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Der blutige Jahrestag der Ukraine: Bilanz und Perspektiven

Am 24. Februar 2022 rollten russische Panzer über die Grenze in die Ukraine. Der Jahrestag dieses Ereignisses ist nicht unbemerkt verstrichen. In der Tat hat er viele Stunden im Fernsehen und ebenso viele Spalten in den Seiten der Presse in Anspruch genommen.

Defense of Ukraine


Sowohl der Präsident der Russischen Föderation als auch der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hielten lange Reden zum selben Thema – obwohl sie, dem Inhalt nach zu urteilen, genauso gut über ganz andere Ereignisse hätten sprechen können, die sich in einer fernen Galaxie abspielen.

In seiner Rede zur Lage der Nation erklärte Putin, der Krieg in der Ukraine sei durch das absichtliche Handeln des US-Imperialismus verursacht worden. Diese Behauptung wurde von den westlichen Medien empört zurückgewiesen, die weiterhin die Idee wiederholten, dass dies „Putins Krieg“ sei – ein Krieg, der durch die größenwahnsinnigen Tendenzen – oder den tatsächlichen Wahnsinn – des Mannes im Kreml verursacht worden sei.

In seiner Antwort an den russischen Präsidenten versicherte Joe Biden einem zahlreich erschienenen Publikum von bewundernden Fans in Warschau, dass die NATO nicht der Aggressor sei. Stattdessen handele es sich bei der NATO um eine völlig unschuldige, friedliebende Vereinigung gutherziger Liebhaber der Demokratie, die nie jemanden bedroht habe.

„Wir haben nichts gegen die Menschen in Russland“, versicherte er den Polen. Wir stellen für sie genauso wenig eine Bedrohung dar wie eine Gruppe von Pfadfindern, die an eine Tür klopfen und anbieten, jemandes Fenster zu putzen. Und so weiter und so fort in diesem Sinne.

Allerdings sind diese liebenswerten pazifistischen Pfadfinder bis an die Zähne mit allen erdenklichen, der Menschheit bekannten, Massenvernichtungswaffen bewaffnet. Dies geschieht aber natürlich nur zum Zwecke der Selbstverteidigung. Denn die Welt ist ja bekanntlich voller Bösewichte, die immer wieder drohen, unsere demokratische Lebensweise zu zerstören.

Eine wahrhaft herzerwärmende Rede, die dazu beigetragen haben wird, die nervösen Nerven von Bidens polnischen Freunden zu beruhigen. Doch bevor wir uns in einen tiefen Schlaf wiegen lassen, sollten wir die Fakten einer ruhigen und rationalen Prüfung unterziehen.

Der Informationskrieg

In jedem Krieg muss die herrschende Klasse alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die öffentliche Meinung zur Unterstützung ihrer Taten zu mobilisieren. Für sie ist es daher von äußerster Wichtigkeit, eine ganze Reihe von Argumenten zu erfinden, die dazu dienen, die Massen hinter dem Schlachtwagen zu vereinen. Mit allen möglichen Lügen und Tricks muss sie die Massen davon überzeugen, dass „wir die geschädigte Partei sind“ und dass „die Wahrheit und die Gerechtigkeit auf unserer Seite sind“ (ebenso wie Gott, der auf wundersame Weise immer auf der Seite jeder kämpfenden Armee ist).

Zu diesem Zweck ist es immer notwendig zu beweisen, dass der Krieg von der anderen Seite begonnen wurde. Das ist gar nicht so schwierig, denn falls es kein Ereignis gibt, das eine solche Behauptung rechtfertigen würde, kann man es immer erfinden. Und die herrschende Klasse verfügt über eine riesige und mächtige Propagandamaschine, die sofort zu diesem Zweck mobilisiert wird.

Die Frage, wer den ersten Schuss abgefeuert hat, wer bei wem einmarschiert ist usw., ist in der Tat trivial und sagt nichts über die wirklichen Ursachen und Inhalte des Konflikts aus.

All diese Punkte treffen auf den gegenwärtigen Informationskrieg zu, der sich in diesem Konflikt von seinen Vorgängern nur durch die Weite seines Umfangs und die Dreistigkeit seiner Lügen unterscheidet. Überflüssig zu erwähnen, dass die eigentlichen Gründe für einen Krieg nie erwähnt werden.

„Putins Krieg“

In den letzten 12 Monaten hat unsere „freie Presse“ in ermüdender Monotonie tagein, tagaus dieselbe Botschaft wiederholt. „Dies ist Putins Krieg“. Der Mann im Kreml wird abwechselnd als blutrünstiger Tyrann dargestellt, der die Welt beherrschen will, oder als ein Mann mit einem unausgeglichenen Geist, der größenwahnsinnigen Wahnvorstellungen unterliegt und mit dem ein Psychiater eine glückliche halbe Stunde lang ein tiefgründiges Gespräch führen könnte. Ein „Verrückter“, um es mit den eleganten Worten des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace zu sagen

Doch keine dieser beruhigenden Beschreibungen trifft den Nagel auf den Kopf. Derselbe Mann wurde früher als gerissener, machiavellistischer Intrigant beschrieben, dem es in kurzer Zeit gelang, sich vom Rang eines einfachen KGB-Mitarbeiters an die Spitze eines der mächtigsten Staaten der Welt zu setzen.

Kann man wirklich glauben, dass ein solcher Mann alle Vorsicht in den Wind schlagen und alles auf ein verzweifeltes Glücksspiel setzen würde? Das würde überhaupt nicht zu seinem Charakter passen. Es gibt auch nicht den geringsten Beweis für die Hypothese, dass Wladimir Putin „verrückt“ im Sinne einer psychischen Erkrankung ist. Dieses Etikett würde viel eher auf einige der Damen und Herren zutreffen, die gegenwärtig das höchste Amt im Vereinigten Königreichs Großbritannien bekleiden, darunter auch Herr Ben Wallace. Aber wir werden ein anderes Mal über dieses Thema sprechen.

Möchte Putin die Sowjetunion wiederherstellen?

Es wird auch behauptet, Putin wolle das Russische Reich oder sogar die UdSSR wiederherstellen. Die zweite Variante können wir sofort als inhaltslos verwerfen. Die Sowjetunion war das, was wir einen bürokratisch deformierten Arbeiterstaat nennen würden.

Trotz der Degeneration, die sie unter Stalin erlitt, behielt sie viele der wichtigsten Errungenschaften der Oktoberrevolution bei, nämlich eine verstaatlichte Planwirtschaft.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion, wurde durch jahrzehntelange Korruption, Betrug, Misswirtschaft und bürokratische Stümperei einer privilegierten Beamtenkaste herbeigeführt. Das führte zur vollständigen Demontage der Planwirtschaft und zur Liquidierung all dessen, was vom ehemaligen Arbeiterstaat übriggeblieben war.

An seiner Stelle haben wir jetzt in Russland einen kapitalistischen Staat, in dem die Produktionsmittel einer Oligarchie gehören und von ihr kontrolliert werden, die hundertmal korrupter und verkommener ist, als es die stalinistische Bürokratie je war.

Es gibt törichte alte Stalinisten, die in ihren Träumen leben und sich vorstellen, dass Putin irgendwie der Mann ist, der den Ruhm der Sowjetunion wiederherstellen wird. Das ist völliger Blödsinn. Wladimir Putin ist das Kind des konterrevolutionären, kapitalistischen Regimes, das aus den Trümmern der Sowjetunion hervorgegangen ist, und er steht für die Verteidigung der Interessen dieses Regimes. In diesem Prozess ist er sagenhaft reich geworden.

Putin ist ein reaktionärer bürgerlicher Bonapartist, dessen Politik weder in der Innen- noch in der Außenpolitik, weder im Frieden noch im Krieg eine fortschrittliche Rolle spielen kann. Jede Verwirrung in dieser Frage wird zu den negativsten Ergebnissen führen.

Es stimmt, dass Putin den Zusammenbruch der Sowjetunion einmal so bezeichnet hat: „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. Aber er sagte auch: „Wer ihre Zerstörung nicht bedauert, hat kein Herz; wer sie wiederherstellen will, hat kein Hirn“.

Ich würde nicht sagen, dass diejenigen, die eifrig das Märchen von Putins Geheimplan zur Wiederherstellung der Sowjetunion verbreiten, kein Hirn haben. Sie haben auf jeden Fall genug Hirn, um mit einer Geschichte hausieren zu gehen, die zwar unbegründet ist, aber für die NATO hervorragende Ergebnisse bringen kann. Und warum sollte man sich eine gute Geschichte von den Fakten verderben lassen?

Die Behauptung, er wolle das alte, reaktionäre Zarenreich wiederherstellen, ist etwas glaubwürdiger, beruht aber auch auf den fadenscheinigsten und dümmsten Annahmen. Ein beiläufiger Verweis auf Peter den Großen wird als „Beweis“ für diese Theorie angeführt.

Mit dieser haarsträubenden Theorie wurden nicht nur in den baltischen Staaten und Polen, sondern auch in Finnland und Schweden die Nerven blank gelegt. „Die Ukraine war nur ein erster Schritt“, deutete ein ehemaliger schwedischer Minister gegenüber ‚The Guardian‘ düster an, „es würde mich nicht wundern, wenn in ein paar Jahren Estland und Lettland an der Reihe sind.“

Die neutralen Schweden und Finnen haben keine Zeit verloren, um mit der NATO ins Bett zu springen. Das war wirklich keine Überraschung. Der so genannte Pazifismus der nordischen Bourgeoisie war immer eine heuchlerische Fassade, hinter der sich die zynischsten Eigeninteressen verbargen.

Es stimmt, dass Schweden in beiden Weltkriegen neutral blieb. Aber es stimmt auch, dass Schweden mit dem Verkauf von Kriegsmaterial an beide Seiten riesige Profite erzielte und sich an den Erlösen aus diesem Blutgeld bereicherte. Kratze an einem skandinavischen Pazifisten, und du wirst einen frustrierten Imperialisten nicht weit unter der Oberfläche finden.

Die Vorstellung, dass Wladimir Putins Handlungen durch einen großartigen Plan zur Wiederherstellung des Zarenreichs motiviert sind, entspricht nicht im Geringsten dem, was wir über diesen Mann wissen. Damit wird versucht, ihm ein Maß an wahnhafter Geschichtsromantik zuzuschreiben, das kaum zu dem passt, was wir über sein psychologisches Profil wissen.

Es handelt sich keineswegs um einen Träumer mit romantischen Visionen von der Vergangenheit oder der Zukunft, sondern vielmehr um die kalte, geduldige und berechnende Denkweise eines ehrgeizigen Berufsbürokraten; eines Mannes, der sein ganzes Erwachsenenleben damit verbracht hat, geduldig Sprosse für Sprosse die rutschige Leiter hinaufzuklettern, die in Richtung Macht führt.

Der ‚Guardian‘ zog die richtige Schlussfolgerung aus diesem Unsinn, als er schrieb:

„Abgesehen von der Tatsache, dass das russische Militär schon jetzt Mühe hat, selbst bescheidene Erfolge in der Ukraine zu erzielen, würde ein Angriff auf die baltischen Staaten oder Polen diese in einen direkten Konflikt mit der NATO bringen, was das Letzte ist, was Moskau (oder der Westen) will.“ (The Guardian, 22. August 2022)

Die erklärten Ziele Russlands waren immer noch recht moderat: im Wesentlichen ging es darum, die Ukraine am Beitritt zur NATO zu hindern und das Regime in Kiew zu neutralisieren. Hätte der Westen dies akzeptieren können? Natürlich hätte er das! Sie selbst hatten die Mitgliedschaft der Ukraine nicht nur in der NATO, sondern sogar in der EU immer wieder verschoben.

Viele Jahre lang hatten sie eine neutrale Rolle für Finnland akzeptiert. Warum sollte die Ukraine nicht in einer ähnlichen Lage sein? Aus ihrer eigenen Sicht hätte die Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zu Russland und dem Westen viele Vorteile. Wenn sie das nicht akzeptiert haben, muss es dafür Gründe gegeben haben. Und es gab sehr gute Gründe.

Ein aggressives imperialistisches Bündnis

Die NATO ist keine friedliebende Organisation, deren einziges Ziel die Verteidigung der westlichen demokratischen Werte ist. Sie ist in Wirklichkeit ein aggressives imperialistisches Bündnis, das ausschließlich als Deckmantel für die Ambitionen ihres Zahlmeisters, der Vereinigten Staaten, und deren Ziel der totalen Weltherrschaft dient.

In den 1980er Jahren zwang die Krise der Sowjetunion gegenüber dem US-Imperialismus ein Entgegenkommen zu suchen. Der damalige sowjetische Führer Michail Gorbatschow akzeptierte die deutsche Wiedervereinigung, gegen die die Sowjetunion ein rechtliches Vetorecht hatte. Dies geschah nur, weil Gorbatschow die Zusicherung erhielt, dass nach dem Abzug seiner Streitkräfte aus Osteuropa, die NATO nicht erweitert würde.

Die Staats- und Regierungschefs der USA, Großbritanniens und Deutschlands versicherten eisern, dass die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands in diesem Punkt respektiert würden. Der Außenminister von George H. W. Bush, James Baker, versicherte seinem sowjetischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse, dass die NATO in einem Europa nach dem Kalten Krieg keine kriegerische Funktion mehr haben würde – „weniger eine militärische Organisation, viel mehr eine politische, [so dass sie] keinen Bedarf an unabhängigen Fähigkeiten haben würde“. So hieß es zumindest.

Baker versprach Schewardnadse außerdem „eiserne Garantien, dass sich die Zuständigkeit oder die Streitkräfte der NATO nicht nach Osten verlagern würden“. Am selben Tag erklärte er dem sowjetischen Generalsekretär in Moskau, dass sich das Bündnis „keinen Zentimeter nach Osten“ bewegen werde.

Er hat gelogen. Die Versprechen, die NATO nicht zu erweitern, hielten nur bis 1999, als Polen, die Tschechische Republik und Ungarn in das Bündnis aufgenommen wurden. Insgesamt sind seither 13 osteuropäische Staaten NATO-Mitglieder geworden.

Und dieser friedliebende Verfechter der Demokratie und der souveränen Rechte der Nationalstaaten verfolgte seine aggressiven Ziele mit äußerster Entschlossenheit und Brutalität. Der US-Imperialismus verfügt über die stärkste Militärmaschinerie der Welt. Er nutzte diese Macht, um in alle Staaten einzumarschieren und die zu zerstören, die er nicht kontrollieren konnte.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR nutzten die Amerikaner das Chaos der Jelzin-Jahre, um ihre Vorherrschaft im Weltmaßstab zu behaupten. Sie intervenierten in ehemals von Russland beherrschten Gebieten, was sie zu Zeiten der UdSSR nie gewagt hätten.

Zunächst intervenierten sie auf dem Balkan und beschleunigten absichtlich den Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens. Sie bombardierten Serbien und mischten sich in dessen innere Angelegenheiten ein, um eine prowestliche Regierung zu installieren. Es folgten die verbrecherischen Invasionen im Irak und in Afghanistan sowie eine erfolglose Intervention in den syrischen Bürgerkrieg, die sie in Konflikt mit Russland brachte.

Währenddessen dehnten sie ihren Einfluss auf Osteuropa weiter aus und erweiterten die NATO um ehemalige sowjetische Satellitenstaaten wie Polen und die baltischen Staaten. Damit war es vorbei mit den Versprechungen, die der Westen immer wieder gemacht hatte, die NATO würde sich nicht „einen Zentimeter“ nach Osten ausdehnen.

Damit rückte ein feindliches Militärbündnis bis an die Grenzen der Russischen Föderation heran. Der US-Imperialismus bedient sich vieler verschiedener Methoden, um sein Ziel der Weltherrschaft zu verfolgen.

Das Argument der nationalen Souveränität, das jetzt im Fall der Ukraine so oft angeführt wird, um Russland als Aggressor zu brandmarken, wurde in den Fällen Serbien, Afghanistan und Irak bequemerweise ignoriert.

Dies waren souveräne, unabhängige Staaten. Aber das machte für den US-Imperialismus keinen Unterschied, der ihre Souveränität schamlos verletzte und sie ohne Gnade bombardierte und zerstörte.

Russland und die USA

Russland ist mehr als nur eine regionale imperialistische Macht. Sein Besitz riesiger Reserven an Öl, Gas und anderen Rohstoffen, seine starke industrielle Basis und sein militärisch-industrieller Komplex sowie seine mächtige Armee und sein Atomwaffenarsenal verleihen ihm eine globale Reichweite, die es mit dem US-Imperialismus kollidieren lässt.

Washington sieht in Russland eine Bedrohung für seine globalen Interessen, insbesondere in Europa. Der alte Hass und das Misstrauen gegenüber der Sowjetunion sind mit dem Zusammenbruch der UdSSR nicht verschwunden. Joe Biden ist ein Paradebeispiel für die Generation der Russophoben, die aus den Jahren des Kalten Krieges übriggeblieben sind.

Washington verfügt über eine Vielzahl von Waffen in seinem konterrevolutionären Arsenal. Es nutzt seinen enormen Reichtum, um sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, indem es unverhohlen Oppositionsparteien finanziert und unterstützt, Wahlen manipuliert und jede Regierung stürzt, die ihm nicht gefällt.

Die so genannten „Farbenrevolutionen“ ab 2003 haben in den Staaten des ehemaligen Sowjetblocks einen Regimewechsel herbeigeführt und Russland mit einer wachsenden Zahl von Staaten umgeben, die von Regierungen geführt werden, die von Washington dominiert werden und Russland feindlich gesinnt sind.

Doch mit dem Versuch, Georgien in den Kreis der NATO zu ziehen, wurde eine rote Linie überschritten. Russland fühlte sich gedemütigt und bedroht und setzte militärische Gewalt ein, um die Georgier wieder auf Linie zu bringen. Die militärische Niederlage der reaktionären Clique in Tiflis sollte den Amerikanern zeigen, dass Russland seine Muskeln spielen lässt und sich gegen den US-Imperialismus und die NATO zur Wehr setzt.

Das war eine Warnung an Amerika. Aber es setzte seine aggressive Politik trotzdem fort. Und die Dinge erreichten ihren Höhepunkt, als sie versuchten, die Ukraine in die westliche Umlaufbahn zu ziehen.

„Die strahlendste aller roten Linien“

Westliche Politiker tun die Einwände der Russen als paranoid ab. Sie bezeichnen die NATO als ein reines „Verteidigungsbündnis“.

Sie behaupten, die Entscheidung Russlands, in den Krieg zu ziehen, sei ein Akt „unprovozierter Aggression“ gewesen. Das ist nicht der Fall. Die Stationierung eines NATO-Mitglieds vor der Haustür Russlands war ein ganz klarer Akt der unprovozierten Aggression und eine Provokation der unverhohlensten und dreistesten Art. Moskau konnte dies niemals akzeptieren. Diese Tatsache war den Amerikanern sehr wohl bekannt, und sie waren schon lange im Voraus gewarnt worden, wie Russland reagieren würde.

Als auf einem NATO-Gipfel im Jahr 2008 die Möglichkeit angesprochen wurde, dass die Ukraine dem Bündnis als Vollmitglied beitreten sollte, schrieb Bill Burns (heute Chef der CIA, damals US-Botschafter in Moskau) in einem verschlüsselten Telegramm an das Weiße Haus: „Der Beitritt der Ukraine zur NATO ist die strahlendste aller roten Linien für die russische Elite (nicht nur für Putin)“.

Und er fügte hinzu: „In den mehr als zweieinhalb Jahren, in denen ich mit den wichtigsten russischen Akteuren gesprochen habe, von den Scharfmachern in den dunklen Nischen des Kremls bis hin zu Putins schärfsten liberalen Kritikern, habe ich noch niemanden gefunden, der die Aufnahme der Ukraine in die NATO als etwas anderes betrachtet als eine direkte Herausforderung für Russlands Interessen... Das heutige Russland wird darauf reagieren.“

Die Amerikaner hatten Putin in die Enge getrieben und ihn zu einer Reaktion gezwungen. Putin hat geantwortet. Im Jahr 2014 annektierte er die Krim. Dies geschah praktisch ohne Widerstand. Das lag daran, dass er die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung hatte, die sich als russisch identifiziert. Diese Tatsache wird in der westlichen „freien Presse“ nie erwähnt.

Die bösartige antirussische Politik der reaktionären nationalistischen Clique in Kiew provozierte auch einen separatistischen Aufstand im Donbass. Später griff Russland ein, als die Rebellen einem brutalen Angriff der ukrainischen Streitkräfte ausgesetzt waren. Dies war der Beginn eines Krieges, der in Wirklichkeit seither mit mehr oder weniger Intensität andauert.

Die Farce von Minsk

Der Krieg im Donbass, der 2014 begann, wurde von den westlichen Medien fast vollständig ignoriert. Doch die russischsprachige Bevölkerung dieser Region ist seither einem gnadenlosen Bombardement durch die offen faschistische Asow-Division ausgesetzt.

Die Gesamtzahl der Todesopfer in Donbass bis zum 31. Dezember 2021 wurde auf über 14.000 geschätzt, einschließlich der militärischen Todesopfer außerhalb von Kampfhandlungen. Die meisten Todesopfer gab es in den ersten beiden Kriegsjahren zwischen 2014 und 2015, als es noch vor den Minsker Vereinbarungen zu größeren Kampfhandlungen kam. All dies wird im Westen mit einer Mauer des Schweigens bedacht.

Die Minsker Vereinbarungen sollten die Ukraine-Krise in den Griff bekommen und eine Eskalation des Konflikts verhindern. Doch das war eine weitere Lüge. Wie die New York Post schrieb, fühlte sich Putin vom Westen verraten: „Es hat sich herausgestellt, dass niemand die Vereinbarungen umsetzen wollte“, beklagte er. Und das war tatsächlich der Fall.

Der Westen hatte nicht die geringste Absicht, die Beschlüsse auszuführen. Die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zugegeben, dass das Minsker Abkommen nur ein zynischer Trick war. „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben.“, sagte sie der Wochenzeitung Die Zeit. „Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“

Und doch werfen dieselben Damen und Herren Russland vor, das Haupthindernis für Frieden und Stabilität in der Ukraine zu sein.

Das Argument der „Verteidigung der Demokratie“

Präsident Biden sagte, sein Besuch in Kiew werde „unser unerschütterliches und unermüdliches Engagement für die Demokratie, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine bekräftigen“. Das sind drei eklatante Lügen in einem einzigen Satz, was selbst für die beeindruckenden Standards eines amerikanischen Präsidenten kein schlechtes Ergebnis ist.

Das Argument, dass der Westen die Demokratie in der Ukraine „verteidigt“, ist ebenso falsch wie heuchlerisch. Die EU lehnt den Beitritt der Ukraine seit langem mit der Begründung ab, dass das Land unter einem „Demokratiedefizit“ leidet, wie es heißt.

Der ‚Guardian‘ berichtete darüber: „Die Attraktivität der Ukraine als Modell ist begrenzt. Sie ist zutiefst korrupt, die Rechtsstaatlichkeit ist nicht vorhanden und die milliardenschweren Oligarchen üben eine unverhältnismäßig große Macht aus.“

Oppositionsparteien werden routinemäßig unterdrückt und verfolgt. Die Presse wird durch eine strenge Zensur mundtot gemacht. Rechtsradikale und offen faschistische Organisationen sind in den Staatsapparat und die Streitkräfte integriert worden. 

Die Kommunistische Partei war bereits von der Teilnahme an Wahlen ausgeschlossen worden, und nach dem Euromaidan-Putsch 2014 wurden kommunistische Symbole verboten. Inzwischen ist jede Kritik an den ukrainischen nationalistischen Organisationen, die im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis kollaborierten und ethnische Säuberungen an Juden und Polen durchführten, verboten, da sie als „Freiheitskämpfer“ gelten.

Mit dem Beginn des Krieges vor einem Jahr wurden auch eine ganze Reihe anderer Parteien verboten. Zeitungen und Fernsehsender wurden abgesetzt. Zensur und antidemokratische Maßnahmen treffen nicht nur diejenigen, die sich dem offiziellen reaktionären ukrainischen Nationalismus widersetzen, sondern auch die bürgerlich-nationalistischen Gegner von Selenskyj.

In Wirklichkeit sind Themen wie Demokratie, Menschenrechte und nationale Souveränität für die amerikanischen Imperialisten nicht im Geringsten von Interesse – außer als billige Propagandapunkte. Sie waren schon immer bereit, die blutigsten und repressivsten Regime zu unterstützen, von der mörderischen Pinochet-Diktatur in Chile bis zum blutgetränkten Regime in Saudi-Arabien.

Der Grund, warum sie an einer Verlängerung des Krieges interessiert sind, ungeachtet des menschlichen Leids, hat nichts mit der Verteidigung der Demokratie oder einer anderen hochtrabenden moralischen Sache zu tun. Er entspricht dem zynischen Ziel, Russland zu schwächen, und dient damit ihren Interessen als dominierende Weltmacht.

„Politik mit anderen Mitteln“

Clausewitz sagte, der Krieg sei nur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Um eine klare Vorstellung davon zu bekommen, worum es geht und wie es weitergehen könnte, muss man sich auf die grundlegenden Prozesse konzentrieren und darf sich nicht von dem lauten Informationskrieg oder den unvermeidlichen Umschwüngen auf dem Schlachtfeld ablenken lassen.

Der wichtigste Punkt ist, dass dies ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland und dem US-Imperialismus ist. Russland kämpft nicht gegen eine ukrainische Armee, sondern gegen eine NATO-Armee, d.h. gegen die Armee eines Staates, der formell nicht Mitglied dieses Bündnisses ist, der aber von der NATO finanziert, bewaffnet, ausgebildet und ausgerüstet wird und von ihr auch logistische Unterstützung und wichtige Informationen erhält.

Der gegenwärtige Krieg wird enden, wenn die politischen Ziele der Hauptakteure erfüllt sind oder wenn eine oder beide Seiten erschöpft sind und den Willen zum Weiterkämpfen verlieren. Was sind diese Ziele? Die Kriegsziele von Selenskyj sind kein Geheimnis. Er gibt sich, wie er sagt, mit nichts Geringerem zufrieden als mit der vollständigen Vertreibung der russischen Armee aus allen ukrainischen Gebieten – einschließlich der Krim.

Dieser Standpunkt wird von den Kriegshetzern in der westlichen Koalition enthusiastisch unterstützt: den Polen, den Schweden und den Führern der baltischen Staaten – die ihre eigenen Interessen im Auge haben – und natürlich den hölzernen Chauvinisten und Kriegstreibern in London, die sich einbilden, dass Großbritannien selbst in seinem derzeitigen Zustand des wirtschaftlichen, politischen und moralischen Bankrotts immer noch eine große Weltmacht sei.

Diese Damen und Herren haben die Ukrainer dazu gedrängt, bis zum „Endsieg“ weiterzukämpfen. Ihr sehnlichster Wunsch ist es, dass die ukrainische Armee die Russen nicht nur aus dem Donbass, sondern auch von der Krim vertreibt und damit (so hoffen sie) den Sturz Putins, die totale Niederlage und die vollständige Zerstückelung der Russischen Föderation herbeiführt (auch wenn sie in der Öffentlichkeit nicht oft davon sprechen).

Sie machen viel Lärm, aber kein ernsthafter Mensch schenkt den Possen der Politiker in London, Warschau und Vilnius die geringste Aufmerksamkeit. Als Führer zweitrangiger Staaten, die in der internationalen Politik kein wirkliches Gewicht haben, bleiben sie zweitklassige Schauspieler, die in diesem großen Drama nie mehr als eine kleine Nebenrolle spielen können.

Es sind die USA, die die Rechnungen bezahlen und alles diktieren, was geschieht. Und zumindest die nüchterneren Strategen des US-Imperialismus wissen, dass all dieser Wahnsinn nur heiße Luft ist. Unter bestimmten Bedingungen können kleinere imperialistische Staaten eine gewisse Rolle bei der Entfaltung der Ereignisse spielen, aber letztlich ist es Washington, das entscheidet. Aber die Politik Washingtons ist auf ernste Probleme gestoßen.

Sanktionen sind gescheitert

Mark Twain bemerkte einst berühmt: „Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben“. Das Gleiche gilt für die zahlreichen Berichte in der westlichen „freien Presse“ über den angeblichen Zusammenbruch der russischen Wirtschaft.

Die Sanktionen, die nach dem Einmarsch in die Ukraine gegen Russland verhängt wurden, waren ein spektakulärer Misserfolg. Tatsächlich ist der Wert der russischen Exporte seit Beginn des Krieges sogar gestiegen. Obwohl die Importe Russlands infolge der Sanktionen stark zurückgegangen sind, hat eine Reihe von Ländern (China, Indien, die Türkei, aber auch einige EU-Länder wie Belgien, Spanien und die Niederlande) ihren Handel mit Russland ausgebaut.

Außerdem haben die hohen Öl- und Gaspreise die Einnahmen ausgeglichen, die Russland durch die Sanktionen verloren hat. Indien und China haben viel mehr russisches Rohöl gekauft, wenn auch zu einem vergünstigten Preis. Die durch die Sanktionen bedingten Einnahmeausfälle wurden also durch die steigenden Öl- und Gaspreise auf den Weltmärkten kompensiert.

Wladimir Putin finanziert mit den Erlösen weiterhin seine Armeen, während der Westen in den kommenden Jahren mit der Aussicht auf eine instabile Energieversorgung konfrontiert ist, mit steigenden Energierechnungen und wachsendem öffentlichen Unmut.

Unterstützung wird schwächer

Die Frage ist: Welche Seite wird des Krieges zuerst überdrüssig? Es ist klar, dass die Zeit nicht auf der Seite der Ukraine steht, weder aus militärischer noch aus politischer Sicht. Und letzteres wird im Endeffekt das Zünglein an der Waage sein.

Europa leidet unter einer ernsthaften Gas- und Stromknappheit, die die öffentliche Unterstützung für den Krieg in der Ukraine schwächt. Das wärmere Wetter als üblich hat eine teilweise und vorübergehende Atempause gebracht, aber mit jedem Monat, den die Sanktionen andauern, werden die Probleme größer.

Auch die amerikanische Unterstützung kann nicht als selbstverständlich angesehen werden. In der Öffentlichkeit hält die herrschende Klasse Amerikas die Vorstellung aufrecht, dass sie die Ukraine unerschütterlich unterstützt, aber hinter verschlossener Tür sind sie von dem Ergebnis überhaupt nicht überzeugt.

Keine der beiden Seiten ist derzeit in der Stimmung, über etwas Sinnvolles zu verhandeln. Aber das wird sich ändern. Die Demagogie von Selenskyj, der immer wieder betont, dass die Ukraine keinen Zentimeter Land aufgeben wird, zielt eindeutig darauf ab, die NATO und den US-Imperialismus unter Druck zu setzen; er besteht darauf, dass die Ukrainer bis zum Ende kämpfen werden, immer unter der Bedingung, dass der Westen weiterhin riesige Mengen an Geld und Waffen schickt.

Ja, Biden möchte den derzeitigen Konflikt verlängern, um Russland zu schwächen und zu untergraben. Aber nicht um jeden Preis und schon gar nicht, wenn es dabei zu einer direkten militärischen Auseinandersetzung mit Russland kommt. Unterdessen zeigen Umfragen, dass die öffentliche Meinung im Westen in Bezug auf die Unterstützung für den Krieg in der Ukraine langsam abnimmt.

Ukraine Müdigkeit

Im ersten Monat des Krieges waren die Ukrainer bereit, mit Russland zu verhandeln. Seitdem hat Selenskyj die Idee von Verhandlungen gänzlich abgelehnt. Er hat wiederholt erklärt, dass die Ukraine nur dann zu Verhandlungen mit Russland bereit ist, wenn dessen Truppen alle Teile der Ukraine verlassen, einschließlich der Krim und der östlichen Gebiete des Donbass, die seit 2014 de facto von Russland kontrolliert werden, und wenn die Russen, die in der Ukraine Verbrechen begangen haben, vor Gericht gestellt werden.

Selenskyj machte auch deutlich, dass er keine Verhandlungen mit der derzeitigen russischen Führung führen würde. Er unterzeichnete sogar ein Dekret, in dem es heißt, dass die Ukraine nur mit einem russischen Präsidenten verhandeln wird, der die Nachfolge von Wladimir Putin angetreten hat.

Diese trotzigen Erklärungen lösten in Washington große Irritationen aus. Die Washington Post enthüllte, dass US-Beamte die ukrainische Regierung unter vier Augen gewarnt haben, dass sich die „Ukraine Müdigkeit“ unter den Verbündeten verschlimmern könnte, wenn Kiew weiterhin nicht mit Putin verhandelt.

Beamte haben davor gewarnt, dass die Position der Ukraine in Bezug auf Verhandlungen mit Russland bei den Verbündeten, die sich über die wirtschaftlichen Auswirkungen eines langwierigen Krieges Sorgen machen, an Boden verliert.

In seinen Reden in Kiew und Warschau wiederholte Biden das bekannte Mantra, dass die USA die Ukraine „so lange wie nötig“ unterstützen würden. Verbündete in Teilen Europas, ganz zu schweigen von Afrika und Lateinamerika, sind jedoch zunehmend beunruhigt über die Belastung, die der Krieg auf die Energie- und Lebensmittelpreise sowie die Lieferketten ausübt. „Die Ukraine Müdigkeit ist für einige unserer Partner ein echtes Problem“, sagte ein US-Beamter.

Natürlich können die Amerikaner nicht öffentlich zugeben, dass sie Druck auf Selenskyj ausüben. Im Gegenteil, sie erwecken den Anschein einer festen Solidarität mit Kiew. Doch in Wirklichkeit zeigen sich unter der Fassade ernsthafte Risse.

Für die ukrainische Führung würde die Aufnahme von Verhandlungen einen demütigenden Rückzug bedeuten, nachdem sie so viele Monate lang kämpferische Rhetorik über die Notwendigkeit eines entscheidenden militärischen Sieges über Russland betrieben hat, um die Sicherheit der Ukraine langfristig zu gewährleisten.

Eine Reihe von Erfolgen auf dem Schlachtfeld im Jahr 2022, zunächst in der nordöstlichen Region Charkiw und dann bei der Einnahme von Cherson, ermutigten Selenskyj, an die Möglichkeit eines „Endsiegs“ zu glauben. Aber die Amerikaner haben ein besseres Gespür für die Realität und wissen sehr wohl, dass die Zeit nicht unbedingt auf der Seite der Ukraine steht.

Besteht die Gefahr, dass Putin gestürzt wird?

Die westliche Propagandamaschinerie wiederholt ständig die Behauptung, Putin werde bald vom russischen Volk gestürzt, das des Krieges überdrüssig sei. Doch das ist reines Wunschdenken. Es beruht auf einem grundlegenden Irrtum. Gegenwärtig verfügt Putin noch über eine recht breite Basis an Unterstützung. Es besteht keine unmittelbare Gefahr, dass er gestürzt wird.

Es gibt derzeit keine nennenswerte Antikriegsbewegung in Russland, und was es gibt, wird von den bürgerlich-liberalen Elementen angeführt und geleitet. Genau das ist ihre größte Schwäche. Die Arbeiter werfen einen Blick auf die prowestliche Gesinnung dieser Elemente und wenden sich fluchend ab.

Der Krieg hat die allgemeine Unterstützung der Mehrheit der Russen, vor allem der Arbeiter, auch wenn die Begeisterung für ihn nicht sehr groß ist. Die Verhängung von Sanktionen und die ständige antirussische Propaganda im Westen sowie die Tatsache, dass die NATO und die Amerikaner moderne Waffen an die Ukraine liefern, bestätigen den Verdacht, dass Russland von seinen Feinden belagert wird.

Der einzige Druck auf Putin kommt nicht von einer Anti-Kriegs-Bewegung, sondern im Gegenteil von den russischen Nationalisten und anderen, die wollen, dass der Krieg mit größerer Kraft und Entschlossenheit fortgesetzt wird. Wenn sich der Krieg jedoch über einen längeren Zeitraum hinzieht, ohne dass ein nennenswerter militärischer Erfolg Russlands nachgewiesen werden kann, kann sich das ändern.

Ein wichtiges Symptom sind die Proteste der Mütter der in der Ukraine gefallenen Soldaten. Sie sind noch klein und konzentrieren sich hauptsächlich auf östliche Republiken wie Dagestan, wo die hohe Arbeitslosigkeit dazu führte, dass sich viele junge Männer freiwillig zur Armee meldeten. Wenn der gegenwärtige Konflikt länger andauert, könnten sich diese Proteste vervielfachen und eine Bedrohung nicht nur für den Krieg, sondern auch für das Regime selbst darstellen.

Wenn die Zahl der Toten zunimmt, könnte es in Moskau und Petersburg zu Protesten von Müttern kommen, die Putin nicht ignorieren kann und die er nicht unterdrücken kann. Dies würde zweifellos eine Veränderung der gesamten Situation bedeuten. Doch dazu ist es nicht gekommen – noch nicht.

Russlands Kriegsziele

Erklärtes Ziel Russlands war es, den NATO-Beitritt der Ukraine zu verhindern und das Land zu „entmilitarisieren und zu entnazifizieren“. Außerdem wollte Putin von Anfang an eine neutrale oder pro-russische Regierung in Kiew.

Putin hat sich zu Beginn eindeutig verkalkuliert, und die Russen verfügten nicht über ausreichende Kräfte, um diese Ziele zu erreichen. Selbst die Aufgabe, ihre Gewinne im Donbass zu halten, erwies sich als schwierig, was die ukrainische Offensive Anfang September letzten Jahres deutlich zeigte.

Doch die Misserfolge an der Front waren der notwendige Anstoß für eine Neuausrichtung. Sie haben Schritte unternommen, um die Kräfte zu mobilisieren, die notwendig sind, um das Notwendige zu tun. Russland führt eine Massenmobilisierung durch. Die Entsendung von angeblich 300.000 neuen russischen Soldaten an die Front wird das Kräftegleichgewicht dramatisch verändern.

Das häufig wiederholte Argument, den Russen gehe die Munition aus, ist völlig falsch. Russland hat eine große und mächtige Rüstungsindustrie. Es verfügt über sehr große Bestände an Waffen und Munition.

Es ist nicht Russland, sondern die Ukrainer und ihre imperialistischen Unterstützer, denen die Munition ausgeht. Die USA und ihre Verbündeten haben dem ukrainischen Militär allein im letzten Jahr bereits fast 50 Milliarden Dollar an Hilfe und Ausrüstung zukommen lassen. Aber die Ukrainer verbrauchen ihre Vorräte viel schneller, als sie ersetzt werden können.

NATO-Sekretär Jens Stoltenberg musste auf der jüngsten NATO-Tagung einräumen, dass sowohl die Ukraine als auch die NATO Gefahr laufen, keine Munition und keine Ersatzteile für schwere Waffen mehr zu haben. Er sagte, die westlichen Verbündeten müssten ihre eigenen Waffenarsenale aufstocken und gleichzeitig sicherstellen, dass Kiew die Waffen erhalte, die es brauche, „um diesen Krieg zu gewinnen“:

„Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass Präsident Putin sich auf den Frieden vorbereitet“, sagte Stoltenberg. „Was wir sehen, ist das Gegenteil, er bereitet sich auf mehr Krieg vor, auf neue Offensiven und neue Angriffe.“

"Dies ist zu einem Zermürbungskrieg geworden, und deshalb ist es auch eine logistische Schlacht.“

"Dies ist eine enorme Anstrengung der Verbündeten, um die Munition, den Treibstoff und die Ersatzteile, die benötigt werden, zu beschaffen."

Diese Eingeständnisse stellen die ganze dumme Propaganda, die seit vielen Monaten wiederholt wird, auf den Kopf.

In der Zwischenzeit fahren die Russen fort, Ziele in der ganzen Ukraine mit Artillerie, Raketen, Drohnen und Flugkörpern zu pulverisieren und militärische Kommandozentralen, Verkehrsknotenpunkte und Infrastrukturen zu zerstören, was die Bewegung von Truppen und Waffen an die Front ernsthaft behindern wird.

Weltweite Beziehungen

Der Krieg in der Ukraine kann nicht isoliert betrachtet werden. Die Weltordnung (oder besser gesagt, die Weltunordnung), die in den letzten 30 Jahren nach dem Zusammenbruch der UdSSR bestand, neigt sich dem Ende zu.

Der US-Imperialismus versucht, seine Rolle als dominierende Weltmacht zu behaupten. Doch er stößt auf Widerstand. Russland stellt die von den USA geführte Sicherheitsordnung in Europa in Frage, während China sie in Asien herausfordert.

Auch China hat sich Russland stark angenähert, da beide in Konkurrenz zum US-Imperialismus stehen. Vor kurzem hat China die westlichen Länder davor gewarnt, in der Ukraine „Öl ins Feuer zu gießen“, und im Vorfeld eines erwarteten Besuchs von Pekings ranghöchstem Diplomaten Wang Yi in Moskau erneut zu Friedensgesprächen aufgerufen.

Diese Äußerungen wurden in Washington als Drohung interpretiert, dass China Russland mit Waffen beliefern könnte. Die USA warnten Peking verärgert, dass dies ernsthafte Konsequenzen haben würde. Dies wiederum führte zu einer noch wütenderen Reaktion Pekings. Warum sollten die USA und ihre Verbündeten ungehindert massive Waffenlieferungen an die Ukraine vornehmen können, während es China verboten sei, Waffen an Russland zu liefern?

Eine sehr gute Frage, auf die wir noch immer auf eine sehr gute Antwort warten.

Es hat ein geopolitischer Wandel begonnen, der den Verschiebungen der tektonischen Platten auf der Erdoberfläche ähnelt. Und wie letztere wird er Erdbeben hervorrufen.

Aus der Asche der alten Ordnung wird eventuell ein neues Gleichgewicht der Kräfte entstehen. Es wird jedoch einige Zeit dauern, bis sich dieses Gleichgewicht herausbildet, und es wird weder leicht noch friedlich zu erreichen sein. Eine neue Zeit der Turbulenzen und Umwälzungen hat begonnen.

Obwohl ein Weltkrieg unter den derzeitigen Bedingungen ausgeschlossen ist, wird es viele „kleine“ Kriege und Stellvertreterkriege wie den in der Ukraine geben. Dies wird die allgemeine Unbeständigkeit verstärken und die Flammen der weltweiten Unordnung weiter anfachen.

Die USA und Europa

In Europa nutzen die USA den Konflikt in der Ukraine, um ihr Ziel zu verfolgen, die Europäer zu zwingen, ihre Beziehungen zu Russland zu kappen und so den schraubstockartigen Griff des US-Imperialismus über den gesamten Kontinent zu stärken.

Zuvor nutzte die herrschende Klasse in Deutschland ihre Beziehungen zu Russland als Druckmittel, um sich zumindest eine teilweise Unabhängigkeit gegenüber den USA zu sichern.

Der andere wichtige Hebel der deutschen herrschenden Klasse war ihre faktische Vorherrschaft in der Europäischen Union, die sie als alternativen Machtblock aufzubauen hoffte, der in der Lage ist, ihre eigenen Ziele und Interessen auf der globalen Bühne zu verfolgen.

Hinter dem Anschein der „westlichen Einheit“ verbergen sich wachsende Spannungen zwischen den USA und Europa, die sich durch diesen Krieg sogar noch verschärft haben. Diese Spannungen sind in dem jüngsten protektionistischen Infrastrukturgesetz der USA erneut aufgetaucht, das zusätzlichen Druck auf die Industrieproduktion in der EU ausübt.

Die Spannungen zwischen den USA und Europa sind nicht neu. Sie traten bereits während des Irakkriegs und in jüngster Zeit in Bezug auf die Beziehungen zum Iran auf. Die Staats- und Regierungschefs Frankreichs und Deutschlands waren stets misstrauisch gegenüber den engen Beziehungen der USA zu Großbritannien, das sie zu Recht als amerikanisches Trojanisches Pferd im europäischen Lager betrachteten.

Die Franzosen, die aus ihren eigenen Ambitionen, Europa zu dominieren, nie einen Hehl gemacht haben, waren in ihrer anti-amerikanischen Rhetorik traditionell lauter. Die Deutschen, die die wahren Herren Europas sind, waren zurückhaltender und zogen die Realität der Macht der leeren Prahlerei vor.

Die Amerikaner ließen sich nicht täuschen. Sie sahen in Deutschland, nicht in Frankreich, ihren Hauptkonkurrenten, und insbesondere Trump machte keinen Hehl aus seinem extremen Misstrauen und seiner Abneigung gegenüber Berlin.

Um ihre Unabhängigkeit von Washington zu sichern, gingen die deutschen Kapitalisten eine enge Beziehung zu Moskau ein. Dies verärgerte ihre „Verbündeten“ jenseits des Atlantiks, brachte ihnen aber erhebliche Vorteile in Form von billigen und reichlichen Öl- und Gaslieferungen.

Der Verzicht auf diese Lieferungen ist ein sehr hoher Preis dafür, dass man die Amerikaner bei Laune hält. Unter Angela Merkel bewahrte Deutschland missgünstigseine unabhängige Rolle. Es bedurfte eines Krieges in der Ukraine, um Deutschland – zumindest vorläufig – gefügig zu machen.

Vorläufig ist es den USA gelungen, den Krieg zu nutzen, um Europa fester in den Griff zu bekommen. Aber es ist keineswegs klar, wie lange die Geduld der Deutschen und der anderen Europäer noch reicht. Die Widersprüche, die sich aus dieser Situation ergeben, werden erst deutlich werden, wenn das ukrainische Abenteuer geklärt ist.

Welcher Sieg?

In diesem Krieg ist es vor allem ein Fehler, von einem russischen oder ukrainischen Sieg zu sprechen. Man muss zunächst einmal definieren, was ein Sieg ist.

Für die ukrainische Seite ist die Antwort einfach: die militärische Niederlage Russlands herbeiführen und den Rückzug der russischen Streitkräfte aus allen besetzten Gebieten, einschließlich der Krim, erzwingen. Doch auch wenn dies einfach erscheint, sind sich die meisten Militärexperten einig, dass dieses Ziel äußerst unwahrscheinlich ist.

Für Russland ist die Sache noch einfacher. Theoretisch könnte Putin den Sieg für sich beanspruchen, wenn es Russland gelingt, die Kontrolle über den gesamten Donbass und die Landbrücke zur Krim zu übernehmen. Aber er würde sicherlich noch mehr wollen, zum Beispiel Odessa und die Schwarzmeerküste einzunehmen.

Das würde die Ukraine wirtschaftlich strangulieren und sie in einen Zustand der Vasallität versetzen. Es wäre ein vernichtender Schlag für die NATO und würde die Grenzen der amerikanischen Macht aufzeigen. Natürlich werden die Amerikaner alles in ihrer Macht Stehende tun, um dies zu verhindern. Aber es ist alles andere als sicher, dass sie damit Erfolg haben werden.

Biden hat gerade mehr Hilfe für die Ukraine angekündigt. Aber das wird nicht ausreichen, um das Kriegsgeschick, das jetzt zu Gunsten Russlands fließt, zu wenden. Washington will weiterhin genügend Waffen liefern, um den Konflikt in der Ukraine in Gang zu halten und damit Russland zu schwächen.

Trotz aller öffentlichen Angeberei haben die seriösen Militärstrategen jedoch begriffen, dass es für die Ukraine unmöglich ist, Russland zu besiegen. General Mark A. Milley ist der 20. Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, also der ranghöchste Militäroffizier der USA. Seine Meinung muss daher sehr ernst genommen werden, wenn er sagt:

„Die Wahrscheinlichkeit eines ukrainischen militärischen Sieges, der darin besteht, die Russen aus der gesamten Ukraine zu vertreiben, einschließlich der von ihnen definierten oder behaupteten Krim – dass dies in baldiger Zeit geschieht, ist aus militärischer Sicht nicht sehr wahrscheinlich.“

Die Imperialisten spielen weiterhin ihr makabres Spiel. Sie schüren das Feuer des Krieges in ausreichendem Maße, um es am Brennen zu halten, ohne jedoch die Ukrainer mit den notwendigen Mitteln auszustatten, um zu gewinnen.

Dass dieses Szenario für unzählige Menschen unweigerlich schrecklichste Zerstörung, Elend, Tod und Leid bedeutet, ist ihnen völlig gleichgültig. Aber alles hat seine Grenzen.

Im Gegensatz zu den imperialistischen Heuchlern empfindet die Arbeiterklasse im Westen echtes Mitgefühl für das schreckliche Leid von Millionen armer Menschen in der Ukraine. Sie spenden Geld, Kleidung und Lebensmittel, die sie sich nicht leisten können, um den Opfern des Krieges zu helfen. Sie öffnen unverwandt ihre Häuser und teilen alles, was sie haben, mit obdachlosen Flüchtlingen. Und das ist ihr Verdienst.

Aber es ist eine Sache, Solidarität mit den Opfern des Krieges zu zeigen. Eine ganz andere Sache ist es, direkt oder indirekt die zynische Politik des Imperialismus zu unterstützen, der das Elend von Millionen von Männern, Frauen und Kindern ausnutzt, um den Konflikt für seine eigenen egoistischen Interessen bewusst zu verlängern.

Atomkrieg?

Das einzige wirklich neue Element in Putins jüngster Rede war seine Ankündigung, die Teilnahme Russlands an den Gesprächen über einen Vertrag über nukleare Rüstungskontrolle auszusetzen. Außerdem kündigte er an, dass neue strategische Systeme in den Kampfbereitschaft versetzt worden seien, und drohte mit der Wiederaufnahme von Atomtests, falls die USA den Anfang machten.

Putins Andeutung, dass er den Einsatz von Atomwaffen in Betracht ziehen könnte, war mit ziemlicher Sicherheit ein Bluff, aber seine Worte ließen in Washington und Brüssel sofort die Alarmglocken läuten. Die Miene des Norwegers Stoltenberg, der sich selbst gern als Generalsekretär der NATO bezeichnet, verriet ausnahmsweise einmal einen Anflug von Emotionen über Putins Erklärungen.

Was auch immer die Absichten der Amerikaner sind, ein tatsächlicher Krieg mit Russland gehört nicht dazu. Eine direkte Konfrontation zwischen der NATO und Russland mit all ihren nuklearen Implikationen wird von beiden Seiten um jeden Preis vermieden.

Die Amerikaner haben nicht die Absicht, es so weit kommen zu lassen. Gerade deshalb haben die Amerikaner mehrere Kanäle zu Russland offen, um jede Möglichkeit unkontrollierter Ereignisse, die zu unerwünschten Entwicklungen führen können, zu verhindern.

All dies wird den Bemühungen von Männern wie dem Vorsitzenden der Joint Chiefs, General Mark Milley, zusätzliches Gewicht verleihen, Druck auf Selenskyj auszuüben, damit er Gespräche mit Russland aufnimmt. Doch das ist aus ukrainischer Sicht der Todeskuss.

„Wenn es eine Gelegenheit zu verhandeln gibt, wenn Frieden erreicht werden kann, sollte man sie ergreifen“, sagte Milley. „Ergreift den Moment.“

Sollten die Verhandlungen jedoch nicht zustande kommen oder scheitern, würden die Vereinigten Staaten laut Milley die Ukraine weiterhin mit Waffen versorgen, auch wenn ein eindeutiger militärischer Sieg für beide Seiten immer unwahrscheinlicher wird.

„Es muss eine gegenseitige Anerkennung geben, dass ein militärischer Sieg im wahrsten Sinne des Wortes vielleicht nicht mit militärischen Mitteln zu erreichen ist und man sich deshalb anderen Mitteln zuwenden muss“, sagte er. Dies ist eine klare Warnung an Selenskyj, dass die weitere Unterstützung des US-Imperialismus nicht als selbstverständlich angesehen werden kann. Und das, und nicht die rhetorischen Erklärungen von Joe Biden in Kiew und Warschau, wird letztlich über das Schicksal der Ukraine entscheiden.

Die Bereitschaft der USA, weiterhin die Kosten für einen teuren Krieg zu tragen, dessen Ende nicht absehbar ist, stößt nämlich an ihre Grenzen. Washington war stets zurückhaltend, wenn es darum ging, Kiew mit der Art moderner Waffen zu beliefern, um die es gebeten hat.

Damit soll Moskau signalisiert werden, dass die USA nicht bereit sind, Waffen zu liefern, die zu einer Eskalation des Konflikts und damit zu einem direkten militärischen Zusammenstoß zwischen Russland und der NATO führen könnten.

Dies unterstreicht die Gefahren, die mit einer Fortsetzung des Krieges verbunden sind. Es sind zu viele unkontrollierbare Elemente im Spiel, die zu einer Abwärtsspirale führen könnten, die in einen echten Krieg zwischen der NATO und Russland münden könnte.

Die Gefahr einer solchen Entwicklung wurde im November 2022 deutlich, als die Welt schockiert die Erklärung des polnischen Präsidenten vernahm, sein Land sei von Raketen aus russischer Produktion getroffen worden, und die westlichen Medien behaupteten, Russland stecke dahinter.

Diese Lüge wurde bald entlarvt, als das Pentagon selbst enthüllte, dass die Rakete, die ein polnisches Getreidelager auf einem Bauernhof in der Nähe des Dorfes Przewodow nahe der Grenze zur Ukraine traf, von der ukrainischen Armee abgefeuert wurde.

Die NATO und die Polen beeilten sich zu erklären, dass es sich um einen „bedauerlichen Unfall“ gehandelt habe. Doch obwohl es sich bei der Rakete um eine S-300-Luftabwehrrakete mit sehr begrenzter Reichweite handelte, die kaum von Russland aus abgefeuert worden sein konnte, hat Selenskyj unverhohlen gelogen und darauf bestanden, dass es sich um einen absichtlichen Angriff aus Russland handelte.

Er hoffte, dass er damit einen starken Hebel in der Hand hätte, um mehr Waffen und Geld zu fordern. Und im besten Fall (aus seiner Sicht) könnte dies die NATO dazu bringen, Vergeltungsmaßnahmen gegen Russland zu ergreifen, was interessante Folgen hätte.

Hätte dieser Vorfall dazu gedient, die NATO zu Maßnahmen gegen Russland zu bewegen, hätte er eine unaufhaltsame Kette von Ereignissen in Gang setzen können, die zu einem totalen Krieg hätte führen können. Es besteht kein Zweifel daran, dass es Selenskyj sehr gelegen käme, wenn die NATO in den Krieg eintreten und damit seine heißen Kohlen aus dem Feuer holen würde.

Ein europäischer Flächenbrand wäre für Millionen von Menschen ein Albtraum gewesen. Aber für Selenskyj und seine Clique wäre es die Antwort auf alle ihre Gebete gewesen. Für die Amerikaner wäre es natürlich unmöglich, am Rande zu stehen und sich die Hände an den Flammen zu wärmen.

Es müssten amerikanische Truppen zum Einsatz geschickt werden. Aus der Sicht des Kiewer Regimes wäre das eine gute Nachricht, aus der Sicht des Weißen Hauses und des Pentagons jedoch keineswegs. Das sollte nicht Teil des Drehbuchs sein!

Die Aussicht auf eine neue russische Offensive erfüllt die Männer in Kiew mit Sorge. Dies erklärt die jüngste Intensivierung von Selenskyjs diplomatischer Offensive: die plötzlichen Reisen nach London und Washington und Bidens melodramatische Auftritte in Kiew und Warschau.

Selenskyj ist ein verzweifelter Mann. Und verzweifelte Männer tun verzweifelte Dinge. In der ukrainischen Armee und in den Geheimdiensten gibt es eindeutig Elemente, die nach einem Vorwand suchen, um eine Provokation zu inszenieren, von der sie sich erhoffen, dass sie die NATO endlich in eine direkte Beteiligung am Krieg hineinziehen kann.

Der Vorfall mit der Rakete, die von einer ukrainischen Armeeeinheit auf polnisches Gebiet abgefeuert wurde, war ein typisches Beispiel dafür. Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass in Kiew derzeit neue, noch schwerwiegendere Provokationen ausgebrütet werden.

Jüngst behauptete Russland, die Ukraine verstärke ihre Bemühungen um eine Invasion Transnistriens, der von Moskau unterstützten Separatistenregion der Republik Moldau, und kündigte eine „Antwort“ an. Das ist durchaus möglich. Ob es dazu kommt oder nicht, eine neue Provokation ist durchaus vorhersehbar.

Und was nun?

Napoleons Ausspruch, dass der Krieg die komplexeste aller Gleichungen ist, behält seine volle Gültigkeit. Der Krieg ist ein bewegtes Bild mit vielen unvorhersehbaren Varianten und möglichen Szenarien.

Die Variante, die von der westlichen Propagandamaschinerie seit Beginn der Feindseligkeiten zuversichtlich propagiert wurde, schien durch den Erfolg der ukrainischen Offensive im September 2022 und später durch den russischen Rückzug aus dem westlichen Teil von Cherson bestätigt zu werden.

Wir müssen uns jedoch vor impressionistischen Schlussfolgerungen hüten, die aus einer begrenzten Anzahl von Ereignissen gezogen werden. Der Ausgang von Kriegen wird selten durch eine einzige Schlacht – oder sogar durch mehrere Schlachten – entschieden.

Die Frage ist: Hat dieser Sieg oder dieser Vorstoß das grundlegende Kräftegleichgewicht, das allein das Endergebnis bestimmen kann, wesentlich verändert? Diese grundlegenden Fragen müssen erst noch geklärt werden. Je nachdem, wie sich die Lage in Russland einerseits und in der Ukraine und ihren westlichen Herren andererseits entwickelt, sind unterschiedliche Ergebnisse möglich.

Russland hat seine Streitkräfte im Osten aufgestockt, seine Militärpräsenz in Weißrussland verstärkt und seine Luftangriffe auf militärische Ziele und die bereits geschwächte ukrainische Infrastruktur intensiviert.

Bislang haben die Ukrainer ein bemerkenswertes Maß an Widerstandskraft bewiesen. Doch wie lange die Moral sowohl der Zivilbevölkerung als auch der Soldaten an der Front aufrechterhalten werden kann, ist unklar.

Eines ist jedoch klar. Die nächste russische Offensive wird nicht so verlaufen wie die letzte, die so kläglich gescheitert ist. Die Russen werden mit der gesamten ihnen zur Verfügung stehenden Zahl und Feuerkraft angreifen. Und es scheint sehr unwahrscheinlich, dass die durch schwere Verluste und die Zerstörung ihrer Infrastruktur bereits stark geschwächten Ukrainer in der Lage sein werden, Widerstand zu leisten.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Feindseligkeiten eingestellt werden. Um einen vollständigen Sieg zu erringen, werden die Russen noch viel weiter gehen müssen, bis sie die Kampfkraft der ukrainischen Armee völlig untergraben haben. Ist das möglich? Ja, es ist möglich. Russland verfügt über erhebliche Reserven, die noch nicht zum Einsatz gekommen sind und die der Ukraine fehlen. Aber es wird weder einfach noch schnell gehen.

Nachrichten über schwere Rückschläge an der Front werden sich auf die Moral auswirken. Schließlich wird es in der Kiewer Führungsschicht zu einer Spaltung zwischen den rechten Nationalisten, die bis zum bitteren Ende kämpfen wollen, und den pragmatischeren Elementen kommen, die erkennen, dass weiterer Widerstand nur zur völligen Zerstörung der Ukraine führen wird und dass eine Art Verhandlungslösung der einzige Ausweg ist.

Wie auch immer das Ergebnis ausfällt, von einer Rückkehr zum Status quo in Europa kann keine Rede sein. Eine neue Periode extremer Instabilität, von Kriegen, Bürgerkriegen, Revolutionen und Konterrevolutionen ist angebrochen.

London
24. Februar 2023

 

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