Kategorie: Antifaschismus

Niederlande: Die Rolle des Rechtspopulisten Geert Wilders

Interview mit Zowi Milanovi, Redaktion der niederländischen marxistischen Website Vonk (www.vonknl.org) über die neue Rechtsregierung und die Rolle des Rechtspopulisten Geert Wilders.
Die neue niederländische Regierung besteht aus der rechtsliberalen VVD und der christdemokratischen CDA und wird von der rechtspopulistischen PVV ("Partei für Freiheit") unter Geert Wilders toleriert.




Es gibt eine neue Mitte-Rechts-Minderheitsregierung in den Niederlanden. Wer sitzt da drin? Was hat sie für ein Programm? Auf welche Angriffe müssen sich Arbeiter, Jugendliche, Rentner etc. gefasst machen?

Das Programm der neuen Regierung konzentriert sich in erster Linie auf innere Sicherheit, ein härtere Gangart gegenüber Migranten und Sparmaßnahmen, wohingegen es keine Maßnahmen gegen diejenigen geben wird, die die Krise überhaupt erst verursacht haben.
Das Ironische dabei ist jedoch, dass die traditionellen Volksparteien Wilders Unterstützung brauchten, um die Mehrheit zu erlangen, dass aber gerade durch seine Beteiligung die schwerwiegendsten Sparmaßnahmen vorerst nicht durchgesetzt werden.
Aber es wird sicherlich Sparmaßnahmen geben. Der Gesundheitsbereich wird teurer, Arbeitern im öffentlichen Dienst wird ein Lohnstopp bevorstehen, und die Sozialhilfe für die unteren sozialen Schichten wird auch gesenkt werden. Die Studenten werden die “Master”-Studien aus eigener Tasche finanzieren müssen, wobei der Master den teuersten Teil des Studiums ausmacht.

Im Übrigen wird die neue Regierung an der Kultur sparen. Ganze Orchester werden sich auflösen müssen, Museen werden teurer. Teil dieser kulturfeindlichen Haltung ist außerdem eine Offensive gegen die öffentlichen Medien. Besonders Geert Wilders hängt den öffentlichen Medien das Image von “Staatskanälen einer linken Elite” an, während die privaten Medien um Vieles besser seien. Es wird aber nie erwähnt, dass private Medien im Besitz weniger Medienmogule sind, die leicht die öffentliche Meinungen kontrollieren und manipulieren können, während öffentlich-rechtliche Medien zumindest noch an formal demokratischen Vorgehensweisen festhalten.

Wie stabil kann eine Regierung sein, die vom eigentlichen Wahlsieger Geert Wilders und seiner Partei PVV (Partei für die Freiheit) abhängig ist?

Diese Regierung wird nicht sehr stabil sein. Aber die letzte war es auch nicht.
Dennoch könnte sie sich eine Weile halten, da die PvdA (sozialdemokratische Partei) nicht einen direkten Konfrontationskurs einschlagen will. Die niederländische herrschende Klasse will eine Regierung, die damit anfängt, Sparmaßnahmen durchzuführen.
Wegen Wilders momentaner Popularität müssen sie ihn nun akzeptieren. Jedoch wird das die Regierung auch nicht weiter stabilisieren. Für Maßnahmen, die im Widerspruch zu Wilders' Ideen stehen, müssen sich die Regierungsparteien dann auf andere Parteien im Parlament stützen.
Ein weiterer Faktor für die Instabilität ist die CDA. Traditionell gesehen war diese christdemokratische Partei die stabilste in der niederländischen Politik, aber der Pakt mit Wilders hat zu einer innerparteilichen Krise geführt, da eine beachtliche „linke“ Minderheit in der Partei gegen die Kooperation mit Wilders war. Im Moment gibt es zwei oder drei CDA-Abgeordnete, die ein Hinderniss für die Regierung darstellen könnten.
Aber es wird ein so gewaltiger Druck auf sie ausgeübt, dass sie sich der Regierung nicht entgegenzustellen wagen. Wie lange sich die Regierung letzten Endes halten wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, aber im Grunde ist und wird sie auch nicht stabil sein.

Vor einigen Jahren gab es die Bewegung um Fortuyn. Was genau verkörpert Wilders und wie ist seine Bewegung entstanden?

Wilders Partei unterscheidet sich von Fortuyns LPF. Fortuyn, ein früherer Linker,
hat tatsächlich eine neue Partei um seine eigene Person gegründet.
Dies zog verschiedene Schichten an, unter anderem eine ganze Schicht von Karrieristen, die sich in den traditionellen Parteien nicht heimisch fühlten, und eine Schicht, die „Pims Programm“ fast als eine Art religiösen Kult ansah und realisieren wollte.
Nachdem Pim Fortuyn ermordet wurde, gingen sie in die neue Regierung, doch infolge des ewigen Zwistes um Positionen und um das, „was Pim wirklich wollte“ (was stark an maoistische Sekten erinnert), brach das ganze Projekt zusammen und ein paar Jahre später löste sich die Partei auf.

Wilders PVV ist anders. Sie ist eine Partei mit nur einem Mitglied, Geert Wilders. Es scheint, er habe diesen Aufbau bei dem israelischen ultrarechten Politiker Liebermann abgeschaut. Es gibt keine innerparteiliche Demokratie, Wilders entscheidet einfach alles. Selbst die Abgeordneten seiner Partei sind formell keine Mitglieder.
Wilders selbst war Mitglied der VVD, aber der Mord an dem niederländischen Filmemacher Theo van Gogh im Jahr 2004 durch einen islamistisch-fundamentalistischen Niederländer marokkanischer Abstammung brachte ihn auf einen anti-islamistischen Kurs. 2006 errang seine „Partei“ schließlich erstmals neun Sitze im Parlament.

Woher kommen der Erfolg und die Popularität Wilders? Er fordert einen Einwanderungsstopp für Muslime und die Kürzung der Sozialhilfe für neue Immigranten. Seine Parolen ähneln denen von Sarrazin in Deutschland. Überall in Europa werden rechte Parteien, die gegen Moslems und den Islam wettern, stärker. Warum stoßen in der gegenwärtigen politischen und sozialen Situation solche Parolen auf große Akzeptanz in der Gesellschaft?

Wilders fing als konservativer Rechter an, und hatte zunächst ein extremes Programm für den freien Markt. Später hat sich das geändert. Denn Wilders, ein echter Abenteurer, rückte in seinem Wirtschaftsprogramm weiter nach „links“, während er aber zur gleichen Zeit eine Kampagne gegen die „linke Elite“ und „ihre“ Migranten führte. So konnte er Zustimmung in einigen Schichten der weißen Arbeiterklasse finden, insbesondere in den ärmeren Schichten, die mit vielen Emigranten in ihrem Wohngebiet zusammen leben. Im Allgemeinen häufen sich in diesen Wohngebieten die größten Probleme. Im Kern sind es soziale und wirtschaftliche Probleme.
Wilders schiebt sie einfach auf die Migranten, insbesondere auf die islamischen, was in den Niederlanden in den meisten Fällen Marokkaner bedeutet. Weiße Arbeiter in solchen Stadtvierteln fürchten die marokkanische Jugend. Unter den Jugendlichen herrscht eine hohe Quote an Schulabbrechern, überdies eine dreimal so hohe Arbeitslosigkeit wie im Durchschnitt, und viele schließen sich Jugendbanden an.
Wilders versucht zynischerweise dies auszunutzen, indem er die „islamischen Gewaltkultur“ anprangert und Vergleiche mit dem Terrorismus zieht.
Diese Formel scheint zu wirken. Aber ein sehr wichtiger Faktor ist auch die Haltung der linken Parteien. Sie bieten keine wirkliche Alternative, sie erklären auch nicht die sozialen Ursprünge der gesellschaftlichen Probleme.
Ich kenne mich in der deutschen Demographie nicht aus, aber Sarrazin, Stadtkewitz und die ständigen Äußerungen der CSU über arabische und türkische Emigranten deuten an, dass es ähnliche Probleme gibt. Die linken Parteien müssen eine klare Position in dieser Sache beziehen.

Als Wilders kürzlich in Berlin auftrat, gab es eine Gegendemo der Antifaschisten? Ist Wilders ein Faschist? Wird Wilders in den Niederlanden inzwischen als „normal“ und „salonfähig“ akzeptiert?

Nun, Wilders wird nicht als normal oder salonfähig gesehen. Aber ein Faschist ist er auch nicht. Es ist nur logisch, dass gegen seine Ideen protestiert wird, aber er ist kein Faschist.
Wilders will auch keine Leute mobilisieren. Er ist ein Populist, und will, dass man ihn wählt, damit er die Probleme in Ordnung bringt. Er ist ein Abenteurer, und will die totale Kontrolle, um faschistische Elemente aus seiner Partei fern zu halten.
Er stellt sich immer als Opfer dar. Sobald seine Partei mit Gewalt in Verbindung gebracht wird, wäre das Ende seiner Opferrolle besiegelt.

Woran lag es, dass die SP der Niederlange von 25 auf 14 Sitze absackte? Was waren die Hauptwahlkampfslogans der Partei?

Die SP kündigte 2006 an, dass sie in eine Koalition ginge. Das hat nicht funktioniert. Seitdem ist die Partei leider aus dem Rampenlicht verschwunden. Der Hauptgrund dafür ist, dass die SP eine respektable Parlamentspartei werden wollte. Ideologisch näherte sich die Partei aber immer mehr der PvdA an und wurde zu einer zweiten Sozialdemokratie, was nicht sonderlich hilfreich war. Ihr einzigartiger Charakter bestand darin, dass die SP eine wirkliche Massenpartei war und auch außerparlamentarisch und auf kommunaler Ebenen tätig war. Sie war eine Protestpartei. Jetzt hat sich Wilders die Fackel der Protestpartei angeignet.

Was kann die Linke dagegen tun? Wie reagierte die SP im Wahlkampf auf Wilders Propaganda?

Immerhin hat die SP nicht gleich Wilders PVV denunziert und als böse Partei angeprangert, die unbedingt in einer All-Parteien-Front gestoppt werden müsse, sowie es die andren linken Parteien tun. Die Vorstellung einer Front aller Parteien gegen die PVV lassen Wilders Popularität und Opferrolle nur noch wachsen. Der Grund dafür ist, dass linke Parteien einfach versagt haben. Jahrelang waren sie zu allerlei Kompromissen bereit. Wilders sitzt nicht einmal in der Regierung, hat aber viel mehr von seinen Zielen erreicht als die Linken in den letzten 20 Jahren. Der „Ruck in die Mitte“ hat ihnen nicht geholfen. Die linken Parteien, und in erster Linie die SP, brauchen ein linkes, sozialistisches Programm. Sie müssen die wahren Gründe der Krise in der Gesellschaft aufzeigen. Wenn die linken Parteien eine Alternative bieten, dann werden die Leute Wilders durchschauen, denn er bietet keinen wirklichen Ausweg aus den Problemen der niederländischen Bevölkerung an. Die Situation ist polarisiert, aber nur die Rechten scheinen das zu verstehen.

Du hast mal geschrieben, dass man die rassistische, islamfeindliche Propaganda nicht mit einer Annäherung an die reaktionäre islamische Geistlichkeit, die Imame, bekämpfen kann. Machen viele niederländische Linke diesen Fehler?

Ja, sicher. Das ist auch eines der Probleme der linken Bewegung. Sie wissen nicht, wie sie den Kampf gegen die Diskriminierung mit dem traditionellen Kampf für eine säkulare Gesellschaft verbinden sollen. Sie haben Angst davor, Muslime zu beleidigen, indem sie die reaktionären Charakterzüge des Islam kritisieren. Dies hat zu einer sonderbaren Mischung aus linker Front und Islamismus geführt. Genau das wirft Wilders den Linken vor. In der Bewegung gegen Diskriminierung sind aber auch Islamisten aktiv, die die antisemitische Hamas anpreisen oder Homosexuelle hassen.
Die Bewegung sollte sich von diesen heuchlerischen Fanatikern lossagen, anstatt mit ihnen zu kollaborieren. Die PvdA in Amsterdam bezuschusste den Bau einer riesigen Moschee in Amsterdam West: Viele der Zuschüsse würden an Gruppen geleitet, die den „religiösen Dialog“ fördern sollten. Tatsächlich werden diese Gruppen aber von Islamisten geführt, die die Ungleichheit zwischen Mann und Frau propagieren. Diese Beispiele zeigen, dass die Linken dringend ihre Hausaufgaben machen müssen.

Wie sollen wir den Rassismus und seine Spielart des reaktionären Anti-Islamismus am besten bekämpfen?

Entscheidend ist, dass es eine linke Alternative gibt. In Deutschland gibt es die LINKE, und ich denke, das dort Potenzial drin steckt. Die Kunst besteht darin, nicht hysterisch zu reagieren, sondern die Argumente der rechten Populisten anzuhören und der arbeitenden Bevölkerung zu erklären, was die wirklichen Ursachen der Probleme sind, und wie man diese löst. Gleichzeitig sollte die LINKE für eine säkulare Gesellschaft kämpfen und keine Zugeständnisse an den reaktionären Islamismus machen. Schließlich können die Probleme aller Arbeiter in Deutschland, egal ob weiß, schwarz, jüdisch, muslimisch oder christlich, nur mit einem guten sozialistischen Programm gelöst werden.

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