Kategorie: Asien

„Palästinenser haben keine Sicherheit, egal in welchem Land“

Im Zuge einer Aktion unserer Palästina-Solidarisierungskampagne machten wir Bekanntschaft mit einem Ehepaar. Zu ihrer Sicherheit nennen wir H. und S. nicht bei ihren Namen. Beide waren bereit, über ihre Geschichte und aktuelle Situation als Staatenlose zu erzählen.

pixabay, common license


Die Väter unserer Gesprächspartner stammen aus dem Gaza-Streifen. Für ihre Universitätsbesuche und die anschließendem Berufsangebote in mehreren arabischsprachigen Ländern sind sie viel umhergezogen und letztendlich in einem Land in Nordafrika gelandet.

H. und S. sind beide in Ägypten geboren, aber schon im sehr jungen Alter in ein anderes Land im Nahen Osten gezogen und dort aufgewachsen. Dort hat sich das Ehepaar kennengelernt und ihr Studium abgeschlossen, H. im Ingenieurwesen, S. in Politikwissenschaften und Pharmazie. Mit Stolz erzählte uns H. wie sie, nach ihrem Studium, als eine von wenigen Frauen in einer Firma zu arbeiten begann. Bildung wurde in ihrer Familie immer sehr hochgeschätzt, wie auch eine ausgeprägte Arbeitsdisziplin. Ihr Mann arbeitete in einem Pharmaunternehmen, in einer höheren Position. So haben sie mit ihren drei Kindern ein, für die Verhältnisse, normales Leben geführt. Normal nur im relativen Sinne, denn ihr Leben ist von Hindernissen gezeichnet. 

Unterdrückt in Nahost

Als Palästinenser lebten sie unter ständiger Diskriminierung. H. fiel es auf Grund ihrer Nationalität schwer einen Arbeitsplatz zu finden, trotz hoher Qualifikation. Die Rechte von Palästinensern waren stark eingeschränkt, so war es ihnen z.B. seit den 90er Jahren nicht mehr gestattet aus dem Land auszureisen. Als S. Anfangs 2014 seine Schwester in einer anderen, weit entfernten Stadt innerhalb des Landes besuchte, wurde er beim Rückflug am Flughafen festgehalten. Die Beamten wollten seine Papiere sehen, die er nicht bei sich trug. Daraufhin wurde er in Gewahrsam genommen, wo ihm mit Misshandlung gedroht wurde. Raus kam er nur dank der Bekanntschaft eines höheren Beamten, den seine Frau kontaktieren konnte.      

Den Beschluss aus dem Land zu fliehen, fasste das Ehepaar wegen Bedenken über die Sicherheit ihrer drei Kinder. Denn Entführungen von Kindern mit hohen Lösegeldforderungen waren dort durchaus keine Seltenheit, wie sie auch selbst erfahren mussten. Ihr Sohn entkam nur knapp einer Entführung, was ihn schwer traumatisiert zurücklies.

Dazu kam, dass der Vermieter die Familie mit Androhung von Waffengewalt, aus der Wohnung geworfen hatte, woraufhin sie im Haus einer Freundin unterkommen mussten. Da die legale Ausreise nicht möglich war, waren sie gezwungen auf einem Boot über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Ihr Ziel war Schweden, doch schließlich kamen sie nach Deutschland, ein Schicksal, das noch einen bitteren Nachgeschmack mit sich ziehen sollte.

Rechtlos in Deutschland

Als Palästinenser erhielten sie in Ägypten einen Reisepass, der ihre Nationalität anerkennt. Bei der Einreise nach Deutschland, im Jahr 2014, wurde dieser allen Familienmitgliedern abgenommen. An dessen Stelle erhielten sie eine Aufenthaltsgestattung, in welcher schockierenderweise keine Erklärung der Nationalität enthalten ist – man liest nur „Nationalität: ungeklärt“.

H. und S. erzählen, dass man als Palästinenser nur im israelischen System registriert und anerkannt wird, wenn man in Israel selbst geboren wurde. Für beide sowie für ihre Kinder trifft das nicht zu. So ist es den Behörden anscheinend „nicht nachweisbar“, dass sie Palästinenser sind. Damit errichtet der deutsche Staat für die staatenlose Familie eine unüberwindbare Hürde für ihre Anerkennung auf Asyl und die damit einhergehenden Rechte.

Die Familie erhielt einen bezahlten Deutschkurs, an welchem S. nicht teilnehmen konnte, da er sich den Arm gebrochen hatte und nicht in der Lage war zu schreiben. Ihm wurde erst 9 Jahre später, nach ständigen Nachfragen, ein weiterer Deutschkurs erstattet.

Aufgrund der mangelnden Deutschkenntnissen war es ihnen sowieso erschwert Arbeit zu finden, jedoch stellten sich ihnen noch weitere Hindernisse in den Weg. Wenn sie eine positive Rückmeldung auf eine der Unmengen an verschickten Bewerbungen erhielten, musste das Angebot erst von der Landkreisbehörde genehmigt werden. Dies dauert gerne mal einige Wochen, wodurch die Bestätigungsfrist für eine Stelle abläuft. Schließlich hatte Agentur für Arbeit sie nach einiger Zeit sogar aus ihrem Register gelöscht.

So sind sie seit Jahren gezwungen, zu fünft auf engstem Raum, von niedrigen Sozialleistungen zu leben. Eine Tatsache die dem Ehepaar merkbar zur Last fällt. Gar nicht zu arbeiten kommt ihnen jedoch nicht in den Sinn. H. arbeitet seit mehreren Jahren an einer Grundschule, jedoch lediglich in „Basisarbeit“ und bietet arabisch sprachigen Frauen ehrenamtlich Computerkurse an. Auch ihre Tochter arbeitet ehrenamtlich. Wenn es die Umstände erlauben, also das Landratsamt es zulässt, erhält S. bald eine Anstellung als Taxifahrer. H. möchte an einem weiteren Deutschkurs teilnehmen, den sie aus eigener Tasche bezahlen muss, was insgesamt über tausend Euro kosten wird. 

Kein Recht zu Protestieren

Der aktuelle Angriff Israels auf den Gaza-Streifen belastet die Familie sehr. H. zeigte uns ein Video, auf dem eine zerstörte Moschee zu sehen ist. Diese steht in derselben Straße, in der ihre Familie lebt: „Wir [ihre Familie] sind seit 500 Jahren hier, trotzdem heißt es Herkunft ungeklärt, egal in welchem Land.“

Obwohl sie ihr Volk bluten und ihre Familie sterben sehen, müssen sie abwiegen, überhaupt auf pro-palästinensische Proteste zu gehen. Die Teilnahme an diesen Demonstrationen, die eigentlich ein Grundrecht darstellen sollte, könnte negative Auswirkungen auf ihren Status in Deutschland haben. „Wir haben Angst. Nicht nur wir, sondern auch viele Frauen [aus der lokalen muslimischen Gemeinschaft], dass wenn wir auf so eine Demo gehen, wir keinen Aufenthalt bekommen.“ Es besteht stets die Möglichkeit, dass der Familie die Aufenthaltsgestattung in Deutschland entzogen wird. Die Teilnahme an solchen Aktivitäten kann stets gegen sie verwendet werden.

So leben sie immer noch in ständiger Unsicherheit, ob sie in Deutschland bleiben dürfen, oder nach Ägypten oder ein anderes nordafrikanisches Land abgeschoben werden; ob sie einen Deutschkurs erhalten, oder weiterhin durch die Sprachbarriere von der Gesellschaft isoliert werden; ob sie Arbeit ausführen dürfen, oder weiterhin von erniedrigenden Sozialleistungen überleben müssen. 

Unbeugsam bleiben

Die Familie zeigt sich dennoch standhaft. In Ansprache auf die Kufiya, welche eine wichtige Bedeutung für das palästinensische Nationalgefühl trägt und dessen Verbot nun für einige Demonstrationen diskutiert wurde, sagte S.: „Wir können nicht aus Angst unsere Kultur lassen.“

H. und S. sagen, dass der Nahostkonflikt nicht auf Religion oder Nationalität beruht. Sie erzählten, wie ihre Großväter gemeinsam mit Juden und Christen zusammen aßen und friedlich in einer Gemeinschaft lebten. So wurde z.B. ein Jahrtausend alte Kirche im Gaza-Streifen erst dann zerstört, nachdem Israelische Bomben vor kurzem darin einschlugen.

Seit Jahrzehnten wird den Palästinensern ihre Nationalität und Identität aberkannt, sie werden entmenschlicht und dem Recht einer Heimat und Existenz beraubt. Ihre Unterdrückung beginnt im besetzten Palästina, doch wird durch die Herrschenden auf der ganzen Welt, auch in den sogenannten westlichen Demokratien, fortgesetzt.

Um diese Unterdrückung zu beenden, muss das Problem an der Wurzel bekämpft werden. Die Profitierenden enteignet, die Imperialisten abgeschüttelt und das lang überfällige Ausbeutersystem des Kapitalismus gestürzt werden. Eine sozialistische Föderation des gesamten Nahen-Osten ist die einzige Option, die Frieden und Gerechtigkeit schaffen kann. Kein Arbeiter ist an der Unterjochung Anderer interessiert und profitiert auch nicht davon.

 

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