Kategorie: Deutschland

Rückblick G20: Gezielte Eskalation - der Staat rüstet auf

Rund um die G20 Proteste Anfang Juli 2017 kam es zu massiver staatlicher Repression, zeitweise wurden demokratische Grundrechte einfach ausgehebelt. Von Anfang an fuhr die Polizei eine harte Linie: Ein vom Hamburger Verwaltungsgericht genehmigtes Aktivisten-Camp wurde von der Polizei geräumt. Diese gezielte Provokation trug maßgeblich zur Eskalation des Konfliktes bei.


Als sich bei der Welcome-to-Hell Demo eine Minderheit der Demonstranten vermummte, griff die Polizei die gesamte Demonstration an. Auch in den darauffolgenden Tagen trieb die Polizei, laut Berichten der Morgenpost, immer wieder friedliche Versammlungen mit Wasserwerfern und Reizgas auseinander. Als im Schanzenviertel die schlimmsten Krawalle tobten, sah die Polizei stundenlang tatenlos zu. Im Nachhinein betrachtet, ist es höchst zweifelhaft, dass unter den Randalierern vornehmlich linke Demonstranten waren: Bewohner berichteten von Hitlergrüßen, ein Laden mit Antifa-T-Shirts im Schaufenster wurde angegriffen.

Hunderte Videos belegen zahlreiche Falle von Polizeigewalt. Hunderten Journalisten wurde, illegalerweise, die Akkreditierung entzogen. Wieder einmal wurde klar: Die Prinzipien des Rechtsstaates gelten nur selektiv: Gegen die Gegner des bürgerlichen Staates soll der Rechtsstaat Härte zeigen, Rechtsverstöße des Staates selber werden vertuscht oder einfach geleugnet. Klassenjustiz nach den Protesten Ein besonders absurdes Beispiel ist der Fall des 18-jahrigen italienischen Fabrikarbeiters Fabio V. Dieser wurde am Rande einer Demonstration verhaftet.

Konkrete Straftaten kann die Staatsanwaltschaft ihm nicht vorwerfen, trotzdem weigerte sich der zuständige Richter Tully wochenlang, den jungen Italiener aus der U-Haft zu entlassen, Fabio müsse mit einer „empfindlichen Freiheitsstrafe“ rechnen. Wie Richter Tully zu diesem Wissen kommt, noch bevor der Prozess überhaupt angefangen hat, bleibt unklar.

Darüber hinaus bescheinigt ihm der wackere Verteidiger des Rechtsstaats Tully „Anlage- oder Erziehungsmangel“, als Grund einer „tief sitzenden Gewaltbereitschaft“. Fabio V. sei also genetisch ein Gewalttäter.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, auf das sich das Gericht bezieht, ist, wie die Verfassungsrichter klarstellen, auf politische Demonstrationen gar nicht anwendbar. Derselbe Richter Tully, der im Fall Fabio V. alles tut, um eine möglichst „empfindliche Freiheitsstrafe“ zu erreichen, sorgte im Sommer 2014 für den Freispruch zweier hochrangiger Manager der HSH-Nordbank, die wegen Untreue und Bilanzfälschung angeklagt waren. Das Urteil wurde zwar vom Bundesgerichtshof als „rechtsfehlerhaft“ bezeichnet, Tullys Karriere tat das aber keinen Abbruch. Der Vorwurf der Klassenjustiz ist weit entfernt davon, Geschwafel irgendwelcher Linksextremer zu sein, er ist bittere Realität.

Training für den Ernstfall

Die Polizeigewalt und der Fall Fabio V. haben wieder einmal bewiesen, dass der bürgerliche Staat nicht neutral über den Dingen steht, sondern sehr konkrete Interessen, nämlich die der herrschenden Klasse, vertritt. Die fürchtet, mit Blick auf die wirtschaftliche Lage und die politische Instabilität in anderen Ländern, auch in Deutschland eine neue Welle des sozialen Protests. In einer Studie der EU erklären über die Hälfte der 18 bis 34-Jährigen in Europa, sie wurden an einem großflächigen Aufstand gegen die Regierung teilnehmen. In Griechenland waren es 67%, in Deutschland immerhin 37%.

In der Folge der kapitalistischen Krise wächst weltweit die politische Polarisierung nach Links und Rechts. Der politische Status Quo ist tief erschüttert, die politische Mitte schwindet dahin. Unsere Analyse, dass die Bürgerlichen das wirtschaftliche Gleichgewicht nicht wieder herstellen können, ohne das soziale und politische Gleichgewicht zu zerstören, hat sich bewahrheitet.

Das Vorgehen des Staates rund um den G20 Gipfel war eine Vorbereitung auf noch kommende Erschütterungen. Mit einer gezielten Eskalationspolitik hat die Polizei die Bilder erzeugt, die sie brauchte, um ihr hartes Eingreifen zu rechtfertigen, den Sicherheitsapparat auszubauen und linken Protest mit Chaos und Zerstörung gleichzusetzen. Jetzt werden es sich kritische Jugendliche zweimal überlegen, ob sie durch die Teilnahme an einer Demonstration riskieren, von Polizisten verprügelt zu werden, hohe Gefängnisstrafen hinzunehmen oder ihr Foto landesweit bei einer Foto-Fahndung zu sehen (mit etwas Gluck landet man sogar auch als Minderjährige auf der Titelseite der BILD #KrawallBarbie).

Aktivisten, die mangels politischen Verständnisses und theoretischer Bildung ihre politische Hauptaufgabe in der größtmöglichen Eskalation mit der Polizei sehen, dienen den Strategen des bürgerlichen Staates als willige Statisten.

Anstatt Staat und Kapital zu schwachen, starken sie den bürgerlichen Staat und treiben einen Keil zwischen die arbeitenden Massen und die linke Bewegung. Doch wie sehr auch der bürgerliche Staat aufrüstet und sich durch die Anschaffung immer modernerer Wasserwerfer und Polizeipanzer in Sicherheit wiegt – kein System der Welt kann auf ewig seinen inneren Widersprüchen stand halten.

Die besten Polizeiapparate der Welt verhindern keine Revolutionen, sie ziehen höchstens ihren Sieg in die Lange und machen den Konflikt blutiger. Weder der russische Polizeiapparat unter Nikolaus dem Blutigen, noch das Ancien Regime eines Ludwig XVI. oder die Polizeidiktatur eines Mubarak, konnten die revolutionären Massen am Sieg hindern.

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