Kategorie: Deutschland

Wohnungsmarkt in Waldkraiburg: „Riesenchance“ für Kapitalisten

Auch während der Corona-Pandemie sind bundesweit die Mieten rasant angestiegen. Auch die südostbayerische Stadt Waldkraiburg ist davon nicht verschont geblieben. Dort werden so gut wie keine Sozialwohnungen mehr gebaut, Immobilienhaie sehen darin eine „Riesenchance“. Was dagegen tun?

Bild: Rasande Tyskar, flickr


In der Nachkriegszeit war die neugegründete Stadt Waldkraiburg bekannt für die massive Ausweitung von öffentlich gefördertem Wohnraum. So wurden unter dem ersten Bürgermeister Hubert Rösler – mit starker SPD-Dominanz im Gemeinderat – bis Mitte der 1960er-Jahre von 2815 neu errichteten Wohnungseinheiten 1607 mit Sozialbindung erbaut, also 57 Prozent. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Von beispielsweise 900 neu geplanten Wohnungen soll keine genossenschaftlich, gar staatlich sein.

Der Artikel 106 der Bayerischen Verfassung besagt: „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung“. Ferner heißt es: „Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden“. Bekanntlich aber entspricht beides nicht der Realität. Auf mehreren Ebenen wird deutlich, wie die herrschende Politik den sozialen Kahlschlag im Wohnungsmarkt ermöglicht: Der jetzige Ministerpräsident Bayerns Markus Söder einerseits, der noch in seiner Rolle als Finanzminister vor wenigen Jahren 33.000 landeseigene Wohnungen an eine private Investorengruppe verkauft hatte – oder Waldkraiburgs Bürgermeister Robert Pötzsch andererseits, der mit den Stadtratsfraktionen den privaten Wohnungsbau fördert und somit die Verelendung der Arbeiterklasse vorantreibt.

Übereinstimmenden Medienberichten zu Folge sollen auf dem ehemaligen „Peters-Gelände“ in der größten Stadt im Chemiedreieck 900 „bezahlbare Wohnungen“ entstehen. Doch der Schein trügt. In einem Interview mit den Waldkraiburger Nachrichten gab der Bürgermeister Robert Pötzsch (UWG) bekannt, dass der „Stahlbaron“ Max Aicher das 3,5 Hektar große Peters-Gelände gekauft habe. „Nicht als Spekulationsobjekt“, wie Pötzsch meint, sondern „als Riesenchance, dieses Gelände, das nicht zu den schönsten Ecken Waldkraiburgs gehört, zu entwickeln.“ Des Weiteren machen die Investoren Druck, sie „wollen nicht ewig warten“, diese „Riesenchance“ in Angriff zu nehmen.

Hohe Mieten vorprogrammiert

In der Tat, das wird eine „Riesenchance“. Nicht aber für den Metallarbeiter in der EMG oder für die Penny-Markt-Kassiererin. Herr Aicher wird sich mit seinen Investoren freuen, wenn die Stadtverwaltung mit Unterstützung der bürgerlichen Stadtratsfraktionen einen gemeinsamen Plan vorlegt, um den privaten Wohnungsbau noch mehr voranzutreiben: Als möglicher Immobilienhai stünden ihm viele „Entwicklungschancen“ zur Verfügung, um in den 900 geplanten Wohnungen mittels hoher Mieten ein Geschäft zu machen. Das Geschäftsmodell von Deutsche Wohnen oder Vonovia zeigt, dass hohe Mieten eine lukrative Einnahmequelle für Aktionäre und Investoren zu Lasten der Bewohner sind. Dass von den knapp tausend Wohnungen keine einzige eine Sozialbindung haben soll, spricht für sich, dass dieses Geschäftsmodell zur „Riesenchance“ wird.

Dass nicht nur das Peters-Gelände ein Grund für das Explodieren der Mietpreise sein wird, zeigt auch ein anderes „Entwicklungsfeld“ der Stadt auf: Im großen Stil sollen zeitgleich 103 Baugrundstücke in einem Waldstück an der westlichen Stadtgrenze für den privaten Wohnungsbau freigegeben werden. Wie der Stadtrat Mitte November einstimmig mit Stimmen von AfD über CSU bis GRÜNE beschlossen hatte, sollen die „sozialverträglich“ vergebenen Baugrundstücke „jungen Familien“ zugutekommen.

Jedoch muss vergegenwärtigt werden, dass sich mittlerweile die meisten der jungen Familien keinen Neubau einer Einfamilienwohnung im Speckgürtel Münchens leisten können. Nicht verwunderlich ist ebenso das andere: Keine der „sozialverträglichen“ Baugrundstücke soll eine genossenschaftliche bzw. sozialgeförderte Wohneinheit beinhalten. Nicht nur am Peters-Gelände, sondern auch an der Stadtgrenze wird am Geschäftsmodell privater Wohnungsbau weiterhin festgehalten. Dass die Mieten dadurch noch weiter steigen werden, ist logische Konsequenz und wird von den Stadtratsfraktionen ungerne zur Kenntnis genommen sowie verschwiegen.

Durchschnittlich betrug im Jahre 2013 die Miete einer 60m² Mietwohnung in Waldkraiburg bei 5,63 Euro pro Quadratmeter. Sieben Jahre später lag er bereits bei 8,24 Euro, also eine Preissteigerung von knapp 32 Prozent. Wer nicht für die CSU oder UWG ein Stadtratsmandat innehat (die meisten Stadträte sind Geschäftsführer, Manager oder Verwaltungsleiter) oder in einer Waldkraiburger Fabrik eine führende Position einnimmt, für den war es umso unwahrscheinlicher eine Gehaltssteigerung von mehr als 32 Prozent in den letzten sieben Jahren zu erhalten. Die Feststellung liegt nahe, dass Arbeiterinnen und Arbeiter in Waldkraiburg zunehmend verelenden – aber nicht nur sie:

Schon Friedrich Engels stellte in „Zur Wohnungsfrage“ fest, dass neben Arbeitern ebenso das Kleinbürgertum von extrem steigenden Wohnkosten betroffen sind. Viele Neu-Waldkraiburger, die sich z.B. als Ingenieure oder Beamte die Mieten in München nicht mehr leisten können und dementsprechend die „Riesenchance“ Waldkraiburg zur Kenntnis nehmen, müssen feststellen, dass ihre schlappen Gehaltserhöhungen dem stetig steigenden Mietpreisen nicht entgegnen können. Die explodierenden Sprit-, Heiz- und Lebensmittelkosten sind nicht miteinkalkuliert.

Für eine sozialistische Wohnungspolitik!

Ob in Berlin, Hamburg, München oder Waldkraiburg: Die Wohnungsfrage ist eine Klassenfrage. Wer reich ist, erwirbt mehr Wohnungen, um damit Profitmöglichkeiten zu entwickeln, oder kauft Aktien bei Deutsche Wohnen oder Vonovia. Wer arm ist, wird von der herrschenden Klasse ausgebeutet und muss ständig Mieterhöhungen stemmen, die mittelfristig nicht gedeckt werden können. Die bundesweit ansteigenden Mietpreise sind Resultat jahrzehntelanger Politik zu Gunsten der Immobilienhaie und -konzerne. Die Mietpreisbremse war ein Tropfen auf dem heißen Stein, Reförmchen im kapitalistischen Wohnungsmarkt helfen nicht weiter.

Die neue Ampel-Bundesregierung versprach in ihrem Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ den Neubau von 400.000 Wohnungen jährlich. Jedoch nur 100.000 davon sollen öffentlich gefördert sein, wenn überhaupt: Die Sozialbindung hunderttausender Sozialwohnungen wird in den nächsten Jahren ablaufen. Keine der Ampel-Parteien hat Interesse, die Sozialbindung auch darüber hinaus aufrechtzuerhalten. Realistisch betrachtet würde dann der bundesweite Bestand an Sozialwohnungen noch weiter sinken, während der private Wohnungsbau exzessiv vorangetrieben wird. Anscheinend wird nicht der „Fortschritt“, sondern der „Rückschritt“ gewagt! Es braucht radikalere Ansätze zur Überwindung der Wohnungsproblematik!

So ist das Bündnis zur Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. ein Schritt in die richtige Richtung. Die Mehrheit der Berliner Bevölkerung stimmte für die Überführung vom profitorientierten Wohnraum in öffentliches Eigentum. Solch ein Schritt ist nicht nur für Berlin, sondern auch für Städte in Bayern: München, Nürnberg, Ingolstadt oder Waldkraiburg notwendig. Es braucht im Bayerischen Chemiedreieck ein Bündnis aus Arbeiterparteien, Gewerkschaften und Sozialverbänden, um die kapitalistische Wohnungspolitik von Pötzsch, UWG, CSU und Co. ein für alle Mal zu beenden. Das ist eine „Riesenchance“!

Wenn Du von der Problematik betroffen bist und dich für eine sozialistische Lösung der Wohnungsfrage einsetzen möchtest, schreib uns auf Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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