Kategorie: Frauenbefreiung

Warum nicht gleich?

Von der Gleichberechtigung und Emanzipation der Frau sind wir immer noch weit entfernt, resümiert Pamela Wolf und beleuchtet einige Aspekte im folgenden Artikel. Die im Artikel beschriebenen Zustände verdeutlichen, mit welcher Situation sich Frauen in Deutschland aktuell konfrontiert sehen.




Frauen im Haushalt und als Erziehende

Dazu wollen wir uns ein paar Zahlen ansehen: Ein Großteil der Frauen ist Mutter (78% der 35-49 Jährigen), davon rund 20% alleinerziehend. Bei einer Trennung wird der Nachwuchs in neun von zehn Fällen der Frau zugesprochen. Von den alleinerziehenden Frauen sind 60% erwerbstätig, weitere 37% suchen Arbeit. Den 42% der alleinerziehenden Frauen, die in Vollzeit arbeiten, stehen 27% der Mütter in Partnerschaften gegenüber. Hinzu kommt, dass jede fünfte alleinerziehende Mutter nur deshalb in Teilzeit arbeitet, weil keine Vollzeitstelle zu finden ist. Die alleinerziehenden Frauen sind stark von Armut bedroht und betroffen (42% beziehen Hartz IV gegenüber 9% der Mütter in Partnerschaften beziehen Hartz IV). Das beruht auch auf der Tatsache, dass der Ehegattenunterhalt nach Scheidung in den letzten Jahren eingeschränkt und die Mindestdauer für die Zahlung des Ehegattenunterhaltes für ein Kind durch den Vater auf drei Jahre verkürzt wurde. So werden viele Frauen dazu gezwungen, eine Arbeit mit Gegebenheiten anzunehmen, die früher noch als unzumutbar galten, und in Vollzeit zu arbeiten, obwohl sie das gar nicht möchten. In der Theorie sind sich Männer und Frauen relativ einig, dass die Erwerbsarbeit und der Haushalt gleichberechtigt aufgeteilt werden sollten (54% der Männer und 43% der Frauen). Die Realität sieht gänzlich anders aus: In der Erziehungs- und Hausarbeit leisten Frauen doppelt so viel wie Männer (31 Stunden zu 17 Stunden wöchentlich). Auch die Pflegearbeit ist zu 80% Frauensache.
Beim Elterngeld ergibt sich folgendes Bild: Ein Prozent der Paare teilen sich die Elternzeit sechs Monate lang, 23% der Väter beantragen das Elterngeld gegenüber 96% der Mütter, 75% der Väter leisten den Mindestanteil der Elternzeit mit zwei Monaten, 90% der Mütter zwölf Monate. Die Hälfte der Paare bezieht das Elterngeld für zwei Monate gemeinsam. (Quelle aller Zahlen dieses Abschnittes: Statistisches Bundesamt)

Frauen in der Arbeitswelt

Der sogenannte ‘gender pay gap’ (geschlechterbedingte Einkommensunterschied) beträgt 23%, d.h. dass Männer im Durchschnitt 23% mehr verdienen als Frauen. Dieser Unterschied kommt zu zwei Dritteln durch strukturell unterschiedliche arbeitsplatzrelevante Merkmale zustande („unbereinigter gender pay gap“), wie z.B. unterschiedliche Positionen, verschiedene Branchen (in den schlechter bezahlten Berufen arbeiten überwiegend Frauen) und die Teilzeitarbeit. Hinzu kommt, dass erziehungsbedingte Unterbrechungen, die maßgeblich die Frauen betreffen, der Karriere und dem Verdienst schaden, denn der Verdienstunterschiedso steigert sich im Laufe des Arbeitslebens, Frauen haben nach diesen Auszeiten den Anschluss an den Verdienst der Männer verpasst. Außerdem arbeiten sie dann häufig in Teilzeit, die vergleichsweise schlechter bezahlt ist als Vollzeitarbeit.

Lässt man allerdings all diese Faktoren aus der Gleichung heraus, bleiben 8% im Westen und 12% im Osten übrig, d.h.eine Frau verdient in genau derselben Position im selben Betrieb durchschnittlich 8% weniger Lohn/Gehalt als ein Mann („bereinigter gender pay gap“). Um diesen Umstand abzuschaffen, wurde der „Equal Pay Day“ von Gewerkschaften und Organisationen eingeführt, der jährlich am 25. März begangen wird. Eine Untersuchung des Statistischen Bundesamtes (12/2010) zeigt, dass die Berufswahl junger Menschen eher an traditionellen Rollenvorstellungen angelehnt ist, so dass es in den letzten neun Jahren wenig Bewegung in klassischen Männer- und Frauenberufen gab. Wenn überhaupt, stoßen junge Frauen eher in Männerdomänen vor als umgekehrt. Nur in wenigen Berufen ist der Geschlechteranteil ausgeglichen. In Führungspositionen sind bei annähernd gleichem Ausbildungsniveau zu 70% Männer vertreten. (Quelle: Stat. Bundesamt)

Gewalt gegen Frauen

In einer Untersuchung des Bundesministeriums für Frauen von 2004 wurden folgende Zahlen veröffentlicht: 40% der befragten Frauen (16-85 Jahre alt) hatten nach ihrem 16. Lebensjahr körperliche oder sexualisierte Gewalt erfahren, davon 13% sexualisierte Gewalt einer Straftat entsprechend und 58% sexuelle Belästigung. 42% der Frauen waren psychischer Gewalt (Drohungen, Demütigungen, Verleumdung, Psychoterror) ausgesetzt. Die sogenannte häusliche Gewalt wird in über 80% der Fälle vom Mann verübt. In Deutschland ist jedes zweite Tötungsdelikt eine „Beziehungstat“.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Einrichtungen, die den Frauen bei (sexualisierter) Gewalt Unterstützung und Hilfe gewähren, finanziell häufig ums Überleben kämpfen.

Die im Zuge der Frauenbewegung der 1970er Jahre gegründeten Notrufe und Frauenhäuser werden von öffentlichen Mitteln so schlecht finanziert, dass sie meist nur durch Spenden bestehen bleiben können. Es mussten auch Frauenhäuser geschlossen werden, obwohl die Kapazitäten meistens sehr überlaufen sind und nicht ausreichen. Neuerdings werden Zuflucht suchende Frauen, die häufig in einer finanziellen Abhängigkeit zum ehemaligen Partner stehen und sich deshalb eben keine Wohnung mieten können, auch selbst zur Kasse gebeten. Die Meldequote bei Vergewaltigung ist sehr gering, nur 5% der Frauen erstatten Anzeige. Die Hälfte der betroffenen Frauen spricht mit niemandem über das Erlebte.

Die Polizei legt dar, dass Vergewaltigungen die Geschlechterhierarchie zementieren und schon die Angst davor Frauen und Mädchen in ihrer Freiheit beschneidet. Es werden bei uns jährlich 8000 Fälle von sexualisierter Gewalt vor Gericht verhandelt, die Dunkelziffer liegt nach Schätzungen von ExpertInnen ca. 20mal so hoch. Tatsächlich besteht für Frauen zwischen 15 und 44 eine höhere Gefahr, Betroffene sexualisierter Gewalt zu werden als von Krebs, Krieg und Autounfällen zusammengenommen. Um sich ein Bild des gesellschaftlichen Umgangs mit diesem Thema zu machen, ist es unerlässlich, sich mit herrschen Vorstellungen und Überzeugungen in Bezug auf Vergewaltigung zu beschäftigen. Die Tatsache, dass es sich bei einer Vergewaltigung nicht um einen Triebabbau von unbefriedigten Männern oder eine geächtete Spielart der Sexualität (in Abgrenzung zu Praktiken im Sado-Maso/BDSM-Bereich, die einvernehmlich vollzogen werden) handelt, sondern um eine Demonstration von Macht und Gewalt, um die andere Person klein zu halten und sich selbst überlegen fühlen zu können, hat die Öffentlichkeit noch nicht gänzlich verinnerlicht. In diesem Zusammenhang ist auch der „Vergewaltigungs-Mythos“ zu sehen, der immer noch weit verbreitet ist. Er beinhaltet Fehlkonstrukte durch solche Vorstellungen wie: Das Opfer sei selber schuld, es hätte durch aufreizende Kleidung oder ein bestimmtes Verhalten die Vergewaltigung provoziert („Täter-Opfer-Umkehr“), die Täter seien alle krank und dem Opfer immer unbekannt, Prostituierte können nicht vergewaltigt werden und Frauen würden es doch so wollen. Die These der Verführung durch das Opfer macht auch vor Kindern nicht halt, so dass sich GutachterInnen in Gerichtsverfahren wegen Pädophilie tatsächlich darauf berufen. Dieser Vergewaltigungs-Mythos dient dazu, die tatsächliche Gewalt an Frauen und deren Folgen zu bagatellisieren und zu leugnen, er geht einher mit einer Legitimation der Gewalt und mit der Aufhebung der Integrität und sexuellen Selbstbestimmung der Frauen.

Die Rolle der Frau und das Bild der Frau in den Medien

Obwohl in den männlichen und weiblichen Rollen einige traditionelle Vorstellungen aufgeweicht wurden, wird ein Verhalten immer noch unterschiedlich bewertet, je nachdem ob es von einem Mann oder einer Frau gezeigt wird. So wird ein vermeintlich gefühlsbetontes Verhalten, Weinen oder Fürsorge von Frauen erwartet, ersteres bei Männern eher kritisiert. Männern werden ein durchgreifendes Auftreten und – auch persönliche – Konflikte zugestanden, Frauen gelten dann schnell als „Zicke“ oder „stutenbissig“. Weit verbreitet – auch unter Frauen – ist außerdem das Bild der allgegenwärtigen Konkurrenz unter Frauen und die Überzeugung, dass sich das Arbeiten in einem ausschließlich weiblichen Team äußerst unangenehm gestaltet. Viele Frauen haben durch das propagierte Bild, dass alles machbar und vereinbar ist, also Kinder und Beruf, Fitness, Schönheit und geistige Bildung, ein perfektes Äußeres und ein gebildeter Geist, diesen Anspruch und den damit einhergehenden Perfektionismus verinnerlicht. Es führt bei ihnen zu großer Verunsicherung, dass sie immer wieder an ihren Ansprüchen scheitern und denken, andere Frauen würden es doch auch schaffen. Hinzu kommt, dass viele Frauen durch ihre Sozialisation Schwierigkeiten haben, sich abzugrenzen und gut für sich zu sorgen. Denn bei Mädchen und Frauen wird soziales Verhalten erwartet und in der Erziehung belohnt, stärker als bei Jungen.

Von Frauen, auch wenn sie fachlich unbestreitbar einiges vorzuweisen haben, wird ein tadelloses und meist auch sexy Aussehen verlangt. Das Schönheitsideal ist durch die Medien allgegenwärtig und nährt einen weiblichen Minderwertigkeitskomplex (Feministinnen sprechen vom „Schönheitswahn“). So quälen sich Frauen immer mehr, den unwirklichen, computergenerierten perfekten Darstellungen zu entsprechen und machen auch vor chirurgischen Eingriffen nicht halt. Sie hungern und diäten, was nicht selten in eine Ess-Störung mündet (Unter Ess-Störungen leiden zu 90% Frauen, wobei der Männeranteil zunimmt). Von den von Anorexie (Magersucht) betroffenen Frauen stirbt jede Zehnte an der Krankheit. (2008: 100 Todesfälle in Deutschland). Unter den 16jährigen Mädchen finden sich bei 35% Hinweise auf eine Ess-Störung. Die Problematik ist so stark verbreitet, dass Feministinnen von einer „weiblichen Seuche“ sprechen. Die von Fachleuten kritisierte fortschreitende Pornografisierung der Gesellschaft, die die ständige Verfügbarkeit von frauenfeindlicher Pornografie und die allgegenwärtige sexualisierende und herabwürdigende Darstellung von Frauen in der Werbung und den Medien beinhaltet, verschlechtert zusätzlich das herrschende Bild von Frauen. Frauen werden hier systematisch abgewertet. In Zeiten von „Flatrates“ in Bordellen, die bedeuten, dass eine Prostituierte so viele Freier empfangen muss, dass diese sich schon über ihren körperlichen Zustand beschweren, ist offensichtlich, dass die Frau im Kapitalismus zu einer käuflichen Ware gemacht und auch so dargestellt wird. Die sexistische Ideologie ist tief in den patriarchalen Strukturen verwurzelt und wird durch die tägliche Meinungsmache zementiert. Das führt dazu, dass selbst feministisch sensibilisierte Frauen und Männer immer wieder mit eigenen Vorurteilen über Frauen konfrontiert werden.

Ein weiterer Artikel zum Thema Gleichberechtigung und Emanzipation der Frau: Von gläsernen Decken und warmen Badewannen

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