Kategorie: Geschichte

Spanischer Bürgerkrieg vor 80 Jahren Teil I

In den Jahren 1931-1937 sollten die politischen Entwicklungen in Spanien die Welt erschüttern: Spanien war der Schlüssel zur Weltrevolution. Hier sollten sich die entscheidenden Ereignisse abspielen, deren Ausgang letztlich den Zweiten Weltkrieg erst ermöglichte. Es ist unerlässlich aus der Geschichte der spanischen Revolution zu lernen, um sich für die heute anstehenden Klassenkämpfe in Europa zu rüsten.


14. April 1931. Der spanische König Alfonso XIII. dankt ab, als Spanien von Massendemonstrationen überzogen wird. In den Regionalwahlen zuvor stimmte das spanische Volk mit überwältigender Mehrheit für die republikanischen und sozialistischen Kandidaten. Mit der Verkündung der Republik unter Präsident Niceto Alcalá Zamora und Ministerpräsident Manuel Azana im Juni desselben Jahres tritt Spanien in die Epoche der Revolution ein, die sich bis 1937 hinziehen soll. Ihr Herannahen hatte sich jedoch bereits zuvor abgezeichnet.

Die Proklamation der Republik

1921-1925 wurde die spanische Krone im Kolonialkrieg um die marokkanische Unabhängigkeit geschlagen und konnte nur durch das Eingreifen der Armeen des französischen Imperialismus vor der Niederlage bewahrt werden. Bedrängt durch den Unmut der spanischen Arbeiterklasse rettete sich die angeschlagene Monarchie unter Billigung der Führungen der sozialistischen Partei (PSOE[1]) und der sozialistischen Gewerkschaft UGT[2] in die Militärdiktatur Miguel Primo de Riveras, die durch Zollschranken und Verbot der anarchistischen Massengewerkschaft CNT[3] der Industrie zu neuem Aufschwung verhalf. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise nach 1929 jedoch schwand die Basis des Regimes, Primo de Rivera musste abdanken und die spanische Krone versuchte, sich durch Einsetzen der Übergangsregierung unter Damaso Berenguer und einer konstitutionellen Monarchie zu erhalten. Doch diese Regierung und ihre Versuche, die Krise auf dem Rücken der Arbeiter und Bauern zu lösen, wurden begleitet von massiven Generalstreiks in Barcelona, Madrid, Sevilla und anderen Großstädten Spaniens. Die Armee wurde erschüttert von republikanischen Meutereien und Arbeiterbewaffnungen. Sozialistische Politiker, die UGT und republikanische Gruppen schlossen einen Pakt mit dem Ziel der Ersetzung der Monarchie durch die demokratische Republik. Unter dem Eindruck der Regionalwahlen 1931 – trotz Wahlfälschungen und massivem Druck der Großgrundbesitzer auf dem Land – und einem drohenden landesweiten Generalstreik opferte schließlich die spanische Bourgeoisie Alfonso XIII. und musste, bis die Aussichten auf gewaltsame Reaktion für sie wieder besser standen, die Republik akzeptieren: Die Spanische Revolution hatte begonnen.

Der spanische Kapitalismus und die liberale Bourgeoisie

Obwohl offiziell eine Koalition aus Sozialisten und Republikanern bestand, spielte die liberale Bourgeoisie bei der Entstehung der Republik kaum eine Rolle. Befleckt von einer Geschichte politischer Skandale und Korruption, ging es der größten republikanischen Partei – der Radikalen Partei unter Alejandron Lerroux – hauptsächlich um Ministerposten. Nur zwei Jahre später sollte sich Lerroux mit den Klerikal-Faschisten um José Gil Robles in der rechtsreaktionären Regierung nach Abwahl der republikanisch-sozialistischen Koalition verbünden. Die übrigen republikanischen Parteien genossen kaum Unterstützung, denn ihre Wählerbasis aus den unteren Schichten der Mittelklasse war in Spanien eine absolute Minderheit. Die Basis der Republik lieferte die spanische Arbeiterklasse wie sie maßgeblich organisiert war in der sozialistischen Partei, der UGT und der anarchistischen Gewerkschaft CNT, die besonders im industriellen Katalonien die Massenorganisation des Proletariats darstellte. Aufgrund ihrer sozialen Zusammensetzung konnte die Proklamation der Republik in Spanien nicht das Ende, sondern nur den Beginn entscheidender Klassenauseinandersetzungen zwischen Sozialismus und faschistischer Reaktion markieren. Für ein bürgerlich-demokratisches Zwischenstadium einer Republik gab es in Spanien 1931 keinen Platz.

Die spanische Kapitalistenklasse betrat die geschichtliche Bühne zu spät, um eine eigenständige wirtschaftliche und politische Rolle spielen zu können und die eigentlich „bürgerlichen Aufgaben“ der Republik - Landreform, industrielle Entwicklung, Trennung von Kirche und Staat, Demokratisierung der Armee, Lösung der kolonialen und nationalen Frage – zu lösen: Das Bankkapital speiste sich aus Hypotheken auf den Landbesitz. Die Großgrundbesitzer und Aristokraten waren gleichzeitig Eigner der Industrie.[4] Die spanische Kirche war nicht nur der größte Grundbesitzer, sondern auch der größte Kapitalist und Bankier des Landes. Die Offizierskaste sah sich allein auf Krone und Vaterland vereidigt und stand der Demokratie stets feindlich gegenüber.

Im Gegenzug schuf die wirtschaftliche Rückständigkeit eine junge Arbeiterklasse, deren Geschichte anders als in Deutschland nicht durch die Dominanz starker reformistischer, parlamentarischer Parteiapparate geprägt war. Ähnlich wie in Russland um die Jahrhundertwende konzentrierte sich das spanische Proletariat massiv in wenigen großen Industriezentren (Barcelona, Madrid, Asturien, Biscaya-Region) und nahm so ein wesentlich größeres politisches Gewicht ein, als seine Zahl von knapp 2 Millionen Arbeitern vermuten ließ.

Für einen Ausweg aus der Misere der 5 Millionen besitzlosen Landarbeiter wäre eine Aufteilung des oft brachliegenden Großgrundbesitzes[5] von Nöten gewesen. Dies hätte den Ruin des Bank- und Industriekapitals bedeutet.[6] Gegenüber der hoch entwickelten Industrie Frankreichs oder Deutschlands und ihren billigeren und hochwertigeren Produkten konnte Spaniens Industrie keine profitable Position auf den dicht besetzten Weltmärkten gewinnen. Zu Hause lieferte ihr die hauptsächlich bäuerliche, verarmte Bevölkerung keinen Absatz. Für die Entwicklung der Industrie vor diesem Hintergrund hätte es eines staatlichen Außenhandelsmonopols bedurft, was dem Ende des Privatbesitzes an den Produktionsmitteln gleichgekommen wäre. Die Hauptaufgaben der Republik konnten folglich nur in direkter Konfrontation mit der Bourgeoisie angegangen werden und würden unmittelbar die Grundlagen des Kapitalismus angreifen. Die republikanischen Vertreter in der Regierung aber waren hierzu nicht in der Lage.

„Qué te da de comer la República?“[7]

Die Verkündung der Republik markierte wohl das einzig unblutige Ereignis ihrer Geschichte. Bereits einige Wochen später verwickelten Regierung und Monarchisten die Arbeiter in blutige Kämpfe. Unter diesem Einfluss kopierte die republikanisch-sozialistische Regierung die Methoden und die Verfassung ihrer Gesinnungsgenossen (Ebert, Noske, Scheidemann) der Weimarer Republik: Mit Artikel 42 ließen sich sämtliche verfassungsmäßigen Rechte aufheben. Das „Gesetz zur Verteidigung der Republik“ verbot „wilde“ und politische Streiks, Waffenbesitz und Störung der öffentlichen Ordnung. Arbeitskämpfe sollten in Zwangsschlichtungskammern ausgeräumt werden. Präsident, Innenminister und Offizierskorps wurden weit reichende politische Befugnisse eingeräumt. Mit ihrer Ideologie, dass die „bürgerlichen“ Aufgaben der spanischen Republik nur gemeinsam mit der „liberalen Bourgeoisie“ (die de facto nicht existierte) gelöst werden könnten, verbat sich die PSOE-Führung jede eigenständige Regung der Arbeiterklasse.

Anstatt die Armee von Reaktionären zu säubern, bezahlte Azana einem Teil der Offiziere großzügig den Absprung in den Ruhestand: Das Offizierskorps blieb dasselbe wie bisher. Die Republik regierte die Kolonien im Stile Alfonsos weiter unter Einsatz der Fremdenlegion und maurischer Söldner. Erst wenn die Probleme Spaniens gelöst seien, so die Sozialisten, würden sie die Demokratie auf Marokko ausdehnen. Sie machten sich damit nicht nur dem Verrat am marokkanischen Volk schuldig: Unter der Fremdenlegion und den Söldnern fanden sich diejenigen reaktionären Elemente, auf die ein konterrevolutionärer Putsch zuerst zurückgreifen würde. Die Freiheit Spaniens war in direkter Gefahr ohne die Freiheit Marokkos – und die folgenden Jahre sollten dies bestätigen.[8]Auf die nationale Frage Kataloniens und mehr noch des Baskenlands hatte die Regierung nur unzureichende Antworten und trieb dort viele Arbeiter und Bauern zurück in die Hände der „nationalistischen“ Klerikalen.

Auf dem Land häuften sich unterdes die gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Regierungstruppen und verarmten Bauern, die die Landreform selbst in die Tat umsetzten, die die Regierung ihnen zunächst versprochen und dann zu den Akten gelegt hatte. Blutige Unterdrückung der Bauern in Castilblanco (Sevilla) Ende 1931, die Unterdrückung der CNT und besonders das Massaker von Casas Viejas (Cádiz) 1933, wo die Bauern nach 2 Jahren vergeblichen Wartens auf das Institut für Agrarreform ein Landgut schließlich besetzten und mit der Bebauung begannen und dann in der Folge die Guardia Civil die Kommune gewaltsam aufbrach und 20 Bauern tötete, ebneten der Reaktion den Weg: Am 10. August 1932 bereits rief der General José Sanjurjo in Andalusien einen Putsch aus, der jedoch am Widerstand der Arbeiter Sevillas und ihrem Generalstreik scheiterte. Die Repulikano-Sozialisten verstanden aber die Zeichen der Zeit nicht. Die Reaktion hingegen nutzte die Gunst der Stunde. Die monarchistischen und katholischen Abgeordneten weinten Krokodilstränen über die Verbrechen der Republik an Arbeitern und Bauern, über die Unterdrückung der Arbeiterpresse und die große Zahl politischer Gefangener, was ihnen kritiklosen Applaus der Anarchisten einbrachte. Die Arbeiter und Bauern ließ dies in Verwirrung und politischer Führungslosigkeit zurück.

Warum die Reaktion siegen konnte

Leo Trotzki beschrieb den heldenhaften Einsatz der spanischen Arbeiter in den 30er Jahren damit, dass sie nicht nur eine, sondern zehn Revolutionen hätten machen können. Bis heute ist es vielen linken Fürsprechern der spanischen Republik unerklärlich, wie in den Wahlen zu den Cortes[9] im November 1933 bereits 2 Jahre nach den revolutionären Ereignissen des Jahres 1931 die rechten Klerikalen und mit ihnen die (Halb-)Faschisten der CEDA[10] unter Gil Robles siegreich aus den Wahlen hervorgehen konnten und das so genannte „bienio negro“ (die zwei schwarzen Jahre) begann. Die Republik hatte sich doch so vieles vorgenommen: die Arbeitsgesetze und Dekrete zur Landreform, Mindestlöhne, Ausdehnung des 8-Stunden-Arbeitstags, etc. Meist werden viele „praktische Gründe“ für das Scheitern herangeführt: 1933 wurden Frauen zum ersten Male zur Wahl zugelassen. Viele von ihnen gaben unter dem Einfluss der ungeschwächten Kirche den Klerikalen ihre Stimme. Die Frage muss aber lauten, warum es der Republik nicht gelang, diese Frauen für sich zu gewinnen.

Die Kommunistische Partei Spaniens spielte während der frühen Jahre der Republik und bis weit ins Jahr 1936 hinein keine wirkliche Rolle in Spanien. Die KP und die Komintern bezeichneten die republikanisch-sozialistische Koalition 1931 als „faschistisch“, unter dem bienio negro war für sie die PSOE als „Sozialfaschismus“ der Hauptfeind. 1933 stellte die KP eigene Wahllisten auf und war als kleines, von Moskau getragenes Grüppchen hoffnungslos von den spanischen Massen isoliert. 1931 sowie in den entscheidenden Ereignissen 1936/37 standen die Stalinisten der KP gegen die proletarische Revolution in Spanien, zunächst hauptsächlich verbal, später jedoch mit Waffengewalt. 1936 sollte die KP die vormaligen „Faschisten“ der republikano-sozialistischen Regierung als „Volksfront“ bezeichnen und unter Verwischung der Klassengrenzen zwischen Sozialisten, Kommunisten und Republikanern aktiv mit der Bourgeoisie kollaborieren. Um Allianzen mit England und Frankreich zu erzielen und die Privilegien der bürokratischen Kaste in der Sowjetunion – die davor erzitterte, dass die spanische Revolution wie kein anderes Ereignis nach der Oktoberrevolution 1917 und der deutschen Revolution 1918 die russischen Massen bewegte – zu sichern, zerschlugen Stalin und die spanische KP, nachdem sie mit Unmengen an GPU[11]-Geldern und Agenten aufgebaut wurde und massiv Klerikale und Reaktionäre rekrutiert hatte, die Revolution: Sie zerbrach gewaltsam besetzte Betriebe und landwirtschaftliche Kommunen, die das Herz des Kampfes gegen Franco bildeten, sie enthielt den Milizen an der Front gegen Franco Waffenlieferungen[12] vor, etc.

Die Republik versuchte zwischen unversöhnlichen Klassen zu schweben und dabei versäumte sie es, die Massen für sich zu begeistern und die Reaktion entscheidend zu schlagen. Unter dem unsinnigen ersten Paragraph der ihrer Verfassung („Spanien ist eine Republik der Arbeiter aller Klassen.“) diente die Republik letztlich nur einer Klasse – der Bourgeoisie. Von den 8 Millionen im November 1933 abgegebenen Stimmen gingen mehr als die Hälfte in das Lager der „Antimarxistischen Front“. Gesetze, die die Sozialisten in ihrer Amtszeit beschlossen und die sie „ewig“ an der Regierung belassen sollten, wurden nun gegen sie verwandt. In der Folge stellte sich konkret die Gefahr der faschistischen Machtübernahme unter Lerroux und Gil Robles. Während ihrer Amtszeit führte die „linke“ republikanische Regierung die Politik der Rechten durch. Weil in einem rückständigen Land wie Spanien der Kapitalismus unfähig war die einfachsten sozialen und demokratischen Aufgaben umzusetzen, konnte auch eine Republik unter Koalition der Arbeiterparteien mit dem „Schatten der Bourgeoisie“ – wie Leo Trotzki die republikanischen Parteien und Liberalen bezeichnete – keinen Bestand haben. Die Antwort hätte im Übergang zum Sozialismus gelegen, was das sozialistische Ziel der Weltrevolution erneut in greifbare Nähe gerückt hätte. 1931 aber waren noch nicht alle Schlachten vor der Barbarei des Zweiten Weltkrieges geschlagen – sie sollten erst noch beginnen.


[1] PSOE = Partido Socialista Obrero de España (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens)

[2] UGT = Unión Generál de Trabajadores (Allgemeine Arbeiterunion)

[3] CNT = Confederación Nacionál de Trabajo (Nationale Konföderation der Arbeit)

[4] 70% der Bevölkerung lebte 1931 auf dem Land. 75% des Volkes hielten kaum 5% des Landes, während auf die obersten 2% rund 70% entfielen.

[5] Statistiken zufolge beliefen sich brach liegende Anteile des Landes 1931 auf bis zu 38%.

[6] Die republikanische Regierung zog hieraus die Schlussfolgerung, man dürfe den Boden überhaupt nicht enteignen. Stattdessen entwickelte das Institut für Agrarreform Pläne, die das Land von Großgrundbesitzern aufkaufen und den Bauern auf Pachtbasis überlassen sollte. Die regierungseigenen Pläne räumten diesem „langwierigen Prozess“ fast 100 Jahre ein! Zum Vergleich: Unter Führung der bolschewistischen Partei gelang die russische Agrarreform innerhalb der ersten Tage nach der Oktoberrevolution.

[7] „Was gibt Dir die Republik zu essen?“

[8] Als im Juli 1936 mit der faschistischen Erhebung Francos ausgehend von Marokko der im Exil lebende Führer der marokkanischen Unabhängigkeitsbewegung Abd-el-Krim die republikanische Regierung unter Largo Caballero darum bat, ihn nach Marokko einreisen zu lassen und mit Waffenlieferungen zu unterstützen, so dass er die Faschisten mit seinen Kämpfern schlagen könnte, verweigerte die Regierung mit Unterstützung der stalinistischen KP dieses Gesuch. Sie fürchteten die marokkanische Unabhängigkeit und ihren revolutionären Impetus auf das spanische Festland mehr als die Faschisten. Franco sollte Marokko in der Folge zu seiner Bastion für die Eroberung Spaniens machen.

[9] das spanische Parlament

[10] CEDA = Confederación Española de Derechas Autonomas (Spanische Konföderation der unabhängigen Rechten)

[11] GPU war die damalige Abkürzung des russischen Geheimdienstes (später NKWD, dann KGB).

[12] Ein Beispiel: Als der aus der Sowjetunion verbannte Leo Trotzki bei der republikanischen Regierung Spaniens um Asyl anfragte, drohten die Stalinisten mit dem Stopp russischer Waffenlieferungen zum Kampf gegen Franco sollte Trotzki Aufenthalt gewährt werden.

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