Kategorie: DDR

20 Jahre Mauerfall

Mit dem Fall der Berliner Mauer vor nunmehr 20 Jahren stürzte nicht nur ein etwas groteskes Bauwerk ein. Die stürzenden Betonblöcke markierten auch das Ende der stalinistischen Regime in ganz Osteuropa. An diesem geschichtsträchtigen Tag wurde nicht nur das Ende der DDR besiegelt, sondern auch jenes der Sowjetunion.


Die totalitär herrschende Bürokratie in Moskau, Ostberlin, Bukarest usw. verfügte angesichts dieser länderübergreifenden Massenbewegung für mehr Demokratie und Freiheit nicht mehr über die nötige Kraft, um ihr Regime aufrechtzuerhalten. Der Stalinismus hatte jahrzehntelang über einen gewaltigen Staatsapparat verfügt, der die ganze Gesellschaft zu unterdrücken vermochte. Doch gegen diese Protestwelle war dieser Apparat nicht mehr einsetzbar. Der Stalinismus war an seinen eigenen Widersprüchen gescheitert, so wie es der russische Revolutionär Leo Trotzki 1936 in seinem einzigartigen Buch „Die Verratene Revolution“ vorausgesagt hatte.

Politische Revolution…

Was wir vor 20 Jahren in Osteuropa erlebten, war der Beginn einer politischen Revolution. Von einem marxistischen Standpunkt war diese Bewegung voll und ganz zu unterstützen. Die Rufe nach demokratischen Reformen und einem echten Sozialismus, in dem sich die Menschen frei entfalten können, waren mehr als gerechtfertigt. Den stalinistischen Totengräbern der Oktoberrevolution war keine Träne nachzuweinen.

Rückblickend muss dieser historische Wendepunkt jedoch auch aus einem anderen Licht betrachtet werden. Der Fall der Mauer ließ in den Chefetagen der großen Konzerne und in den Regierungszentralen die Sektkorken knallen. Endlich konnte dem „Volk“, das auf den Straßen Berlins und Leipzigs für kurze Zeit umjubelt wurde, die frohe Botschaft übermittelt werden. Und diese lautete TINA – There is NO alternative. Die britische Premierministerin Thatcher von den Konservativen prägte diesen Spruch, wonach es keine Alternative zum Kapitalismus gäbe. Der Marxismus sei somit tot, die Idee des Kommunismus auf dem Misthaufen der Geschichte entsorgt. Berühmt wurde die Karikatur von Karl Marx, der verlegen herumstotterte und sich mit den Worten entschuldigte „Es war ja nur so eine Idee“.

Andere gingen noch weiter und verkündeten das „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama) und versprachen der ganzen Welt eine „Neue Weltordnung“ (US-Präsident George Bush sen.), wo alle in Wohlstand und Frieden leben würden. All die militärischen Konflikte, das Wettrüsten und die leidigen Klassenkonflikte sollten nur noch schaurige Erinnerungen an eine dunkle Vergangenheit sein.

...und Konterrevolution

Schön wäre es gewesen. Mit der Realität hatten diese Verkündigungen leider nicht viel zu tun. Ganz im Gegenteil. Sobald in Osteuropa die Menschen wieder ihrer Arbeit und ihren alltäglichen Problemen nachgingen und dabei mit einem Blick auf die Fotos vom letzten Urlaub am Dachstein oder in Lignano zu träumen begannen, fegte auch schon der Sturm der kapitalistischen Restauration über die „neuen Bundesländer“, Tschechien, Ungarn usw. Der Traum vom Land, wo nun ganz nach dem in westlichen Medien vorgegaukelten Bild Milch und Honig fließen würden, zerplatzte wie eine Seifenblase.

Der Kapitalismus hatte für die Menschen in Osteuropa anfangs eine große Anziehungskraft. Während die stalinistischen Kommandowirtschaften schon seit langem stagnierten und der private Konsum an mangelnder Produktion litt, erlebte der Westen gerade einen satten Wirtschaftsboom und Anfang der 1990er Jahre waren die sozialstaatlichen Systeme in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten auch noch intakt. Doch der Kapitalismus änderte schon bald sein Erscheinungsbild.

Plötzlich gab es die Chance, neue Rohstoffquellen, neue Produktionskapazitäten, billige aber trotzdem gut qualifizierte Arbeitskräfte in den eigenen Einflussbereich zu bekommen. In Osteuropa hatte das Kapital nun freie Hand. Es tauchten auch wieder etliche Herren und Damen auf, die kurz zuvor noch wichtige Funktionen in der KP und im stalinistischen Staatsapparat bekleidet hatten. In Deutschland wurde für diese ZeitgenossInnen der Begriff vom „Wendehals“ geprägt. Das größte Verbrechen, für das die ex-stalinistischen Bürokratien verantwortlich zeichnen ist aber, dass sie voll auf die nationale Karte gesetzt haben, um ihre eigenen Machtpositionen zu behalten. Das Aufbrechen Jugoslawiens und der Sowjetunion entlang nationaler Linien führte zu blutigen Kriegen und führte grausame Elemente der Barbarei in diesen Gesellschaften ein. Nicht vergessen sollten wir dabei aber auch die Rolle, die der Imperialismus dabei spielte.

Linker Scherbenhaufen

Kein Stein blieb mehr auf dem anderen, nicht nur dort wo einst der „antifaschistische Schutzwall“ gestanden hatte. Die „kommunistische Weltbewegung“ stand offensichtlich auch vor einem Scherbenhaufen. Viele wünschten eine Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Was waren die Moskauer Schauprozesse gegen namhafte GenossInnen? Warum unterlag die Sowjetunion im Wettlauf mit dem Westen? Viele Fragen und keine Antworten. Die ideologische Krise des Stalinismus war für mehr als eine Generation von klassenkämpferischen GenossInnen von verheerender Wirkung. Viele zogen sich überhaupt ins Privatleben zurück und versuchten dort, im Kleinen, ihre linke Gesinnung zu leben. Andere machten sich auf die Suche nach politischen Antworten und endeten bald damit, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Mit dem Marxismus bzw. seiner in der DDR und der Sowjetunion gepflegten Karikatur konnten sie nichts mehr anfangen. Postmoderne Ideen hielten Einzug in den letzten Resten der kommunistischen Parteien. In vielen Ländern der ex-kolonialen Welt, wo teilweise sehr starke KPen existierten, wurde die Linke zur Bedeutungslosigkeit zerrieben. Nationale Befreiungsbewegungen und Guerrillas gingen nach Rechts und machten ihren Frieden mit der herrschenden Ordnung und dem Imperialismus. Dies galt für Lateinamerika genauso wie für Südafrika. Im Nahen Osten hinterließ dieser Prozess ein besonders großes Vakuum, das reaktionäre islamistische Kräfte zu füllen begannen.

Doch auch in der Sozialdemokratie war der Zusammenbruch des Stalinismus für viele ein Schock. Ihr linker Flügel war über Jahrzehnte an der Sowjetunion orientiert. Zwar kritisierten die Linken in der Sozialdemokratie teilweise die totalitären Seiten des Stalinismus, gleichzeitig prägte dieser gerade im deutschsprachigen Raum das Marxismusverständnis von Generationen von linken AktivistInnen.

Mit dem Fall der Mauer verlor die Linke weltweit ihren wichtigsten Bezugspunkt. Perspektiv- und orientierungslos war sie nun der ideologischen Offensive der Bürgerlichen ausgesetzt. Das mediale Trommelfeuer ließ auch viele Linke an TINA glauben. Eine sozialistische Alternative sei Geschichte oder könne zumindest zu Lebzeiten kein Ziel mehr sein. Die Erhaltung des Sozialstaats und einer gewissen Verteilungsgerechtigkeit seien das Höchste der Gefühle. Die Linke wurde nun kleinlaut. Ihr Selbstvertrauen war angeknackst.

Die Rechten wurden dafür umso lauter. Die Prinzipien des Marktes, die Profitlogik standen nun über allem. Nicht nur für die Konservativen. Auch in der Sozialdemokratie herrschte plötzlich ein neuer „Realismus“ vor. „Wer Visionen hat, braucht einen Arzt“, meinte Mitte der 1990er der damalige österreichische SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky. International wurde der „Dritte Weg“ des Tony Blair zum Leitbild der Sozialdemokratie. An der Spitze der Sozialdemokratie standen plötzlich Banker, die sich in ihrem bürgerlichen Erscheinungsbild und ihrem Programm durch nichts von den Konservativen unterschieden. Die Krise der Sozialdemokratie, in die sie sich um so tiefer hineinlaviert, je länger sie das Geschäft der Bürgerlichen zu besorgen bereit ist, nahm ihren Lauf: Hartz IV, Rente mit 67, Privatisierungen, Studiengebühren – mit diesen Kniefällen vor den Konservativen wurde die eigene Basis immer mehr vor den Kopf gestoßen. Die Rolle als Gehilfin des Kapitals verstärkte die Entfremdung der Arbeiterklasse von ihren traditionellen Organisationen ins Unermessliche. Welchen Sinn soll es schon haben gegen die kapitalistische Logik anzukämpfen, wenn die eigene Führung diese zu ihrem neuen Credo gemacht hatte. Die rechtsreformistische Politik der Sozialdemokratie – ein Reformismus, der zur Umsetzung fortschrittlicher Reformen kaum noch imstande ist – ist einer der schwerwiegendsten Faktoren in der heutigen Politik.

Kapitalismus pur

Ein altes Sprichwort besagt: „Doch der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht.“ Die politische Krise der Arbeiterbewegung war eine wesentliche Vorbedingung, damit sich der Kapitalismus nach 1990 relativ gut entwickeln konnte. Wenn wir einen größeren Zeithorizont hernehmen, dann steckt der Weltkapitalismus seit der internationalen Rezession von 1974/75 in einer strukturellen Schwächephase. Der lange Nachkriegsaufschwung mit kontinuierlichen Wachstumsraten und gewaltigen Profitraten ist seither zu Ende. In den imperialistischen Zentren hat der Kapitalismus diese Dynamik seither nicht mehr erreichen können. Bis Mitte der 1980er stagnierte die Wirtschaft. Erst die Niederlagen in zentralen Arbeitskämpfen wie z. B. dem britischen Bergarbeiterstreik 1985 und bei FIAT in Italien 1980 ebneten den Bürgerlichen den Weg zur Wiederherstellung profitabler Kapitalverwertungsbedingungen. In den 1990er Jahren wurde dieser Trend massiv beschleunigt. Der Zusammenbruch des Stalinismus läutete eine neuerliche Phase der Expansion des Weltmarktes ein. Das Zeitalter der „Globalisierung“ hatte begonnen.

In Ländern wie Indien und vor allem China entstand im Zuge dieser Entwicklung und der Ausweitung der kapitalistischen Produktion auch ein neues Proletariat, das in Zukunft noch ein ganz wichtiger Faktor werden wird. In den USA und Europa kann von einer Weiterentwicklung der Produktivkräfte in den letzten beiden Jahrzehnten nicht die Rede sein. Wir erlebten eine gewaltige Zunahme der Kapitalkonzentration mit feindlichen Übernahmen und Fusionen, die jedes Mal tausende Jobs kosteten und die Vernichtung von Produktionskapazitäten mit sich brachten. Die Antwort der Bürgerlichen auf die Profitkrise war in erster Linie die Expansion der Finanzmärkte. Selbst renommierte Industriekonzerne wandelten sich in den letzten beiden Jahrzehnten zu Finanzinstitutionen mit angeschlossener Produktion von realen Produkten wie Autos. Während ganze Industrien geschlossen wurden und die Herausbildung einer organischen Massenarbeitslosigkeit in Kauf genommen wurde, erlebten die Börsen einen unvorstellbaren Boom. Beschäftigungszuwächse gab es lediglich im Dienstleistungssektor (Handel, Tourismus usw.). Bei genauerem Hinsehen ging damit jedoch eine massive Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse einher. Teilzeitjobs, die bestenfalls einen Zusatzverdienst bringen, aber von denen niemand leben kann, wurden in diesen Bereichen zur Regel. Vor allem Frauen, Jugendliche und MigrantInnen wurden in die damit verbundene „neue Armut“ gedrängt. Durch die Bank mussten die Lohnabhängigen bei gleichzeitig wachsendem Druck am Arbeitsplatz Reallohneinbußen hinnehmen. Die 1990er Jahre markierten den Beginn einer breit angelegten Konterrevolution auf betrieblicher Ebene, wie es einst der britische Marxist Ted Grant formulierte.

Gerade erst hatte der Kapitalismus einen historischen Sieg davongetragen, da erwies er sich auch schon als System, das der Menschheit keine Zukunftsperspektive bieten kann. Wir befinden uns mitten in einer Spirale nach unten, die unsere grundlegendsten materiellen Interessen bedroht. Die Auswirkungen dieses Prozesses, der nicht auf die Gier einzelner Manager zurückzuführen, sondern direkt in den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus verwurzelt ist, bedeuten eine soziale Katastrophe. Die Krise des Kapitalismus drückt sich nicht nur in fallenden Profitraten und fehlendem Wirtschaftswachstum aus. Sie durchdringt vielmehr alle gesellschaftlichen Bereiche. Wir sind Zeugen einer schweren Krise aller großen Institutionen, beginnend bei den Kirchen, den Parteien und dem Staat. Selbst die Keimzellen der Gesellschaft, die privaten und familiären Beziehungen können sich davon nicht abkoppeln. Auch wenn sich viele Menschen, gerade Jugendliche, mangels einer politischen Perspektive ins Private zurückziehen, auch dort klopft die¬se soziale und ideologische Krise ständig an ihre Tür. Kriminalität, Gewalt, psychische Erkrankungen – sie alle sind Ausdrucksformen dieser Krise.

Die „Neue Weltordnung“ entpuppte sich als gewaltige Unordnung, in der Instabilität zum bestimmenden Element wurde. Der Kapitalismus hat in den letzten beiden Jahrzehnten unvorstellbare Widersprüche angehäuft, die sich immer wieder explosiv und mit sehr viel zerstörerischem Potential entladen. Die aktuelle Wirtschaftskrise ist das beste Beispiel. Jahrelang versuchten die Bürgerlichen diese Krise zu vermeiden. Doch jede wirtschaftspolitische Maßnahme zur Verhinderung der Krise hat nur dazu beigetragen, die Widersprüche im Wirtschaftssystem zu potenzieren. Mit verheerendem Effekt, wie wir alle nun leidvoll erleben müssen. Das Ende des Stalinismus hat kein neues „goldenes Zeitalter“ eingeläutet, sondern eine Ära geprägt von Kriegen, Krisen und Klassenkämpfen.

Only solution: Revolution

Die Bürgerlichen haben sich 1989/90 zu früh gefreut. Der Marxismus ist nicht tot. Selbst die bürgerliche Öffentlichkeit musste im Zuge der jetzigen Wirtschaftskrise zugeben, dass Marx mit seinen Grundthesen über die Entwicklung des Kapitalismus doch recht behalten hat. Spätestens mit der Jahrtausendwende sehen wir auch zusehends Ansätze von Widerstand gegen diese Barbarisierung der kapitalistischen Gesellschaft. Es begann mit der „Antiglobalisierungsbewegung“ (Seattle, Genua, …). Dann kam die weltweite Massenbewegung gegen den Irakkrieg. In vielen Ländern sahen wir auch ein erstes Wiedererwachen der Gewerkschaften, die gegen Rentenreformen, Privatisierungen, Angriffe auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mobil machten. Die Reihe der Generalstreiks in ganz Europa ist mittlerweile lang. Nicht zu vergessen die politischen Entwicklungen in Lateinamerika, allen voran in Venezuela, wo die Revolution und die Idee einer sozialistischen Transformation der Gesellschaft wieder auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Doch die Antworten der herrschenden Klasse auf diese Entwicklungen ließen nicht auf sich warten. Sie wird nicht freiwillig von der Bühne der Geschichte abtreten. Schon heute sehen wir in Lateinamerika, dass sie mit allen Mitteln ihre Macht verteidigt.

Es ist aber nicht so sehr die Allmacht der herrschenden Klasse, sondern vielmehr die Krise der traditionellen Massenorganisationen der Arbeiterbewegung, welche dem Kapitalismus das Überleben sichert. Der Reformismus, der keine gesellschaftliche Perspektive mehr aufzuzeigen versteht, wiegt noch schwer auf denen, die tatsächlich Gegenwehr gegen die Kapitaloffensive organisieren wollen. Die Veränderung der Gewerkschaften und der Arbeiterparteien wird somit zum Schlüssel bei der Veränderung der politischen Gesamtsituation. Darin sieht die Internationale Marxistische Strömung (www.marxist.com), die auch „Der Funke“ unterstützt, ihre Hauptaufgabe. Nur wenn uns dies gelingt, können wir die kapitalistische Barbarei stoppen.

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