Kategorie: Theorie

Neuerscheinung: Ideologiekritik – gegen die akademische Entstellung des Marxismus

Seit Karl Marx und Friedrich Engels die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus entwickelt haben waren diese ständigen Angriffen ausgesetzt.


Denn Ideen, die nachweisen und erklären, wie die Ausgebeuteten und Unterdrückten ihr Joch abwerfen und sich befreien können, stoßen notwendigerweise auf den Widerstand der Herrschenden und ihrer Verteidiger. Es gibt tausende Bücher und Texte, die alle Aspekte des Marxismus – seine Analyse des Kapitalismus, sein Verständnis vom Staat, seine historischen Untersuchungen der Klassengesellschaft – diskreditieren sollen. All diese Aspekte der marxistischen Theorie stützen sich auf eine gemeinsame philosophische Grundlage – auf die Methode des dialektischen Materialismus. Marx und Engels entwickelten diese Methode in Aufhebung von- und auch in Abgrenzung zu früheren Philosophen und kämpften von Anfang an mit harten Bandagen darum. Sie wussten, dass eine feste philosophische Grundlage nötig war, um den realen Kampf gegen die Unterdrückung und Ausbeutung zu führen, wie die Einleitung von Die deutsche Ideologie von 1846 zeigt, in der sie mit den philosophischen Strömungen, die damals unter Linksintellektuellen en vogue waren, abrechnen:

„Der erste Band dieser Publikation hat den Zweck, diese Schafe, die sich für Wölfe halten und dafür gehalten werden, zu entlarven, zu zeigen, wie sie die Vorstellungen der deutschen Bürger nur philosophisch nachblöken, wie die Prahlereien dieser philosophischen Ausleger nur die Erbärmlichkeit der wirklichen deutschen Zustände widerspiegeln. Sie hat den Zweck, den philosophischen Kampf mit den Schatten der Wirklichkeit der dem träumerischen und duseligen deutschen Volk zusagt, zu blamieren und um den Kredit zu bringen.“

Nach dem Tod von Marx und Engels wurde ihre Methode von Marxisten wie Wladimir Lenin und Leo Trotzki aus demselben Grund verteidigt. In dieser Tradition steht auch „Der Funke“ und die Internationale Marxistische Tendenz (IMT). Angriffe auf den Marxismus oder seine Entstellung unter dem Vorwand ihn „weiterentwickelt“ zu haben, laufen letztendlich immer auf eine Ablehnung seiner philosophischen Grundlagen hinaus. Dies nicht ohne Grund: die Anwendung der dialektisch-materialistischen Methode auf unsere Gesellschaft führt schließlich zu dem Schluss, dass man einen konsequenten Klassenkampf zum Sturz des Systems führen muss. Theoretisiert man die Rettung des Kapitalismus auf die eine oder andere Weise, etwa indem man den Klassencharakter und die Funktion des Staates leugnet oder die Art und Weise der Frauenunterdrückung im herrschenden System verschleiert, muss man zwangsläufig den Marxismus und seine Methode ablehnen oder mit ihm brechen.

Dies anhand einer Auswahl von prominenten Theoretikern aufzuzeigen und den Marxismus zu verteidigen, ist das Ziel des vorliegenden Sammelbandes. Denn nicht selten verkleiden sich die Entstellungen oder die offene Ablehnung des Marxismus als progressive, widerständische Ideen, die ausgehend von universitären Debatten auch in der Jugend und Arbeiterbewegung Verwirrung und Unsicherheit stiften, was den Kapitalisten nur allzu genehm ist.

Das Buch beginnt dabei mit zwei Beiträgen über die Grundlagen der marxistischen Philosophie: einer Einführung in die revolutionäre Philosophie, die Alan Woods ursprünglich für einen englischsprachigen Sammelband über marxistische Philosophie schrieb, sowie einem von der IMT 2018 beschlossenen Dokument über die Verteidigung des Marxismus angesichts diverser akademischer Trends des 20. und 21. Jahrhunderts, vor allem der Identitätspolitik.

Wir behandeln dann chronologisch einige Vertreter dieser Ideen, angefangen beim sogenannten „westlichen, undogmatischen Marxismus“ und seinem frühesten Proponenten, Georg Lukács. Die darauffolgenden Texte über die „Frankfurter Schule“ (hier insbesondere zu Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse) beinhalten neben zwei neueren Aufsätzen von Genossen der IMT auch eine historische Streitschrift von Walter Held, der selbst als Kommunist in den 1930er Jahren Stellung zu Max Horkheimer und dem von ihm geleiteten „Institut für Sozialforschung“ bezog.

Der letzte hier behandelte „westliche Marxist", der richtigerweise vielmehr der philosophischen Strömung des Strukturalismus als dein Marxismus zugeordnet werden sollte, ist Louis Althusser, welcher mit seinen Ideen über den „ideologischen Staatsapparat" weite Verbreitung in den Reihen der Reformisten erfuhr und auch bekannte Politikwissenschaftler wie Nicos Poulantzas dabei inspirierte, das Staatsverständnis in der Linken zu verdrehen. Vor rund 10 Jahren geriet er in der Sozialistischen Jugend Wien in Mode und vor diesem Hintergrund entstand auch Vera Kis' Text über „Louis Althussers Entstellung des Marxismus“, der in diesem Band, in Einvernehmen mit der Autorin leicht überarbeitet, zu lesen ist.

Der Poststrukturalismus, der insbesondere ab den 1980er und -90er Jahren in allen Bereichen der Sozial- und Geisteswissenschaften Einzug hielt, wird anhand von zwei beliebten Strömungen, der Intersektionalität und der Queer Theory, abgehandelt. Beide befassen sich insbesondere mit Frauenunterdrückung und der Diskriminierung von sexuellen Minderheiten sowie (im Falle der Intersektionalität) auch mit Rassismus.

Da es im Rahmen eines Buches unmöglich ist, jede Nuance des entstellten Marxismus oder der vorgeblich widerständischen Ideen des letzten Jahrhunderts zu berücksichtigen, stellt die Auswahl nur einen Ausschnitt dessen dar, was insbesondere im akademischen Umfeld als links und progressiv gehandelt wird. Vieles davon hat jedoch auch Eingang in die Organisationen der Arbeiterbewegung gefunden und sich dort mit dem Reformismus gut ergänzt, vor allem wenn es sich um die Ablehnung des marxistischen Staatsverständnisses und um die Methoden zum Kampf gegen Frauenunterdrückung handelt.

Wir hoffen mit diesem Buch einen Beitrag zum Verständnis der marxistischen Philosophie liefern zu können und Revolutionären und Revolutionärinnen dabei zu helfen, die typischen und immer ähnlichen Methoden ihrer Entstellung zu erkennen. Die Verteidigung des Marxismus ist heute wie zu Marx' Lebzeiten eine Aufgabe, der man sich mit Ernsthaftigkeit widmen sollte. Zur Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung ist es schließlich notwendig, vergangene Lehren und Erkenntnisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Nur so werden wir uns das notwendige, theoretische wie praktische, Rüstzeug schmieden, um den Kapitalismus zu überwinden.

Ideologiekritik – gegen die akademische Entstellung des Marxismus
364 Seiten, 15 Euro
ISBN: 978-3-902988-14-0
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