Kategorie: Deutschland

Keine Sicherheit in Sicht: Marxistischer Kommentar zur Münchener Sicherheitskonferenz

Vom 6. bis 8. Februar 2009 trafen sich, wie jedes Jahr, NATO-Politiker in München, um die Zukunft des Bündnisses zu besprechen. Viel war dieses Mal davon die Rede, dass die NATO im 60. Jahr ihres Bestehens von einem Verteidigung- zu einem Sicherheitsbündnis umgestellt werden soll. Während die Welt mit jedem Tag gefährlicher wird, versuchen diese Herrschaften der Welt weiszumachen, dass die NATO ein Garant des Friedens und der Wohlfahrt der Völker ist. Hinter diesem Geschwätz verstecken sich aber nur die konkreten Interessen verschiedener imperialistischer Mächte.



Imperialismus in der Sackgasse

Es ist klar, dass sich der Imperialismus zurzeit in der Krise befindet. Das System parasitärer Kapitalakkumulation, gerne als Neoliberalismus bezeichnet, befindet sich im freien Fall. Nationale Lösungswege werden die Krise verschlimmern und vertiefen sie bereits. Der Kampf um Einflusssphären, Absatz- und Rohstoffmärkte führt zu gefährlichen Situationen, ob Raketenstationierungs-Wettlauf in Mittelosteuropa, Tibetfrage oder Kaukasuskrieg. Die Armut der Menschen auf der Welt, hervorgerufen durch imperialistische Geschäftemacherei, führt zu progressiven (Lateinamerika) und reaktionären (islamischer Fundamentalismus) Bewegungen gegen das neokoloniale Welt-Regime des Nordens (und der Eliten einiger Schwellenländer) über den Süden. Über zehn Jahre angestrengter Kampf gegen reaktionären Islamismus einerseits und fortschrittliche Revolte in Lateinamerika andererseits hat sein Ziel nicht erreicht. Die Kräfte der barbarischen Revolte wachsen ebenso wie die Hoffnung der Menschheit, den Kapitalismus überwinden zu können.

Die Kapitalisten stehen vor den Trümmern ihrer Politik: Ökonomisch, politisch, moralisch. Als Speerspitze dieser gescheiterten Politik stehen insbesondere die USA vor einem selbstgeschaffenen Scherbenhaufen. Deshalb erklärte deren Vizepräsident Biden nun in München eine neue Ära der US-Politik, die bewusst auf die Einbeziehung der „Partner“, anstatt auf weitere Alleingänge setzt. Das Land kann die Zerstörung und den Zorn, die es „gegen den Westen“ heraufbeschworen hat, nicht mehr alleine in den Griff kriegen.

Deutschland hat vor diesem Hintergrund mit der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz seine große Chance genutzt, den eigenen Imperialismus neuerlich als Friedenskraft darzustellen. Motto: Am deutschen Friedens-Wesen soll einmal die Welt genesen. Nicht umsonst sprach Bundesaußenminister Steimeier von einem „historischen Fenster“, das gerade aufgestoßen werde. Die langfristig angelegte Strategie Deutschlands, die eigene Position in der Weltpolitik durch bewussten „Multilateralismus“ in Konkurrenz zu den eigenmächtig handelnden USA zu stärken, feiert gerade einen hübschen Etappen-Erfolg.

„Abrüstungs“-Bemühungen in der NATO-Sackgasse

Selbstverständlich sind „Abrüstungsgespräche“ der Kern einer solchen Friedensprofilierungs-Strategie. Seit dem Herbst letzten Jahres gibt es eine Initiative insbesondere us-amerikanischer und deutscher „Friedensforscher“, angestoßen vom Wall-Street-Journal, die Atomwaffenarsenale der Welt zu reduzieren. Nicht umsonst ging der „Hessische Friedenspreis“ im letzten Jahr an einen israelischen Anti-Atomwaffen-Aktivisten. Obama, Frau Clinton und Herr Steinmeier haben sich in den letzten Tagen entsprechend geäußert. Es ist davon auszugehen, dass dieses Vorhaben etwas Erfolg haben wird. Denn schließlich braucht niemand mehr die Langstreckenwaffen aus der Zeit des Kalten Krieges. Na klar werden Verhandlungen zu ihrer zahlenmäßigen Reduzierung, vielleicht sogar Abschaffung, durchaus erfolgreich sein können. Billiger kann der deutsche Imperialismus eine weitere Aufwertung als angebliche Friedensmacht nicht bekommen. Solche Aktionen schmücken die „Friedensmacht“ Deutschland.

Die Entwicklung zukunftsträchtigerer A-Waffentechnologien (Mininukes, Uranmunition etc.) wird dadurch vermutlich nicht gestoppt werden. Zudem hat der Krieg in Gaza gerade ein weiteres Mal verdeutlicht, wie wenig sich imperialistische Akteure, die wirklich zu militärischem Handeln entschlossen sind, um Abmachungen über den Nichteinsatz geächteter Waffen kümmern. Man muss sich nur anschauen, wie viele wohlmeinende diplomatische Abkommen, man betrachte nur die vielen, sehr gut klingenden Vereinbarungen zu Klimaschutz und weltweiter Hungerbekämpfung aus den letzten Jahren, von den Imperialisten unterzeichnet und niemals eingehalten („implementiert“) worden sind. Glaubt wirklich irgendwer, mit einem Abkommen über die Beseitigung von A-Waffenpotenzialen, das über die Beseitigung von alter Technik hinausgeht – sollte es überhaupt realisiert werden können – würde es sich anders verhalten? Welche Erfahrungs-Basis sollte einer solchen Vermutung zugrunde liegen? Für diese Annahme gibt es wahrlich keine guten Gründe.

Bei diesem ganzen, auch noch von „wissenschaftlicher Exzellenz“ begleiteten Gesprächs-Nebel, steckt im Sprechen von einer „neuen Ära“ (Biden) bzw. in dem Reden vom „historischen Fenster“ (Steinmeier) und von der „goldenen Chance“ (Merkel) ein wahrer Kern. Die mehrfache Sackgasse, in die die Imperialisten sich hinein manövriert haben, muss – gerade auch aus ihrer eigenen Perspektive betrachtet – überwunden werden. Sie wissen aber nicht wie sie das anstellen sollen. Folgende Marschrichtung bzw. Maxime dürfte die Herrschaften bei ihrer verzweifelten Suche leiten: Man braucht ein freundlich daher kommendes, vom „Westen“ insgesamt lanciertes Projekt, an dem sich (a) ein luftiger gemeinsamer Konsens herstellen lässt und mit dem man sich (b) gegenüber Teilen der Weltöffentlichkeit wieder als „netter“ und „freundlicher“ darstellen kann, ohne (c) die Strukturen des kapitalistischen Weltsystems auch nur einen Millimeter in Frage zu stellen. Die friedennobelpreisverdächtige „Abrüstungs“-Initiative des Wall-Street-Journal ist der demagogische, die Menschen irreführende Schlüssel zur Herstellung dieses lächerlichen „Konsenses“ zwecks Aufrechterhaltung der herrschenden Ausbeutungsverhältnisse unter der offensiven Bewahrung des Scheins einer „netten Politik“ (und Wissenschaft).

Über das kapitalistische Weltsystem hinaus gehen!

„Doch es macht den Menschen ein Geschwätz nicht satt, das schafft kein Essen her“, dichtete Bert Brecht einmal. Die Konflikte, die Kriege und Bürgerkriege, die Piraterie, die Gewalt, der Terrorismus und die NATO existieren, weil es dem Kapitalismus bisher nicht gelungen ist und nicht gelingt, akzeptable Lebensbedingungen für alle BewohnerInnen dieses Planeten sicherzustellen. Die Kapitalisten wissen sehr wohl um diese Wahrheit. Deshalb reden sie in den letzten Jahren so gerne von „Sicherheitspolitik“. Es geht um die Wahrung des Scheins: Was man in der „wahren Wirklichkeit“ (Marx) nicht gewährleisten kann, davon macht man in der Sphäre der politischen Werte-Rhetorik einen umso größeren Lärm. Schließlich soll einem keiner nachsagen können, dass man sich nicht wortreich um die wirklichen Probleme der Menschen und um die wirklichen Gründe für die Beseitigung von Konfliktlagen in der Welt bemühen würde. Deswegen verkündet Herr Biden gerade, die NATO zu einem Sicherheitsbündnis umbauen zu wollen. Deswegen setzt das imperialistische Deutschland schon seit Jahren – obgleich sogar in Nordafghanistan eher rhetorisch als wirklich - auf die „Forcierung des zivilen Aufbaus“ in Krisenregionen. Ohne Essen, Kleidung, Bildung, Infrastruktur und Lebensperspektiven ist nirgendwo ziviles Leben dauerhaft möglich. Das, liebe Bundeswehr, gilt nicht nur in Afghanistan, sondern auch am Horn von Afrika - nur damit ihr es nicht vergesst bei Eurer seltsamen „Piratenjagd“!

Die kapitalistische Globalisierung und ihre Fürsprecher stehen vor einem echten Dilemma. Es wird ihnen zunehmend klar, dass sich ihr System nur erhalten lässt, wenn man der Masse der Weltbevölkerung Sicherheit, Wohlstand, sowie echte individuelle und soziale Freiheits-Perspektiven bietet. Deswegen übrigens auch Merkels Rhetorik der letzten Monate, in Abgrenzung von den „böse kapitalistischen USA“, die „soziale Marktwirtschaft in die Welt exportieren“ zu wollen. Geschwätz aus einem Land, das die erkämpften sozialen Errungenschaften daheim seit langen Jahren mit Füßen tritt, das aber gleichzeitig auf der anstehenden Londoner Weltfinanzkonferenz im März 2009 umso massiver, aus Gründen welt- und innenpolitischer Profilierung, diesen ideologischen Anspruch offensiv vertreten wird.

Das kapitalistische Weltsystem reagiert ideologisch penetrant auf Probleme, die des materiell nicht lösen kann. Denn gleichzeitig beruht der relative (seinerseits unfair verteilte) Wohlstand in den führenden imperialistischen Staaten auf der Erwirtschaftung von „Extraprofiten“ (Karl Marx) durch stets sich verschärfende Ausbeutung der restlichen Welt. Gerade der europäische Imperialismus mit seinem ganzen abgeschmackten Moralgesülze geht dabei besonders perfide vor: Auf internationalen Konferenzen, etwa zu „Freihandel“ und „Mittelmeerunion“ im Sommer 2008, erklärt man vollmundig, dass man sich dafür einsetzen will, die Agrar-Subventionen der EU zu reduzieren. Parallel zur Münchener Sicherheitskonferenz kann man nun lesen, dass sich an diesen Subventionen gar nichts ändern wird. Die deutsche Regierung hatte sich übrigens rhetorisch besonders stark für die Reduzierung der EU-Agrarsubventionen eingesetzt. Wie immer klaffen Worte und Taten weit auseinander. Während all das läuft, versucht man den Mundraub fremdverschuldet-verelendeter Somalis – Stichwort: Piraterie - als kriminellen Akt darzustellen und schickt, wie in Afghanistan, das Militär zur „Klärung“ der Angelegenheit in die Gewässer vor Somalia. Schon sind US-Rufe nach einer „Bodenoffensive“ in dem Land laut geworden. Die deutsche Regierung bremst sehr zu Recht. Sie weiß, dass so ein Vorgehen, wie schon in Afghanistan, die Probleme nur verschlimmern und die „Sicherheit“ von überhaupt niemandem erhöhen wird. Gleichzeitig weiß aber auch sie sich nicht anders zu helfen, als zur Sicherung der Welthandelswege deutsche Marineeinheiten auf eine, wie sie selbst sehr wohl ahnt, zweifelhafte Mission ans Horn von Afrika zu entsenden.

Das Beispiel macht exemplarisch deutlich: Die kapitalistische Globalisierung kriegt sich selbst nicht in den Griff. Sie wird es auch nicht mit Hilfe aus Deutschland schaffen. Es ist kein Elfenbeinturm-Gerede wenn man feststellt, dass die Widersprüche der kapitalistischen Ordnung diese selbst immer wieder aus der Bahn werfen werden. Das ist Fakt. Dagegen helfen keine besonderen Kommunikationsmodalitäten, keine moralische Besserung von Politikern und Wirtschaftsbossen, noch die Ausrufung einer „neuen Ära“. Dagegen hilft nur die bewusste und koordinierte Aktion der ausgebeuteten Massen gegen das imperialistische Terrorregime über unsere Welt. Seit zehn Jahren macht sich Südamerika auf diesen Weg. Seit zehn Jahren wird es dafür beschimpft, verleumdet und aggressiv bedroht. Präsident Obama hat inzwischen hinreichend deutlich gemacht, dass er weiterhin so zu verfahren gedenkt. In dieser Hinsicht gibt es offensichtlich keine „neue Ära“. Weiterhin arbeiten die Imperialisten daran, jede Hoffnung zu verhöhnen und zu zerstören, die einen zivilisierten Ausweg aus der imperialistischen Sackgasse weisen kann. Welche die Entfaltung der vollen menschlichen Potenziale, die wahrhaft Sicherheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden verwirklichen könnte. Der Weg in eine Globalisierung, die diesen Ansprüchen gerecht werden kann, wird nicht durch irgendwelchen Konferenzbetrieb herbei verhandelt werden können. Er muss tagtäglich freigekämpft werden – und zwar gegen jene Kräfte, die sehr wohl bemerken, dass ihre Politik zu keinem guten Ende führen wird, die gleichzeitig aber sowohl unfähig als auch unwillig dazu sind, den Weg frei zu machen, den sie der Menschheit versperren.

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