Kategorie: Deutschland

„Volksparteien“ im Niedergang. LINKE legt wieder zu, aber kein Grund zum Jubeln

Der anhaltende Niedergang der beiden bisherigen „Volksparteien“ SPD und CDU und ein zweistelliges Ergebnis für die Rechtspartei AfD sind vorherrschende Merkmale bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen vom vergangenen Sonntag.


Vor dem Hintergrund einer wieder angestiegenen Wahlbeteiligung stürzten die beiden bisherigen Partner in der Stadtregierung auf historische Tiefststände ab – die SPD auf magere 21,6 Prozent und die CDU auf nur noch 17,6 Prozent. Wie führende SPD-Köpfe diesen „Sieg“ am Wahlabend noch feiern konnten, bleibt ihr Geheimnis. Für die Partei von Kanzlerin Angela Merkel ist ein Hauptstadt-Ergebnis deutlich unter 20 Prozent schlicht und einfach eine Katastrophe.

In früheren Jahrzehnten brachten es die beiden „Volksparteien“ in Bund und Ländern in der Summe stets auf eine fette absolute Mehrheit mit Werten von über 70 oder gar über 80 Prozent. Jetzt werfen in Berlin SPD und CDU zusammen keine 40 Prozent mehr in die Waagschale. Die „Große Koalition“ ist klein und geschrumpft. Dieser Prozess ist auch europaweit in vollem Gange, weil die kapitalistische Krise die Massenbasis der traditionell großen, das System tragenden Parteien aushöhlt. Die Zersplitterung der politischen Landschaft drückt sich in Berlin auch darin aus, dass es „die Großen“ nicht mehr gibt und CDU, Grüne, LINKE und AfD mit Werten zwischen 17,6 und 14,2 Prozent fast gleich stark sind. Dass die FDP nach ihrer schmerzlichen Niederlage bei der Bundestagswahl 2016 jetzt wieder Aufwind verspürt, überrascht uns nicht. Die herrschende Klasse braucht auch künftig eine solche Partei zur Durchsetzung ihrer Interessen und wird sie finanziell weiter am Leben halten, vor allem auch angesichts der Erosion der bisherigen „Großen“.

Mit 15,6 Prozent hat die LINKE gegenüber der letzten Berliner Wahl wieder prozentual und absolut deutlich zugelegt. Nach einer Serie von Niederlagen bei den letzten Landtagswahlen ein Lichtblick, Das Aufatmen vieler LINKE-Mitglieder ist überall zu spüren. Die Partei zieht in Berlin wieder kritische Jugendliche an, punktet mit Themen wie Wohnungsnot, Mietwucher und Bildungsmisere und wird als Vorkämpferin der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen. Sicher ist die starke Berliner Anti-TTIP-Demo am Tag vor der Wahl auch der LINKEN zugute gekommen. Aber ein Grund für Höhenflüge ist damit nicht gegeben. Schließlich beziehen sich die Zugewinne von 3,9 Prozent auf die letzte Wahl im Jahre 2011. Damals wurde die LINKE nach zehn Jahren als Junior- und Koalitionspartner der SPD im Senat, der Berliner Stadtregierung, vom Wahlvolk gnadenlos abgestraft. Davon hat sie sich teilweise wieder erholt. Die jetzt errungenen 15,6 Prozent liegen nur um ein knappes Prozent über dem langjährigen Durchschnittswert für die LINKE bzw. die Vorgängerin PDS bei allen Gesamtberliner Wahlen von 1990 bis 2011. Rekordwerte erreichte die Partei 1999 mit 17,7 Prozent und 2001 mit 22,6 Prozent. Auch bei den letzten Bundestags- und Europawahlen hatte die LINKE in Berlin bessere Ergebnisse als am vergangenen Sonntag.

Bei der Betrachtung der Ergebnisse für die „Sonstigen“ fällt auf, dass wie schon vor zwei Wochen in Mecklenburg-Vorpommern das Potenzial der Neonazi-Partei NPD weitgehend von der AfD aufgesogen wurde. Die Piratenpartei ist von 8,9 auf 1,7 Prozent abgestürzt – für uns alles andere als überraschend – und ihre Aktiven laufen in alle Richtungen davon. Im linken Spektrum blieben vermeintlich „revolutionäre“ Listen bedeutungslos. 0,2 Prozent für die DKP, die in Berlin seit vielen Jahren immer wieder den gemäßigt-reformistischen LINKE-Landesverband herausfordern möchte, sind eine eiskalte Dusche.

Nach der Wahl stehen jetzt offensichtlich die Zeichen in Berlin auf „Rot-Rot-Grün“. Laut Umfragen ist dies die Konstellation mit der höchsten Zustimmung in der Bevölkerung. Der Berliner LINKE-Landesverband strebt zurück in die Regierung. Die herrschende Klasse scheint sich damit abgefunden zu haben. Gregor Gysi sieht diese Konstellation als Modell für den Bund nach der Wahl 2017.

Wir können von diesem Weg nur abraten, weil sich DIE LINKE damit höchstwahrscheinlich wieder diskreditieren würde. Die SPD hat am Montag unter dem Druck der Konzerne und des Apparats um Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel CETA abgesegnet und in Berlin stehen aller Voraussicht nach Sparhaushalte an. Im Bund müsste die LINKE als Preis für Ministersessel die bisherige Bündnis-, Kriegs- und Außenpolitik schlucken. Damit hat sich in Italien die Kommunistische Partei PRC demontiert und überflüssig gemacht.

Eine fortschrittliche Alternative: SPD und Grüne zur Bildung einer Minderheitsregierung auffordern und den Antritt dieser Regierung ermöglichen, damit sie zeigen, was sie können. Aber als LINKE auf keinen Fall in die Regierung gehen und sich einer Koalitionsdisziplin unterwerfen, sondern vor allem außerparlamentarische Mobilisierung betreiben. Alles Fortschrittliche an der Politik dieser Minderheitsregierung unterstützen, und seien es auch noch so kleine Verbesserungen. Alles Reaktionäre offen, deutlich und scharf kritisieren. Und vor allem eine klare Alternative jenseits des Kapitalismus aufzeigen. Damit können wir letztlich auch der AfD das Wasser abgraben. Die Zeit ist reif.

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