Kategorie: Antifaschismus

Wolf im Schafspelz – die neue rechte Jugendkultur

Rechtsradikalismus ist nicht nur ein „ostdeutsches Problem“. Grade im Westen versuchen Neonazis unter Jugendlichen Fuß zu fassen.
Über rechte Schlägerbanden und wie man sie bekämpft sprachen wir mit Max Malkus (17), Landessprecher von [’solid] Nordrhein-Westfalen (Ortsgruppe Marl).



Die Zunahme der Zahl rechtsextremer Gewalttaten wird in den Medien gern als ostdeutsches Phänomen abgetan. Dabei formieren sich gerade auch im Westen und im Besonderen in NRW radikale Nazikader und Schlägertrupps und bedrohen linke Jugendorganisationen. Wie sieht die Neonaziszene in Westdeutschland aus?

Speziell in NRW formiert sich die sog. „neue“ Rechte, v.a. in den Städten Dortmund und Essen, was nicht wirklich mit Ostdeutschland verglichen werden kann. Während sich dort die Nazis oft mehr als „Skinheads“ verstehen, die „die Ausländer“ für ihr Schicksal verantwortlich machen, gehen die Nazis in NRW weiter. Sie übernehmen systemkritische Gedanken der „Altlinken“ und wandeln diese so ab, dass sie in ihr nationalsozialistisches Weltbild passen. Da sich anscheinend mit blankem Nationalismus nicht gut werben lässt, rückt vorgeheuchelter „Sozialismus“ und Antisemitismus mehr ins Zentrum ihrer Propaganda. Sie geben sich gerne „antikapitalistisch“ und kritisieren neben Tierversuchen auch die „imperialistische US- Regierung“.

Warum dieses Auftreten?

Vorbild hierfür stehen die „Autonomen Nationalisten“ (AN) und „Freien Kameradschaften“ um die Nazigröße Christian Worch, welche ihren Ursprung um 1990 in Berlin haben. Worch gehört heute zusammen mit Axel Reitz (Köln) und Thomas Wulff (Norddeutschland) zu den führenden Nazikadern in Deutschland und organisiert u.a. den Rudolf-Hess-Gedenkmarsch. Die AN sind nicht nur offen gewalttätig gegen jeden, der nicht so denkt wie sie, sie suchen auch Kontakt zu anderen rechten und nationalistischen Organisationen.

Vor allem in kleineren Orten, in denen es keine organisierten linken Strukturen gibt, weiten sie sich aus und unterwandern die „Dorfjugend“. Dabei bedienen sie sich Musik wie Hip-Hop oder Nazipunk um Jugendliche zu rekrutieren. Diese merken oft erst viel zu spät, dass sie in den Fängen von gut organisierten und finanziell unterstützten Neonazis stecken, aus denen sie nur noch sehr schwer raus kommen können. Der Naziaktivist Axel Reitz beschrieb diese Strategie:

„Diese ‚Autonomen‘ kopieren den Stil und die Aufmachung der linken Strukturen und von linken bisher agitierten Jugendkulturen, dabei werden die bekannten Symbole und Outfits mit unseren Inhalten besetzt und in unserem Sinne interpretiert. ... Mittels dieses Auftretens besteht die Möglichkeit sozusagen unerkannt, da dem bekannten Bild des ‚Faschisten‘ entgegen laufend, in die bisher von gegnerischen Lagern beherrschten Gebiete vorzudringen, politisch und kulturell. Graffitis sprühen, unangepasst und ‚hip` sein können nicht nur die Antifatzkes, sondern auch wir, damit erreichen wir ein Klientel welches uns bis dato verschlossen geblieben ist.“

Viele sehen Neonazis als Springerstiefel tragende Skinheads oder ewig gestrige Braunhemdträger. Die moderne Realität sieht aber offensichtlich auch anders aus.

Die Nazi-Modemarke Thor Steinar hat es vorgemacht: Der moderne Nazi muss nicht mehr Springerstiefel und Bomberjacke tragen, sondern kann seine rechte Einstellung auch mit vermeintlich „normaler“ Kleidung kundtun. Marken wie Thor Steinar u.a. vertreiben Kleidungstücke, die von normaler H&M-Ware kaum zu unterscheiden sind. Mensch erkennt diese Klamotten erst auf den zweiten Blick.

Oftmals sind Hemden mit Runen, „arischer“ Symbolik oder zweideutigen Schriftzügen geschmückt. Dabei muss klar sein, dass diese Kleidung gleichzusetzen ist mit dem Tragen von Hakenkreuzen und anderen offensichtlichen Nazisymbolen. Neben den ANs, die sich ganz im Stil der linken autonomen Bewegung schwarz kleiden, gibt es auch Kleidung für den Nazi-Rapper oder die Nazi-Popmusik-Hörerin. Mensch kann Nazis nicht mehr nur an ihrem äußeren Erscheinungsbild erkennen.

Mensch muss heutzutage aufpassen, die „alternative“ Rechte nicht mit Linken oder Punks zu verwechseln. Auch Symbolik der Linken (wie das Guevara-Konterfei) oder der Antifa werden von Rechten gezielt missbraucht. Dadurch wird versucht, „linke“ Modeströmungen auszunutzen, um Menschen, die mit einigen linken und rechten Theorien sympathisieren, für sich zu interessieren und die linken Traditionen in den Dreck zu ziehen. Die bürgerlichen Medien geben sich heute alle Mühe, links und rechts gleichzusetzen. Rechte Gewalttaten werden mit dem Verweis auf „Linksextremisten“ oftmals zusammenhanglos relativiert. Nazis versuchen auch sog. „Querfronten“ aufzubauen. Aktionen und Kampagnen von links werden kopiert oder unterlaufen. So planen Nazigruppen z.B. sich den Protesten gegen den G8-Gipfel anzuschließen.

Wie schon in den 1920er Jahren haben Neonazis auch heute oft reiche Hintermänner und gute versteckte Beziehungen nach oben.

Obwohl sich viele AN-Gruppen nach außen von der NPD distanzieren, könnten sie ohne die finanzielle Unterstützung altbekannter Faschisten und Parteigelder nicht existieren und Mittel für ihre Aktivitäten oder auch Strafverteidiger aufbringen. Typen wie der Rechtsanwalt und Millionär Jürgen Rieger, selbst u.a wegen Volksverhetzung mehrfach vorbestraft, halten die Bande zwischen Parteisoldaten und Straßenkämpfern aufrecht und unterstützen nach Ansicht von Kennern der Szene beide Organisationsstrukturen gleichermaßen. Durch Mittel wie z.B. durch „Ferienlager“ schaffen es Kameradschaften, neue Mitglieder zu rekrutieren – Jugendliche aus sozialen Brennpunkten, aber auch solche aus gutbürgerlichem Hause.

Anscheinend sind sich alle Parteien im Bundestag einig, Neonazismus Einhalt gebieten zu wollen. Was ist dran am vermeintlichen Antifaschismus von CDU, FDP, SPD und Grünen?

In meinen Augen handelt es sich bei den Lippenbekenntnissen der Parteispitzen nicht um Antifaschismus, sondern lediglich um kalkulierten Stimmenfang. Darauf können wir uns nicht verlassen. Wenn in Zukunft die Notwendigkeit bestünde, für eine regierungsfähige Mehrheit die NPD mit ins Boot zu holen, dann wäre dies für einige dieser Parteien sicherlich eine Überlegung wert. Doch auf so etwas warten heute noch Maßregelungen und potentieller Stimmenverlust; „Antifaschismus“ verkauft sich einfach noch besser.

Dass aber vor allem die aktuelle Politik in Deutschland Nazis in die Hände spielt, darf nicht vergessen werden. Gerade CDU/CSU bieten Platz für „vaterlandsliebende“ ausländerfeindliche Stammtischdeutsche. 2005 ging der CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche in Sachsen mit der Parole „Arbeit-Familie-Vaterland“ auf Stimmenfang. Das erinnert an Parolen der Nazis in der Weimarer Republik. Auch in subtilerer nationalistischer Propaganda wie der Kampagne „Du bist Deutschland“ steckt allerdings eine Gefahr, für die wir die Bevölkerung sensibilisieren müssen.

Wenn rechtsradikale Schläger die Arbeiterbewegung und linke Jugendgruppen terrorisieren, dann reicht es nicht aus, nur die „besseren Argumente“ parat zu haben. Wir brauchen handfeste Vorbereitungen zur Verteidigung unserer Organisationen und Veranstaltungen. Welche Maßnahmen und welche Taktik schlägst Du vor?

Zwar kann man allein auf die Polizei vertrauen, doch zeigt es sich immer wieder, dass die Polizei im Zweifelsfall antifaschistische Demonstranten eher bedrängt als beschützt. Nazis sind heute nicht zimperlich. Jeder, der heute aktiv alternative oder linke Politik macht oder machen will, muss sich im Klaren darüber sein, dass er eine Zielscheibe für Neonazis ist. Der linke Jugendliche und der linke Demonstrant können sich jedoch im Gegensatz zum Bundestagsabgeordneten keinen Bodyguard leisten. Wir können keine Massenveranstaltung mit linken Inhalten mehr präsentieren, ohne entweder einen eigenen Wachsschutz zu stellen oder ausreichend Polizei anzufordern.

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