Kategorie: International

Peru: Lehren aus Castillos Sturz

„Keine armen Menschen mehr in einem reichen Land!“ Mit diesem Satz gewann Pedro Castillo die Präsidentschaftswahlen in Peru und aufgrund der Tragweite dieses Satzes wurde er am 7. Dezember des vergangenen Jahres durch den Kongress geputscht. Darauf folgten massive Proteste, die sich im ganzen Land verbreiteten, mit denen sich die IMT und damit auch der Funke, solidarisch erklärten. Nachdem diese brutal und blutig niedergeschlagen wurden, stellt sich die Frage, was man hätte anders machen können. Um das zu verstehen müssen wir wissen, was eigentlich genau passiert ist. 

Mayimbú, Wikimedia Commons


Gefallene Präsidenten, Korruption und Massenbewegungen

Der Amtsenthebung von Castillo geht eine lange Geschichte voraus. So hatte Peru in den letzten 5 Jahren 3 Präsidenten und das obwohl eine Legislaturperiode in Peru normalerweise 5 Jahre dauert. Die letzten sechs Präsidenten waren in Korruptionsfälle verwickelt, einige sind inhaftiert, andere werden von der Justiz verfolgt: Der Diktator Alberto Fujimori sitzt im Gefängnis und verbüßt eine 25-jährige Haftstrafe wegen Korruption, Mordes und Geldwäsche; Alejandro Toledo wurde in den USA verhaftet und wegen Korruption an Peru ausgeliefert; Alan García beging Selbstmord, um sich 2019 nicht den gegen ihn erhobenen Bestechungsvorwürfen stellen zu müssen; Ollanta Humala ist wegen des Korruptionsfalls Lava Jato in Brasilien auf Bewährung; Pedro Pablo Kuczynki wurde 2018 abgesetzt und steht wegen Geldwäsche unter Hausarrest; Martin Vizcarra wurde wegen Bestechung und Korruption beschuldigt und abgesetzt. Darauf folgte Merino, ein Repräsentant, der korruptesten und reaktionärsten Vertreter der peruanischen Bourgeoisie, der durch die Mobilisierung der Massen gestürzt wurde Der nächste Übergangspräsident Sagasti verblieb bis zu den Wahlen im Juli 2021 im Amt.

Lateinamerika verliert jedes Jahr etwa 140 Milliarden Dollar durch Korruption, das sind 3 % des BIP der Region. Fast alle Länder und alle Unternehmen sind in diese Korruptionsfälle verwickelt, zusätzlich zu Geldwäsche, Steuerhinterziehung usw. In einem Interview mit einem Mitglied von Alba Movimientos, José Carlos Llenera, auf Telesur, wird erwähnt, dass 2020 gegen mindestens 50 Prozent der Mitglieder des Kongresses wegen Korruption ermittelt wird. Mit anderen Worten: Die nationale und internationale Bourgeoisie ist unfähig, die formalen Regeln ihres bürgerlich-demokratischen Regimes einzuhalten. Die Korruption ist dem Kapitalismus inhärent. Und in Peru zeigt sie sich besonders deutlich.

Wir haben es hier mit dem Bankrott des politischen Regimes der peruanischen Bourgeoisie zu tun, die nicht in der Lage ist, die bürgerliche Demokratie vor der gleichen Fäulnis des lokalen und internationalen Kapitals zu bewahren.

Peru Libre und Pedro Castillo

Pedro Castillo führte 2017 einen Lehrerstreik an und wurde so national bekannt. Nachdem er 2020 seine Kandidatur als Präsident angekündigt hatte, sahen seine Umfragewerte extrem schlecht aus und lagen im Januar 2021 bei 2,3 %. Überraschenderweise erreichte er in der ersten Wahlrunde aber mit seiner Partei Perú Libre 19 % der Stimmen und setzte sich in der zweiten Runde knapp gegen Keiko Fujimori, Vorsitzende von Fuerza Popular, durch.

Peru Libre sieht sich selber als marxistische, leninistische und mariateguistische Partei, streicht in Wirklichkeit aber nur die Zwei-Phasen-Politik des Stalinismus neu an. Sie sprechen von einer „Volkswirtschaft mit Markt“, bei der die multinationalen Konzerne zurückgedrängt und „produktive Unternehmen“ gefördert werden sollen. Castillo, der selber kein Parteimitglied ist, versprach die Verträge mit den multinationalen Bergbauunternehmen neu auszuhandeln, das Erdgas zu verstaatlichen und auf diese Weise Bildung, Gesundheitsfürsorge, Wohnraum und Arbeitsplätze für alle zu finanzieren. Das Programm war besser als alles, was der Bevölkerung von Peru in den letzten 20 Jahren gewählter und nachgerückter Präsidenten vorgesetzt wurde. Dementsprechend stand es auch in direktem Konflikt mit der kapitalistischen Oligarchie und den multinationalen Bergbaukonzernen aus den USA, Großbritannien und Kanada. Es war somit abzusehen, dass Castillo unter ernsthaften Druck geraten würde und das tat er auch.

Castillo setzte drei Minister ab, die unter anderem die Forderung nach Verstaatlichung der Gasfelder vertraten. Außerdem speckte er sein Programm in puncto multinationale Bergbau- und Gasunternehmen ab. Der von der Oligarchie beherrschte Kongress spielte ihm dabei sicher auch nicht in die Karten. Weil Castillo immer mehr Zugeständnisse machte, lockte das die Begierden der Bourgeoisie, in die Offensive zu gehen und Castillo loszuwerden.

Ihm drohten mehrere Amtsenthebungen, wobei er die ersten zwei Verfahren überstand. Dies löste aufgrund der katastrophalen Lage des Landes aber Unruhen aus, die Castillo nicht unter Kontrolle hatte. Am 30.6.2022 verließ Castillo aufgrund des Drucks des Vorsitzenden der Peru Libre, der laut eigener Aussage von Castillo enttäuscht war, die Partei.

Ein halbes Jahr später drohte das dritte Amtsenthebungsverfahren gegen Castillo. Dem wollte er zuvorkommen, indem er ankündigte den Kongress aufzulösen, den Notstand ausrief und eine Notfallregierung bilden wollte. Eigentlich muss der Kongress zweimal die Regierung verweigern, damit das möglich ist. Aufgrund der fehlende Mobilisierung der Massen sowie ohne Unterstützung der eigenen Regierung, des Militärs und der Justiz wurde der Kongress nicht aufgelöst und Castillo seines Amtes enthoben. Daraufhin wurde er festgenommen und Dina Boluarte Präsidentin.

Was ist schiefgelaufen?

Das grundlegende Problem ist das, was dem Reformismus immer zugrunde liegt: Der fehlende Bruch mit dem Kapitalismus. Castillo musste immer größere Zustände an die Oligarchie, die multinationalen Bergbaukonzerne, oder den Unternehmerverband machen, weil der Kapitalismus, ein System, indem die Reichen regieren, keine andere Möglichkeit zulässt. Die Spitze dieser Ereignisse bestand dann darin, seine eigenen Minister um einen Rücktritt zu bitten, weil sie der Opposition, die im Dienste der herrschenden Klasse steht, nicht gefielen. Auch sich, als die Lage immer mehr zu kippen drohte, an die imperialistische OAS zu wenden, war ein entscheidender Fehler Castillos.

Castillos Versuch war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Er hätte seine Verankerung in den Massen nutzen müssen, um auch genau diese an die Macht zu bringen. Das hätte zwar ebenfalls eine Auflösung des Kongresses bedeutet, dann allerdings mit Unterstützung des Volkes. Anschließend hätte er eine nationale revolutionäre Versammlung einberufen sollen, um so die Macht der Oligarchie und Kapitalisten zu brechen.

Was war die Reaktion des Volkes?

Um die dortige Situation möglichst authentisch beleuchten zu können, haben wir uns mit Karen L. von Kusikuna e.V. getroffen, die vor Ort waren und die Bevölkerung unterstützt haben. Auf die Festnahme Castillos folgten massive Proteste, die hauptsächlich im Süden begannen und wegen der extrem repressiven und brutalen Polizei viele Todesopfer forderte. Das Ziel war in die Hauptstadt Lima zu gelangen. Nachdem der Norden von einer Flut überschwemmt wurde, bei der viele Leute ihre Häuser verloren und starben, begannen die Proteste abzuflachen. Allerdings wird vor Allem in Puno immer noch protestiert. 

Unsere Interviewpartnerin glaubt, dass die Menschen einfach nicht vergessen können. Währenddessen sinkt die Beliebtheit von Boluarte immer weiter. Bei den Protesten sind viele Menschen ums Leben gekommen, oder wurden verletzt. Es ist wichtig, hier nicht einfach nur eine Zahl vor Augen zu haben, sondern zu erkennen, dass dies tatsächlich Individuen sind, die ihrer Familie, Freunden und Vertrauten geraubt wurden. Es gab Polizeigewalt auf der Straße und im Gefängnis. Ein Mann wurde beispielsweise angeschossen und verlor so seinen Darm. Auf seiner Beerdigung erzählte sein Bruder, dass er 70 Tage lang nichts essen konnte. An diesem Tag wäre der Abschluss seiner Kochausbildung nur noch eine Woche entfernt gewesen. Die meisten Ermordeten hatten Kugeln im Rücken, sie wurden also feige von hinten ermordet, so wie es die herrschende Klasse und ihre Unterdrückungsorgane immer tun.

Wie sieht die Zukunft aus?

Viele, unsere Interviewpartnerin eingeschlossen, glauben, dass es egal ist, wer gewählt wird. Damit hat sie Recht und eben jene Meinung vertrat auch schon Marx: „Den Unterdrückten wird in mehreren Jahren einmal gestattet, darüber zu entscheiden, welcher Vertreter der unterdrückenden Klasse sie im Parlament ver- und zertreten soll.“

Uns wurde wieder einmal die Sackgasse des Reformismus aufgezeigt. Unsere Unterdrücker werden uns die Macht niemals freiwillig überlassen. Sie verteidigen sie mit allen Mitteln, koste es was es wolle. Ob das der Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas, oder Kugeln im Rücken sind, spielt dabei keine große Rolle. Wichtige Kämpfe gewinnt man allerdings nicht im Parlament, sondern in Schulen, Unis, Fabriken, Betrieben und auf der Straße. Dafür braucht es eine Organisation, die die Wut und Enttäuschung der Massen bündelt und gezielt auf einen Punkt lenkt. Nur so können wir uns ein Leben in Freiheit, sozialer Gleichheit und Sicherheit ermöglichen. Wir versuchen diese Organisation aufzubauen, also schließ dich uns an, um für den Sozialismus zu unseren Lebzeiten zu kämpfen! Keine armen Menschen mehr in einer reichen Welt! 

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