Kategorie: Antifaschismus

Gedenkmarsch in Burghausen: Wenn Geschichte stillgeschwiegen wird

Alois Haxpointner, Kommunist und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, wäre dieses Jahr am 10. Juni 130 Jahre alt geworden. Aus gegebenem Anlass wurden ein Gedenkmarsch und eine Kundgebung zu Ehren aller antifaschistischen Widerstandskämpfer aus Burghausen initiiert, bei der knapp 40 Personen am Gedenkmarsch teilnahmen. 

der funke München


Bei der Kundgebung am Bichl sprachen vor knapp 80 Personen Buchautor Max Brym, die Urenkelin von Alois Haxpointner Kati Wimmer, sowie Jonas Volgger. Getragen wurde die Aktion vom Funken und dem ver.di Arbeitskreis „Aktiv gegen Rechts“. Es waren rote Fahnen, Fahnen des Funke, sowie von ver.di und DGB zu sehen.

An der Spitze des Gedenkmarsches trugen Familienangehörige von Haxpointner einen Kranz mit der Aufschrift „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg“. Am Ende legten sie den Kranz am Friedhof nieder. Beim Marsch trugen Antifaschisten aus Burghausen acht große Tafeln mit Zitaten. Die Zitate und Tafeln wurden in fleißiger Arbeit von Genossen des Funke im „Haus mit der roten Fahne“ in München hergestellt.

Gefordert wurde und wird immer noch eine Gedenktafel, die an alle antifaschistischen Kämpfer erinnern soll, die im KZ inhaftiert waren. Auch Domingo Heber, Gewerkschaftssekretär von ver.di, forderte am 1. Mai dieses Jahres ein würdiges Gedenken der Antifaschisten. Doch Florian Schneider, der sozialdemokratische Bürgermeister von Burghausen, erteilt den Forderungen eine Absage.

„Der Schoss ist fruchtbar noch“

Es ist immer wieder bemerkenswert mit welcher Kraftanstrengung bürgerliche Politiker versuchen, den Faschismus als etwas Gestriges darzustellen, als etwas so Schreckliches, dass die bloße Erinnerung an all die Gräueltaten, an die Ermordeten und den Krieg selbst ausreiche, um faschistische Gräueltaten aus der Welt zu reden. Hört man ihnen oder ihren Institutionen zu, so erscheint Faschismus als etwas längst Vergangenes.

Doch das ist alles andere als zutreffend. Einige Beispiele verdeutlichen die Aktualität: faschistische Banden haben über das Jahr 1992 verteilt 15 Menschen das Leben geraubt; 39 Flüchtlingsheime wurden 2015 angezündet; Tobias R. schoss 2020 in Hanau elf Menschen nieder; der Rechtradikale Phillip F. ermordete im März dieses Jahres acht Menschen im Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg-Alsterdorf.

Das verdeutlicht die Notwendigkeit einer richtigen und nachhaltigen Analyse des Faschismus. Nur durch eine solche werden wir in der Lage sein Faschismus, rechtsradikale Banden und alle reaktionären Ideen und Gruppierungen zu bekämpfen.

Faschismus: Rammbock des Kapitals

Blicken wir auf die bürgerliche Analyse, so dreht diese sich meist um die Persönlichkeit Hitlers und wie er es schaffte den Paragrafen 48 erfolgreich zu nutzen. Trotzki schreibt dazu im „Porträt des Nationalsozialismus“: „Die Erörterungen über die Persönlichkeit Hitlers sind umso hitziger, je mehr man das Geheimnis seines Erfolges in ihm selbst sucht. Doch ist es schwer, eine andere politische Gestalt zu finden, die in einem solchen Maße Knoten unpersönlicher geschichtlicher Kräfte wäre.“ Trotzki hebt hervor, dass „jeder Führer […] immer ein Verhältnis zwischen Menschen, ein individuelles Angebot auf eine kollektive Nachfrage“ ist.

Blicken wir auf die damalige Zeit zurück, so war es eine Zeit von Revolutionen und Konterrevolutionen, eine Zeit, in der das Kapital sein Ende nahen sah. Unter Zuhilfenahme von proto-faschistischen Einheiten – den Freikorps – rettete die Sozialdemokratie den Kapitalismus in den Jahren 1918 bis 1923 vor der sozialistischen Revolution. Damit stärkte sie den Glauben kleinbürgerlicher Gesellschaftsschichten erstmals eine eigene historisch führende Rolle zu spielen.

Die verpassten und verlorenen revolutionären Chancen dieser Zeit sowie die wachsende kapitalistische Krise trafen das städtische Kleinbürgertum und die Bauern genauso wie Arbeiter. Je tiefer die Krise des Kapitalismus wurde und die sozialdemokratische und später stalinistische Führung der Arbeiterbewegung einen revolutionären Ausweg versperrte, desto mehr wandte sich das Kleinbürgertum reaktionären und faschistischen Ideen und Parteien zu.

Auch der politische Reformismus im Gewand der SPD geriet selbst in eine tiefe Krise. Das Kapital und Junkertum konnten keine Zugeständnisse mehr machen. Ihnen ging es darum alle Überreste der Deutschen Revolution zu beseitigen. Für die Arbeiterklasse blieb ein einziger Ausweg aus der Krise: die bewusste Aktion der werktätigen Massen.

Um sich vor einer drohenden sozialen Revolution zu schützen und alle Errungenschaften der Revolution von 1918 vollständig zu zerschlagen, brauchte das Kapital mehr als einen bürgerlichen Staatsapparat. Bereits vor 1933 erhielt die faschistische NSDAP massive Geldspritzen von Kapitalisten. Auch die Wacker Chemie AG in Burghausen zählte zu denjenigen, die lange vor dem Machtantritt Hitlers die NSDAP finanziell unterstützten. Die herrschende Klasse setzte damals bewusst faschistische Trupps ein, um eine Revolution zu unterbinden, die Arbeiterklasse zu atomisieren und ihre Organisationen zu zerschlagen. Alles für den Profit. Nur zu oft wird das bewusst weggelassen.

Den Widerstand nicht vergessen

Aber nicht nur der bewusste Einsatz des Faschismus von Kapital und Staat als Werkzeug zur Niederschlagung allen Fortschritts – der Revolution – wird aus den Schulbüchern gestrichen. Vergessen wird auch die lehrreiche Geschichte des Widerstandes. Jede Phrase in Schulen oder Vorträgen, der Faschismus sei widerstandslos von der Gesellschaft angenommen worden, ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die sich von Anfang an dagegen gestellt haben.

Oft werden uns lediglich Aktionen von Individuen vor Augen geführt, die während des Krieges Gefangene in Konzentrationslagern befreiten oder über die Gräueltaten aufklärten. Natürlich sind solche Taten richtig und wichtig, dennoch wird dabei ein vollkommen falsches Bild der damaligen Zeit vermittelt. Es lässt uns glauben, Faschismus sei etwas, was man aufklären könnte, etwas, was mit einer persönlichen Einstellung zu tun hätte, und dass wir als Individuen handeln müssten, dann wäre die Welt schon wieder in Ordnung.

Tatsächlich aber lehrt uns die Geschichte anders. Egal, ob es der Kapp-Putsch 1920 war, welcher durch den größten Generalstreik deutscher Geschichte hinweggefegt worden ist, oder die Aktionen Burghauser Kommunisten und Sozialdemokraten. Die Geschichte lehrt uns, gemeinsam sind wir stärker und vereint sind wir eine Waffe.

So war es für die NSDAP in Burghausen bis zur Machtübertragung an Hitler nicht möglich Veranstaltungen abzuhalten, da diese bei einem solchen Versuch mit einer bewussten Aktion von kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeitern rechnen mussten. Der Versuch der NSDAP im Hotel Glöcklhofer eine Veranstaltung abzuhalten, wurde von Kommunisten und Sozialdemokraten den Burghauser „Hofberg“ heruntergefegt.

Aber auch nach dem Machtantritt der Faschisten wurde Widerstand geleistet: Als die Hakenkreuzflagge im Zuge der Gleichschaltung der Länder auch im Burghauser Rathaus gehisst werden sollte, stellten sich gut ein Dutzend Kommunisten in den Weg und verhinderten das Hissen. Lediglich das Anrücken der Landespolizei konnte die Maßnahme durchsetzen. Auch kurz vor dem Einmarsch in Polen hatten Arbeiter Pläne geschmiedet, die kriegswichtigen Betriebe der Wacker Chemie in die Luft zu sprengen. Dies hätte Protestwellen durch ganz Deutschland jagen können!

Aus Fehlern lernen

Natürlich leugnen wir nicht, dass es allerlei Fehler im Kurs der Parteiführungen von KPD und SPD gab. Heranziehen lassen sich beispielsweise die dogmatische Auffassung der KPD, die SPD sei „sozialfaschistisch“ gewesen. Gerade die Blockade einer Einheitsfront gegen den Faschismus von SPD und KPD war ein zentraler Grund für den Sieg der Faschisten und des deutschen Kapitals. Die fatale Einschätzung der SPD, der Faschismus regiere nur paar Jahre und man müsse ihn ausharren, kostete unzählige Leben.

Deshalb gilt es aus der Geschichte zu lernen. Sie kann uns Fehler und Erfolge zeigen und dadurch eine Anleitung liefern, wie Faschismus zu bekämpfen ist. Eben aus genau demselben Grunde braucht Burghausen ein Mahnmal, welches an die Einheitsfront und alle Widerständler erinnert. Es ist nämlich die Arbeiterklasse und all ihre Kämpfer, die als einzige Würdenträger hervorgehen.

Keine bürgerliche Partei stellte sich gegen Hitlers Diktate, kein Kapitalist dachte an Lieferstopps für kriegswichtige Gerätschaften; sie waren es nämlich selbst, die den Faschismus gebaren und seine Diskriminierungen bis heute bewusst zur Spaltung unserer Klasse verwenden. Eben deshalb kann nur die bewusste Aktion der werktätigen Massen und die sozialistische Revolution mit den kapitalistischen Phänomen Faschismus und Unterdrückung brechen. Erst wenn die Notwendigkeit der Spaltung fällt, stirbt die Diskriminierung!

Bis zum heutigen Tag gibt es für die Antifaschisten kein Gedenken in Burghausen. Und wenn es nach dem Kurs des sozialdemokratischen Bürgermeisters Florian Schneider geht, wird sich daran auch nichts ändern. Er begründet dies damit, dass Burghausen bereits viele Gedenkorte hätte. Zwar stimmt es, dass es einen Friedhof für 253 ermordete KZ-Häftlinge gibt sowie ein Mahnmal für die Opfer und Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, Stolpersteine und eine Gedenktafel für die Gefallenen der Freiheitsaktion Bayern. Aber es sind auch eine Gedenktafel und eine Straße zu finden, die wenig mit lebendigem Antifaschismus zu tun haben. Erstere ist im Wöhrsee-Bad und huldigt zwei „für Deutschland“ gefallenen Soldaten und Schwimmer. Zweitere ist die Hermann-Hiller-Straße, zu welcher sich zwei historische Persönlichkeiten finden lassen. Einer war Mitglied in der Deutsch Nationalen Volkspartei mit gutem Kontakt zur NSDAP und die andere war selbst Mitglied in der NSDAP.

Trotz der Sturheit Schneiders, muss der Kampf um ein würdiges Gedenken weitergehen. Nicht nur in Form einer Gedenktafel, sondern umso mehr in der Form einer kommunistischen Organisation, die den Namen Haxpointner, Breu und allen Widerständlern gerecht wird. Deshalb werde aktiv!

 

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