Konsum, welche die Wirtschaft unter ihrem Gewicht erdrückt.

Während die Presse und PolitikerInnen von einer Erholung sprechen, versinken die ernsthaften Strategen dies Kapital im schwärzesten Pessimismus. Die weitsichtigeren Ökonomen reden nicht von einer Erholung, sondern von der Gefahr einer neuen und noch tieferen Krise. Die „Erholung“ ist in Wirklichkeit eine bequeme Fiktion, berechnet um die Nerven der InvestorInnen zu beruhigen und ihr „Vertrauen“ wiederherzustellen.

Sofern man überhaupt davon sprechen kann, ist die teilweise Erholung in den USA die schwächste Erholung nach einer Krise in der der gesamten Geschichte. Nach einer Krise erholt sich die Wirtschaft normalerweise sehr stark auf Basis von Investitionen, die der Lebensnerv des kapitalistischen  Systems sind. Aber das ist jetzt nicht der Fall. Laut IWF wird die Weltwirtschaft nur 2,9% wachsen, was in etwa der Hälfte des Vor-Krisen-Niveaus entspricht.

Durch die Globalisierung wurde der irrationalen Natur des Kapitalismus, der in unlösbaren Widersprüchen gefangen ist, ein noch schärferer, schmerzhafterer und destruktiverer Charakter verliehen. „Nationale Souveränität“ hat sich als leeres Wort entpuppt, denn jede Regierung ist der Unbeständigkeit des Weltmarktes ausgesetzt.

Die Spekulation blüht, trotz allem Gerede über Regulationen. Riesige Geldmengen schwappen über die Welt und erhöhen das Risiko eines beispiellosen wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Der weltweite Derivat-Markt, der 2008 59bill. USD betrug, ist bis 2012 auf 67 Bill. USD angestiegen. Dies zeigt welche ungezügelte Spekulationsblase die Bürgerlichen heutzutage erfasst hat. Die verschlungenen Verbindungen des Derivat-Marktes, die niemand mehr wirklich zu verstehen scheint, haben neue und komplexe Risiken hervorgebracht.

Die Nervosität der Bürgerlichen spiegelt sich im ständigen Steigen und Fallen der Märkte wieder. Der kleinste Vorfall kann eine Panik auslösen: politische Spannungen in Portugal; soziale Unruhen in Ägypten; Unsicherheit über die ökonomischen Perspektiven Chinas; die Möglichkeit einer Militäraktion im Mittleren Osten, die zu einem Anstieg der Ölpreise führt; jedes dieser Dinge kann eine Panik auslösen, die die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession zurückwirft. Die Renditen für Staatsschulden spielen in etwa die gleiche Rolle wie Charts am Ende eines Spitalbettes, auf denen der Anstieg und Fall von Fieber aufgezeichnet wird. Ab einer gewissen Grenze, droht den Patienten bei einem weiteren Anstieg des Fiebers der Tod.

Das Lebenselixier des Kapitalismus

Das Hauptproblem ist der Mangel an Investitionen in Produktivkräfte. In den USA bleiben die privaten Investitionen sogar unter ihrem Langzeit Anteil der nationalen Produktion, während die öffentlichen Investitionen ihren Höhepunkt mit dem Stimulus 2010 hatten und seitdem rückläufig sind. Die KapitalistInnen investieren nicht in Produktionstätigkeit, die dazu führen würden, dass ArbeiterInnen in ausreichender Zahl eingestellt werden würden, und somit die Wirtschaft in Gang käme. Der Grund dafür ist, dass es keinen Markt für ihre Waren gibt, dass heißt es gibt keine „effektive Nachfrage“.

Die wirtschaftlichen Prognosen sind dunkel und unsicher. Niemand will Geld ausgeben oder investieren, weil sie die Zukunft nicht vorhersagen können. Die Zahl der Arbeitsplätze ist 2013 zwar gestiegen, aber die Fabrikarbeit geht weiterhin zurück. Erste Prognosen, die US Erholung würde durch einen Wiederaufschwung der Produktion ausgelöst werden, wurden vollständig widerlegt. Eine gesunde und nachhaltige Erholung muss auf produktiven Investitionen basieren und nicht auf einer größeren Anzahl Burger bei Mc Donalds.

Die Investitionskosten sind momentan viel niedriger als 2008. Trotzdem sind die Unternehmensinvestitionen in den USA nur leicht über ihrem damaligen Level. Eine aktuelle Umfrage unter den 40 größten börsennotierten US-Unternehmen hat ergeben, dass etwa die Hälfte von ihnen vorhaben ihre Kapitalausgaben im Laufe des Jahres 2013 zu beschneiden. Wozu sollten sie neue Fabriken bauen und in teure neue Maschinen und Computer investieren, wenn sie nicht einmal ihre jetzigen Produktionskapazitäten ausnutzen können?

In Großbritannien gehen nur 15% der gesamten Finanzströme wirklich in Investitionen. Der Rest geht in Unterstützung bereits existierender Unternehmensvermögen, Immobilien oder ungesicherte persönliche Finanzen. Statt in neue Anlagen und Maschinen zu investieren nehmen große Unternehmen billig Kredite auf um ihre eigenen Aktien zurückzukaufen. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 wurden für diesen Zweck in den USA 308 Milliarden USD ausgegeben.

Das Problem ist also nicht der Mangel an Liquidität. In den USA schwimmen die Unternehmen in Bargeld, doch sie investieren nicht in die Produktionstätigkeit. In den letzten vier Jahren wurden riesige Summen in die Wirtschaft gepumpt, vor allem in die Banken. Das Ergebnis war ein alarmierender Anstieg der Staatsschulden, ohne irgendeine wirtschaftliche Erholung, die diesen Namen auch verdient. Nach Schätzungen von Moody zu Beginn des Jahres 2013 (von Forbes im März 2013 berichtet) waren 1.45bill. USD Bargeld in nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gebunkert. Allein im Jahr 2012 ist diese Summe um 130 Mrd. USD gestiegen (in der Gesamtsumme enthalten). Das ist kein neues Phänomen. In den späten 1920ern gab es ebenfalls eine massive Anhäufung von gebunkertem Bargeld in der Wirtschaft – kurz vor dem Zusammenbruch.

Die bürgerlichen Ökonomen haben ein Problem damit das Wort „Überproduktion”auszusprechen (seltsamerweise haben einige selbsternannte marxistische Ökonomen das selbe Problem). Aber aus einer marxistischen Perspektive ist die Ursache für die Krise sehr klar. Im Produktionsprozess wird Mehrwert akquiriert, aber das erschöpft den Prozess des Geldverdienens noch nicht. Die Möglichkeit der KapitalistInnen den von den ArbeiterInnen erwirtschafteten Mehrwert zu realisieren hängt davon ab ob sie ihre Wahren auf dem Markt verkaufen können. ‚Aber diese Möglichkeit ist durch die effektive Nachfrage, also von der Zahlungsfähigkeit, in einer Gesellschaft begrenzt.

Der Drang der KapitalistInnen zu produzieren um Profite zu erhalten ist praktisch unbegrenzt, aber die Möglichkeiten einen Markt für die Produkte zu finden hat sehr klare Grenzen. Die Weltwirtschaft hängt gefährlich von den USA ab. In Wirklichkeit hängt die ganze Welt vom US-Konsum ab. Aber Konsum in den USA ist kaum in einem passenden Zustand um als Motor des weltweiten Wachstums zu fungieren. Die Medianeinkommen sind seit Beginn der Erholung in den USA um 5,4% gefallen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei circa 7%. Der Verbrauch macht etwa 70% des US-Bruttoinlandsproduktes und etwa 16% der weltweiten Nachfrage aus. Überall hoffen also die Exporteure, dass der US-Konsument sie retten wird.

Aber all das schafft neue Widersprüche. Letztes Jahr haben die zunehmenden Importe das US-Handelsbilanzdefizit um 12% auf 45 Mrd. USD pro Monat steigen lassen, was der größte Sprung in 5 Jahren war. Davon machten Importe aus China fast zwei Drittel aus. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, wird das US-China-Defizit bald die 300 Mrd. USD überschreiten. Auf der anderen Seite fallen die US-Exporte. Obamas Ziel die Exporte in 5 Jahren zu verdoppeln ist ein hoffnungsloser Traum. Die US-Erholung könnte versanden und die Weltwirtschaft mit nach unten ziehen. Dies ähnelt einem alten russischen Märchen von einer Hütte, die durch Hühnerbeine gestützt wird.

Quantitative Easing

Der sogenannte Wirtschaftsaufschwung ist fast ausschließlich auf große Mengen von fiktivem Kapital zurückzuführen, die in den USA und anderen Ländern in die Wirtschaft injiziert wurden. Wie ein totkranker Patient wird der Kapitalismus durch ständige Infusionen frischen öffentlichen Geldes am Leben erhalten. Viele Zentralbanken sind dazu gezwungen auf sogenanntes Quantitative Easing (QE) - im Wesentlichen das Drucken von Geld - zurückzugreifen. Doch selbst diese „monetäre Lockerung“ und Nullzinsen schaffen es nicht die Probleme zu lösen, sondern haben stattdessen Inflation als Konsequenz.

Der schwache Aufschwung der US-Wirtschaft war nicht unwesentlich auf die Geldpolitik der Federal Reserve (Zentralbank der USA) zurückzuführen: Seit 2009 kauft die Fed finanzielle Vermögenswerte, wie US-Staatsanleihen und einige Unternehmensanleihen, in großem Stil. Diese Ausweitung der Geldmenge hielt die Zinsen niedrig, was insbesondere hochverschuldeten Unternehmen und Haushalten zugutekam. Dies war ein wichtiger Faktor für den schwachen Aufschwung der US-Wirtschaft und der Finanzmärkte. Wie Krücken einen Menschen ohne Beine, halten die Maßnahmen die Finanzmärkte aufrecht.

Das kapitalistische System basiert auf der Logik eines Irrenhauses. In all der Gier und dem Zwang nach schnellen Profiten produzierte die Bourgeoise in den zwanzig Jahren die den Crash 2008 vorausgingen nur eine enorme Inflation der Finanzmärkte. Dies war wesentlich der lockeren Geldpolitik der Fed geschuldet, welche die Zinsen niedrig hielt. Dieselbe irrsinnige Geldpolitik wird nun in einem verzweifelten Versuch verwendet die Blase erneut aufzublähen. Scheinbar vergessen ist, dass diese Geldpolitik überhaupt erst zum Crash führte. Es wirkt gar so als hätte die Bourgeoise alle guten Geister verlassen. Doch wie Lenin einmal sagte: Ein Mensch der vor dem Abgrund steht kann nicht vernünftig denken.

Das Quantitative Easing Programm der Fed macht pro Monat allein 85 Milliarde US-Dollar aus. Großbritannien, der Euroraum und insbesondere Japan müssen fast sklavisch das Versprechen der Fed nach langfristigem billigem Geld nachahmen. Paradoxerweise kommen diese Versprechen in einem Moment, in dem die Fed versucht einen Gang hinunter zu schalten. Die Fed findet sich deswegen in einer brenzligen Situation: Bernanke versucht den Anfang vom Ende des billigen Geldes zu verkünden, jedoch ohne gleich eine Panik auszulösen.

Die involvierten Verantwortlichen sind sich bereits seit geraumer Zeit durchaus im Klaren, dass sie Teil eines äußerst gefährlichen Experimentes sind. Der Chefökonom von HSBC für Asien erklärte, dass QE "uns zwar Zeit kauft, jedoch keine wesentlichen Probleme löst" (FT 20/09/13). "Je länger sie dieses Programm weiterführen, desto schwieriger wird es aus der Krise zu entkommen" sagt Mike Crapo, Republikaner und Teil des Banken-Komitees des Senates.

Mehr noch, zeigt die Erfahrung, dass die lockere Geldpolitik dem Gesetz sinkender Grenznutzen unterliegt: Immer größere Mengen an Geld werden benötigt um immer geringere Effekte zu erzielen. Financial Times Kolumnistin Gillian Tett sagt dazu: "eine Möglichkeit den wöchentlichen Tanz um QE zu interpretieren ist, dass die politischen Entscheidungsträger versuchen ein Finanzsystem aufrecht zu erhalten, welches im besten Fall eigenartig, im schlimmsten Fall instabil ist". Wir befinden uns "in einer Welt, in der die Finanzmärkte und die 'animal spirits' von billigem Geld abhängig sind".

Im Editorial der Financial Times (21/09/13) wird mit QE in den USA abgerechnet:
„Obwohl QE die Stimmung auf den Finanzmärkten gehoben hat, war dieser Effekt deutlich schwächer als viele erhofft hatten. Trotz niedriger Finanzierungskosten sind die Investitionen am Boden. Staaten reduzieren ihre Defizite, Haushalte tilgen ihre Schulden und Unternehmen horten Bargeld. Infolgedessen wird das Geld der Fed nicht für die Finanzierung von neuen Immobilien oder Kapitalinvestitionen verwendet, was zu Wirtschaftswachstum führen würde. Stattdessen hebt das Geld nur den Wert bereits bestehenden Vermögens.

Die Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac pumpen weiterhin Geld in den Hypothekenmarkt. Während sie jedoch noch vor der Krise für 60 % aller hypothekarisch besicherten Kredite verantwortlich waren, sind es inzwischen 90 %. Dies ist der Stoff, der 2008 zum Kollaps führte. Sich der Gefahr bewusst, kündigte Bernanke im Juni vorsichtig an, dass sich die Fed aus dem QE-Programm zurückziehen könnte. Keynesianer, allen voran Paul Krugman, waren entsetzt: Sie warnten vor voreiligen Aktionen, die das falsche Signal an die Weltwirtschaft senden könnten und dass die Geldpolitik gestrafft werden würde bevor noch die Wirtschaft genügend Dynamik entwickelt hätte um sich selbstständig aus der Krise zu erholen. Dies passierte bereits 1937-38.

Bernanke versuchte daraufhin mit "wenn" und "aber" seine Aussagen aufzuweichen. Er wies darauf hin, dass die Fed ihr QE-Programm nur zurückfahren würde, wenn die Arbeitslosigkeit in den USA unter 7 Prozent gefallen ist - dies ist inzwischen der Fall - um das Risiko eines verfrühten Endes zu minimieren, das das  Zinsniveau weiterhin für eine lange Zeit nahe Null bleiben würde, jede Erhöhung nur sehr vorsichtig und langsam erfolgen würde, und so weiter.

Doch alles ohne Erfolg. Die Bourgeoisie ist abhängig von QE und billigen Krediten, wie ein Heroinabhängiger, der regelmäßig seine Dosis benötigt. Die Ankündigung führte deswegen unmittelbar zu Panik auf den Finanzmärkten. Hedge funds begannen gehaltene Anleihen zu verkaufen und führten damit zu einem rapiden Preisverfall und hohen Finanzierungskosten. Mitte September war die Fed gezwungen einzulenken und QE3 weiterhin bestehen zu lassen. Die Märkte stiegen daraufhin wieder, obwohl Janet Yellen, die neue Vorsitzende der Fed ankündigte bis Ende 2014 die Käufe im Rahmen des QE-Programms auf null zurückzufahren.

Die Krise in den USA

2009, zwei Wochen nachdem er ins Weiße Haus eingezogen war, hielt Obama eine Rede in der er sagte: „Wir können diese Ökonomie nicht wieder auf dem selben Sandhaufen aufbauen. Wir müssen unser Haus auf einen Fels bauen. Wir müssen eine neue Grundlage für Wachstum und Wohlstand legen – eine Grundlage, die uns aus der Ära des Ausborgens und Ausgebens in eine Ära des Sparens und Investierens führt; wo wir im eigenen Land weniger konsumieren und mehr ins Ausland exportieren“.

Vier Jahre später baut die USA immer noch auf Sand und bereitet die Grundlage für eine zukünftige Krise. Das zeigt sich in der erschreckenden Zahl der akkumulierten Staatsschulden. Die prekäre Natur dieser Situation zeigte sich im US Government Shutdown, der sowohl die USA als auch den Rest der Weltwirtschaft als Ganzes in den freien Fall zu ziehen drohte.  Die US-Staatsanleihen erreichten 16.7 Billionen USD, was die vom Kongress vereinbarte Grenze ist.

Der Ernst der Krise zeigt sich durch eine offene Spaltung der herrschenden Klasse und ihrer politischen Vertretung. In der Boomphase konnten die beiden Parteien des Kapitals, die zwei verschiedene Flügel des US Kapitalismus repräsentieren, zu den meisten Fragen einen Kompromiss ausverhandeln. Jetzt wo der Schrank leer ist, wird das alte politische System zu einer Fessel für jede zukünftige Entwicklung der Gesellschaft und des kapitalistischen Systems, mit katastrophalen Folgen.

Die Notwendigkeit die US-Schuldengrenze zu erhöhen, brauchte diese Spaltung an einen kritischen Punkt. Ein Fehlschlag hätte bedeutet die USA in den Default gehen zu lassen. Das hätte zu einem geschätzten 6.8%igen Rückgang des US-BIP und zu einem Verlust von 5 Millionen Arbeitsplätzen in der OECD geführt. Dennoch war die rechten „Tea-Party“ RepublikanerInnen, getrieben von ihrem Hass auf Obama, Obamacare und ihrer engstirnigen Besessenheit von Defizitabbau, durchaus bereit die USA und die Weltwirtschaft zum Einsturz zu bringen.

Die KeynesianerInnen weisen darauf hin, dass die Verringerung des Lebensstandards mitten in einer Rezession die Krise nur vertieft und verlängert. Das ist soweit erst einmal richtig. Aber die MonetaristInnen zeigen gleichzeitig ebenso richtigerweise auf, dass die keynesianische Politik der Defizitfinanzierung ein Rezept für Inflation ist und letztendlich eine schlechte Situation noch schlimmer macht.

In einer kapitalistischen Wirtschaft gibt es nur wenige Hebel um die privaten Investitionen zu steigern wenn die Zinsen gegen Null gehen und es ein massives öffentliches Defizit gibt. Es ist eine Ironie, dass ein Ökonom wie Jeff Sachs – der Mann, der den Neoliberalismus nach Osteuropa brachte – jetzt eine weltweite Version des New Deal fordert. Das zeigt die Verzweiflung der Bürgerlichen, die sich wie in einer Sackgasse fühlt. Die herrschende Klasse spaltet sich an der Frage, was man gegen die riesigen Schulden, die wie ein Damoklesschwert über der US-Wirtschaft hängen, tun soll.

Der US Gouvernement Shutdown alarmierte die bürgerlichen Kreise weltweit. Der Chef der Weltbank, Jim Yong Kim, nannte es „einen sehr gefährlichen Moment… Untätigkeit könnte zu steigenden Zinsen, sinkendem Vertrauen und einer Verlangsamung des Wachstums führen“. Die Chefin des IWF, Christine Lagarde, sprach eine noch deutlichere Warnung aus, als sie sagte, dass der Pass im US-Kongress die Welt in eine neue Rezession zu stürzen drohe. Der Dollar begann im Vergleich zu anderen Ländern zu fallen, da die Investoren ihr Vertrauen verloren.

Die verrückte Politik der Zwangsverwaltung führte zu Kürzungen der Investitionen in wissenschaftliche Forschung, Bildung und Infrastruktur, was bedeutet aktiv die Dinge zu reduzieren, die Amerika eigentlich vermehrt brauchen würde um eine zumindest kleine Reduktion des Haushaltsdefizites zu erreichen. Die republikanische Rechte fordert, dass Obama seine schüchterne Gesundheitsreform aufgibt. Der Stillstand im Kongress war bildlicher Ausdruck der Spaltung der herrschenden Klasse, die inzwischen zwar gekittet, aber nicht gelöst wurde.

Ein Teil der bürgerlichen Ökonomen sprechen sich nun für eine Milderung oder Abschaffung der Einsparungen, Schutz der Armen, Erhöhung ihrer Fähigkeiten, Fokussierung der Investitionen in grüne Energie, usw. aus. Damit soll die Nachfrage durch steigenden Konsum angekurbelt werden. Aber solche Vorschläge stoßen sofort auf den erbitterten Widerstand der Bosse, der RepublikanerInnen und der MonetaristInnen.

Dies ist eine sehr riskante Politik, die einige Ökonomen mit der Situation mit der Roosevelt 1938 konfrontiert war verglichen haben, als ihn der Kongress gezwungen hat die Stimuli zu zügeln, woraufhin es zu einem neuerlichen Abschwung kam. Faktisch war es nicht Roosevelts New Deal Politik, die die Weltwirtschaftskrise beendet hat, sondern der Zweite Weltkrieg. Aber diese Option ist nicht mehr möglich, wenn der amerikanische Präsident nicht einmal in der Lage ist einen Bombenangriff auf Syrien zu befehlen.

In seiner Rede 2009 entschied sich Obama nicht zu erwähnen, was mit einem Haus passiert, das auf Sand gebaut wurde: “Da nun ein Platzregen fiel und kam ein Gewässer und wehten die Winde und stießen an das Haus, da fiel es und tat einen großen Fall”.

Die Krise in Europa

Der globale Charakter der Krise macht es unmöglich Europa und Amerika zu „entkoppeln“. Die Ankündigung, dass die USA das quantitative easing zurückschrauben werden führte sofort zu einem Umbruch der Märkte, was die Zinsen in der Eurozone in die Höhe trieb. Der Effekt war, dass die Geldpolitik noch straffer gestaltet wurde, wenn die Rezession und die steigende Arbeitslosigkeit eigentlich das genaue Gegenteil erfordern würden.

Nirgendwo zeigt sich die Krise stärker als in Europa. All die Träume der europäischen Bourgeoisie von einem vereinten, kapitalistischen Europa haben sich schnell in Asche verwandelt. Alle nationalen Widersprüche sind an die Oberfläche getreten und bedrohen nicht nur die Zukunft des Euro, sondern auch die der Europäischen Union selbst.

Das Gewicht der Schulden ist wie ein gigantischer Mühlstein um den Hals der europäischen Wirtschaft, der sie nach unten zieht und eine echte Erholung verhindert. Niemand kennt das wahre Ausmaß der Schulden der europäischen Banken. Die faulen Kredite der Banken in der EU sind laut Wall Street Journal auf 1.05 Billionen EUR gestiegen (doppelt so viel wie 2008). Aber das ist nur ein Schätzwert (also eigentlich geraten) und die realen Zahlen sind wahrscheinlich viel größer. Die meisten Investmentbanken schätzen, dass Europas Bankensektor um 2-2.5 Billionen EUR verkleinert werden muss um eine Größe zu erreichen die als ausreichend mit Kapital ausgestattet bezeichnet werden kann.

Es gab zwar eine schleppende Erholung in Deutschland, aber Italien und Spanien bleiben in der Rezession und Griechenland befindet sich in einer tiefen Krise. Italien hat seit Beginn der Krise 9% des BIP eingebüßt und Griechenland mindestens 25%. Es wird für Deutschland nicht möglich sein das Wachstum zu halten wenn es keine Erholung in der Eurozone als Ganzes gibt, die der Hauptmarkt für die Exporte ist. 2012 fielen die europäischen Autoverkäufe auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen vor 24 Jahren, im Jahr 1990. Die Autoverkäufe in Europa fielen auch weiter in sechs der ersten acht Monate im Jahr 2013.

Die Einführung des Euro im Jahr 1999 würde als Schlüssel für eine Goldene Zukunft des Friedens, Wohlstandes und der Europäischen Integration gefeiert. Aber wie wir vorausgesagt haben, unter den Bedingungen der Krise hat er sich in die Quelle für nationale Konflikte und Desintegration verwandelt.Auch wenn der Euro nicht die Ursache für die Probleme von Ländern wie Griechenland, Italien und Spanien ist, wie engstirnige NationalistInnen sich vorstellen, so hat er sie doch zweifellos um ein vielfaches verschlimmert.

In der Vergangenheit hatten diese Länder durch Abwertung eine Lösung für Krisen. Jetzt ist das unmöglich. Statt ihren Marktankteil auf Kosten der ausländischen Konkurrenz durch Abwertung der Währung zu vergrößern sind sie gezwungen auf „innere Abwertung“ also strenge Austeritätsmaßnahmen, zurückzugreifen. Aber das hat nur den Effekt die Krise zu vertiefen und die Klassenteilung in der Gesellschaft zu verstärken.

Der unmittelbare Auslöser war die Krise in Griechenland, die den Euro und die Europäische Union selbst bedroht. Es war normal, dass die Krise zuerst am schwächsten Glied der Kette des europäischen Kapitalismus entstand. Aber die Auswirkungen der Griechenland Krise betrafen ganz Europa. Während des Aufschwungs, der auf die Einführung des Euro folgte, gewann Deutschland viel durch Exporte in die Eurozone. Was als enormes Plus begann, hat sich jetzt in ein gewaltiges Minus verwandelt. Wenn Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, verspricht dass er alle wirtschaftlichen Ressourcen die ihm zur Verfügung stehen verwenden wird um den Euro zu retten, vergisst er zu erwähnen woher diese Mittel kommen sollen.

Jeder Finanzausgleich zur Rettung der Eurozone wird immer ein Transfer von deutschem Steuergeld zu jemand anderem sein. Das verursacht ernsthafte Probleme für Angela Merkel. Deutschland ist in der Position eines unerbittlichen Verteidigers von Sparpolitik und finanzpolitischen Einschränkungen. Es kann es sich leisten das zu tun. Es ist die stärkste europäische Wirtschaft und wirtschaftliche Stärke muss sich früher oder später auch in politischer Stärke ausdrücken. Trotz der Illusionen der französischen Bourgeoisie in der Vergangenheit, ist es Deutschland, das heute alles entscheidet.

Aber die Austeritätspolitik hat gewisse soziale und politische Grenzen. Länder wie Griechenland oder Portugal haben diese Grenzen bereits erreicht und Spanien und Italien sind nicht weit davon entfernt. Trotz des jüngsten Optimismus der Bürgerlichen, hat sich nichts gelöst. Die Krise der Eurozone kann jeden Moment wieder ausbrechen. Die Einführung eines immensen Sparkurses führte in Portugal zu einer schweren politischen Krise, wo riesige Massenproteste fast zum Sturz der Regierung geführt hätten. Portugals Staatsschulden steigen und werden 2015 wahrscheinlich über 130% der nationalen Ausgaben ausmachen. Also wofür waren all die Opfer und Schmerzen?

Manche Teile der „Linken“ in Europa – so zum Beispiel Lafazanis, der Führer der Linken in der SYRIZA – fordern einen Ausstieg aus dem Euro, und sogar der EU selbst, als Lösung der Krise und der Probleme der Arbeiterklasse. Als MarxistInnen jedoch sehen wir den Grund der Krise nicht in der Existenz der Europäischen Union. Es ist eine Krise des kapitalistischen Systems.

Die Europäische Union ist nichts weiter al seine Union der Bosse zur Stärkung der Interessen der mächtigen europäischen KapitalistInnen. Die EU macht überall Politik gegen die Interessen der Arbeiterklasse. Und sie kann nicht einfach in eine Art „soziales Europa“ reformiert werden. Wir stellen uns zwar gegen sie, aber die Lösung ist nicht die Einführung einer Vielzahl kleiner nationaler kapitalistischer Länder, sondern die Einheit der ArbeiterInnen in Europa und der Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

Die politische Instabilität, die durch die Sparmaßnahmen verursacht wurde, zeigt sich in einer Reihe instabiler Koalitionsregierungen und heftige Schwankungen der öffentlichen Meinung. In Italien gelang es nur unter größten Schwierigkeiten eine Koalition der Demokratischen Partei mit Berlusconi zu gründen, und die Führer der Koalition verbringen die meiste Zeit damit sich gegenseitig öffentlich anzugreifen. Berlusconis Hauptanliegen ist es nicht im Gefängnis zu landen. Die allgemeinen Interessen des italienischen Kapitalismus müssen einen lausigen zweiten Platz hinter diesen übergeordneten Überlegungen einnehmen.

Das unerfreuliche Spektakel von Zankerei und Spaltungen an der Spitze, Korruptionsskandale (wie in Spanien), die Nichteinhaltung von Versprechungen (Frankreich), und PolitikerInnen die ihre eigenen Taschen füllen (Griechenland) , während sie dem Rest der Gesellschaft unerträgliche Mühen auferlegen, hat zu einer allgemeinen Gegenbewegung gegen alle existierenden Parteien und ihre FührerInnen geführt. Das ist eine alarmierende Entwicklung für die Bürgerlichen, die alle verbleibenden politischen Waffen die sie besitzt aufbrauchen wird um das System zu bewahren. In Europa bereitet sich eine massive soziale und politische Krise vor.

Die Bourgeoisie starrt einem Abgrund entgegen und könnte gut zum Rückzug gezwungen werden. Abgesehen von allem anderen haben die Einsparungen eklatant dabei versagt die Wirtschaft anzukurbeln. Im Gegenteil, sie haben eine schlechte Situation unendlich verschlimmert. Aber was ist die Alternative? Die Bourgeoisie ist zwischen dem Teufel und dem tiefen blauen Meer gefangen. Es ist nicht klar ob die Eurozone völlig auseinanderbrechen wird – eine Aussicht, die die in Schrecken versetzt und das nicht nur in Europa. Um einen völligen Zusammenbruch zu verhindern, werden die EU Bosse gezwungen sein einige ihrer sehr harten Bedingungen aufzugeben. Am Ende wird nur sehr wenig der ursprünglichen Idee der europäischen Einigung, die auf kapitalistischer Basis unmöglich ist, übrig bleiben.

Das Problem der europäischen Bourgeoisie ist einfach erklärt. Die herrschende Klasse kann es sich nicht leisten die von der Arbeiterklasse während des letzten halben Jahrhunderts erkämpften Zugeständnisse zu erhalten, aber die Arbeiterklasse kann keine weiteren Einschnitte in den Lebensstandard akzeptieren. Überall sehen wir einen stark gesunkenen Lebensstandard; Lohnkürzungen; es gibt das Phänomen der Migration aus den Ländern Südeuropas in Länder wie Deutschland wieder. Aber wenn Deutschland auch von einer Rezession betroffen ist, wohin werden sie migrieren?

Die Arbeiterklasse hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg enorm verstärkt. Die sozialen Reserven der Reaktion wurden stark reduziert. Die Bauernschaft, die in der Vergangenheit nicht nur in Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland, sondern auch in Deutschland, einen sehr großen Teil der Gesellschaft ausmachte, wurde auf eine kleine Minderheit reduziert. Bereiche wie LehrerInnen, Beamte und Bankangestellte, die sich in der Vergangenheit zur Mittelklasse zählten und nicht im Traum daran gedacht hätten einer Gewerkschaft beizutreten oder zu streiken, zählen nun zu den militantesten Teilen der Arbeiterbewegung. Das gleiche gilt für StudentInnen, die vor 1945 vor allem zum rechten Flügen zählten oder sogar FaschistInnen waren, sind nun beständig Links und in vielen Fällen offen für revolutionäre Ideen.

Die europäischen ArbeiterInnen haben im den letzten Jahrzehnten keine entscheidende Niederlage erlitten. Es wird nicht leicht sein sie zu zwingen das aufzugeben, was sie sich erkämpft haben. Das zeigte sich im Oktober 2013 bei den belgischen Feuerwehrleuten, die sich mit 30 Lastwagen vor dem Parlament versammelten, alle Eingänge blockierten und die Polizei mit Wasser und Löschschaum besprühten und zusätzliche 75 Mio. EUR forderten um das Personal auf ein akzeptables Sicherheitsniveau zu erhöhen. Die Regierung wurde gezwungen dem zuzustimmen als die EisenbahnerInnen anboten den Feuerwehrleuten zu helfen, indem sie alle Bahnhöfe blockieren. Diese Veränderung im Kräfteverhältnis bedeutet ein ernstes Dilemma für die Bourgeoisie bei der Umsetzung der notwendigen Sparmaßnahmen. Dennoch wird die herrschende Klasse durch die Krise gezwungen ihre Angriffe fortzusetzen.

Deutschland

Oberflächlich betrachtet scheint es so als ob Deutschland den schlimmsten Auswirkungen der Krise entkommen wäre. Aber Deutschlands Zeit wird kommen. Die Achillesferse des deutschen Kapitalismus ist seine beispiellose Exportabhängigkeit: im Jahr 2012 erreichten die deutschen Exporte einen Rekord von 44% des BIP (1.1 Billionen EUR). Der Grund für diesen scheinbaren Erfolg ist, dass die Reallöhne der deutschen ArbeiterInnen auf dem gleichen Level gehalten werden, dass sie 1992 hatten. Laut der FT „hat Deutschland jetzt in ganz Westeuropa den höchsten Anteil an Niedriglöhnen relativ gesehen zum nationalen Medianeinkommen“. Ein Viertel der ArbeiterInnen erhalten nur „Niedriglöhne“. Die Anzahl der ZeitarbeiterInnen hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht.

Die deutschen Exporte, die einzige Wachstumsquelle in der letzten Periode, basieren also auf niedrigen Löhnen und hohen Investitionen. Die hohe Produktivität die aus den deutschen ArbeiterInnen herausgepresst wird, verschaffte der deutschen Industrie einen großen Vorteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten, wie die folgenden Zahlen zeigen.

Entwicklung der Industrieproduktion von 2000-Oktober 2011:

Deutschland          + 19.7%
Portugal                - 16.4%
Italien                   - 17.3%
Spanien                 - 16.4%
Griechenland         - 29.9%

Tatsache ist, dass der deutsche Kapitalismus auf Kosten der schwächeren europäischen Mitbewerber, deren Industien nicht konkurrenzfähig waren, gewinnen konnte. Ihr Verlust war Deutschlands Gewinn. Zusätzlich dazu arbeitete auch noch der Euro zum Vorteil von Deutschland. Deutsche Banken verliehen gerne Geld an Länder wie Griechenland, damit diese deutsche Produkte kaufen können. Aber jetzt hat sich dieser Prozess in sein Gegenteil verkehrt. Auch wenn sie das nicht öffentlich zugeben können, beweisen das geleakte Protokoll des ersten IWF Rettungspaketes für Griechenland, das was wir in der Vergangenheit bereits gesagt haben, nämlich, dass die Rettungspakete für Griechenland vor allem benötigt werden um die deutschen (und französischen) Banken zu retten.

Die rechten Demagogen fluchen jetzt auf Europa und den Euro. Aber die ernsthafteren Strategen des deutschen Kapitals haben gewisse Vorahnungen. Sie verstehen, dass Deutschland sein wirtschaftliches Gleichgewicht nicht wieder herstellen kann solange der Rest der Eurozone sich in der Krise befindet. Wohin sollen sie ihre Waren exportieren?

Bei einer Rede während einem wichtigen Wirtschaftsgipfel in Hamburg, warnte der Führer der deutschen SPD, Helmut Schmidt, davor, dass: „Das öffentliche Vertrauen in die europäischen Regierungen und die Europäische Union zerschlagen wurde und Europa am Rande einer Revolution steht.“ Er betonte weiter, dass große politische und wirtschaftliche Veränderungen in Europa notwendig sind. Aber welche Veränderungen werden benötigt? Und wer wird sicherstellen, dass sie durchgeführt werden?

Großbritannien

Die ehemalige Werkstatt der Welt hat ihre industrielle Basis verloren und wird vollständig durch parasitäres Finanzkapital und Dienstleistungen dominiert. UK hat mehr Banker, die über eine Million GBP pro Jahr verdienen als der Rest der EU. Großbritannien spricht von „Erholung“ aber das zugrunde liegende Bild ist das des Niedergangs.

In der letzten Periode gab es in Großbritannien den größten und beständigsten Rückgang des Lebensstandards seit den 1860ern – also vor über 150 Jahren. Es gab Warnungen vor einer neuen Explosion in der Jugend entlang der Linien der Unruhen, die vor ein paar Jahren Gemeinden und Städte in ganz Großbritannien eingehüllt haben. Es wird geschätzt, dass zwei Millionen Kinder jeden Morgen hungrig zur Schule gehen. Diese Offenbarung schockierte die Öffentlichkeit, so dass die Regierung schnell die Einführung von freien Mahlzeiten für alle Grundschulkinder ankündigte.

Soziale Einstellungen in Großbritannien sind einer massiven Verschiebung unterworfen. Die alte Haltung von Achtung und Respekt gegenüber dem Establishment hat sich in Hass verwandelt. Menschen denen in der Vergangenheit mit Ehrfurcht begegnet wurde, Mitglieder des Parlament, der Presse, der Justiz und der Polizei, werden nun mit Mistrauen und Verachtung betrachtet.

„Die Öffentlichkeit scheint zu glauben, dass im Establishment etwas faul ist.“, sagt John McDermott in der FT. „2010 ergab eine Meinungsumfrage, dass 81% der BritInnen der Aussage ‚PolitikerInnen verstehen die reale Welt überhaupt nicht‘ zustimmen.  Die britische Umfrage zur sozialen Einstellung ergab, dass nur 18% darauf vertrauen, dass die Regierung die Bedürfnisse der Nation über die der Partei stellt. Diese Zahl sank von 38% im Jahr 1986. Banken ergeht es noch schlimmer. 1983 dachten noch 90% sie seien „gut geführt“ und im Vergleich dazu sind es heute 19%, was den vielleicht dramatischsten Einstellungswechsel in der 30-jährigen Geschichte des Berichtes darstellt.

„Die Ansichten der Briten über ihre Institutionen nehmen zu und ab – fragen sie Ihre Majestät. Aber aufeinander folgenden Skandale im Bankensektor, im Parlament und in den Medien geben einem das Gefühl als ob das Vertrauen in diejenigen, die die Macht im Land ausüben fast zusammengebrochen ist...Es besteht eine tiefe Ungewissheit unter den Mächtigen, wie weit die Anti-Elite-Stimmung in Großbritannien und darüber hinaus schon fortgeschritten ist.“ (FT, 28/9/13)

Der Labour Vorsitzende Ed Miliband war schließlich durch den steigenden Druck aus den Reihen der Arbeiterbewegung gezwungen dem wachsenden Ärger gegen die großen Unternehmen und die Banken, Ausdruck zu verleihen, wenn auch auf sehr milde Art und Weise. Trotz des begrenzten und schwachen Charakters provozierte dies einen Wutausbruch in der bürgerlichen Presse. Die Financial Times beschuldigte Miliband des „Handles mit populistischer Effekthascherei“. Hier sehen wir die Anfänge des Gegendrucks, der sich um ein vielfaches Verstärken wird, wenn die Labour Party unter den Bedingungen einer Krise in die Regierung kommt.

Frankreich

Die EU war ursprünglich dafür vorgesehen eine Art Wohnanlage zu sein, in der Frankreich der politische Führer Europas und Deutschland der Wirtschaftsmotor sein sollte. Aber jetzt haben sich diese Träume der französischen herrschenden Klasse als utopische Träume entpuppt. Berlin entscheidet alles, Paris entscheidet nicht.

Bei den letzten Wahlen errang die Sozialistische Partei einen überwältigenden Sieg auf allen Ebenen. Aber die Unterstützung für Hollande ist sehr schnell verdampft. So wie alle anderen reformistischen FührerInnen hat er die Rolle eines Managers der kapitalistischen Krise übernommen. Das Ergebnis ist, dass er die Schlechtesten Umfragewerte von allen Präsidenten seit 1958 hat. Die neuesten Umfragen ergaben sogar einen Anstieg der Unterstützung für die Rechte Marine Le Pen, und Hollande hinkt hinterher.

Die Medien werden versuchen, dies als einen Rechtsruck zu präsentieren. Aber eigentlich drückt es die allgemeine Stimmung der Frustration und Unzufriedenheit mit den bestehenden Parteien und Enttäuschung über „die Linke“, die viel versprochen und nur wenig gehalten hat, aus. Es bleibt abzuwarten ob die Kommunistische Partei, mit ihrer reformistischen Politik Unterstützung von den Sozialisten gewinnen kann, oder ob die Front de Gauche an ihren früheren Wahlerfolg anknüpfen kann.

Teilweise um die Aufmerksamkeit von den Schwierigkeiten im eigenen Land abzulenken hat Hollande eine Reihe von militärischen Auslandsabenteuern in Afrika (Mali und die CAR) ins Leben gerufen. Nachdem er in Europa von Deutschland blockiert wird, versucht er Frankreichs alte Rolle in Afrika und im Nahen Osten wiederherzustellen. Aber in Wirklichkeit fehlen dem französischen Imperialismus die Muskeln um auf Weltebene eine unabhängige Rolle spielen zu können. Diese militärischen Abenteuer werden unweigerlich in Tränen enden und neues Öl ins Feuer der Unzufriedenheit im eigenen Land gießen.

Frankreich bleibt ein Schlüsselland für den Klassenkampf in Europa. Die französischen ArbeiterInnen haben immer wieder gezeigt, dass sie ihre revolutionären Traditionen nie vergessen. Die Massen suchen nach einem Weg aus der Krise. Sie setzten ihr Vertrauen in die sozialistischen FührerInnen, aber diese sind organisch mit dem kapitalistischen System und der bestehenden Ordnung verbunden. Die „Linke“ zerstört die Hoffnungen der Massen. Bereits bei den letzten Wahlen haben die FührerInnen der KP und der Parti de Gauche das linke Bündnis gebrochen. Die KP ist in einem Bündnis mit der SP, einer Regierungspartei, und die Parti de Gauche ist in einigen Gemeinden in einem Bündnis mit den Grünen, die auch zwei Minister in der derzeitigen Regierung haben. Durch den Bruch des linken Bündnisses – zumindest auf Gemeindeebene – enttäuschen sie jene ArbeiterInnen und Jugendliche die nach einer linken Alternative zur SP suchen. Es ist ein Hinweis auf die komplette reformistische Blindheit der KP Führung, die sich genau in dem Moment an die SP klammern, wenn Hollande und seine Regierung diskreditiert und zutiefst unpopulär sind. Statt eine klare Opposition zur Regierung beizubehalten, versuchen sie verzweifelt ihre Positionen in der Kommunalverwaltung zu erhalten. MarxistInnen müssen von den FührerInnen des Linken Bündnisses einen Bruch mit den Sozialisten und den Grünen und eine Stärkung des Linken Bündnisses auf Basis von wirklich linker und sozialistischer Politik fordern.

Was wir sehen ist ein klarer Prozess der Polarisierung zwischen den Klassen, die in einem bestimmten Stadium in einer sozialen Explosion ausgedrückt werden wird. Auf Wahlebene frustriert, werden die ArbeiterInnen und die Jugend auf die Straße gehen, wie sie es in der Vergangenheit so oft getan haben. Eine Wiederholung vom Mai 1968 ist in Vorbereitung. Aber diesmal wird es auf einer höheren Ebene stattfinden und die StalinistInnen besitzen nicht länger die Kraft oder die Macht es zu verraten.

Italien

Italien taumelt am Rande einer Abwärtsspirale aus Herabstufungen und steigenden Anleiherenditen. Die Folgen könnten verheerend sein, nicht nur für Italien, sondern für die ganze Eurozone. Die akkumulierten Schulden betragen inzwischen rund 2 Billionen EUR. Die Fremdkapitalkosten der Regierung drohen Italiens Wirtschaft auf lange Sicht zu erwürgen.

Die Arbeitslosigkeit steigt. In den letzten drei Jahren haben eine Million Menschen zwischen 25 und 34 ihren Job verloren. Von den Menschen unter 35 arbeiten nur vier von zehn. Offiziell gibt es insgesamt über drei Millionen Arbeitslose, aber viele Menschen haben die Suche nach einem Job aufgegeben, weil sie kein Vertrauen darin haben einen zu finden. 2012 wurden mehr als neun millionen Menschen als arm eingestuft, von denen 4,4 Millionen in absoluter Armut leben.

Eine aktuelle Umfrage von Legacoop (die wichtigste Supermarktkette) hat jetzt schriftlich bestätigt, was ohnehin schon seit einiger Zeit offensichtlich war: drei Millionen Haushalte – 12,3% der Bevölkerung – können es sich nicht leisten jeden zweiten Tag eine proteinreiche Mahlzeit zu essen; neun Millionen ItalienerInnen wären nicht in der Lage unerwartete Ausgaben von 800 EUR zu decken; ItalienerInnen geben vermehrt den Gebrauch des Autos auf (25% der Bevölkerung); sie fahren nicht mehr auf Urlaub (vier Millionen Menschen weniger diesen Sommer); und sie kaufen sich auch kein neues Gewand mehr (23% der Bevölkerung). Die Ausgaben für Lebensmittel sind in den letzten sechs Jahren um 14% auf das Level von 1972 (2.400 EUR pro Kopf) gefallen.

Die Financial Times beschreibt die Aufgaben vor denen Italien steht als „wirtschaftlich schmerzhaft und politisch selbstmörderisch”. (7/10/13) Der italienische Kapitalismus kann nicht mit Deutschland und Frankreich konkurrieren und fällt zurück. In der Vergangenheit hätte er seine Währung abgewertet, aber mit dem Euro ist dieser Weg versperrt. Stattdessen muss auf „interne Abwertung“ (das heißt tiefe Einschnitte in den Lebensstandard) zurückgegriffen werden. Aber dafür bräuchte es eine stake Regierung. Das ist jedoch nicht möglich.

Jede Partei in Italien ist gespalten. In der PD gibt es eine Spaltung zwischen dem alten KP Apparat und den offen bürgerlichen Elementen der Christdemokraten. Montis kleine Partei ist von Fraktionen zerrissen und wird bei den nächsten Wahlen vermutlich von 10 auf 4% fallen. Sogar Grillos Fünf-Sterne-Bewegung ist gespalten, wobei einige klar in Richtung einer Zusammenarbeit mit der PD tendieren.

Die GewerkschaftsführerInnen haben bei der Unterstützung der sogenannten Regierung der nationalen Einheit eine schändliche Rolle gespielt indem sie alle arbeiterfeindlichen Sparmaßnahmen geschluckt haben. Das gilt besonders für die „linken“ Führer der Metallarbeitergewerkschaft, der FIOM, die, nachdem sie die Hoffnung der ArbeiterInnen geweckt hatte, diese dann zerstörte indem sie gemeinsam mit dem CGIL Vorsitzenden Camusso ein gemeinsames Dokument für den CGIL Kongress unterzeichnete. Hier sehen wir die Rolle des Linksreformismus in Aktion. Die rechten Gewerkschaftsführer klammern sich an die Bourgeoisie und die linken Gewerkschaftsführer klammern sich an den rechten Flügel. Keiner von ihnen hat auch nur das geringste Vertrauen in die Arbeiterklasse, die im entscheidenden Moment führungslos zurück bleibt.

Der Verrat der Führung kann zu vorübergehender Demoralisierung und Apathie führen. Aber das wird nicht das Ende der ganzen Angelegenheit sein. Die italienischen ArbeiterInnen – so wie die spanischen, griechischen und französischen – haben eine lange Tradition spontaner, aufständischer Bewegungen. Blockiert von ihren traditionellen Massenorganisationen, werden sie einen Weg finden ihrer Wut auf explosive Art und Weise Ausdruck zu verleihen. Genau das ist im Heißen Herbst 1969 passiert. Die fünf Tage andauernde unbefristete Streik der TransportarbeiterInnen in Genua gegen die Privatisierung im November 2013 zeigt die wahre Stimmung, die sich in der italienischen Arbeiterklasse entwickelt. Solche Entwicklungen sind in der Situation in Italien angelegt. Und das trifft noch mehr auf die Jugend zu.

Spanien

Fünf Jahre nach dem Beginn der Rezession, wird Spaniens Wirtschaft 2013 um weitere 1,4% fallen. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch von fast 27% des Arbeitskräftepotentials, mit einer Jugendarbeitslosigkeit von schmerzhaften 57%. Seit 2007 wurden über 6 Millionen Arbeitsplätze zerstört und Hunderttausende junge Menschen sind gezwungen zu emigrieren.

Nach mehreren Jahren von massiven Sparpaketen wird das Haushaltsdefizit 2013 voraussichtlich immer noch 6,5% des BIP betragen, während sich die Verschuldung 100% des BIP nähert. Sparmaßnahmen wurden mit Konterreformen auf dem Arbeitsmarkt kombiniert, was es Spanien erlaubt hat im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn wieder konkurrenzfähig zu werden. Mit anderen Worten, die ArbeiterInnen mussten den vollen Preis der kapitalistischen Krise zahlen. Und nach all diesem Schmerz und Leid, ist das einzige das erreicht wurde das leise Gerede von einer leichten Erholung nächstes Jahr mit prognostizierten Wachstumsraten von lediglich 0,2%  2014 und vielleicht 1% 2015. Auf dieser Basis wird es bis 2021 dauern um sich auf das Vor-Rezessions-Niveau zu erholen, fast 15 verlorene Jahre!

Die Wahrheit ist, dass die enorme Menge an Unternehmens-, Haushalts-, und jetzt Staatsverschuldung, die in den langen Jahren des Booms angesammelt worden sind, bisher noch nicht vollständig vom System absorbiert worden sind. Die momentanen „optimistischen“ Prognosen basieren auf einer Erholung des Exports, der völlig davon abhängig ist, dass Europa aus der Rezession heraus kommt – eine sehr fragile Grundlage für Optimismus.

Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf das Bewusstsein der Massen waren tief und werden lange anhalten. Zur wirtschaftlichen Rezession müssen wir die begleitenden Korruptionsskandale hinzuzählen, die alle Institutionen der bürgerlichen Demokratie (die Justiz, die Monarchie, der Kongress, die führende Partei) betrafen. Was wir in Spanien sehen ist eine Krise des Regimes, die das ganze Gebäude, auf das die herrschende Klasse seit dem Ende der Franko Diktatur ihre Legitimität aufgebaut hat, auftrennt. Die ganzen alten Geister der Vergangenheit kommen zurück um die schwache und rückschrittliche spanische Bourgeoisie heimzusuchen. Die nationale Frage in Katalonien wurde, von der Wirtschaftskrise angeheizt, wiederbelebt. Der Kampf um Gerechtigkeit für die Opfer des Franko Regimes ist wieder in den Vordergrund gerückt und offenbart den reaktionären Charakter des Staatsapparates und der herrschenden Klasse, der sich unter einer dünnen Schickt der Demokratie verbirgt.

Besonders seit 2011 gab es eine Welle der Massenmobilisierung nach der anderen. Die Bewegung der Indignados, die Bewegung gegen Zwangsräumungen, den Bildungsstreik, den Kampf der Bergleute, die spontane Bewegung der Beamten, zwei 24h-Generalstreiks, usw. Natürlich können die Massen nicht in einem ständigen Mobilisierungszustand sein und es wird Höhen und Tiefen geben und Zeiten der Pause. Doch die Wut, die sich unter der Oberfläche angestaut hat und keinen Weg des Ausdrucks findet ist immer noch da und kann jederzeit zu neuen Explosionen führen.

Portugal

Portugal bleibt in der Rezession mit einem prognostizierten Rückgang des BIPs zwischen 1,6 und 2,7% 2013 und einem (vielleicht) sehr kleinen Wachstum 2014. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch von 16% und die Regierung wird die Ziele für die Defizitreduktion dieses Jahr verfehlen (5,5% des BIP war das Ziel, die tatsächliche Zahl wird wahrscheinlich eher 6% sein) und das trotz Jahren der massiven Sparmaßnahmen, auferlegt durch den EU Rettungsschirm von 78 Milliarden EUR im Jahr 2010.

Das Budget für 2014 enthält weitere Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor in der Höhe von 2% bis 12% pro ArbeiterIn und 728 Millionen EUR Kürzungen bei den Pensionen. Trotzdem sind 2014 noch weitere 3,3 Milliarden EUR an Einsparungen und ein zusätzliches Rettungspaket notwendig. Das führte zu einem Zusammenbruch der Unterstützung für die rechte Regierung. 2013 wurden die Partien der herrschenden Koalition bei den lokalen Wahlen schwer geschlagen. „Das politische Umfeld verschlechtert sich“, stöhnt die Financial Times.

Die portugiesische Regierung, die sklavenhaft alle von der EU diktierten Sparmaßnahmen umgesetzt hat, bittet um Geduld: „Bitte gebt uns mehr Zeit.“ Aber die Geldgeber in Washington, Brüssel, Frankfurt und der Troika sind nicht in der Stimmung für Geduld. Als Preis für ein neues Rettungspaket werden sie beinharte Garantien dafür verlangen, dass die Sparmaßnahmen weiterhin umgesetzt werden. Die Bühne ist also frei für noch größere Massenproteste.

Passos de Coelho, der sich im Juni 2011 als er gewählt wurde noch rühmte ein starker Mann und ein Musterschüler der Troika zu sein, wurde jetzt als schwacher Führer einer gespaltenen Koalition entlarvt. Seine Regierung, die den Hass der Menschen in Portugal verdient hat, kam dem Zusammenbruch nach dem Generalstreik am 27. Juni 2013 sehr nahe. Das war die letzte in einer Reihe von Massenmobilisierungen gegen die rechte Koalition.

Die portugiesische Arbeiterklasse entdeckt ihre Traditionen der Revolution 1974/75 wieder. Im September 2012 ging eine Million Menschen auf die Straße, dann eineinhalb Millionen im März 2013. Das Problem ist das der Führung. Die „oppositionelle“ Sozialistische Partei ist immer noch diskreditiert (sie hat die Bedingungen für das Rettungspaket unterschrieben, kurz bevor sie aus dem Amt geworfen wurden) und gewinnt nur aufgrund der steigenden Wahlenthaltungen ein paar Prozent dazu.

Die Kommunistische Partei profitiert am meisten von dieser beispiellosen Welle der Unzufriedenheit. Allerdings haben beide Parteien links von der SP keine ernsthafte Alternative zur Krise zu bieten. Der Bloco de Esquerda unterstützt ein reformistisch-keynesianistisches „soziales Europa“ und ein „Schulden Audit“ während die PCP eine halb stalinistische „patriotische und demokratische“ Wirtschaft außerhalb des Euro befürwortet.

Griechenland

Nach fünf Jahren massive Sparmaßnahmen sind die Probleme von Griechenland schlimmer als je zuvor und weit davon entfernt gelöst zu werden. Die Brandrodungspolitik der Troika hat das Land in eine tiefe Krise gestürzt. 1,4 Millionen Menschen sind arbeitslos, darunter zwei von drei Jugendlichen. Armut, die so seit den Kriegsjahren nicht mehr gesehen worden ist, ist zur Norm geworden.

Die Regierung in Athen beklagt sich (zurecht) dass die von Brüssel geforderten Kürzungen die Wirtschaft weiter in die Rezession treiben, die Steuereinnahmen nach unten drücken, das Defizit erhöhen und sie somit zwingen noch mehr Geld auszuborgen. Aber diese Apelle treffen auf taube Ohren. Die Deutschen und andere Kreditgeber antworten, dass die SüdeuropäerInnen jahrelang über ihren Verhältnissen gelebt hätten und jetzt „Disziplin lernen“ müssen.

Jedes nachfolgende Rettungspaket hat nur dazu gedient Zeit zu gewinnen. Aber die Märkte lassen sich nicht täuschen. Der endgültige Ausgang der Griechenland Krise ist nur verschoben worden, aber früher oder später wird er unvermeidlich werden.

Gleichzeitig ist Griechenland ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten für Finanzspekulanten. Die Financial Times veröffentlichte einen Artikel mit dem Titel „Hedge-Fonds profitieren in Griechenland, dem neuen Land der großen Möglichkeiten“  im dem wir lesen:

Griechenlands Bankensektor ist zu einem Gebiet von größtem Interesse geworden. Paulson & Co, Baupost, Dromeus, York Capital, Eaglevale und OchZiff gehören zu jenen, die Aktien der Alpha Bank und der Piraeus Bank übernommen haben. Sie alle haben ordentlich profitiert. Der fieberhafte Handel mit Optionsscheinen bedeutet auch, dass Hedgefonds bald die griechischen Bankaktien beherrschen könnten”. (11/10/13, unsere Hervorhebung)

Diese Plünderungen Griechenlands, die Zumutungen durch die Troika, und der Zusammenbruch des Lebensstandards haben eine massive Welle von Generalstreiks, Demonstrationen und Massenprotesten provoziert. Zwei Regierungen wurden bereits gestürzt, eine dritte steht kurz davor. Samaras kämpft darum die fragile Koalition, die nicht mehr lange bestehen bleiben kann, zusammenzuhalten. Am meisten profitieren wird davon die Syriza. Aber auf der rechten Seite ist auch Golden Dawn gewachsen.

Impressionistische Elemente haben aus dem Aufstieg von Golden Dawn den Schluss gezogen, dass es eine unmittelbar drohende Gefahr des Faschismus gibt. Aber das was mit Golden Dawn passiert ist, bestätigt unsere Position bezüglich den Möglichkeiten des Faschismus in der gegenwärtigen Epoche. Die griechische Bourgeoisie ist eine bösartige und reaktionäre herrschende Klasse, und ein Teil wäre vielleicht bereit Golden Dawn die Macht zu übergeben – wenn sie könnten. In der Tat haben die reaktionärsten Teile der herrschenden Klasse (die Schiffbauer) sie offen unterstützt und finanziert.

Im Gegensatz zu anderen rechten politischen Formationen in Europa (Fini in Italien, Marine le Pen in Frankreich), die versuchen sich von ihrer faschistischen Vergangenheit zu distanzieren und ein „respektables” parlamentarisches Image aufzubauen, ist Golden Dawn eine offen faschistische Organisation, deren enge Verbindungen mit der Polizei und den Armeeoffizieren aufgedeckt wurde. Diese verrückten Hunde hatten ihre eigene Agenda, die auch die Machtübernahme zu enthalten scheint.

Das Problem ist, dass die griechische Arbeiterklasse mächtig, militant und ungeschlagen ist. Die Bourgeoisie fürchtet, dass die Faschisten durch voreilige Maßnahmen eine Massenbewegung provozieren könnten, die unmöglich zu kontrollieren wäre. Die Golden Dawn Schläger sind zu weit gegangen als sie einen bekannten linken Sänger ermordet und somit Massenproteste provoziert haben. Die griechische Bourgeoisie war gezwungen einige Maßnahmen gegen sie zu ergreifen.

Natürlich hat die Bourgeoisie nicht die Absicht die Faschisten zu vernichten. Sie haben einige Maßnahmen kosmetischer Natur ergriffen um den Ärger der Massen zu beruhigen. Später werden sich die Faschisten unter einem neuen Banner, wahrscheinlich als Teil einer rechten Koalition mit einem mehr respektablen (weniger Nazi) Image, neu gruppieren. In der Zwischenzeit werden die wildesten lumpenproletarischen Elemente als Helfer des repressiven Staatsapparates (mit dem sie organisch verbunden sind) übrig bleiben, als Streikbrecher und Schläger agieren, MigrantInnen verprügeln und linke Personen attackieren.

Die unmittelbare Perspektive für Griechenland ist weder Faschismus noch Bonapartismus sondern ein weitere Schwung nach links. Der unvermeidliche Zusammenbruch der Samaras Regierung wird die Frage nach einer Syriza Regierung stellen. Aber in dem Maß in dem Tsipras näher an die Macht kommt, wird seine Sprache moderater in der Hoffnung, dass er dann mehr Stimmen bekommt. Aber im Gegenteil, dies provoziert eine Stimmung der Skepsis bei dem Teil der griechischen Menschen, die es gewöhnt sind, dass die FührerInnen viel versprechen und nur wenig halten wenn sie einmal gewählt sind.

Die wahre Stimmung der Massen zeigte sich in einer Umfrage, die ergab, dass die ArbeiterInnen in Griechenland bereits revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen. Sie stellte fest, dass 63% der GriechInnen einen „tiefgreifenden Wandel“ – was eine Revolution bedeutet – in der Gesellschaft wollen, während 23% direkt sagen, dass sie für eine Revolution stehen. Das Problem ist also nicht das Fehlen einer revolutionären Reife auf Seiten der Massen, sondern die Tatsache, dass keine der existierenden Parteien oder Führungen bereit ist dem brennenden Wunsch der Massen die Gesellschaft zu verändern einen bewussten Ausdruck zu verleihen.

In den letzten vier oder fünf Jahren haben die griechischen ArbeiterInnen ihren Willen die Gesellschaft zu verändert reichlich gezeigt. Sie haben einen Generalstreik nach dem anderen veranstaltet. Aber die Schwere der Krise so stark, dass selbst die stürmischsten Streiks und Demonstrationen das Problem nicht lösen können. Dem Ruf nach mehr eintägigen Streiks wird in den Fabriken mit steigender Skepsis begegnet. Auf der Straße der Streiks und Demonstrationen blockiert werden sich die ArbeiterInnen der Wahlebene zuwenden. Früher oder später werden sie eine linke Regierung wählen, was die Syriza mit einer direkten Entscheidung konfrontieren wird: entweder die Durchführung einer sozialistischen Politik oder eine Übernahme der Rolle den korrupten und degenerierten griechischen Kapitalismus zu verwalten. Dies wird eine neue Etappe in der griechischen Revolution darstellen, und wichtige Möglichkeiten für die griechischen MarxistInnen eröffnen.

Die BRICS-Staaten

Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs war das Wachstum des Welthandels die wichtigste Triebkraft der Weltwirtschaft. Allerdings sagt die UN-Behörde UNCTAD nun voraus, dass der Welthandel wahrscheinlich viele Jahre lang nur schleppend vorankommen wird, und dass dies tiefgreifende Auswirkungen auf diejenigen Schwellenländer haben wird, die von Exporten abhängig sind.

Die übertriebenen Hoffnungen, dass Asien die Weltwirtschaft antreiben könnte, sind zerstört worden. Chinas Wachstum verlangsamt sich, das Wachstum Indiens fällt noch schneller. Die europäische Wirtschaft stagniert nach wie vor und die Aussichten für Japan schwinden dahin. Die japanische Regierung hat versucht, eine stagnierende Wirtschaft durch Gelddruck wiederzubeleben, aber diese Politik hat keinerlei Grundlage. Die Staatsschulden Japans belaufen sich auf 250% des BIP. Die BRICS sind alle in derselben Lage und die Vorhersagen des IWF für Südostasien mussten scharf nach unten korrigiert werden. Die IWF spricht nun von einer „strukturellen Verlangsamung“ der Schwellenländer.

Das Wachstum in den sogenannten Schwellenmärkten hat sich verlangsamt. Das ist nicht schwer zu verstehen. Wenn Europa und die USA nicht konsumieren, kann China nicht produzieren. Wenn China nicht produzieren kann, können Länder wie Brasilien, Argentinien und Australien ihre Waren nicht exportieren.

Das Spekulationsgeld, das in der vergangenen Periode in die BRICS-Staaten geflossen ist, fließt nun wieder heraus, was deren Währungen steil fallen lässt. Die indische Rupie, die indonesische Rupiah, der argentinische Peso, der brasilianische Real sowie der südafrikanische Rand mussten alle starke Abwertungen verzeichnen. Der nigerianische Finanzminister hat davor gewarnt, dass das Ende der US-amerikanischen „quantitative easing“-Politik die Schwellenmärkte erschüttern und deren Kosten für neue Kredite erhöhen wird. Dasselbe wurde von Najib Razak, dem malaiischen Premierminister, bekräftigt. Auch er geht davon aus, dass Geld zurück in die USA fließen wird.

Starkes Wirtschaftswachstum und steigende Lebensstandards haben dem Klassenkampf im letzten Jahrzehnt einen Dämpfer verpasst, doch jetzt ist das Wachstum in Brasilien und der Türkei eingebrochen. Tatsächlich ist das Wachstum in allen Entwicklungsländern so bemerkenswert gesunken, dass es für die neue Generation der Jugend schwierig oder unmöglich ist, in den Arbeitsmarkt einzutreten.

China

Die Krise der BRICS-Staaten ist untrennbar mit dem Wachstumsrückgang in China verbunden. Der Aufstieg Chinas, der von manchen – sogar von selbsternannten „MarxistInnen“ - als Garantie für die Zukunft des Weltkapitalismus angesehen wurde, hat nur zur Verschärfung all der Widersprüche beigetragen. Durch das explosive Wachstum der chinesischen Wirtschaft hatte der Weltkapitalismus noch eine Weile lang Luft zum Atmen, doch dieser riesige Vorteil stellt sich nun als riesiges Problem heraus. Die massiven Investitionen in die chinesische Industrie mussten sich früher oder später als riesige Masse billiger Waren ausdrücken, die einen Markt außerhalb von China finden mussten. Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat diese Lawine billiger chinesischer Exportgüter die Überproduktionskrise für die globale Industrie verschärft.

Durch die Kombination von einem breiten Zustrom billiger Arbeitskräfte vom Land mit modernen Maschinen und Produktionstechniken – angetrieben durch staatlichen Subventionen – ermöglichte es China, schnell eine kraftvolle industrielle Basis aufzubauen. Auf der ganzen Welt wurden dadurch Arbeitsplätze und Produktionskapazitäten zerstört, Fabriken in Konkurrenzländern machten dicht. Ausländische Firmen wurden von dem Strom billiger chinesischen Güter das Fürchten gelehrt. Anfänglich waren die Profitraten hoch, doch wie Marx erklärt, normalisieren diese sich, wenn andere Kapitalisten in den Markt eintreten. Das sehen wir gerade in China. Die Periode explosiven Wachstums hat ihre Grenzen erreicht. Nun wird China mit denselben Probleme konfrontiert, an denen jede kapitalistische Wirtschaft leidet.

Chinas günstige Güter dominieren mittlerweile viele Branchen. Doch sobald der Großteil der Produktion in einer bestimmten Industrie nach China abgewandert ist, folgt die Überkapazität auf dem Fuße. Jetzt machen sie sich immer mehr Sorgen wegen der steigenden Überproduktion („Überkapazität“) in der chinesischen Wirtschaft. Das stellt für die nunmehr zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ein erhebliches Risiko dar.

Während der weltweiten Finanzkrise hat China dabei geholfen, das kapitalistische System zu retten, indem es dem Weltmarkt durch ein gigantisches Investitionspaket Luft zum Atmen verschaffte. Infolge dessen zog Chinas Wirtschaft an und wuchs in den Jahren 2009-10 um 8.7 bzw. 10.3%. Das war das größte Experiment in keynesianistischer Wirtschaftspolitik der Geschichte. Doch nun sind die Widersprüche zu Tage getreten. Nun sind viele der Industrien, die von dem Paket profitierten – von Stahl über Schiffbau bis hin zur Metallurgie – von der riesigen Überkapazität, oder, um sie bei ihrem richtigen Namen zu nennen: Überproduktion, paralysiert. Der Rückgang des chinesischen Wirtschaftswachstums bedeutet riesige Verluste und einen schmerzvollen, doch notwendigen Prozess der Aussiebung.

Die Financial Times vom 17. Juni 2013 kommentieren dies: „Von Chemie über Zement bis hin zu Baggern und Flachbildfernsehern ertrinkt die chinesische Industrie in überschüssigen Kapazitäten, die die Profite im In- und Ausland nach unten treiben und drohen, Chinas wackliges Wachstum weiter zu destabilisieren.“

China hat beinahe die Hälfte der weltweiten Aluminium- und Stahlproduktion und ungefähr 60% der weltweiten Zementproduktion, doch die Produktionskapazitäten werden ständig erweitert, obwohl das Wachstum zurückgeht und Exportmärkte dahinschwinden. Obwohl die chinesische Stahlproduktion auf Rekordniveau läuft, werden nur ca. 80% der Produktionskapazität genutzt. Industriekapitäne und Beamte sagen, dass der Kapazitätenüberhang noch weiter korrigiert werden muss, um das Gleichgewicht in der Branche wiederherzustellen.

Noch einmal:
„Nach einer Studie der China Enterprise Confederation wurden letzte Jahr nur ungefähr zwei Drittel der Zementkapazität ausgenutzt.

Usha Haley schreibt: 'Es gibt eine enorme Überkapazität und keine Marktforschung und wir haben herausgefunden, dass Subventionen ungefähr 30% der industriellen Outputs darstellen. Die meisten Firmen, die wir untersucht haben, würden ohne Subventionen wahrscheinlich bankrottgehen.'

In fast allen Industrien stützten sich die Investitions- und Wachstumspläne der Unternehmen auf den Glauben, dass die Regierung niemals zulassen würde, dass das Wachstum unter 8 oder 9% sinkt. Doch das ist nicht länger der Fall. Chinas Wachstum ist auf 7.5% gefallen und stieg später wieder auf 7.8%. Doch selbst das war die langsamste Wachstumsrate seit 13 Jahren.

Die Überkapazitäten in der Automobilindustrie arten aus und im Fall von Geely, die Volvo 2010 aufkauften, kamen mehr als die Hälfte ihre Nettoprofite direkt aus Subventionen aus dem Jahr 2011. Tatsächlich war das Einkommen, das Geely in diesem Jahr aus Subventionen bezog, nach einer Analyse von Fathom China mehr als 15 Mal größer als die nächstgrößere Quelle von Nettoprofiten – 'Verkauf von Altmetall'.“ (FT, 17. Juni 2013)

Das Ausmaß der Überkapazitäten und die Verlangsamung des chinesischen Wachstums deuten darauf hin, dass noch viele weitere Firmen bankrottgehen werden. Dies wird tiefgreifende Effekte auf die psychische Verfassung aller Klassen in China haben.

Perspektiven für den Klassenkampf

All die Erfolge der chinesischen Wirtschaft stützten sich letztlich auf die Arbeit der chinesischen ArbeiterInnen, die unter Bedingungen wie im viktorianischen England für niedrige Löhne schuften. Nirgends ist die Ungleichheit so verhasst wie in China, das sich „sozialistisch“ nennt. Eine neue Klasse chinesischer Bourgeois ist entstanden und sonnt sich in einem Luxus, der für den Rest des Landes unvorstellbar ist.

China wird von einer winzigen Elite von superreichen Oligarchen regiert, die sich bereichert haben, indem sie den Staat ausnehmen und die chinesischen ArbeiterInnen brutal ausbeuten. Doch die Basis der chinesischen Bourgeoisie ist sehr schmal. Von einer Bevölkerung von ungefähr 1.345 Milliarden sind 1.2 Millionen Millionäre (in US-Dollar) – also 0.1% der Bevölkerung. Die Zahl der Dollarmillionäre wächst schnell, aber sie zeigt auch, wie schwach die KapitalistInnen in China sind. 1.2 Millionen Millionäre sind weniger als die absolute Anzahl von Millionären in Großbritannien oder Italien.

Es ist wahr, dass es unter ihnen eine Schicht von UnterausbeuterInnen und Unter-UnterausbeuterInnen gibt: FabrikmanagerInnen, DirektorInnen, VorarbeiterInnen, IngenieurInnen, BürokratInnen und Beamte in Staats- und Parteiinstitutionen. Zusammen mit ihren Familien bilden sie einen Teil des Establishments. Doch selbst wenn man dies berücksichtigt, ist die überragende Mehrheit der Bevölkerung vom wirtschaftlichen Reichtum und der Macht, die er mit sich bringt, ausgeschlossen. Der obszöne Reichtum der herrschenden Klasse und ihrer Kinder („Prinzlinge“) werden von der Bevölkerung gehasst. Die alles durchdringende Korruption, die auf jeder Ebene floriert, ist ein zusätzlicher Grund zur Empörung.

Die Medien berichten häufig über Prozesse, die zum Todesurteil für Beamte führen, die mit ihren korrupten Praktiken zu weit gegangen sind. So versucht die herrschende Elite, den Ärger der gewöhnlichen ChinesInnen zu besänftigen, während sie gleichzeitig zu verhindern suchen, dass die Korruption, die mit dem bürokratischen und totalitären Regime unausweichlich einhergeht, einen übermäßigen Teil vom Reichtum, den die ArbeiterInnenklasse produziert, konsumieren.

Die neue ArbeiterInnengeneration ist nicht bereit, die niedrigen Löhne und die schlechten Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, die von der vorherigen Generation aus ehemaligen LandarbeiterInnen aus elenden Dörfern bereitwillig ertragen wurden. Der wachsende Unmut in der chinesischen Gesellschaft drückt sich in der steigenden Zahl von Streiks, Demonstrationen und Suiziden in den Fabriken aus. In einer totalitären Gesellschaft, wo Unzufriedenheit mit Gewalt unterdrückt wird und es kaum rechtliche Absicherung gibt, kann es plötzlich und ohne Vorwarnung zu Explosionen kommen. Es ist kein Zufall, dass der chinesische Staat zum ersten Mal in der Geschichte mehr für innere Sicherheit als für Verteidigung ausgibt.

Russland

Im Gegensatz zur Mehrheit der europäischen Staaten hat der russische Staat kein ernsthaftes Schuldenproblem. Dank Öl- und Gasexporten und dem Wirtschaftswachstum der letzten Periode hat er beachtliche finanzielle Reserven aufbauen können. Doch Wachstum stößt nunmehr an seine Grenzen. Wie auch die anderen BRICS-Staaten befindet sich auch die russische Wirtschaft im Niedergang und hat eine geschätzte Wachstumsrate von 1%.

Vor diesem Hintergrund erhebt sich eine Welle der Unzufriedenheit, nicht nur in der ArbeiterInnenklasse, sondern auch in breiten Teilen des Kleinbürgertums, was sich im Aufstieg der Opposition gegen Putin widerspiegelt. Durch die Kreditausweitung ist die Mehrheit der ArbeiterInnen und jungen Menschen hochverschuldet. Dasselbe gilt für Unternehmen und Kommunen. Das resultiert in sinkenden Investitionen und wirtschaftlicher Stagnation. Zum ersten Mal haben Branchen wie die Automobilindustrie ernsthafte Verkaufsprobleme.

Die Wirtschaft wird mittels keynesianistischer Methoden, etwa direkte staatliche Investitionen in Infrastruktur oder in Projekte wie die olympischen Winterspiele in Sochi 2014 oder der FIFA World Cup 2018, vom Staat aufgepäppelt. Dieses moderne Äquivalent des Pyramidenbaus der ägyptischen Pharaonen ist nur durch die Ausbeutung schlechtbezahlter ArbeiterInnen und die hohen Öl- und Gaspreise möglich. Doch eine lange Periode mit hohen Ölpreisen resultierte unausweichlich in neuen Technologie für Öl- und Gasproduktion in den USA („Fracking“). Putins Projekt eines „Energieimperialismus“ ist zur Farce geworden. Seine hysterische Reaktion auf Mätzchen von Greenpeace in der Barentssee war ein deutliches Zeichen, nicht von Stärke, sondern von Panik.

Das Wirtschaftswachstum der letzten Periode ermöglichte es Putin eine Art halb-paternalistische Politik zu betreiben. So erhielt sein Regime den Anschein von Stabilität. Doch das kann nicht ewig so weitergehen. Die Mehrheit der neuen ArbeiterInnen ist mit niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert. Die legale und halblegale Migration aus Zentralasien hat sich verstärkt. Die soziale und politische Stabilität weist bereits Belastungserscheinungen auf, und das bestimmt Putins Politik, sowie die der Opposition.

Das Hauptziel der liberalen Opposition, ist es, kleinbürgerliche Elemente aus Putins Armen zu reißen. Der Protagonist der Opposition ist nur Alexey Navalny. In der letzten Moskauer Bürgermeisterwahl im September 2013 erreichte er 27,24%, gegenüber 51% für Putins Kandidaten, Sobyanin. Der Kandidat der kommunistischen Partei und Führer ihres „linkes“ Flügels, Ivan Melnikov, erreichte nur 10,69%.

Der Anwalt und Kleinanleger Navalny wurde wegen seines Nationalismus aus der liberalen Partei Yabloko ausgeschlossen. Sein Programm schließt die Bekämpfung der Korruption, „billige Regierung“, niedrige Steuern, die Einführung eines Visumsystems für die Länder des ehemalig sowjetischen Zentralasiens, und die Abschiebung arbeitsloser Nicht-StaatsbürgerInnen, ein.

Die Restauration des Kapitalismus führte zu einer extremen Polarisierung von Reichtum. Der jüngste Credit Suisse Wealth Report zeigt graphisch auf, wie groß der Teil des weltweiten Reichtums in US-amerikanischen Händen immer noch ist. Das gilt für sowohl die absolute Anzahl an Dollar-MillionärInnen, als auch für den Umfang des Reichtums, der sich in ihren Händen konzentriert.

Außerdem wird darin die Tatsache unterstrichen, dass Russland nun die höchste Verteilungsungleichheit in der Welt hat, abgesehen von kleinen karibischen Staaten, in denen MilliardärInnen leben. Auf der ganzen Welt besitzen MilliardärInnen 1%-2% der Privatvermögen, in Russland besitzen 110 Milliardäre 35% allen Reichtums.

Der Anstieg der Spannung zwischen den Klassen wurde teilweise und vorübergehend vom Wirtschaftswachstum abgeschwächt. Dessen rapide Verlangsamung ist eine Widerspiegelung der allgemeinen Krise des Weltkapitalismus. Der IMF strich seine Prognose für das BIP-Wachstum in Russland 2013 auf 1.5% zusammen, verglichen mit 5%-8% Wachstum vor der Finanzkrise. Die Situation in Russland entwickelt sich in Richtung einer (auch kurzfristig möglichen) Finanzkrise.

Lenin sagte, dass es die erste Bedingung der Revolution ist, dass die herrschende Schicht in der Krise ist und auf die alte Weise nicht weiterregieren kann. Das Establishment ist tatsächlich von einer allgemein pessimistischen Stimmung ergriffen, die teilweise an Panik grenzt. Putins Hauptidee besteht darin, einen starken Polizeistaat aufzubauen, bevor die Krise einschlägt.

Lenins zweite Bedingung für die Revolution ist die Aktivierung der mittleren Gesellschaftsschichten, die zwischen Revolution und Konterrevolution schwanken. Die Massendemonstrationen gegen Wahlbetrug, die einen überwiegend mittelständischen Charakter trugen, zeigen, dass dieser Prozess bereits begonnen hat.

Die dritte Bedingung, dass die ArbeiterInnen bereit sein müssen, zu kämpfen und Opfer zu bringen, um die Gesellschaft zu verändern, ist in Russland noch nicht gegeben. Doch die Ankunft der Krise in Russland und die steigende Enttäuschung gegenüber Putin bedeuten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Russland soziale Explosionen erlebt, wie es sie auch in der Türkei und Brasilien gegeben hat.

Das Problem liegt in der Führung. Die völlige Unfähigkeit der sogenannten kommunistischen Partei, den Massen eine Alternative aufzuzeigen, bedeutet, dass die Proteste von bürgerlichen Liberalen und kleinbürgerlichen Demokraten geführt wurden. Doch diese Bewegung ist nur ein Symptom der wachsenden Unzufriedenheit, die sich früher oder später in einer sozialen Explosion ausdrücken muss. Die russische ArbeiterInnenklasse wird im Kampf zu den wahren Traditionen der Oktoberrevolution und des Bolschewismus zurückfinden.

Indien und Pakistan

Die indische Bourgeoisie leidet unter Größenwahn. Premierminister Monamhan Singh behauptete, die „Reisegeschwindigkeit“ Indiens betrage 8-9%. Tatsächlich ist es eher die Hälfte davon: Private Investitionen gibt es immer weniger, die Inflation liegt mit steigender Tendenz bei 10%, die Rupie ist 2013 innerhalb von 3 Monaten um 13% gefallen und der Economist (24/8/13) warnt: „Die Magnaten, die den Aufstieg Indiens zur Supermacht bejubelten, warnen nun vor Unruhen“.

Diese Warnung erfüllt sich zur Zeit. Die Reifung der indischen Verhältnisse zeigt sich an einer Reihe verschiedener Massenbewegungen. Zuerst gab es die Antikorruptionsbewegung, ihr folgten Massendemonstrationen gegen Vergewaltigungen und Angriffe auf Frauen. Beide waren Großteils kleinbürgerlich geprägt, doch sie enthüllten eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit den konservativen, hindunationalistischen Grundlagen des indischen Staates.

Diese Demonstrationen waren wie Schaum auf den Wellen des Ozeans; das soll heißen, Symptome viel tieferer und stärkerer Bewegungen unter der Oberfläche. Die Unzufriedenheit der Massen, die vom indischen Wirtschaftswachstum nichts haben, verwandelt sich in Wut. Das zeigte sich an einer Reihe Bauernaufstände und vor allem am zweitägigen Generalstreik im Februar 2013.

Auf der anderen Seite einer künstlich gezogenen Grenze erlebt Pakistan die größte Armut seit seiner Unabhängigkeit. Wirtschaftlicher Zusammenbruch, terroristische Angriffe, Selbstmordattentate, Stromausfälle, Preissteigerungen, durch Armut verursachte Selbstmorde ganzer Familien, Handel mit Kindern und menschlichen Organen, Folter von und Mord an Frauen – all das erinnert an Lenins Aussage: „Der Kapitalismus ist ein Schrecken ohne Ende.“

Die Hoffnungen der Massen auf eine Besserung der Lage unter einer PPP-Regierung wurden grausam verraten. Nun führt die Rechtsregierung der Muslimliga weitere Angriffe durch. Sie plündern den Staat durch Privatisierungen von Staatsbetrieben wie Pakistan International Airlines, der Post, dem Schienenverkehr, WAPDA (Water and Power Development Authority) und anderen.

Deshalb wird es mehr Kündigungen, mehr Arbeitslosigkeit, mehr Armut und mehr wirtschaftliche Entwurzelung geben. Die Leiden der Menschen werden unter anderem verschärft durch monströses religiöses Sektierertum, ethnische Massenmorde, blutige Stellvertreterkriege in Baluchistan und Dronenangriffe in Puktoonhua. Der pakistanische Geheimdienst ISI führt sich weiterhin wie ein Staat im Staate auf, wobei er Konflikte, Morde und Gewalt schürt um seine Intrigen durchzuführen. Um die Aufmerksamkeit von den schrecklichen Qualen der Massen abzulenken, spielt die degenerierte herrschende Klasse in Pakistan mit dem Feuer, indem sie Konflikte mit Afghanistan und Indien schürt. Der Konflikt in Kaschmir vergiftet weiterhin die Beziehungen zwischen beiden Ländern wie ein krebsbringendes Geschwür.

Es gibt keinen Ausweg auf kapitalistischer Basis. Weder die Muslimliga noch die PPP noch eine Militärdiktatur könnte Erfolg haben. Nur die sozialistische Revolution kann einen Weg aus der Hölle aufzeigen, in der Millionen von Menschen in Pakistan, Indien, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka leben. Die schrecklichen Lebensbedingungen werden untragbar. Die objektiven Bedingungen für einen revolutionären Aufschwung, wie es ihn 1968-69 gegeben hat, reifen heran. Damals scheiterte die Revolution, weil sie keine Führung hatte. Doch die Kräfte der IMT, die in Pakistan unter den schwerst vorstellbaren Bedingungen heranwachsen, machen einen Sieg in Zukunft möglich. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, die Kräfte der pakistanischen Marxisten zu stärken, um diesen Sieg sicherzustellen.

Afghanistan

Nach dreizehn Jahren blutigen Kampfes streben die Imperialisten danach, sich aus dem afghanischen Sumpf herauszuarbeiten. Als die US-geführte Koalitionsarmee in Afghanistan einmarschierte, sagten wir voraus, dass ihr anfänglicher Erfolg sich in ein Scheitern verwandeln würde. Wir haben damals geschrieben:

„Wie schnell die Verteidigung der Taliban zusammen gebrochen ist und wie schnell die Nordallianz Kabul genommen hat, hat viele dazu gebracht, anzunehmen, der Krieg sei vorbei und die Taliban seien erledigt. Das ist eine schwere Fehleinschätzung der Situation. […]

Die Taliban haben die Macht verloren, aber nicht ihre Möglichkeiten, Krieg zu führen. Sie sind bestens an Guerillakämpfe in den Bergen gewöhnt. Sie haben das schon einmal gemacht und sie werden es wieder tun. Im Norden kämpften sie in fremdem und feindlichem Gebiet. Aber in den Dörfern und Bergen des Paschtun-Gebietes spielen sie ein Heimspiel. Es eröffnet sich die Perspektive einer Guerillakampagne, die noch Jahre andauern kann. Der Beginn der alliierten Kriegskampagne war der einfache Teil.  Der nächste Teil des Krieges wird nicht mehr so einfach. Britische und amerikanische Truppen werden in den Paschtun-Gebieten Such- und Vernichtungsmissionen durchführen müssen, und dort werden sie den Guerillakämpfern schutzlos ausgeliefert sein. Unvermeidlich wird es viele Tote geben. An einem gewissen Punkt wird dies die öffentliche Meinung in Großbritannien und Amerika beeinflussen.

Die Amerikaner hofften, in der Lage zu sein, einen schnellen, chirurgischen Eingriff gegen Bin Laden durchführen zu können, und sich dabei hauptsächlich auf die Luftwaffe zu verlassen. Stattdessen wird der Konflikt immer komplizierter und schwieriger, und die Perspektive eines Endes wird fast unbegrenzt hinausgeschoben. Sie werden nicht nur in Afghanistan, aber auch in Pakistan und anderen Ländern Truppen stationieren müssen, um der Lage Herr zu werden.

Das ist eine sehr viel schlimmere und gefährlichere Position als die, in der sich die Amerikaner nach dem 11. September befanden. Washington wird nun gezwungen sein, das bankrotte und instabile Regime in Pakistan und andere „verbündete“ Staaten in der Region zu finanzieren, während sie sie gleichzeitig durch ihr militärisches Handeln destabilisieren. Wenn der Sinn und Zweck all dessen war, den Terrorismus zu bekämpfen, wurde das genaue Gegenteil erreicht. Vor diesen Geschehnissen konnten die Imperialisten sich leisten, einen relativ sicheren Abstand von den Spannungen und Kriegen in diesem Teil der Welt zu halten, doch nun haben sie sich vollkommen darin verstrickt. Ihre Handlungen seit dem 11. September haben die USA und Großbritannien in eine Lage gebracht, aus der sie sich nur schwer wieder werden befreien können.“

Dies wurde am 15. November 2001 geschrieben (Afghanistan after the fall of Kabul: Is the war over?). Zwölf Jahre später sehen wir keinen Grund, irgendetwas an dem zu ändern, was wir damals schrieben.

Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 528 Dollar in den Jahren 2010/11 ist Afghanistan eines der 10 ärmsten Länder in der Welt. 2008 lebten 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, mehr als die Hälfte der Bevölkerung gilt als von Armut bedroht. Die Kindersterblichkeit von 134 von 1000 ist die höchste in der Welt. Die Lebenserwartung beträgt 48,1 Jahre. 75% der Bevölkerung sind AnalphabetInnen. Zudem ist das Land der weltgrößte Opiumproduzent.

Die riesigen Geldmengen, die für diesen sinnlosen Krieg ausgegeben wurden, wären genug gewesen, um die Leben der Menschen dort völlig umzukrempeln. Stattdessen haben die Imperialisten das Land verwüstet und sind nun gezwungen, es wieder zu verlassen, ohne irgendetwas erreicht zu haben. Sie verhandeln mit den Taliban, die unausweichlich eine große Rolle in zukünftigen afghanischen Regierungen spielen werden. Nichts wurde erreicht, außer die ganze Region und vor allem Pakistan weiter zu destabilisieren.

Lateinamerika

Die Volkswirtschaften einer Anzahl südamerikanischer Länder (unter anderem Brasilien, Chile, Peru, Bolivien, Ecuador und Kolumbien), die vom Export von Rohstoffen, Waren und Energiequellen an China profitierten, leiden nun unter den Dominoeffekten der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft. Dies wird in der kommenden Periode tiefgreifende soziale und politische Implikationen haben, wie die riesigen Bewegungen gegen die Erhöhung von Nahverkehrspreisen in Brasilien gezeigt haben.

Nach einer Periode des steigenden Klassenkampfes in Lateinamerika (vor allem in Venezuela, Bolivien und Ecuador), in der rechte Regierungen durch Massenaufstände gestürzt wurden, Präsidenten gewählt wurden, deren Maßnahmen sie in Konflikt mit dem Imperialismus brachten und es viele regionale Aufstände gab, scheint die revolutionäre Welle auf dem Kontinent in eine relative Ruhephase eingetreten zu sein. Es herrscht ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Klassen; keine von ihnen hat es geschafft, einen entscheidenden Sieg zu erringen.

Putschversuche in Venezuela, Ecuador und Bolivien wurden (mehrmals) von den Massen abgewehrt. Die Kräfte der Reaktion und des Imperialismus waren unfähig, einen vernichtenden Schlag gegen eine dieser Bewegungen durchzuführen. Selbst die gelungenen Putsche in Paraguay und Honduras erwiesen sich als unzureichend, um den dortigen revolutionären Bewegungen einen Riegel vorzuschieben.

In Kolumbien hat der Beginn von Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der FARC – ein Anzeichen für die Unfähigkeit von FARC, den Krieg zu gewinnen – dazu geführt, dass der Klassenkampf sich auf „traditionelle“ Weise fortsetzt. Der neue Präsident, Santos, hat einen starken Abstieg seiner Popularität hinnehmen müssen (sie sank zwischen Juni und August 2013 von 46% auf 21%), nachdem eine Reihe von Streiks der KaffeebaüerInnen, Justizbeamten, StudentInnen und nicht zuletzt ein landesweiter Landwirtschaftsstreik seine Regierung in arge Bedrängnis brachten. Der Versuch der kolumbianischen herrschenden Klasse, ihre Herrschaftsweise zu „normalisieren“ (nachdem man sich vormals stark auf Paramilitärs hatte verlassen müssen), ging nach hinten los, indem er zu einer Entfesselung des Klassenkampfs führte.

Mit der Rückkehr der PRI an die Macht hat die mexikanische herrschende Klasse es geschafft, eine relativ starke Regierung aufzustellen, mit der sie endlich ausführen konnten, was sie seit Jahren planten. Schon bevor Peña Nieto eingeschworen wurde, wurde die Arbeitsmarktreform durchgewunken, die eine Reihe von Errungenschaften der mexikanischen Revolution eliminierte und die Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse vereinfachte.

Ein anderer zentraler Schritt war die Konterreform im Energiesektor, die es multinationalen Unternehmen erlaubt, in den Elektrizitäts- und Ölsektoren zu investieren. Die Verstaatlichung des Öls unter der Cardenas-Regierung 1938 bescherte Mexiko für viele Jahrzehnte eine gewisse sozioökonomische Stabilität. Das ist jetzt vorbei. Vor der Energiereform steuerte die Ölgesellschaft Pemex fast 40% des Staatsbudgets bei, die jetzt zu einem Großteil an Privatkapitalisten gehen werden. Dies wird zu einem Defizit im Budget führen, welches durch gesteigerte Besteuerung und Sozialkürzungen ausgeglichen wird werden müssen.

Der Zerfall des mexikanischen Kapitalismus drückt sich in wachsender Arbeitslosigkeit, der Entwicklung der Schattenwirtschaft und wachsender Armut und sozialer Zersetzung aus. Diese wiederum drückt sich am deutlichsten in der Entwicklung des Drogenmarkts und dem damit einhergehenden „War on Drugs“ aus, welcher für die Massen ein großes Problem darstellt. Diese Reformen bedeuten einen Wendepunkt, und sie werden die Lebensbedingungen der Menschen in Mexiko in den nächsten Jahren sehr verschlechtern.

Die Führungen der Gewerkschaften und der linken Morena-Bewegung sind durch ihre reformistisch-parlamentarische Haltung gekennzeichnet. Dadurch wirken sie als Bremse, die einen vereinigten Widerstand mit Methoden revolutionärer Massenaktion bislang verhindert hat. Dennoch gibt es eine wachsende Wut. Sie drückt sich durch die Gründung von Morena, durch militante Arbeitskämpfe – etwa diejenigen der LehrerInnen und ArbeiterInnen der Elektrizitätswerke – aus, durch die Radikalisierung breiter Schichten der Jugend, die sich der Bewegung anschließen, und durch die Gründung vieler „Bürgerwehren“ und Selbstverteidigungsgruppen aus.

Im Bundesstaat Guerrero hat es bewaffnete Massenmobilisierungen gegeben, und in Michoacan gibt es Gemeinden, die sich im offenen BürgerInnenkrieg befinden. Obwohl dieser Prozess natürlich voller Widersprüche ist, sind das Symptome des enormen Drucks, den der zerfallende mexikanische Kapitalismus auf die Massen ausübt – und diese ziehen revolutionäre Schlüsse. Die Regierung von Peña Nieto wird weiterhin Angriffe und Konterreformen durchführen, und das wird für weitverbreiteten Widerstand der ArbeiterInnen sorgen.

Doch weil der subjektive Faktor Mängel aufweist – und zwar mangelt es an einer klar revolutionären Führung – wurden die lateinamerikanischen Massen bislang daran gehindert, die Macht zu ergreifen und den Kapitalismus abzuschaffen. Dies hat die Entwicklung in eine Sackgasse geführt, hin zu einem instabilen Klassengleichgewicht. Dieser Zustand wurde vom wirtschaftlichen Boom verlängert. Die Rezession der Jahre 2007-08 hat Südamerika nur teilweise betroffen, und auf dem Rücken des ressourcenhungrigen China konnte sich die Region schnell erholen. Doch das ist vorbei, wie sich in Brasilien deutlich gezeigt hat.

Brasilien

In der letzten Periode (bis 2011) konnte sich Brasilien an hohen Wachstumsraten laben, vor allem wegen eines großen Exportvolumens an China. Das ermöglichte es den Kapitalisten, Lohnerhöhungen zuzulassen, wenn sie mit Fachkräftemangel oder Streiks konfrontiert wurden. Zwischen 2002 und 2013 stiegen die Löhne, in Real gemessen, um 3,5%. Der Anstieg in Dollar war noch höher, weil der Real überbewertet war. 95% der Lohnkämpfe führten zu Steigerungen über der Inflationsrate.

Jetzt hat sich alles verändert. Die starke Verlangsamung der Wirtschaft 2011 (+2.7%) und 2012 (+0.9%), deckte plötzlich eine weit verbreitete Frustation auf, was in der Massenbewegung vom Juni 2013 kulminierte. Die relativ niedrigen Investitionen durch die Kapitalisten führten dazu, dass die Lohnsteigerungen nicht von entsprechenden Produktivitätssteigerungen begleitet wurden. Seit 2003 haben sich die Lohnstückkosten in Brasilien verdoppelt, in Dollar ausgedrückt haben sie sich gar verdreifacht.

Die geringen Investitionen haben zu einem starken Rückgang der Produktivität im Vergleich zu den anderen großen Volkswirtschaften geführt. Der Boom der Exporte nach China verschleierte die katastrophale Lage Brasiliens für eine Weile. Ein Bericht des Economist vom September 2013 weist darauf hin, dass Brasilien sich auf eine Periode der Krise und des Klassenkampfs zubewegt. Die Inflation, die sich 6% nähert, senkt den Lebensstandard der „kleinen Leute“ und befeuert die ökonomischen Forderungen der ArbeiterInnenklasse. Diese Tatsache erklärt den Wunsch eines Teils der brasilianischen Bourgeois, den PT loszuwerden. Sie glauben nicht, dass der PT in der Lage sein wird, den aus ihrer Sicht nötigen Angriff so schnell und so brutal wie nötig durchzuführen. Ein anderer Teil hat panische Angst vor der Aussicht, den gesteigerten Klassenkampf ohne die Hilfe der PT-Führung bewältigen zu müssen.

Die Bewegung gegen die Erhöhung der Nahverkehrspreise, die sich blitzartig über das ganze Land verbreitet hat, spiegelte eine größere Unzufriedenheit, die sich in der Gesellschaft aufgestaut hatte, wider. Sie signalisierte, dass die Revolutionäre Welle aus den arabischen Ländern und Südeuropa in Brasilien angekommen war. Obwohl die Bewegung ohne Führung war und unausweichlich viele verwirrte Elemente enthielt, stellte sie einen wichtigen Wendepunkt dar. Ihr folgte eine Reihe nationaler Aktionstage der Gewerkschaftsbewegung und eine riesige Mobilisierung zu den LehrerInnenstreiks. Dilma Roussef (Lulas Nachfolgerin, ebenfalls PT) wird sich definitiv nicht auf einem solchen Boom ausruhen können wie dem, der Lulas Macht stabilisierte. Das wird den brasilianischen MarxistInnen in der nächsten Periode Ausnahmebedingungen bescheren.

Venezuela

In Venezuela stellte Nicolas Maduros knapper Sieg in den Präsidentschaftswahlen im April – nach Chávez' Tod – eine deutliche Warnung an die bolivarische Bewegung dar. Doch der Versuch der Oligarchie, das knappe Ergebnis zu nutzen, um Maduro zu stürzen, ging nach hinten los – ein weiteres Mal kamen die Massen auf die Straße und zerlegten die Provokationen der Rechten durch revolutionäre Mobilisierung.

Der Schlüsselfaktor ist jetzt die Tatsache, dass die ökonomische Verzerrung, die verursacht wird vom Versuch, die kapitalistische Wirtschaft zu regulieren, von der mutwilligen Sabotage durch die herrschende Klasse, und dem Investitionsstreik der Kapitalisten, eine ernsthafte Erosion der sozialen Basis der Revolution herbeiführt. Zum Mangel an Gütern des täglichen Bedarfs kommt die ausartende Inflation, die jetzt bei 50% liegt. Diese Situation kann sich nicht sehr lang halten. Entweder, die Revolution unternimmt entscheidende Schritte hin zur Abschaffung des Kapitalismus, oder das wirtschaftliche Chaos wird die Bedingungen schaffen, die die Bourgeoisie braucht, um die politische Macht wieder zu ergreifen und zu versuchen, die Revolution zu zerschlagen.

Die Politik der Regierung Maduro nach den Wahlen im April bestand darin, die Opposition in der politischen Arena anzugreifen und in der ökonomischen Sphäre zu versuchen, zu einem Kompromiss mit den Kapitalisten zu kommen. Es gab Zugeständnisse für Privatunternehmen, was den Zugang zu harter Währung angeht, eine Lockerung der Preiskontrollen und es wurde darüber diskutiert, nach chinesischem Vorbild Sonderwirtschaftszonen einzurichten. Das war eine utopische Politik, die nichts lösen konnte. Jedes Zugeständnis an die herrschende Klasse wird die soziale Basis der Revolution erodieren, ohne irgendetwas an den fundamentalen ökonomischen Problemen zu verbessern.

Im Vorfeld der Kommunalwahlen im Dezember 2013 änderte die Regierung ihre Haltung und versetzte den Kapitalisten ernsthafte Schläge. Dabei bewegte sie sich zwar immer noch im Gebiet der Kapitalismusregelung, waren bei den arbeitenden Massen aber sehr populär und entfachten den Enthusiasmus der Basis neu. Diese Maßnahmen gegen Spekulation und Überteuerung sorgten für den Sieg in den Kommunalwahlen. Selbst wenn die Oligarchie die Macht wieder ergreift, wird das nicht das Ende der Revolution sein. Es könnte sogar die heilsame Wirkung haben, die bolivarische Bewegung zu radikalisieren, wie es auch nach der Niederlage in Spanien im Oktober 1934 passierte (der „bienio negro“, die „zwei schwarzen Jahre“), die sich nur als Vorspiel einer noch schärferen Klassenauseinandersetzung entpuppte. Kein Führer der bolivarischen Bewegung verfügt über die gleiche Autorität wie Chávez, und deshalb nimmt die Kritik an der Führung, den Bürokraten und den Reformisten durch die Basis einen viel schärferen und offeneren Charakter an.

Es bleibt die Hauptaufgabe, eine in der Avantgarde der ArbeiterInnenklasse verwurzelte, revolutionäre Führung aufzubauen, um die außergewöhnliche Energie, die die Massen über 15 Jahre hinweg gezeigt haben, zu kanalisieren und sie auf die Ergreifung der Macht und die Abschaffung des Kapitalismus zu richten.

Internationale Beziehungen

Lenin schrieb einst über das „brennbare Material in der Weltpolitik“, und an solchem Material herrscht in der Welt heute durchaus kein Mangel. Die aggressiven Handlungen der imperialistischen Mächte stärkten deren innere Opposition und können als weiterer radikalisierender Faktor dienen. Revolutionäre Stimmungen können nicht nur aus ökonomischen Faktoren, sondern auch aus Kriegen, terroristischen Aktionen, Naturkatastrophen und Ereignissen von weltweiter Bedeutung hervorgehen. Das zeigte in der Vergangenheit der Vietnamkrieg, und dasselbe kann wieder passieren.

Die Enthüllungen von Wikileaks und Snowden haben die wahren Meinungen, Motive und Interessen des US-Imperialismus aufgezeigt, die lächelnde Maske der Diplomatie abgerissen und die hässliche Fratze des zynischen Eigeninteresses enthüllt. Sie haben außerdem die Unfähigkeit der USA gezeigt, die Geheimnisse anderer Regimes für sich zu behalten. Sie haben das Ausmaß gezeigt, in dem die USA ihre Verbündeten bespitzeln. Und sie haben der Weltöffentlichkeit das wahre Wesen der bürgerlichen Diplomatie aufgezeigt. So haben sie der internationalen ArbeiterInnenklasse einen wichtigen Dienst erwiesen.

Der Fall der UdSSR vor fast 25 Jahren hat die internationalen Beziehungen massiv verändert. Die USA verblieben zu diesem Zeitpunkt als einzige Supermacht. Mit kolossaler Macht ging kolossale Arroganz einher, die sich am deutlichsten in der sogenannten Bush-Doktrin ausdrückte. Der US-Imperialismus verkündete sein Recht, in jedem Land zu intervenieren, Regierungen abzusetzen und seinen Willen überall durchzusetzen. Doch zwei Jahrzehnte später ist dieser Größenwahn etwas heruntergekommen.

Der Aufstieg Chinas als ökonomische und Militärmacht hat das Kräfteverhältnis in Asien und dem pazifischen Raum grundlegend verändert. Die herrschende Elite Chinas hat Ambitionen, ihre politische und militärische Rolle auf das Niveau ihrer wachsenden Wirtschaftsmacht zu heben. Dadurch gerät sie immer mehr in Konflikt mit anderen Ländern in dieser wichtigen Region, vor allem mit Japan. Der Konflikt um die umstrittenen Inseln ist nur ein Ausdruck dessen. Washington beobachtet dieses Phänomen mit wachsender Unruhe. Der US-Imperialismus hat den Pazifik stets als zentrales Element seiner globalen Strategie betrachtet. Der Aufstieg Chinas stellt daher eine direkte Bedrohung seiner Interessen dar, was in der Zukunft zu ernsthaften Konflikten führen kann.

Russland spielt international eine unabhängigere Rolle als zuvor. Nachdem es in Jugoslawien und dem Irak – zuvor Teile der russischen Einflusssphäre – schwer gedemütigt wurde, ist es nun nicht länger bereit, die weltweiten Anmaßungen des US-Imperialismus zu akzeptieren. Das zeigte sich an seinem Handeln in Georgien, das die USA in ihre Umlaufbahn ziehen wollten. Russland hat 2008 mit Waffengewalt Georgien die Nase blutig geschlagen und von einem NATO-Beitritt abgehalten. In Syrien hat Russland eine weitere Linie in den Sand gemalt, die die Amerikaner nicht zu überschreiten wagten.

Das liegt jedoch nicht an Russlands Stärke, sondern an der relativen Schwäche und Lähmung des US-Imperialismus. In den letzten zehn Jahren haben sich die US-Imperialisten verhalten wie Elefanten im Porzellanladen. Daraus folgt, dass sie fast nirgends wirklich zuverlässige Verbündete haben. Der Einmarsch in den Irak stellte sich als Desaster heraus. Bush wollte die Stärke Amerikas demonstrieren, doch das Abenteuer ging nach hinten los und bewirkte die weitere Destabilisierung einer ohnehin schon instabilen Region. Die Vernichtung der iranische Armee sorgte für Chaos im Irak und eine relative Stärkung des Irans.

All das hat die öffentliche Meinung in den USA stark beeinflusst. Nach den offensichtlichen Fehlschlägen im Irak und in Afghanistan hat die amerikanische Öffentlichkeit militärische Abenteuer im Ausland ziemlich satt, und im Kongress und der Bevölkerung beginnt man, sich den alten amerikanischen Isolationismus zurückzusehnen. Daher war es Obama unmöglich, seine offene Absicht, Syrien zu bombardieren, durchzusetzen. In einer jämmerlichen Rede, in der er sich in jedem zweiten Satz widersprach, sagte er, die USA könnten nicht mehr tun, was sie wollen.

Der mittlere Osten ist nun ein brodelnder Kessel der Instabilität. Die schlampige und kurzsichtige Politik des US-Imperialismus hat das verschärft. Das Wachstum iranischer Macht in der Region nagt an Saudi-Arabien. Riad hat die Tatsache akzeptieren müssen, dass Teheran nun auf große Teile des Iraks bestimmenden Einfluss ausübt. Das Chaos im Irak hat einen blutigen, sektiererischen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten hervorgebracht, mit dem tägliche terroristische Bombenanschläge und Massaker einhergehen. Das saudische Königshaus befürchtet, dass ihm die Macht entgleiten könnte. Der Massenaufstand 2011 in Bahrein verstärkte diese Angst.

Im mittleren Osten sehen wir die Grenzen der US-Macht. Die offene Schwäche des US-Imperialismus hat dazu geführt, dass die traditionellen Verbündeten der USA im mittleren Osten immer mehr ihren eigenen Interessen folgen, was mehrmals zu Interessenskonflikten und offenem Ungehorsam geführt hat. Das zeigte sich am Versprechen der Saudis, die Kürzung von US-Zuschüssen an die ägyptische Armee auszugleichen. Die Saudis waren empört über die Entfernung Mubaraks, der für sie ein verlässlicher Partner gewesen war. Washington hatte die ägyptische Armee provoziert, indem es ihr nach dem Sturz Mursis die Zuschüsse gestrichen hatte.

Die herrschende Clique in Katar hat Ägypten mit acht Milliarden Dollar überhäuft. Sie war der Hauptunterstützer der Morsi-Regierung am Golf. Sie wetteten darauf, dass das Vakuum, das gestürzte arabische Autokratien hinterlassen würden, von Islamisten gefüllt würde. Diese wollten sie sich zunutze machen, um ihre eigene Position in der Region zu stärken.

Katar hat sich zuerst in Lybien, dann in Syrien die Finger verbrannt und in Ägypten Milliarden von Dollars verloren. Dieses Geld hätte ihnen politische Vorteile erkaufen sollen, doch sie haben auf das falsche Pferd gewettet. Die vereinigten Arabischen Emirate und die Saudis werden die ägyptische Wirtschaft am Leben halten. Das alles erinnert an die Kriege zwischen den Familien der Mafiosi, und nichts anderes sind diese verwöhnten, ölreichen königlichen Gangster

Syrien

Was als Massenaufstand gegen das Baath-Regime in Syrien begann, ist zu einem sektiererischen Bürgerkrieg degeneriert. Die saudischen und katarischen herrschenden Cliquen haben interveniert, um die revolutionären Elemente zu zerschlagen und den Kampf in eine sektiererische Richtung abzulenken.

Washington wollte sich auf die bürgerlich-“demokratischen“ Elemente der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) stützen, doch wurde es von den Saudis und Katarern völlig überrumpelt. Diese bewaffneten und unterstützten die dschihadistischen Milizen, aber jeweils verschiedene Flügel davon. Die Saudis stützen sich auf die Salafisten und auf nichtdschihadistische Elemente, um zu versuchen, die Vorherschaft von Dschabat al-Nusra und al-Qaida zu brechen.

Die Nationale Koalition in Istanbul, die vom Westen unterstützt wird, wurde im November 2012 gegründet und gilt über 100 Ländern als „legitime“ Repräsentantin der syrischen Opposition. Doch die USA und die EU würden sich gern auf die „moderaten“ bürgerlichen Elemente der Opposition stützen. Doch dabei sind sie auf ein unüberwindbares Problem gestoßen. Elf islamistische Milizen distanzieren sich von der NK, von denen einige formal Teil der FSA sind, und verweigern ihr die Anerkennung.

Es ist allgemein bekannt, dass die dschihadistischen Milizen die meisten Kampfhandlungen durchführen und nicht gewillt sind, sich der NK unterzuordnen. Das hat in Kämpfen zwischen verschiedenen oppositionellen Gruppen und einer weiteren Fragmentierung der Opposition geführt. Indem sie die Schwäche der Zentralregierung ausnutzten, haben sich die KurdInnen im Nordosten mittlerweile praktisch unabhängig gemacht. Das bedeutet, dass es nun zwei mehr oder weniger unabhängige kurdische Staaten in der Region gibt. Das steigert die Instabilität und wird den kurdischen Separatismus in der Türkei und dem Iran stärken.

Die reaktionären islamistischen Elemente beherrschen die bewaffnete Rebellion jetzt völlig. Es gibt offene Kämpfe zwischen den Dschihadisten und der FSA, und zwischen den Dschihadisten und den KurdInnen. Es gibt außerdem einige Milizen, die zwar für die Regierung kämpfen, aber nicht von Assad kontrolliert werden. Syrien bewegt sich in dieselbe katastrophale Richtung wie der Irak oder Afghanistan: Örtliche Warlords ergreifen die örtliche Macht. Das Land zerfällt vor unseren Augen. In Syrien haben wir es mit Konterrevolution auf beiden Seiten zu tun.

Die zwei Seiten hatten bis zur Erschöpfung gekämpft. Doch der blutige Waffenstillstand wurde im Sommer 2013 wieder gesprengt, als Hisbollah und die Iraner die Bühne betraten und das Kräftegleichgewicht zugunsten der Regierung entscheidend veränderten. Die Amerikaner suchten einen Grund, in Syrien einzugreifen, um die Lage zu „retten“, doch die Schwäche des US-Imperialismus zeigte sich daran, dass Obama nicht einmal in der Lage war, den Kongress dazu zu bringen, für die Bombardierung von Syrien zu stimmen. So wurde er von den Russen völlig überrumpelt. Sie rissen die diplomatische Initiative an sich, als John Kerry die unbedachte Aussage machte, Syrien könnte einem Angriff entgehen, wenn es seine chemischen Waffen aufgäbe.

Am Chemiewaffenthema erkennt man die widerliche Heuchelei der Imperialisten. Auch wenn man die Tatsache übergeht, dass die USA selbst das größte Chemiewaffenarsenal in der Welt besitzen und diese Waffen, wie z.B. Agent Orange oder Napalm, auch ausgiebig gegen die Menschen in Vietnam eingesetzt haben – sie haben auch Falludscha mit weißem Phosphor bombardiert, mit schrecklichen Folgen für die Bevölkerung. Sie hatten keine Einwände gegen die Verwendung von chemischen Waffen durch Saddam Hussein, als dieser sie im ersten Golfkrieg gegen iranische Soldaten einsetzte.

Es ist völlig offensichtlich, dass die Frage der Chemiewaffen eine Ausrede war, um Syrien anzugreifen, weil die Regierungskräfte mithilfe des Irans und der Hisbollah den Rebellen schwere Niederlagen zufügten. Andererseits ging es nicht darum, den Rebellen zum Sieg zu verhelfen. Es sollte nur das Kräftegleichgewicht wiederhergestellt werden, um Raum für diplomatische Manöver zu schaffen. Die Interessen des unglücklichen syrischen Volkes oder humanitäre Erwägungen spielten keinerlei Rolle.

Diese Tour wurde durchkreuzt, als das syrische Regime auf die Aufforderung Russlands hin anbot, sein gesamtes Chemiewaffenarsenal abzuliefern. Das hatte keine Auswirkungen auf die militärische Schlagkraft des Regimes, das bereits während des gesamten Kriegsverlaufs auf sehr effektive Weise mit konventionellen Waffen seine Gegner abgeschlachtet hatte. Nachdem Assad die Amerikaner in der Chemiewaffenfrage praktisch ausgetrickst hatte, begann er eine große Offensive gegen die Rebellen und fügte ihnen weitere schwere Niederlagen zu. Dennoch ist unklar, ob eine der zwei Seiten stark genug ist, einen entscheidenden Sieg zu erreichen.

Die Russen und Amerikaner versuchen, unter Einbeziehung anderer Mächte in der Region, eine Art „Friedenskonferenz“ in Genf zu organisieren. Selbst wenn die stattfindet, wird sie den Interessen der Menschen in Syrien nicht dienlich sein. Auf der einen Seite steht die schwärzeste Dschihad-Reaktion, unterstützt von den Saudis und den Katarern. Die Amerikaner interessieren sich ausschließlich dafür, ihren eigenen Einfluss zu wahren und den Iranischen zurückzudrängen. Auch den Russen geht es nur darum, ihren Einfluss auf Syrien, ein traditionell verbündetes Land, zu wahren. Bis jetzt haben sie Assad gestützt, aber sie würden ihn sofort opfern, um ihre grundlegenden Interessen in Syrien zu wahren. Nach dem Debakel im Irak sind sich die Russen und Amerikaner (und ihre „demokratischen“ Verbündeten in Europa) einig, dass der syrische Staat erhalten werden muss, um für „Law and Order“ zu sorgen.

Das unklare Kräfteverhältnis schafft eine Gelegenheit für die auswärtigen Mächte, ihre Suche nach einer „Verhandlungslösung“ zu intensivieren. Die teilweise Verbesserung der Beziehungen zwischen Washington und Teheran könnte es möglich machen, dass der Iran an einer Friedenskonferenz teilnimmt – eine Perspektive, die in Damaskus und Teheran für Jubel, in Israel und Saudi-Arabien für Wut sorgt.

Man weiß nicht, was die Menschen in Syrien über all das denken. Sie werden in Genf weder anwesend noch vertreten sein, und ihre Meinung interessiert keine der involvierten Mächte. Das Chaos in Syrien kann erst enden, wenn die sozialistische Revolution in einem Schlüsselland der Region siegt; nur so kann das Gleichgewicht der Klassenkräfte entscheidend verändert werden. Die Zukunft Syriens hängt jetzt von Ereignissen außerhalb seiner Grenzen ab; von revolutionären Entwicklungen in der Türkei, dem Iran und vor allem in Ägypten.

Die ägyptische Revolution

Die großartige ägyptische Revolution ist noch nicht vorbei. Sie hat die gewaltige Macht von Millionen entfesselt – was die bürgerliche Presse den „arabischen Mob“ nennt – und stellt somit einen Wendepunkt in der Weltgeschichte dar. Die Geschehnisse im mittleren Osten werden sowohl ökonomische als auch politische Auswirkungen von noch gar nicht abschätzbarer Tiefe haben. Ägypten ist das Schlüsselland der arabischen Welt. Was dort passiert, hat immer einen Dominoeffekt auf die ganze arabische Welt und darüber hinaus. Die Revolution ist mit dem Massenaufstand, der Morsi und die Muslimbruderschaft stürzte, in eine neue Phase eingetreten.

Die revolutionäre Massenbewegung, die Morsi stürzte, spülte 17 Millionen Menschen auf die Straßen Ägyptens. Eine derart riesige Bewegung ist in der Geschichte völlig einmalig. Im Juni 2013 befand sich die Macht in den Händen der Massen, doch es war ihnen nicht bewusst, und es gab niemanden, der es ihnen hätte erklären können. Das Kernproblem ist leicht erklärt: Die Massen waren stark genug, die Regierung zu stürzen, aber sie waren nicht organisiert und bewusst genug, die Macht zu nutzen, die sie praktisch schon in der Hand hatten. Deshalb wurde die Gelegenheit verfehlt und die Armeeführung war in der Lage, einzuschreiten und das Machtvakuum zu füllen.

Die Handlungen der Armee spielten dieselbe Rolle wie die von Napoleon am 5. Oktober 1795, als er einen royalistischen Mob auf der Straße mit „einem bisschen Artillerie“ auseinandertrieb. Damals und heute trommelten die Reaktionäre eine Bewegung zusammen, deren Erfolg den Sieg der Konterrevolution bedeutet hätte. In Ägypten zeigten die Massen ihre enthusiastische Unterstützung für die Unterdrückung der Bruderschaft, die sie zurecht für die Kraft der schwärzesten Reaktion hielten. Aber diese historische Analogie hat ihre Grenzen. Napoleon konnte seine konterrevolutionäre Diktatur durchsetzen, weil die revolutionären Massen erschöpft waren. Doch in Ägypten verfügt die Revolution über beachtliche Reserven, die sich bei jedem entscheidenden Schritt durchsetzen.

Die Stärke der Revolution zeigte sich an der Schwäche der Bruderschaft und ihrer Unfähigkeit, auf den Sieg von Morsi effektiv zu reagieren. Nur in Kairo und Alexandria schafften sie es, große Demonstrationen aufzustellen und selbst dort nur in den wohlhabenden Mittelschichtgegenden. Überall sonst wurde ihnen mit entschlossenem Widerstand durch die revolutionären Massen entgegengetreten, die sie aus einem Viertel nach dem anderen vertrieben. Am Ende wurden sie von der Armee mit Leichtigkeit zerstreut und besiegt.

In Ermangelung einer wirklich revolutionären marxistischen Partei war es den Generälen möglich, auf bonapartistische Weise zu lavieren, sich zunächst auf die Massen zu lehnen, um der Muslimbruderschaft Schläge zu versetzen und am nächsten Tag ArbeiterführerInnen zu verhaften.

Die Revolution ist die große Schule der Massen, die nur aus Erfahrung lernen können. Die zweite Revolution war auf einem viel höheren Level als die erste. Vergangen war die Zaghaftigkeit und Naivität, die in Slogans wie „Wir alle sind ÄgypterInnen“ zum Ausdruck gekommen war. Sie wurde verdrängt von einer harten, kompromisslosen, revolutionären Entschlossenheit, die dafür sorgte, dass der ganze Prozess nur einen Bruchteil der 18 Tage dauerte, die die Revolution von 2011 in Anspruch genommen hatte. Doch die Machtübrgabe an die Generäle bedeutete, dass die selbe alte herrschende Klasse die Macht behielt. Nur innerhalb der herrschenden Klasse wurde die Macht an eine andere Fraktion übergeben, als die, die Morsi repräsentierte. Das bedeutet, dass die Massen eine weitere harte Lektion durchleben werden müssen.

Es stimmt, dass Sisi ein Konterrevolutionär ist, genau wie der russische Bonapartist Kerenski nach der Februarrevolution. Doch er ist viel schlauer als Morsi. Jeder wusste, dass Morsi ein Konterrevolutionär war, doch in den Augen der Massen ist Sisi ihr Verbündeter. Sie halten die Repression gegen die Muslimbrüder für revolutionär. Deshalb waren sie bereit, Sisi Zeit zu geben, doch ihre Geduld wird nicht unbegrenzt halten. Die Biblawi-Regierung, die Sisi eingesetzt hat, ist bereits sehr unbeliebt.

Nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wird die Kritik an der Regierung schärfer werden. Die Widersprüche zwischen der Revolution und den neuen Herrschern werden immer deutlicher werden, denn unter dem Strich werden die Wirtschaftskrise, die Massenarbeitslosigkeit, die Armut, die hohen Preise unverändert bleiben. Wenn Sisi zur nächsten Wahl antritt, ist es gut möglich, dass er mit einer großen Mehrheit gewählt wird. Doch sobald er an der Macht ist, wird man von ihm erwarten, die Dinge zu liefern, die die ArbeiterInnen, BäuerInnen und Arbeitslosen wollen: Arbeit, Brot und Wohnungen. Das ist auf einer kapitalistischen Basis unmöglich, und so wird einer neuen, stürmischen Periode der revolutionären Erhebung der Boden bereitet.

Neue, frische Schichten beteiligen sich pausenlos am Kampf. Die alten, müden Schichten, von denen einige in den früheren Perioden eine führende Rolle spielten, werden dazu tendieren, sich enttäuscht und desorientiert zurückzuziehen, denn sie haben die Ereignisse weder vorhergesehen, noch verstehen sie sie. Sie beschweren sich laufend über das angeblich „niedrige Niveau“ der Massen, doch sie selbst begehen den schlimmsten Fehler, indem sie Revolution und Konterrevolution verwechseln.

Diese fehlgeleiteten „Linken“, die die Propaganda der Bourgeois und der Imperialisten nachbeten, und die die großartige Massenbewegung, die Morsi stürzte, als „Putsch“ abtun, haben nichts verstanden. Die Bewegung im letzen Juni war im Grunde genommen die zweite ägyptische Revolution. Die Massen stürzten das verhasste Regime der reaktionären Muslimbruderschaft, bekamen einen Vorgeschmack von ihrer eigenen, kollektiven Stärke, die sie nicht verloren haben, und die die Grundlage darstellt, auf der sich in der kommenden Periode eine neue revolutionäre Offensive abspielen wird. Wir müssen uns von den alten, demoralisierten Elementen ab- und der Jugend, der neuen KämpferInnengeneration zuwenden, die die revolutionäre Zukunft verkörpert.

Iran

Die Wahl Rohanis signalisiert den Anfang einer Veränderung der Situation. Die Wahlen waren ein klares Zeichen dafür, dass das Regime seinen vorherigen Kurs nicht fortsetzen konnte. Die Massenbewegung von 2009 wurde gewaltsam unterdrückt und durch ständig steigenden, inneren Druck und Beschränkung demokratischer Rechte niedergehalten. Die Krise des Regimes wurde im offenen Konflikt zwischen Ahmadinedschad und Khamenei widergespiegelt. Die Wirtschaft befand sich in einer tiefen Krise, die durch die US- und EU-Sanktionen noch stark verschärft wurde. Die ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit stieg auf neue Höhen. Der Rial brach zusammen, Inflationsraten stiegen auf über 100%. Industrie, Produktion und Handel kamen zum Stillstand.

Millionen ArbeiterInnen mussten mit explodierenden Preisen klarkommen, während sie ihre Arbeit oder jedenfalls ihre Löhne verloren hatten. Für den Mittelstand war es nicht weniger desaströs; Familien, die an relativ stabile Lebensverhältnisse gewöhnt waren, waren über Nacht insolvent, ihre Ersparnisse waren wertlos und ihre Geschäfte ruiniert.

Die Präsidentschaftswahlen sollten geplant und ohne Kontroversen ablaufen. Doch während der Kampagne griffen sich die beiden Kandidaten, trotz ihrer eingehenden, vorherigen Prüfung, scharf an. Die offene Spaltung der herrschenden Klasse ermöglichte es den Massen, die Bühne zu betreten.

Hassan Rohanis Wahlkampftreffen standen im Mittelpunkt der Mobilisierungen. Die plötzliche Teilnahme der Massen brachte alle Pläne der herrschenden Clique durcheinander. Die Mullahs waren gezwungen, ihren Kurs zu ändern. Rohani repräsentiert einen Flügel des Regimes, der Reformen von oben will, um Revolution von unten zu verhindern. Daraus resultiert, dass das Regime gezwungen ist, einige begrenze Schritte zu gehen, um den Druck zu mildern, der vor allem auf der Jugend und dem Kleinbürgertum lastet. Deshalb gibt es so starke Illusionen in Rohani. Doch je mehr er die Demokratieprobleme löst, desto offensichtlicher werden die Wirtschaftsprobleme werden.

Das Regime versucht, zu einem Deal mit den Amerikanern zu kommen, um den Markt zu öffnen und Konzessionen herauszuhandeln, vor allem für die heruntergekommene Öl-Infrastruktur. Ein solcher Deal wird, wenn er zustande kommt, die Lage der Massen nicht ändern. Die einzige Möglichkeit für die iranische Bourgeoisie, aus ihrer Krise zu kommen, besteht in intensivierter Ausbeutung der ArbeiterInnen, was nur Öl ins Feuer gießen wird. Jeder Schritt hin zur „Öffnung“ wird nur die Selbstorganisation der ArbeiterInnen und der Jugend stärken und so große revolutionäre Explosionen in der Zukunft vorbereiten.

Diese „Öffnung“ schafft neue Gelegenheiten für Opposition und Linke. Einige oppositionelle, gar linke, Zeitungen sind aufgetaucht. Schrittweise treten die oppositionellen Kräfte hervor. Die Jugend ist offen für sozialistische und revolutionäre Ideen. Es stimmt, dass es Illusionen in Rohani gibt, aber diese werden die Prüfung durch Erfahrung nicht lang überleben. Die Massen werden durch die Schule der bürgerlichen Demokratie gehen müssen, um die notwendigen Schlüsse zu ziehen – aber ziehen werden sie sie bestimmt.

Ungleichheit und Konzentration des Kapitals

Marx’ Prognose, dass die Entwicklung des Kapitalismus unweigerlich zu einer Konzentration von immer größerem Reichtum in immer weniger Händen führen würde, wurde durch die Ereignisse vollständig bestätigt. „Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich die Akkumulation von Elend […] auf dem Gegenpol“ schrieb er im ersten Band des Kapitals. Das ist genau die Situation in der wir uns heute befinden. Überall gab es einen starken Anstieg der Ungleichheit.

Die involvierten Summen sind enorm. Zwischen 1993 und 2011 ist das Durchschnittseinkommen in den USA insgesamt um moderate 13.3% gestiegen. Aber das Durchschnittseinkommen der der ärmsten 99%, also alle mit einem Familieneinkommen bis 370,000 USD pro Jahr, ist nur um 5.8% gestiegen. Diese Lücke ist das Maß dafür wie viel das oberste 1% verdient. Der Anteil der ArbeiterInnen am US- Nationaleinkommen betrug vor der Krise 62%.Heute liegt er bei etwa 59% des BIP. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen ist heute niedriger als vor der Krise und die Ungleichheit steigt.

Es ist unglaublich paradox, dass der US-Aktienmarkt seit der Krise um 50% gestiegen ist, während das Medianeinkommen sinkt. Obszöner Reichtum erzeugt auch politische Macht: Plutokraten können sich Zeitungen und Fernsehkanäle kaufen und Parteien und Lobbyarbeit finanzieren. In den USA muss man Millionär sein um Präsident zu werden und zusätzlich dazu noch die Unterstützung von vielen Milliardären haben. Demokratie kann zum Vorteil der Meistbietenden gekauft und verkauft werden.

Der Mythos von sozialer Mobilität wurde als das entlarvt was er ist: eine zynische Lüge. Reiche Eltern haben reiche Kinder. Die herrschende Klasse ist eine sich selbst erhaltende Elite, die sich völlig vom Rest der Gesellschaft getrennt hat. Der Zugang zu höherer Bildung wird immer teurer. Die AbsolventInnen sind mit enormen Schulden von durchschnittlich 25,000 USD pro Student konfrontiert und sind oft nicht in der Lage einen Arbeitsplatz in dem Beruf ihrer Wahl zu finden, wenn sie überhaupt einen Job finden. Die Leiter des Aufstiegs wurde geknickt entfernt. Hunderttausende HochschulabsolventInnen servieren Burger bei Mc Donalds oder füllen Regale in Supermärkten. Die Situation mit der die US-Jugend heute konfrontiert ist ähnelt statistisch jener der Jugend in der arabischen Welt vor den Explosionen der tunesischen und der ägyptischen Revolution.

Der amerikanische Traum wurde zu einem Alptraum. 47 millionen AmerikanerInnen sind gezwungen auf Lebensmittelmarken zurückzugreifen um am Ende des Monats noch Essen zu haben. Die wachsende Wut über diese Ungerechtigkeit drückte sich im Slogan der Occupy Bewegung in den USA aus: „Wir sind die 99%“. Die Gefahren dieser Situation sind den weitsichtigeren Strategen des Kapitals durchaus bewusst.

Der Abgrund zwischen den Klassen

Die Massen sind bereit Opfer zu bringen unter der Bedingung, dass der Grund gerecht ist und sie für alle gleich sind. Aber niemand ist bereit Opfer zu bringen um die Banker zu retten und auch die Gleichheit der Opfer steht außer Frage. Die Banker stecken sich das Geld in die Tasche, das großzügig vom Steuerzahler (oder besser gesagt von der Regierung, denn niemand hat die SteurezahlerInnen um ihre Meinung gefragt) ausgeteilt wird und zahlen sich damit selbst riesige Boni.

Mitten in der Krise werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Credit Suisse hat ein Diagramm veröffentlicht, das den Anstieg der Zahl der Dollar-Millionäre (basierend auf dem Gesamtvermögen von Mitte 2012 bis Mitte 2013).

                  Spanien: 402,000 (+ 13.2%)
                  USA: 13,210,000 (+ 14.6%)
                  Frankreich: 2,210,000 (+ 14.9%)
                  Deutschland: 1,730,000 (+ 14.6%)
                  UK: 1,520,000 (+ 8.2%)
                  Italien: 1,440,000 (+ 9.5%)
                  China: 1,120,000 (+ 8.7%)
                  Kanada: 993,000 (+ 4.7%)

Ein weiterer Bericht von Credit Suisse zeigt einige interessante Zahlen zur ungleichen Verteilung des Reichtums. Er zeigt auf, dass am oberen Ende 32 Millionen Menschen 98.7 Billionen USD kontrollieren. Das bedeutet, dass 41% des Weltvermögens in der Hand von 0.7% der gesamten erwachsenen Bevölkerung liegt. Diejenigen mit einem persönlichen Vermögen von 100,000 USD bis zu 1 Mio. USD machen 7.7% der Bevölkerung aus. Sie kontrollieren somit etwa 101.8 Billionen USD, was 42.3% des Weltvermögens entspricht.

Am anderen Extrem verfügen 3.2 Milliarden Menschen lediglich über 7.3 Billionen USD. Das bedeutet, dass 68.7% der erwachsenen Weltbevölkerung lediglich über 3% des gesamten Vermögens verfügen. Weiters heißt das, dass die reichsten 0.7% der erwachsenen Weltbevölkerung gemeinsam über ein Vermögen verfügen, dass 14-mal größer ist als das der ärmsten 68%. Diese Zahlen bestätigen Marx Vorhersage über die Konzentration des Kapitals:

„Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degeneration auf dem Gegenpol, d.h. aus Seite der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert.” (Capital  vol.1, chapter 25)

“Konzentrierte Ökonomie”

Lenin wies darauf hin, dass Politik konzentrierte Ökonomie ist. Für eine geraume Zeit, zumindest in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, schien der Kapitalismus „die Waren zu liefern“. Die Generation, die in den USA und in Europa in den Dekaden nach dem 2. Weltkrieg aufgewachsen ist, genoss die Vorteile eines beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwungs: Vollbeschäftigung, steigender Lebensstandard und Reformen.

Das war die klassische Periode des Reformismus in Europa. Die Kapitalisten konnten es sich leisten auf Grundlage einer expandierenden Wirtschaft und hoher Gewinne Reformen zu ermöglichen. Aber dies ist nicht länger der Fall. Das wahre Programm der Bürgerlichen ist es den Sozialstaat völlig abzuschaffen und die Arbeitslosen zu zwingen für jeden Lohn zu arbeiten, den die Arbeitgeber anbieten. Das wäre sozusagen ein Rückschritt in die Zeiten von Marx und Dickens. Nur die Macht der organisierten ArbeiterInnen hält sie davon ab diese soziale Konterrevolution vollständig durchzuführen.

Die Perspektiven sind Jahre der Einsparungen, Austerität und fallender Lebensstandard. Das ist ein fertiges Rezept für Klassenkampf, der überall stattfinden wird. Die Bürgerlichen verlangen die Tilgung der  Schulden, ein ausgeglichenes Budget, den Abbau der „verschwenderischen“ Sozialausgaben (damit meinen sie die Ausgaben für Schulen, Krankenhäuser und Pensionen, nicht etwa die Zahlungen an die Banken). Wie wahre Sophisten argumentieren sie, dass auch wenn solche Maßnahmen „kurzfristig“ zu einem deutlichen Wirtschaftsabschwung und einem starken Rückgang des Lebensstandards (für einige) führen, sie auf lange Sicht gesehen magischer weise die Grundlage für „eine nachhaltige Erholung“ legen. Darauf hätte der alte Keynes geantwortet: „Auf lange Sicht gesehen sind wir alle tot“.

Die Situation ist so prekär, dass alles eine schwere Krise auslösen könnte; das gilt sowohl für die Wirtschaft (siehe die Abschaltung der Regierung in den USA und auch die wachsenden Schulden in Europa), als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Der Klassenkampf kann auch durch ein einzelnes Ereignis ausbrechen (so wie bei der belgischen Feuerwehr).

Folgende Frage stellt sich für die Bürgerlichen: Wie kann man in einer solchen Krisensituation regieren? In vielen Ländern Europas zeigt sich die politische Sackgasse in instabilen Koalitionen und in Parlamenten ohne absolute Mehrheiten aus. Die Institutionen der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie werden bis an ihre Grenzen getestet.

Die steigenden Enthaltungen bei Wahlen sind ein Phänomen der wachsenden Unzufriedenheit mit allen bestehenden Parteien. Das ist nicht wirklich überraschend, wenn man sich das Verhalten der Führung der Arbeiterparteien ansieht. Selbst wenn sie in der Opposition sind unterstützen die Sozialdemokraten weiterhin die generelle Politik der Kürzungen und Sparmaßnahmen. Das zeigte sich sehr eindeutig am Beispiel der schwedischen SDP, der britischen Labour Party, der deutschen SPD, der spanischen PSOE und der PASOK in Griechenland. Das ist es, was die Stimmung der Enttäuschung und Gleichgültigkeit erzeugt.

Auch in Deutschland gibt e seine wachsende Tendenz zur Wahlenthaltung. Merkel hat zwar die Wahlen, aber keine Mehrheit gewonnen und braucht die SPD für eine „große Koalitions“ Regierung. 40% der deutschen WählerInnen sind nicht durch eine Partei im Parlament vertreten. Die Linke ist von einem Höchststand von ca. 12% auf unter 9% der Stimmen gefallen. Aber die Natur verabscheut das Vakuum und die Bildung der SPD-CDU Koalition bedeutet, dass die Linke die einzige wirkliche Opposition darstellt und an Unterstützung gewinnen könnte.

Als Ergebnis davon haben wir in mehreren Ländern den Aufstieg neuer Parteien gesehen: Grünen (in Schweden), Populisten in Island und Italien (Grillo), „Piratenparteien“ (Schweden, Deutschland, Island), und den Aufstieg der extremen Rechten (Griechenland, Schweden, Norwegen, Frankreich) und die Anti-EU Partei UKIP in Großbritannien. All dies deutet auf eine Gärung in der Gesellschaft hin, ein tiefes Unbehagen und Unzufriedenheit mit der bestehenden politischen Ordnung.

In Europa gibt e seine wachsende Unzufriedenheit mit den Institutionen der bürgerlichen Demokratie, vor allem in den Ländern, die am stärksten von der Krise betroffen sind. Das alte etablierte Zweiparteiensystem (rechter Flügel gegen Sozialdemokratie) befindet sich in der Krise. Ein Teil der Unzufriedenheit wird von Parteien links von der Sozialdemokratie genutzt, wie wir es im Wachstum von Syriza, IU und der französischen FdG sehen. In Italien, wo es so etwas nicht gibt, hat die „5-Sterne-Bewegung“ von Grillo (eine verwirrte kleinbürgerliche Protestbewegung) diese Lücke vorübergehend gefüllt.

Dennoch bieten selbst diese Parteien keine echte Alternative zur Krise des Kapitalismus und wachsen daher nicht so schnell, wie sie es tun könnten, wenn sie auch nur teilweise die Stimmung der Wut in der Gesellschaft widerspiegeln würden. Daher, nachdem sie in den reformistischen Parteien kein Echo findet, spiegelt sich die Unzufriedenheit der Massen in einem Anstieg der Enthaltungen oder ungültigen Stimmzettel wieder. 2008 erhielten die PP und die PSOE in Spanien 83% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 75%. Heute prognostizieren ihnen Meinungsumfragen kaum 50% bei einer viel geringeren Beteiligung (ca. 50% geben an, dass sie entweder nicht oder ungültig wählen oder nicht wissen wen sie wählen werden – das ist eine Rekordzahl).

In Portugal sehen wir eine ähnliche Situation, die sich aus den letzen Kommunalwahlen ergibt. Die Enthaltungen sind um 550,000 gestiegen; ungültige und leere Stimmzettel haben sich mit einem Anstieg um 170,000 verdoppelt. Die regierende Rechtskoalition verlor 600,000 Stimmen; die sozialdemokratische PS, die in „Opposition“ ist verlor 270,000 Stimmen; die kommunistische PCP gewann knapp 13,000 Stimmen, während die linksgerichtete BE 45,00 Stimmen verloren hat.

Die Massenorganisationen

Das zentrale Problem ist das der Führung. Die Arbeiterführer – sowohl die der politischen Parteien als auch die der Gewerkschaften – leben in der Vergangenheit. Sie haben die Natur der gegenwärtigen Krise nicht verstanden und träumen von der Möglichkeit in die „gute alte Zeit“zurückzukehren. Sie sind organisch unfähig mit der Bourgeoisie zu brechen und einen ernsthaften Kampf zu führen um auch nur die Errungenschaften der Vergangenheit zu verteidigen und noch weniger um für eine Verbesserung der Lebendbedingungen zu kämpfen.

Es gibt einen scharfen Kontrast zwischen dem brennenden Zorn der Arbeiterklasse und der Passivität und Hilflosigkeit ihrer Führung. Generell haben die Massenorganisationen ein sehr niedriges Aktivitätslevel. Daher gibt es auch keinen wirklichen Druck auf die Führung um zu verhindern, dass diese immer weiter nach rechts rückt. Das war die allgemeine Tendenz der letzten Periode. Die Degeneration aller Führungen hat eine beispiellose Tiefe erreicht. Es ist eine schockierende Tatsache, dass die Organisationen, die von der Arbeiterklasse geschaffen wurden um die Gesellschaft zu verändern, sich jetzt in ein monströses Hindernis auf dem Weg der sozialen Transformation verwandelt haben.

Historisch gesehen ist es die Aufgabe der Sozialdemokratie geworden die ArbeiterInnen zu demoralisieren und die Mittelklasse in die Arme der Reaktion zu treiben. Sie haben jeden Anspruch für den Sozialismus zu stehen vor langer Zeit aufgegeben, richten sich in ihren Reden an die Banker und KapitalistInnen, und nehmen einen „moderaten“ und „respektablen“ Ton an. Sie versuchen die herrschende Klasse davon zu überzeugen, dass sie fit dafür sind ein hohes Amt im Staat zu übernehmen. Um sich in den Augen der Bürgerlichen als zuverlässige „Staatsmänner“ (und Frauen) zu beweisen, sind sie noch eifriger bei der Durchführung von Einschnitten und Gegenreformen (immer unter dem Deckmantel von „Reformen“) als die Konservativen.

Die LinksreformistInnen, die die Sozialistischen Parteien in Europa in den 1970ern dominiert haben, sind zu einem Schatten ihrer selbst zusammengeschrumpft. Ohne eine solide Basis auf ideologischer oder theoretischer Ebene, hinken sie dem rechten Flügel kläglich hinterher. Letztere sind selbstbewusster, weil sie das Gefühl haben von den großen Unternehmen unterstützt zu werden. Dagegen haben die Linken kein Vertrauen, weder in die Arbeiterklasse noch in sich selbst. Die LinksreformistInnen in den Gewerkschaften sind um nichts besser als ihr politisches Gegenüber. Sie haben selbst in den elementarsten Dingen, der konsequenten Verteidigung von Löhnen, Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsrechten, versagt.

Eine ganze Reihe „linker” Regierungen wurde abgesetzt nachdem sie Einschnitte durchgeführt hatten: Spanien, Island, Norwegen, Griechenland und etwas früher Italien. Bei anderen ist die Unterstützung zusammengebrochen und sie werden wahrscheinlich ihre Macht bei den nächsten Wahlen verlieren (Dänemark, Frankreich, Irland). Die irische Labour Party war weit vorne in den Meinungsumfragen bevor sie in eine bürgerliche Koalition eingetreten ist, die jetzt Einschnitte durchführt. Die Unterstützung ist zusammengebrochen, und zwar von 24 auf 4%.

In Griechenland brach die sozialistische Partei PASOK, die eine Massenbasis und teilweise fast 50% der Stimmen hatte, zusammen. Das war das Resultat davon, dass man die Politik der herrschenden Klasse und der EU durchgeführt hat. Sie wurde zuerst durch die „nationale“ Regierung von Papademos ersetzt und trat dann in eine Koalition mit dem rechten Flügel von Samaras. Aber der wichtigste Faktor ist der rasante Aufstieg von Syriza, die ursprünglich darum gekämpft hatten 4 oder 5% zu erhalten und jetzt sogar 30% in den Meinungsumfragen erreichen.

Doch die Massenorganisationen, selbst die degeneriertesten, werden an einem bestimmten Punkt den Druck der Massen unweigerlich wiederspiegeln. In der kommenden Periode wird es gewaltige Schwankungen der öffentlichen Meinung auf die linke, aber auch auf die rechte Seite geben. Wir müssen darauf vorbereitet sein und die wahre Bedeutung erklären können. Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Krise werden die Massen jede Partei und ihrer Führer Testen und entsorgen. Aber eine Konstante bleibt dabei die Ablehnung von jedem der in einer Regierung beteiligt war, die Austeritätsprogramme durchgeführt hat.

In Großbritannien gibt es einige Hinweise, dass der Druck von unten (vor allem aus den Gewerkschaften) Miliband dazu zwingt sich von den Tories und den Liberalen zu distanzieren. Miliband spiegelt, wenn auch schüchtern, den wachsenden öffentlichen Ärger gegen die Großkonzerne und Banken wieder. Einmal an der Macht, werden die reformistischen Führer unter massivem Druck der herrschenden Klasse und gleichzeitig auch der Massen stehen. Sie werden zwischen zwei Mühlsteinen zerkleinert werden. Es wird Abspaltungen nach rechts und links geben. In einigen Fällen können sie sogar vollständig zerstört werden (so wie die PRC in Italien und möglicherweise die Pasok in Griechenland). Aber in jedem Fall werden sie in die Krise geraten.

Mit einer Verschärfung der Krise werden sich linke Tendenzen innerhalb der Massenarbeiterparteien und der Gewerkschaften heraus kristallisieren. Die marxistische Tendenz muss das innere Leben der Massenorganisationen aufmerksam verfolgen und sich bemühen die sich nach links bewegenden Teile der ArbeiterInnen und der Jugend, die nach einer Alternative suchen,  zu erreichen und zu gewinnen.

Unsere Fähigkeit effektiv in zukünftige Ereignisse zu intervenieren wird von unserem heutigen Erfolg im Aufbau der marxistischen Tendenz bestimmt werden. Es ist nicht das gleiche in eine Massenbewegung mit 20 oder 50 Kadern zu intervenieren wie mit 500 oder 1000. Qualität muss in Quantität umgewandelt werden, so dass diese Quantität dann wiederum in Qualität auf einer höheren Ebene transformiert werden kann. Um die Massen zu bewegen braucht es einen geeigneten Hebel, und dieser Hebel kann nur eine starke und zahlreiche marxistische Tendenz sein.

Die Gewerkschaften

Die Gewerkschaften sind die Basisorganisationen der Klasse. In der Krise spüren die ArbeiterInnen die Notwendigkeit für Gewerkschaften sogar noch mehr als in „normalen” Zeiten. In der Industrie gab es einige sehr radikale Kämpfe und Konflikte und immer wenn die Gewerkschaftsführung einen Anhaltspunkt in Form von Generalstreiks, Streiks in gewissen Sektoren,... geboten haben, haben die ArbeiterInnen massiv reagiert. Das Problem ist, dass die Gewerkschaftsführung völlig hilflos ist wenn sie mit der Krise des Kapitalismus konfrontiert wird, weil sie keine Alternative (anders als eine milde Form des keynesianischen Stimulus) haben.

In Spanien gab es einen radikalen Streik der LehrerInnen auf den balearischen Inseln, der drei Wochen andauerte und große Unterstützung in der Bevölkerung hatte (es gab eine Demonstration in Palma mit 100000 TeilnehmerInnen und das auf einer Insel mit einer Gesamtbevölkerung von rund 800000). Der Streik wurde mit traditionellen Klassenkampfmethoden, die in der letzten Zeit verloren gegangen sind, durchgeführt: Massenversammlungen, gewählte Delegierte, Unterstützung von Eltern und SchülerInnen und eine Streikkasse. Aber die Gewerkschaftsführung lies die balearischen LehrerInnen allein und weigerte sich den Kampf über die LehrerInnen hinaus und auf das Festland zu verbreiten. Die Bewegung musste sich zurückziehen, besiegt durch Erschöpfung.

Unter diesen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, dass viele ArbeiterInnen die Sinnhaftigkeit eines isolierten 24-Stunden Generalstreiks, ohne einen nachhaltigen Kampfplan der Gewerkschaftsführung, in Frage stellen. In der Tat werden diese von den Herrschenden als Mittel zum Dampf ablassen verwendet. In Griechenland ist die Waffe des eintägigen Generalstreiks inzwischen kontraproduktiv. Die Forderung solcher Aktionen wird von den ArbeiterInnen mit Skepsis betrachtet, denn sie verstehen, dass drastischere Maßnahmen nötig sind. Unter den Bedingungen in Griechenland ist ein umfassender politischer Generalstreik nötig um die Regierung zu stürzen.

Wir sehen sowohl an der politischen als auch an der industriellen Front einen Anstieg von Zorn und Unzufriedenheit, die allerdings noch keinen klaren Ausdruck findet. In Spanien, Portugal, Griechenland, Italien sind hunderttausende Jugendliche gezwungen in eine Lebenssituation zurückzukehren, von der die Eltern dachten, dass sie sie hinter sich gelassen hätten.

Es gibt ständig Angriffe auf die öffentliche Gesundheitsversorgung und das Bildungssystem, wachsende Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen, die Skandale der Zwangsräumungen und Zwangsversteigerungen bei einer gleichzeitig steigenden Anzahl leerer Wohnungen und Häuser, eine steigende Zahl an Obdachlosen, von denen sich viele selbst zur „Mittelklasse“ gezählt hatten und die jetzt unter die Armutsgrenze gedrückt wurden, usw.

Unter diesen Bedingungen sehen die ArbeiterInnen die Gewerkschaften mehr denn je als ihre erste Verteidigungslinie. Der ganze Druck wird durch verschiedene spontane Protestbewegungen an die Oberfläche kommen müssen, Explosionen der Wut, die schließlich auch einen Einfluss auf die Massenorganisationen haben werden.

Die ersten Schritte der Radikalisierung werden in Streiks, Generalstreiks und Massendemonstrationen ihren Ausdruck finden. Wir haben das bereits in Griechenland, Spanien und Portugal gesehen. Aber angesichts der Tiefe der Krise können solche Aktionen allein neue Angriffe auf den Lebensstandard nicht verhindern.

Sogar in Belgien, wo eine militante Aktion der Feuerwehrleute und der EisenbahnarbeiterInnen die Regierung zum Rückzug gezwungen hat, wird dies nur ein rein vorübergehender Sieg sein. Was die Regierung mit der linken Hand gibt, wird sie mit der rechten Hand wieder wegnehmen. In Griechenland gab es fast 30 Generalstreiks, doch die Regierung setzt ihre Angriffe fort.

Nach und nach lernen die ArbeiterInnen durch Erfahrung, dass radikalere Maßnahmen notwendig sind. Sie beginnen revolutionäre Schlüsse zu ziehen. Trotzki hat die Wichtigkeit von Übergangsforderungen als Mittel zur Erhöhung des Bewusstseins der ArbeiterInnen auf das von der Geschichte geforderte Niveau erklärt. Aber er hat auch aufgezeigt, dass in der Situation einer tiefen Krise solche Forderungen nicht genug sind:

“Natürlich sind die Forderungen nach einer gleitenden Lohnskala und Arbeiterselbstverteidigung nicht genug. Das sind nur die ersten Schritte, um die Arbeiterschaft vor Hunger und den Messern des Faschismus zu beschützen. Das sind dringliche und notwendige Mittel der Selbstverteidigung. Doch für sich allein genommen, warden sie das Problem nicht lösen. Die Hauptaufgabe besteht jetzt darin, den Weg für ein besseres ökonomisches System zu ebnen, für einen gerechteren, vernünftigeren und ordentlichen Einsatz der Produktivkräfte im Interesse aller Menschen.

“Das kann nicht nur gewöhnliche, ‘normale’, routinemäßige Methoden der Gewerkschaftsarbeit erreicht warden. Dem können Sie nicht widersprechen, weil unter den Bedingungen des kapitalistischen Niedergangs stellt sich heraus, dass die Gewerkschaften nicht einmal die weitere Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter stoppen kann. Entschiedene und tiefreichende Methoden sind notwendig. Die Bourgeoisie, die die Produktionsmittel besitzt und die Staatsmacht kontrolliert, hat die ganze Ökonomie in einen Zustand der völligen und hoffnungslosen Unordnung gebracht. Es ist notwendig aufzuzeigen, dass die Bourgeoisie bankrott ist und dass die Ökonomie in neue und ehrliche Hände übergehen muss, d.h. in die Hände der Arbeiter selbst.” (Trotzki, Diskussion mit einem Gewerkschafter der CIO, 29. September 1938)

Die Rolle der Jugend

Eines der Hauptmerkmale der gegenwärtigen Situation ist die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, vor allem bei jungen Menschen. Das ist nicht die Reservearmee von Arbeitslosen, von der Marx sprach. Das ist dauerhafte, strukturelle Arbeitslosigkeit, organische Arbeitslosigkeit, die wie ein wie ein giftiges Geschwür an den Eingeweiden der Gesellschaft nagt und sie von innen zerstört.

Die schlimmsten Auswirkungen der Arbeitslosigkeit lassen sich unter der Jugend feststellen, die die schwerste Last der kapitalistischen Krise zu tragen hat. Jugendliche Hoffnungen und Sehnsüchte stoßen auf eine undurchdringliche Grenze. Das ist noch untragbarer wenn ein großer Teil der Arbeitslosen gut ausgebildet ist. Das ergibt eine sehr leicht entzündliche und unbeständige Mischung.

Dies ist die erste Generation von jungen Menschen, die nicht mehr erwarten können einen besseren Lebensstandard zu haben als ihre Eltern. Sie wurden ihrer Zukunft beraubt. Eine ganze Generation von Jugendlichen wird auf dem Altar des Kapitals geopfert. Zwischen Brasilien und der Türkei gibt es natürlich Unterschiede. Aber es gibt auch gemeinsame Merkmale, die geholfen haben die Unzufriedenheit zu schüren. Diese Merkmale werden überall zu ähnlichen Protesten führen. Ein wichtiger Faktor war Jugendarbeitslosigkeit.

Dieses Phänomen ist nicht auf die ärmeren Länder Lateinamerikas, des Nahen Ostens oder Asiens beschränkt. Arbeitslosigkeit und Armut sind eine explosive Kombination, die sich zu jeder Zeit in jedem Land entzünden kann. Jugendarbeitslosigkeit war ein wichtiger Faktor im sogenannten Arabischen Frühling. Hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa kann einen ähnlich radikalisierenden Effekt haben. Bereits jetzt ist die Radikalisierung der Jugend auf die eine oder andere Weise ein allgemeines Phänomen in ganz Europa.

In Großbritannien folgte auf eine Welle der Radikalisierung unter StudentInnen eine Explosion von Ausschreitungen von arbeitslosen Jugendlichen in allen großen Städten, die das Establishment erschütterten. In Griechenland ging den großen Bewegungen der Arbeiterklasse eine riesige Bewegung der SchülerInnen voraus. In Spanien und den USA hatten wir die Occupy-Bewegung und die Indignados, die überwiegend von Jugendlichen getragen wurde. Es gibt viele historische Präzedenzfälle dafür. Der Russischen Revolution von 1905 gingen die Studentendemonstrationen von 1900 und 1901 voraus. Der Mai 1968 in Frankreich wurde von Studentendemonstrationen, die von der Polizei brutal unterdrückt wurden, ausgelöst.

Lenin sagte: “Wer die Jugend hat, hat die Zukunft”. Wir müssen um jeden Preis einen Zugang zur revolutionären Jugend finden, ihr einen bewussten und organisierten Ausdruck ihres instinktiven Wunsches, Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu bekämpfen und eine bessere Welt zu erlangen, geben. Der Erfolg oder Misserfolg der IMT hängt zu einem guten Teil davon ab, ob wir dieses Ziel erreichen können.

Sind die Bedingungen reif für eine Revolution?

Wir bewegen uns auf globaler Ebene auf eine völlig neue Situation zu. Das wird bereits aus den Ereignissen der letzen 12 Monate ersichtlich. Tränengaswolken füllen die Straßen von Istanbul. Polizeiknüppel knacken Schädel in Sao Paolo und 17 Millionen Menschen stürzen einen ägyptischen Präsidenten. In Bulgarien sind Proteste ausgebrochen. Das ist nur der Beginn einer Welle von politischer Unzufriedenheit in den Entwicklungsländern, die mit revolutionärem Potential gefüllt ist.

Die Dialektik lehrt uns, dass sich früher oder später alles in sein Gegenteil verwandelt. Dieses dialektische Gesetz wurde durch die Ereignisse der letzten 12 Monate mehr als bestätigt. Erinnern wir uns daran, dass die Türkei und Brasilien bis vor kurzem zwei der Leitfeuer der Schwellenländer waren. Die Möglichkeit einer revolutionären Aufwallung in diesen Ländern kam den Strategen des Kapitals nicht einmal in den Sinn. Genauso wenig sahen sie die Möglichkeit eines revolutionären Sturzes von Mubarak in Ägypten oder von Ben Ali in Tunesien.

Zyniker und Skeptiker sind überall in ausreichender Zahl vorhanden. Sie sind das Strandgut der Niederlagen der Vergangenheit, frühzeitig gealterte Männer und Frauen, die alles Vertrauen in die Arbeiterklasse, den Sozialismus und sich selbst verloren haben. Die professionellen ZynikerInnen fristen ein kümmerliches Dasein am Rande der Arbeiterbewegung, und manchmal auch in ihr. Ihr Hauptziel im Leben ist es über die ArbeiterInnen und die Jugend zu stöhnen und zu schimpfen, ihre Erfolge klein zu reden und ihre Fehler zu übertreiben.

Solche Exemplare finden sich vor allem in den Reihen der ehemaligen StalinistInnen. Nachdem sie längst alle Hoffnung auf eine sozialistische Revolution aufgegeben haben, beschäftigen sich diese elenden Kreaturen nur noch mit einer Sache: Ihre toxische Marke des Pessimismus und Skeptizismus in der Jugend zu verbreiten um sie zu demoralisieren und von der Teilnahme an einer revolutionären Bewegung abzuhalten.

Diese Leute, die Trotzki korrekterweise als brandige Skeptiker bezeichnet hat, argumentieren, dass die Arbeiterklasse noch nicht für Sozialismus bereit sei, dass die Bedingungen noch nicht reif seien, usw. Es versteht sich von selbst, dass für solche Individuen, die Voraussetzungen für den Sozialismus nie erreicht sein werden. Nachdem sie einige unerreichbare Standards für revolutionäre „Reife“ in ihren Köpfen etabliert haben, können sie sich bequem im ihrem Armsessel zurücklehnen und – nichts tun.

Es ist notwendig die grundlegende Idee, dass das Hauptmerkmahl einer Revolution das Eintreten der Massen auf die Bühne der Geschichte ist, zu betonen. 1938 schrieb Trotzki: „Das ganze Gerede, wonach die geschichtlichen Bedingungen noch nicht „reif“ genug seien für den Sozialismus, ist nur das Produkt der Unwissenheit oder eines bewussten Betrugs. Die objektiven Voraussetzungen der proletarischen Revolution sind nicht nur schon „reif“, sie haben sogar bereits begonnen zu verfaulen. Ohne sozialistische Revolution, und zwar in der nächsten geschichtlichen Periode, droht die ganze menschliche Kultur in einer Katastrophe unterzugehen. Alles hängt ab vom Proletariat, d.h. in erster Linie von seiner revolutionären Vorhut. Die historische Krise der Menschheit ist zurückzuführen auf die Krise der revolutionären Führung”. (Trotski, Das Übergangsprogramm, Mai-Juni 1938)

Diese Zeilen sind für die momentane Situation auf Weltebene absolut relevant. Sie wirken sogar so als wären sie erst gestern geschrieben worden!

Gegen die Zyniker und Skeptiker, die die revolutionäre Rolle des Proletariats verleugnen, werden wir immer das revolutionäre Potential der ArbeiterInnen und Jugendlichen, das ständig durch die Ereignisse bestätigt wird, in den Vordergrund rücken. Die wunderbaren revolutionären Bewegungen in der Türkei, Brasilien und Ägypten, die Generalstreiks in Griechenland und Spanien, die Massenbewegung in Portugal, die fast zum Sturz der Regierung geführt hat, die Generalstreiks in Indien und Indonesien sind alles deutliche Hinweise darauf, dass die sozialistische Weltrevolution begonnen hat.

Allerdings bedeutet die Tatsache, dass eine Revolution begonnen hat nicht, dass sie sofort erfolgreich sein wird. Das hängt von vielen Faktoren ab, der wichtigste ist die Qualität der Führung. Hegel schrieb:
„Wenn wir eine Eiche sehen wollen mit ihrer ganzen Lebenskraft, dem Stamm, den ausladenden Ästen, der Laubmasse, dann sind wir nicht zufrieden, wenn man uns stattdessen eine Eichel zeigt.“ (Hegel, Die Phänomenologie des Geistes, Vorwort).

Was wir heute haben ist nur die frühe Erwartung einer sozialistischen Revolution. Es ist das erste Wiedererwachen der Massen nach einer langen Periode in der der Klassenkampf in vielen Ländern abgestumpft war. EinE AthletIn braucht nach einer längeren inaktiven Periode Zeit die Glieder zu strecken, sich „aufzuwärmen“ und die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln sich an ernsthafteren Aktivitäten zu beteiligen. Ebenso braucht die Arbeiterklasse Zeit die notwendigen Erfahrungen zu sammeln um ihr von der Geschichte gefordertes Niveau zu erreichen.

Generell lernen die Massen aus Erfahrungen. Das ist manchmal schmerzhalft und immer langwierig. Dieser Lernprozess würde aber sowohl schneller als auch weniger schmerzhaft verlaufen, wenn es eine starke marxistische Partei mit einer weitsichtigen Führung, wie die von Lenin und Trotzki, gäbe. Wenn es letzen Juni in Ägypten ein solches Äquivalent der bolschewistischen Partei gegeben hätte, wer würde dann noch daran zweifeln dass die revolutionären ArbeiterInnen und die Jugend leicht die Macht hätten  ergreifen können.

DiplomatInnen in den Ländern der europäischen Peripherie sprechen duster von einer möglichen „Krise der Demokratie“, und es ist eine Tatsache, dass die Institutionen der bürgerlichen Demokratie bis zum Zerreißen getestet werden. In den Regierungen Europas, allen voran in Berlin, herrscht permanente Sorge, dass die Einführung von Sparmaßnahmen soziale Konflikte von solchem Umfang auslösen könnte, dass sie eine Bedrohung für die bestehende Gesellschaftsordnung darstellen würden.

Der wahre Grund warum die bürgerlichen über den Sturz Morsis in Ägypten so entsetzt waren, ist dass sie fürchten solche Dinge könnten auch in Europa passieren.  Die FT hat eine unangenehme Parallele zum Revolutionsjahr 1848 gezogen: “Es […] erinnert mich – an 1848. Metternich, der höhnisch aus seinem Fenster auf den irrelevanten Mob blickt, ein paar Stunden vor seinem Sturz, Guizot, unfähig zu atmen vor Schock, als er sein Amt zurücklegt, Thiers, für einen Tag Premierminister, der in seinem Wagen, am Tourette Syndrom des 19. Jahrhunderts leidend, von den Massen gejagt wird,…“

Die bürgerlichen ÖkonomInnen geben zu, dass die Perspektive des Kapitalismus, die von 20 Jahren Sparmaßnamen ist. Das bedeutet zwei Jahrzehnte erhöhten Klassenkampfes mit unvermeidlichen Höhen und Tiefen. Auf Momente großer Aufwallungen werden Perioden der Erschöpfung, Enttäuschung, Desorganisation, Niederlagen und sogar der Reaktion folgen. Aber im momentanen Klima wird jede Pause nur der Auftakt für neue und noch explosivere Kämpfe sein. Früher oder später wird sich in einem oder anderen Land die Machtfrage stellen. Die Frage ist ob in diesem entscheidenden Moment der subjektive Faktor stark genug sein wird um die nötige Führung zu bieten.

Auf allen Ebenen bauen sich unerträgliche Spannungen auf. Aber nicht nur die wirtschaftlichen Faktoren Arbeitslosigkeit und sinkender Lebensstandard sind Quelle des generellen Unwohlseins in der Gesellschaft. Es spiegelt die Enttäuschung mit allen bestehenden Institutionen der kapitalistischen Gesellschaft wider: PolitikerInnen, Kirche, Medien, Banker, Polizei, das Rechtssystem, usw. Es ist auch durch die Ereignisse auf Weltebene betroffen (Irak, Afghanistan, Syrien, usw.).

Die Bedingungen sind nicht überall gleich. Beispielsweise ist die Situation in Griechenland weiter fortgeschritten als in Deutschland. Aber überall gibt es, nicht weit unter der Oberfläche, eine brodelnde Unzufriedenheit, ein Gefühl, dass in der Gesellschaft etwas wirklich schief läuft, dies unerträglich ist und die bestehenden Parteien und ihre FührerInnen uns nicht gut vertreten. Die objektiven Bedingungen für eine sozialistische Revolution sind entweder reif oder sie reifen sehr schnell heran. Aber der subjektive Faktor fehlt. Wie Trotzki vor langer Zeit sagte, das Problem ist ein Problem der Führung.

Aus einer ganzen Reihe von objektiven, historischen Gründen wurde die Bewegung zurückgeworfen; die Kräfte des genuinen Marxismus wurden auf eine kleine Minderheit reduziert, die von den Massen isoliert ist. Das ist das zentrale Problem und der zentrale Widerspruch der gelöst werden muss. Es ist notwendig die nötigen Kader zu gewinnen, zu trainieren, in die Organisation zu integrieren und sie auf die Massenorganisationen der ArbeiterInnen zu orientieren.

Das braucht Zeit. Wir werden aufgrund der Langsamkeit des Prozesses einige Zeit zur Verfügung haben. Aber wir haben nicht alle Zeit der Welt. Es ist wichtig, dass wir uns der Aufgabe des Aufbaus der Kräfte des Marxismus mit einer gewissen Dringlichkeit widmen und zu verstehen dass der Weg zu einem großen Sieg in der Zukunft von kleinen Erfolgen in der Gegenwart vorbereitet wird. Wir haben die notwendigen Ideen. Unsere Perspektiven haben sich durch den Gang der Ereignisse bestätigt. Wir müssen diese Ideen jetzt in die Arbeiterklasse und die Jugend tragen. Der Weg zu den ArbeiterInnen und der Jugend steht weit offen. Marschieren wir mit Vertrauen nach vorne.

Bauen wir die Internationale Marxistische Tendenz auf!
Lang lebe die sozialistische Weltrevolution!

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