Kategorie: Frauenbefreiung

„Strajk Kobiet“ viel mehr als legale Abreibung – #dasIstKrieg

Nicht nur Frauen, sondern auch Männer und LGBTQ+, Arbeitende und Studierende sind in den vergangenen Wochen dauerhaft auf Polens Straßen und protestieren. Sie kämpfen gegen die Verschärfung des ohnehin schon extrem restriktiven Abtreibungsgesetzes und der Protest geht weit darüber hinaus.

Bild: Ogólnopolski Strajk Kobiet


Bereits 2016 zog eine landesweite Protestbewegung durch Polen – der „Czarny Protest“ („Schwarzer Protest“), bei dem sich Frauen gegen eine Verschärfung der Abtreibungsgesetze zur Wehr setzten. Sie waren zu Zehntausenden auf der Straße. Die Demonstrationen in 2020 scheinen auf den ersten Blick ähnlich, da der Auslöser und Hauptinhalt der gleiche geblieben sind. Das ist jedoch nicht alles: die Forderungen und die Massen haben sich in den vergangenen Jahren radikalisiert. Die Proteste richten sich gegen die reaktionäre Regierung.

„Verfassungswidriges Abtreibungsgesetz“

Am 22. Oktober 2020 erklärte das polnische Verfassungsgericht das ohnehin schon restriktive Abtreibungsgesetz für verfassungswidrig. War es schwangeren Frauen vormals möglich, eine legale Abtreibung vorzunehmen, wenn das Leben der Mutter in Gefahr war, eine Vergewaltigung stattfand oder Schäden am Fötus vorlagen, ist es nach dem Urteil des höchsten Gerichts und der anschließenden Gesetzesänderung illegal eine Abtreibung, im letzten Fall durchzuführen. Die werdende Mutter würde sich bei einer Abtreibung sogar dann strafbar machen, wenn der Säugling, nach der Geburt keine Überlebenschancen hätte. Die Antwort der Massen kam prompt und laut: In ganz Polen demonstrieren seit Ende Oktober nicht nur Frauen für das Recht auf Abtreibung – mit ihnen stehen weite Teile der Arbeiterklasse. Der Protest gipfelte im Aufruf zum landesweiten Generalstreik.

„PiS off“ – Die PiS-Regierung stürzen!

Jaroslaw Kaczynski, der Marionettenmeister der PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość = Recht und Gerechtigkeit), hatte eine Erklärung abgegeben, in der er versuchte, die Bewegung einzuschüchtern. Er behauptete zu Recht, der Angriff auf die polnische katholische Kirche sei „in der polnischen Geschichte beispiellos“. Er kam zu dem Schluss, dass das Ziel der Bewegung darin bestehe, „Polen zu zerstören und die Geschichte der polnischen Nation zu beenden“. Er forderte seine Anhänger auf, „die Kirche um jeden Preis zu verteidigen“. Das erinnert sehr an die lange Tradition der antikommunistischen Propaganda der polnischen Bourgeoisie.

Dies ist ein direkter Aufruf an die rechtsradikale Konfederacja-Partei (Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit) und die rückständigsten Schichten der PiS-Anhänger, die Demonstrierenden anzugreifen. Ähnlich wie in junger Vergangenheit bei der Verteidigung der von der Regierung heraufbeschworenen „LGBT-freien Zonen“, die es in Polen gibt.

In der Tat gab es mehrere Berichte über Autos, die in Demonstrationszüge rasten und Faschisten, die Demonstrierende gewaltsam daran hinderten, sich Kirchen zu nähern. Konfederacja richtet sogar eine „Nationalgarde“ ein, welche die „Soldaten des polnischen Patriotismus“ organisieren soll.

Die Macht von PiS und Co. bröckelt und nun spielt die Regierung auf Zeit. Denn durch den Druck der Massen hat sie die Verabschiedung des Gesetzes vorerst ausgesetzt. Sie wollen in Gespräche mit der Opposition und der Protestleitung treten. Die Regierung versucht der Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen, da die Massen mehr fordern, als die Zurücknahme des Anti-Abtreibungsgesetzes – worauf schon die Parolen „Ich wünschte, ich könnte meine Regierung abtreiben“ und „Das ist Krieg“ verweisen.
Wir müssen mit aller Kraft betonen, dass die Regierung kein Verhandlungspartner, sondern unser Feind ist!

Weit mehr als Frauenrechte – eine historische Bewegung

Die Proteste sind Ausdruck der geschundenen Arbeiterklasse. 2016 war ein erstes Aufkeimen der Bewegung mit einem klaren Ziel: wir sind gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes und für unsere Rechte auf der Straße. 2020 ist viel größer und bedeutender unter den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Die Organisation „Strajk Kobiet“ (Frauenstreik), die zu den Demonstrationen aufgerufen hat, forderte den Rücktritt der Regierung und die Einberufung eines „Rates, der, wie in Weißrussland, das Chaos aufräumen soll“. Dieser Rat soll sich aus „allen pro-demokratischen Gruppen“ und „Experten“ zusammensetzen.

Die Forderung nach dem Rücktritt der Regierung war ein wichtiger erster Schritt der Bewegung. Aber sie ist unzureichend. Wer sind die „Experten“, die die Regierungsgeschäfte übernehmen sollen? Dieselben Ökonomen, die die Restaurierung des Kapitalismus in den 1990er Jahren vorangetrieben haben? Liberale und Akademiker, die keine Rolle in der Bewegung spielen und keine Strategie zur Bekämpfung der rechtskonservativen Regierungspartei PiS bzw. nicht einmal Interesse daran haben?

Nein zur Volksfront – Die Arbeiterklasse kann sich nur auf sich selbst verlassen!

Die Organisatorinnen und Organisatoren möchten Gleichberechtigung in allen Bereichen, eine Abkehr von der Kirche, wirtschaftliche Verbesserungen für Frauen, freie Medien, freie Wahlen und unabhängige Gerichte. Man merkt bereits jetzt an den Protesten, dass die kleinbürgerlichen und recht schwammig formulierten Forderungen den Massen nicht genügen. Doch selbst diese Forderungen sind im Kapitalismus und vor allem in seiner härtesten Krise eine reine Utopie. Es herrscht eine revolutionäre Stimmung unter den Massen, die es zu nutzen gilt!

Selbstorganisation und Streikkomitees

Damit die Proteste nicht ergebnislos verpuffen, sollte die Bewegung im Bündnis mit allen Ausgebeuteten und Unterdrückten Räte bilden. In jeder Stadt, Gemeinde und jedem Dorf sollten unverzüglich bezirksübergreifende Streikkomitees gebildet werden, die alle Lohnabhängigen, Studierenden und Rentner organisieren. So könnte sich jede und jeder gestalterisch beteiligen und eine demokratische Diskussion über Perspektiven, Forderungen und das weitere Vorgehen stattfinden. Diese Komitees sollten die Bewegung koordinieren und vor den Angriffen der Rechten schützen. Damit das Ziel, die reaktionäre Regierung zu stürzen, Erfolg haben kann, müssen die Komitees einen unbefristeten Generalstreik organisieren. Dieser Kampf könnte der Ausgangspunkt für eine sozialistische Revolution in Polen sein.

Frauenunterdrückung ist dem Klassensystem inhärent. Eines ist klar: Frauenbefreiung und ein Ende der Unterdrückung kann es nur geben, wenn sich die Arbeiterklasse vom kapitalistischen Klassensystem befreit – nicht anders, nicht mittels eines bürgerlichen Feminismus. Nur gemeinsam Schulter an Schulter mit den Arbeitenden, Studierenden, Rentnern, Arbeitslosen – allen unterdrückten Schichten und der gesamten Arbeiterklasse – können wir dieses kapitalistische System, das Frauenunterdrückung und Sexismus so nötig hat wie Menschen die Luft zum Atmen, stürzen!

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