Kategorie: Deutschland

Deutschland zweiter Klasse

Was hat sich in nun fast 30 Jahren nach der „Wende“ für die Ostdeutschen geändert? Die Probleme in Ostdeutschland sind nicht von Zauberhand entstanden, so dass sie nicht zu erklären wären. Sie entspringen der Logik und den Notwendigkeiten des Kapitalismus und des bürgerlichen Staates.


1989 begann in der ehemaligen DDR eine friedliche Revolution. Entgegen der bürgerlichen Geschichtsschreibung der BRD forderten die Massen mit ihren Protesten in den ersten Wochen jedoch kein Ende des Sozialismus oder gar einen Anschluss der DDR an die BRD, vielmehr ging es ihnen um Reise- und Meinungsfreiheit und um Reformen, bei gleichzeitigem Erhalt der Errungenschaften der nichtkapitalistischen staatlichen Planwirtschaft der DDR.

Bei allen Fehlern, die die stalinistischen Staaten des „Ostblocks“ aufwiesen, waren sie doch Arbeiterstaaten, wenn auch degeneriert und die DDR bildete dabei keine Ausnahme. Wer nach der Wende in Ostdeutschland aufgewachsen ist, wird sich daran erinnern, wie viel Mühe sich der bürgerliche Staat gab, der ersten Generation, die ohne eigene Erinnerungen an die DDR aufwuchs, zu vermitteln, wie froh sie sein könne, nicht in der DDR aufwachsen zu müssen. Die tatsächlichen Errungenschaften wurden entweder geleugnet, übergangen oder stets dem Überwachungsstaat gegenübergestellt.

Die Geschichte straft sie Lügen. Mit der Wende 1989/1990 kamen nicht, wie es die BRD gern darstellt, Freiheit, Wohlstand und schon gar nicht die versprochenen „blühenden Landschaften“ nach Ostdeutschland. Im Gegenteil. Gierig stand die Bourgeoisie des Westens, Seite an Seite mit der Treuhandanstalt bereit, Ostdeutschland zum innerdeutschen Niedriglohnsektor zu machen. In anderen kapitalistischen Staaten musste teure Produktion unter erheblichem Aufwand in das Ausland ausgelagert werden. Deutschland hingegen baute sich nun ein „Niedriglohnparadies“ im eigenen Land auf. Die staatlichen Kombinate und Betriebe der DDR wurden zerschlagen und das Kapital diktierte nach freiem Ermessen die Löhne. Zeitweilig kamen auf 17 Millionen Menschen in Ostdeutschland vier Millionen Arbeitslose. Dies wird damit gerechtfertigt, dass man die „unterqualifizierten“ und „verelendeten“ Ostdeutschen vor sich selbst gerettet habe. Dass die Ausbildung in der DDR nicht nur ausgezeichnet, sondern teilweise dem Westen überlegen war, wurde und wird bis heute bestenfalls als „Ostalgie“ angesehen.

Der Osten heute

Wer nicht zu den „Wendegewinnern“ gehört, kann sich heute zwar angucken, wo man hinfahren könnte mit der Familie, nur leisten kann man es sich nicht. Die neuesten Farbfernseher stehen in Reih und Glied in den Elektronikmarktketten, zu unerschwinglichen Preisen. Viele können sich solchen Luxus nur „auf Pump“ leisten. Der Lohnunterschied zwischen dem Westen und dem Osten liegt immer noch bei über 1000 Euro monatlich und erst die Einführung des Mindestlohns brachte für viele Ostdeutsche ein Nettomonatsgehalt im vierstelligen Bereich. Die durchschnittliche tarifliche Arbeitszeit liegt im Osten nach wie vor bei 40 Stunden pro Woche, im Westen niedriger. Tarifverträge sucht man in Ostdeutschland vielerorts vergeblich. Für die meisten Beschäftigten ist beim Mindestlohn Schluss. Prekäre Jobs mit sinnlosen, unbegründeten Befristungen und untragbarer Bezahlung sind die Regel, ebenso wie deutlich niedrigere Renten. Die ostdeutschen Rentner hätten eben „das falsche Deutschland wieder aufgebaut“, so eine Begründung Hinzu kommt, dass der Osten schon lange keine relativ niedrigen Lebenshaltungskosten mehr zu bieten hat. Sie entsprechen mittlerweile denen im Westen.

Die Probleme in Ostdeutschland sind nicht von Zauberhand entstanden, so dass sie nicht zu erklären wären. Sie entspringen der Logik und den Notwendigkeiten des Kapitalismus und des bürgerlichen Staates. Sie sind nicht innerhalb des bürgerlichen Staates lösbar. Die Wirtschaft muss demokratisch geplant werden, national und international. Nicht der Markt muss alles bestimmen, sondern die Menschen die Wirtschaft. Die erhöhte Produktivität der Arbeiterinnen und Arbeiter muss sich in Arbeitszeitverkürzungen bei mindestens vollem Lohnausgleich niederschlagen. Und die LINKE muss in eine klassenkämpferische Offensive gehen. Wenn nicht mit ihrer Führung, dann eben mit ihrer Basis. Denn die Basis ist die Partei, nicht die reformistische Führungsriege.



Unsichtbare Mauer

28 Jahre nach dem Anschluss der DDR an die BRD kann von „blühenden Landschaften“ und Angleichung der Lebensverhältnisse im Osten keine Rede sein.

  • Für die meisten Beschäftigten im Osten gibt es keinen Tarifvertrag.

  • Tatsächlich bezahlte Löhne und Gehälter sind im Osten deutlich geringer als im Westen. Im Landkreis Görlitz ist das Medianentgelt für Vollzeitarbeit mit 2.183 Euro monatlich nicht einmal halb so hoch wie im Landkreis Ingolstadt (Bayern). Bürofachkräfte verdienen in Sachsen im Mittel rund 2578 Euro, in Westdeutschland 3.125 Euro monatlich.

  • Der Niedriglohnsektor liegt in Westdeutschland bei 19%, im Osten bei 36%.

  • Kaufkraftgefälle: Gemessen am Bundesdurchschnitt (= 100%) sind die ostdeutschen Länder die Schlusslichter – von 90 Prozent in Brandenburg bis 83,3 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.

  • Die Westrenten liegen derzeit um 12 Prozentpunkte über den Ostrenten.

  • Ausdruck der Abwanderung von Ost nach West ist die hohe Wohnraumleerstandsquote in vielen Städten. Spitzenreiter sind Dessau-Roßlau (14%), Chemnitz (13,7%), Görlitz (12,8%) und Leipzig (12,1%).

  • Chemnitz die Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote in Sachsen.

  • Laut FAZ-Bericht fürchten die Sachsen vor allem, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht (83%). 61% erwarten, dass es die nächste Generation schlechter haben wird.

 

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