Kategorie: Europa

Sollen wir für die Krise zahlen?

Mit der Staatsschuldenkrise wird erneut deutlich, dass die Menschheit auf Basis des Kapitalismus keine positive Entwicklung beschreiten kann. Die Probleme des Systems und eine sozialistische Alternative skizziert Alan Woods.




Als dieser Artikel geschrieben wurde, versuchten die griechischen ArbeiterInnen mit einem 48-stündigen Generalstreik und Massendemos das von den Banken und Regierungen der gesamten EU erzwungene Sparpaket zu verhindern. Die EU hat Griechenland schamlos erpresst. Entweder die griechische Bevölkerung akzeptiert drakonische Einschnitte und einen niedrigeren Lebensstandard oder die notwendige Tranche von 12 Mrd. Euro zur Abwendung der Staatspleite wird nicht überwiesen.

Eine Staatspleite hätte bedeutet, dass die griechische Regierung kein Geld mehr für das Auszahlen von Löhnen für Krankenpflegepersonal, LehrerInnen usw. oder Pensionen gehabt hätte.

Von allen Seiten konnte man hören, dass „die Griechen“ zahlen müssen. Doch auf den Straßen Athens war eine andere Stimme zu hören, die Stimme der lohnabhängigen Bevölkerung, die ihr ganzes Leben lang hart arbeitet und Opfer bringt, die für diese Krise nicht verantwortlich gemacht werden kann und trotzdem jetzt die Rechnung dafür präsentiert bekommt.

Eine Arbeiterin, die auf dem Syntagma-Platz demonstrierte, stellte in einem Interview einem Journalisten die Gegenfrage: Warum sollten die Armen für diese Krise zahlen? Das ist eine wichtige Frage und verdient eine Antwort.
Die griechischen Lohnabhängigen gehören zu den schlechtestbezahlten in der gesamten EU. Die Löhne und Gehälter wurden bereits im vergangenen Jahr um ein Drittel gekürzt. Nun sollen sie eine weitere 30-Prozent-Kürzung akzeptieren. Doch gibt es eine Garantie, dass dieses Sparpaket eine Staatspleite Griechenlands abwenden kann?

Die Antwort darauf lässt sich anhand der Entwicklungen in den letzten 12 Monaten ablesen. Die Sparpolitik und das damit verbundene Fallen des Lebensstandards hat Griechenland noch tiefer in die Rezession sinken lassen. Weitere Kürzungen werden die Spirale nach unten nur noch mehr beschleunigen. Das Ergebnis ist steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Nachfrage, sinkenden Steuereinnahmen und letztendlich wird der griechische Staat pleite gehen. Stavros Lygeros legte in der Zeitung Kathimerini vor kurzem die Zahlen auf den Tisch:

“2012 muss Griechenland rund 52 Mrd. Euro (35 Mrd. an fälligen Staatsanleihen und 17 Mrd. für Zinsen) zahlen, während es gerade mal 12 Mrd. Euro von der Troika bekommen wird. 2013 soll Griechenland von der Troika kein Geld bekommen, aber es wird weitere 44 Mrd. Euro (27 Mrd. Für fällige Staatsanleihen und 17 Mrd. für Zinsen) zahlen müssen. Im Grunde braucht Griechenland also allein für den Zeitraum 2012-3 weitere 84 Mrd. Euro. Selbst wenn es einen Kredit von 60-65 Mrd. Euro bekommen sollte, würden noch immer 20-25 Mrd. fehlen. Angeblich soll dieser Betrag durch Privatisierungen und den Verkauf von Staatsvermögen gedeckt werden.”

“Das Leben endet aber nicht im Jahr 2013. Wo wird Griechenland die Milliarden auftreiben, die es zur Bedienung seiner jährlichen Zinszahlungen für seine massiven Schulden benötigt?”

In anderen Worten: Welche Opfer die griechische Bevölkerung auch immer bringen wird, es wird nichts am Ausgang dieser Krise ändern. Schlussendlich wird Griechenland pleite gehen, und die Folge dieser Pleite werden nicht nur für Griechenland, sondern für die gesamte EU, für die USA und letztlich die Weltwirtschaft als Ganzes sehr schwerwiegend sein.

Unmittelbar nach dem Beschluss des Sparpakets im griechischen Parlament hat die Ratingagentur Standard & Poor's festgestellt, dass das aktuelle Paket zur Restrukturierung der griechischen Staatsschulden in Wirklichkeit einer Pleite gleichkommt. Die Pläne, private Gläubigerbanken an dem Paket zu beteiligen, werden von den Ratingagenturen de facto als Zahlungsausfall gewertet.

Die Gesamtverschuldung Griechenlands betrug im Jahr 2010 ganze 328,6 Mrd. Euro, das sind 142,8% des BIP. Dieses Jahr steigt dieser Wert auf 157,7% des BIP, das ist ein Anstieg von 10% in einem Jahr. Alle zeigen jetzt mit dem Finger auf Athen, aber es handelt sich nur um ein Extrembeispiel für ein Phänomen, das wir in Wirklichkeit in jedem Land in der EU sehen.

Die von der EU-Bürokratie verschriebene Medizin wird keine Wirkung zeigen und den Patienten letztlich töten. Doch wie kann eine Alternative aussehen? Die Bürgerlichen sind sich einig, dass es keine Alternative gibt, weil das Geld dazu fehlt. Doch das ist eine glatte Lüge.

Für Griechenland lässt sich das sehr schön zeigen. Laut der staatlichen Steuerbehörde SDOE befinden sich mehr als 10.000 “Offshore”-Unternehmen im Eigentum von griechischen KapitalistInnen. Der Umsatz dieser Unternehmen beträgt rund 500 Mrd. Euro! (Quelle: Ta Nea, 5.11.2009). Wir sehen also, dass es auch in Griechenland genügend Geld gäbe, doch es ist nicht in der Hand einer demokratisch gewählten Regierung, sondern in den Händen von reichen Privatpersonen, die nicht bereit sind Steuern zu zahlen und Milliarden Euro außer Landes bringen und in Steueroasen anlegen. Wenn die Massenmedien aber davon reden, dass “die Griechen Opfer bringen müssen”, meinen sie mit Sicherheit nicht diese griechischen StaatsbürgerInnen.

Schuldenberge

Weltweit lag die öffentliche und private Auslandsverschuldung Ende 2010 bei sage und schreibe 60.28 Billionen $. Diese Zahl zeigt, welch kolossale Last auf den Schultern der Menschheit liegt und diese zu erdrücken droht. Diese Schulden drücken auf die Nachfrage und reduzieren den Konsum. Ein Ausweg aus der Krise ist nur denkbar, wenn zumindest ein Teil dieser Schuldenlast abgebaut und die Nachfrage wieder angekurbelt werden kann.

Das Schuldenproblem ist bei weitem nicht auf Europa allein beschränkt. Das zeigt vor allem die Situation in den USA, die mehr als besorgniserregend ist. Die Staatsverschuldung der USA lag im Mai dieses Jahres bei 14.32 Billionen $, das sind rund 98% des BIP im Jahr 2010 (14.66 Billionen $).

Der lange Boom in den USA und anderen Ländern basierte auf einem gewaltigen Schuldenberg. Doch es sollte bekannt sein, dass es früher oder später bei solchen Berge leicht zu Lawinen oder zu einem Hangrutsch kommt. Wenn einmal eine starke Lawine abgeht, dann reißt sie alles mit sich und verursacht enorme Schäden. Die Aufräumungsarbeiten erfordern dann meist eine lange Zeit.

Obama drängte die EU dazu, das Problem in Griechenland zu lösen, weil er ausgehend von einer Staatspleite in Athen die Gefahr einer Krise in der Euro-Zone und den möglichen Zusammenbruch des Euro selbst sah. Angesichts der hohen Verschuldung der USA hätte ein solches Szenario den Dollar umgehend unter Druck gesetzt. Ein Crash in den USA wäre wohl die Folge gewesen, was wiederum Schockwellen rund um den Globus geschickt hätte.

Kein Geld?

Die Ungleichheit nimmt überall rasant zu. Die Krise hat diesen Prozess sogar noch beschleunigt. Nehmen wir nur das weltweite Einkommen privater Haushalte oder den Konsum als Prozentanteil am Volkseinkommen. Die untersten 10% konsumieren nur 2,6% des Volkseinkommens, während die obersten 10% ganze 28% konsumieren (Zahlen aus dem Jahr 2005).

Dies trifft auf alle Länder zu. Großbritannien hat soeben die größten Streiks im öffentlichen Dienst seit Jahrzehnten gesehen. Den britischen ArbeiterInnen wird dieselbe Geschichte aufgetischt wie ihren griechischen KollegInnen: Wir haben eine Krise, und deshalb fehlt das Geld zur Finanzierung der Pensionen. Aus diesem Grund müssen wir alle Opfer bringen und die Nation retten.

Alle? Nein, nicht alle. Die Banker lassen sich mitten in der Krise noch immer riesige Boni ausbezahlen. Dies gilt sogar für jene Banken, die Millionen an Staatshilfen erhalten haben. Sie sind nicht bereit, auch nur irgendwelche Opfer zu bringen. Trotz all dem Gerede über die Notwendigkeit einer Sparpolitik haben die Superreichen in Großbritannien ihre Vermögen in den vergangenen 12 Monaten um 18% steigern können.

Was auf die Banker zutrifft, gilt aber für die kapitalistische Klasse in ihrer Gesamtheit. Die 1000 reichsten Briten haben heute 60,2 Mrd. Pfund mehr auf ihren Konten liegen als noch vor 12 Monaten. Das Durchschnittseinkommen der Top-100 unter den britischen Konzernvorständen stieg im letzten Jahr um 32% auf 3,5 Mio. Pfund. Selbst Vince Cable, der Staatssekretär für Wirtschaft in der LibDem-Tory-Regierung musste zugeben, dass die “Spitzeneinkommen speziell im Bankensektor, aber auch allgemein auf lächerliche Höhen geklettert sind“ (FT, 7/6/2011). Gleichzeitig wollen Mr. Cable und seine Freunde den ArbeiterInnen weismachen, dass kein Geld für das Pensions-, Schul- und Spitalssystem vorhanden sei.

The Economist schrieb in seiner Ausgabe vom 25. Juni in einem kurzen Beitrag mit dem treffenden Titel It’s a rich man’s world: “Der jährlich erscheinende Bericht schätzt, dass das gesamte Vermögen der 10,9 Millionen Reichen, die es weltweit gibt (27% davon sind Frauen) im Jahr 2010 ganze 42.7 Billionen $ betrug, das ist mehr als im Jahr 2007, als die Finanzkrise ausbrach.”

Den größten Anstieg in Sachen Ungleichheit können wir in China sehen, wo sich mit der kapitalistischen Transformation die Kluft zwischen Arm und Reich massiv erhöht hat. 2007 gab es laut der Financial Times nicht weniger als 364,000 Dollar-Millionäre in China, während die chinesischen ArbeiterInnen für einen Hungerlohn in den Fabriken der Neureichen arbeiten.

Laut dem Economist betrug das weltweite BIP in den letzten 12 Monaten [Mai 2010 - Mai 2011] ungefähr 65 Billionen $. Das bedeutet, dass ungefähr 11 Millionen Menschen (das ist in etwa die Zahl der EinwohnerInnen im Großraum London) zusammen ein Vermögen ihr Eigen nennen, das in etwa 2/3 der jährlichen Gesamtproduktion auf diesem Planeten ausmacht. 11 Millionen sind gemessen an der Weltbevölkerung eine lächerlich geringe Zahl. Weltweit beträgt die Zahl der Arbeitskräfte rund 3,191 Milliarden. 11 Millionen sind gerade einmal 0.34% davon.

“Aber wenn wir den Reichtum gleich aufteilen, wird das nichts lösen. Vielmehr werden die produktiven Investitionen, das Lebenselixier der Wirtschaft, massiv zurückgehen.”

Dieser Einwand der Bürgerlichen stimmt, aber er geht völlig am Punkt vorbei. Wir schlagen nicht vor, dass alle Vermögen gleich verteilt werden sollen, sondern dass sie für produktive Zwecke im Dienste der gesamten Gesellschaft und nicht für die Profitinteressen einer kleinen Hand voll von superreichen Individuen und Familien eingesetzt werden.

Außerdem liegt ein wesentlicher Grund für die gegenwärtige Krise gerade darin, dass das Kapital nicht in der Produktion investiert wird, weder in Griechenland noch sonstwo. Das Kapital wird gehortet oder für den Ankauf von Gold, Kunstwerken oder für spekulative Geschäfte jeglicher Art, sofern sie einen großen Ertrag versprechen, verwendet.

Ein entscheidender Teil dieser Spekulationsgeschäfte geschieht im Rahmen des großen Glücksspiels auf den weltweiten Finanzmärkten. Wie hungrige Wölfe suchen sich die Spekulanten Länder aus, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, und stürzen sich dann auf diese. Die Begriffe „nationale Souveränität“ und „Demokratie“ haben in diesem kapitalistischen Dschungel keine Bedeutung mehr, wie unsere KollegInnen in Griechenland, Irland und Portugal nur zu gut wissen.

Nehmen wir an, ein großer Teil des Gesamtvermögens in den Händen dieser kleinen Minderheit setzt sich aus Fabriken, Immobilien, Maschinen usw. zusammen und nur die Hälfte davon besteht aus Aktien, Staatsanleihen, Geld auf Konten in Steueroasen, Schmuck, Kunstwerken usw. Dann bedeutet das, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Privatvermögen dieser kleinen Elite ausreichen würde, um die gesamten Staatsschulden der EU-Staaten und der USA (rund 28 Billionen $) zu bezahlen.

Hier wird deutlich, was Marx meinte, als er von der Konzentration des Kapitals schrieb. Immer größere Vermögen konzentrieren sich in immer weniger Händen. Und mit großen Vermögen kommt große Macht. Das Schicksal ganzer Nationen wird auf diese Art und Weise von einer kleinen Handvoll von Individuen bestimmt, die niemand kennt, die von niemandem gewählt wurden und die sich hinter der Maske „des Marktes“ verstecken.

Die Geisel Arbeitslosigkeit

“Sozialismus kann nicht funktionieren”, wird uns gebetsmühlenartig erklärt. Wer das sagt, vergisst aber nur zu gerne die Tatsache, dass gerade das kapitalistische System nachweislich nicht funktioniert. Wie kann es sein, dass alle Großbanken und eine Vielzahl von privaten Großkonzernen (wie die Autoindustrie in den USA) nur dank der milliardenschweren Finanzspritzen aus den öffentlichen Haushalten existieren können?

Was ist nun mit der angeblichen Überlegenheit der Marktwirtschaft? Wo bleibt das unternehmerische Risiko, wenn alles Risiko von der öffentlichen Hand übernommen wird und die SteuerzahlerInnen die Banker großzügig für ihr Versagen belohnen, während gleichzeitig gewöhnliche ArbeiterInnen gnadenlos entlassen werden?

Wie kann es sein, dass die Rechnung für die Krise der Banken – eine Krise, die mit Spekulation und Betrug seitens der Banker einherging – von den ärmsten Schichten der Gesellschaft bezahlt werden soll, während sich gleichzeitig die Banker selbst mit dem Geld der öffentlichen Hand Boni in obszöner Höhe ausbezahlen?

Das Versagen der Marktwirtschaft spiegelt sich weltweit nicht zuletzt in den Arbeitslosenstatistiken wider. 2010 lag die Arbeitslosenrate weltweit bei 8,8% (2009 waren es noch 8,3%). Doch diese Zahl beschreibt nicht das tatsächliche Ausmaß dieses Phänomens, da Unterbeschäftigung nicht miteinbezogen wird. 2007, also vor dem Ausbruch der Krise, waren 30% der weltweit Erwerbsfähigen arbeitslos bzw. unterbeschäftigt. Heute wird die Situation noch schlimmer sein. In Spanien liegt die offizielle Arbeitslosenrate bei 21,3% und die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei 50% - das sind Zahlen auf dem Niveau von Ländern wie Tunesien und Ägypten.

Eine Arbeitslosenrate von 8,8% bedeutet, dass im Kapitalismus weltweit 281 Millionen Menschen zu Untätigkeit verdammt sind. Sie können ihr kreatives Potential nicht für produktive Zwecke einsetzen. Andersherum formuliert: Die Gesellschaft verliert jedes Jahr das Äquivalent von über 281 Millionen Jahren an produktiver Arbeitsleistung. Dieses Ausmaß an Verschwendung ist erschreckend hoch. Unter kapitalistischen Verhältnissen ist auch keine Lösung dafür in Sicht.

Der Kern des Problems liegt in der Überproduktion, der dem Kapitalismus inhärenten Tendenz mehr zu produzieren, als die Gesellschaft nachfragen kann. Marx erklärte dieses Phänomen im Kommunistischen Manifest folgendermaßen:

“ Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind.

Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn wäre – die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse.; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen.

Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.” (Kapitel I, Bourgeois und Proletarier)

Diese Worte sind heute aktueller denn je! Ende Juni schrieb Financial Times (28. Juni): “Fast drei Jahre nach dem Beginn der Wirtschaftskrise sucht ein neues Gespenst die entwickeltsten Volkswirtschaften heim: Die Perspektive, dass die Mehrheit ihrer Bürger Jahre stagnierender Löhne und Gehälter vor sich haben.“

In Wirklichkeit trifft dies bereits heute auf viele ArbeiterInnen weltweit zu. In allen Ländern sinkt die Lohnquote seit Jahren, während der Anteil der Profite stetig zunimmt. Laut einer Studie der OECD nahm zwischen Mitte der 1980er Jahre und jetzt die Einkommensungleichheit in 17 von 22 ihrer Mitgliedsländer zu, darunter auch in Schweden und Dänemark.

Das extremste Beispiel liefern die USA. Die FT schreibt dazu: „Das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens muss irgendwo hingehen. In den USA ging dieses Geld fast ausschließlich an die Reichsten. Die 1 Prozent US-Amerikaner mit dem höchsten Vorsteuereinkommen verdienten 1975 ganze 8 Prozent des gesamten Volkseinkommens, 2008 betrug dieser Wert bereits 18 Prozent (…). Und auch innerhalb der reichsten 1 Prozent ging der größte Anteil wiederum an die Reichsten der Reichen.”

Im Gegensatz dazu sind die realen Medianeinkommen in den USA seit 1975 nicht mehr gestiegen. In Deutschland sinkt dieser Wert seit zehn Jahren. Das ist auch das Geheimnis hinter der deutschen “Erfolgsstory” – die zu Lasten eines sinkenden Lebensstandards der deutschen ArbeiterInnen geht. Die Bürgerlichen möchten natürlich in jedem Land solche “Erfolge” sehen.

Keine Alternative?

Ist es wirklich akzeptabel, dass im 21. Jahrhundert das Schicksal von Millionen Menschen, ja von ganzen Staaten, nach den Gesetzen einer Spielhölle bestimmt wird? Stimmt es, dass die Menschheit kein besseres System als das kapitalistische schaffen kann? Die Losung „Es gibt keine Alternative“ ist in Wirklichkeit eine unvorstellbare Beleidigung der menschlichen Art. Eine bessere Gesellschaft ist sehr wohl möglich, aber nicht auf der Grundlage des Kapitalismus.

Steigende Arbeitslosigkeit und ständige Angriffe auf den Lebensstandard bedeuten sinkende Nachnachfrage und eine weitere Vertiefung der Krise. The Financial Times zitierte den US-amerikanischen Ökonomen Dick Longworth vom Chicago Council on Global Affairs mit den folgenden Worten: “Wir leben in einer Konsumgesellschaft und das sind die Konsumenten; wenn die nicht kaufen, dann werden wir nicht überleben.”

Das ist auch der Grund, warum die „Lösungen“, welche die EU Griechenland aufzwingt, die Lage nur noch mehr verschlechtern wird. Die griechischen ArbeiterInnen liegen vollkommen richtig, wenn sie gegen diese Maßnahmen Widerstand leisten. Ihre Kampfbereitschaft sollte den ArbeiterInnen in ganz Europa ein Vorbild sein.

Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum Millionen Menschen zu Arbeitslosigkeit verdammt sein sollten, wenn gleichzeitig Millionen andere gezwungen sind, Überstunden zu machen. In einem rationalen Wirtschaftssystem würden die Arbeitsstunden auf alle Arbeitsfähigen aufgeteilt werden, um der Arbeitslosigkeit ein Ende zu setzen. Gleichzeitig würde die Arbeitszeit drastisch reduziert werden. Die Talente jener Generation von jungen, oft sehr gut ausgebildeten Arbeitslosen, auf die das heutige System verzichtet, könnten dann umgehend zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse eingesetzt werden.

Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit würde zu einer unvorstellbaren Ausweitung der Produktion führen und enormen Reichtum schaffen. Damit wäre die Basis zur Lösung aller sozialen Probleme gelegt. Es gäbe genügend Geld für den Bau von Wohnungen, Krankenhäusern und Schulen und Budgetdefizite wären ein Problem der Vergangenheit.

All das wäre angesichts der bestehenden Produktivkräfte unserer Gesellschaft durchaus im Bereich des Möglichen. Doch es gibt zwei große Hindernisse auf dem Weg zur Erreichung dieses Ziels: Das Privateigentum an den Produktionsmitteln und die Existenz der Nationalstaaten.

Dem Beispiel der griechischen ArbeiterInnen müssen die ArbeiterInnen auch im Rest von Europa folgen. Der herrschenden Klasse muss unsere Botschaft laut und unmissverständlich überbracht werden: Wir zahlen nicht für eure Krise! Doch Streiks und Demonstrationen, so wichtig sie auch sind, können die Krise nicht lösen. Wenn wir die gegenwärtige Krise lösen und zukünftige Krisen verhindern wollen, dann müssen wir diese Hindernisse aus dem Weg räumen, die nicht nur in Griechenland sondern auch in allen anderen Ländern dem Fortschritt der Menschheit im Weg stehen.

Wie sieht die Antwort nun aus? In erster Linie braucht es die Streichung aller Schulden und die entschädigungslose Enteignung der Banken und Finanzgesellschaften. Entschädigungszahlungen sollte es nur in Fällen nachweisbarer Bedürftigkeit geben. Es kann nicht länger sein, dass die Menschen wie Zitronen ausgepresst werden, um die Profite einer kleinen Minderheit zu mehren.

Sobald die ArbeiterInnenklasse erst einmal die Banken und Schlüsselindustrien in ihren Händen hält, wird es auch möglich sein die Wirtschaft auf eine vernünftige Art und Weise zu planen. Es ist dabei auch nicht notwendig, jeden kleinen landwirtschaftlichen Betrieb oder jedes Geschäft zu verstaatlichen. Es ist eine politische Notwendigkeit den Mittelschichten die Sicherheit zu geben, dass der Sozialismus auch in ihrem Interesse ist. Durch die Verstaatlichung der Banken wird es möglich sein, auch Kleinbetrieben günstige Kredite zur Verfügung zu stellen.

Eine staatliche Planwirtschaft, die nach demokratischen Prinzipien unter der weitestgehenden Beteiligung und Kontrolle der ArbeiterInnen organisiert ist, würde uns in die Lage versetzen, das produktive Potential der Gesellschaft in vollem Maße ausschöpfen zu können.

Anstelle der wirtschaftlichen Stagnation, die wir derzeit erleben, wären jährliche Wachstumsraten von 10 Prozent durchaus möglich. Das würde eine Verdoppelung des gesellschaftlichen Reichtums innerhalb von 10 Jahren erlauben. Pensionen, Löhne und Sozialleistungen müssten nicht gekürzt, sondern könnten massiv erhöht werden.

Die dafür notwendigen Ressourcen und Geldmittel stehen bereits heute zur Verfügung. Und an menschlichen Bedürfnissen mangelt es schon gar nicht. Was hindert uns dann daran, ein besseres Leben für alle zu schaffen? Einzig und allein ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das sich im Niedergang befindet und längst nicht mehr zeitgemäß ist. Dieses System muss hinweggefegt werden, und es wird hinweggefegt werden. Die griechischen ArbeiterInnen haben diesen Prozess auch in Europa in Gang gesetzt. Es ist unsere Aufgabe ihn zu Ende zu führen.

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