Kategorie: Europa

Die Katastrophe beenden

Dass Griechenland das europäische Land ist, das unter der Krise des Kapitalismus am meisten zu leiden hat, ist allgemein bekannt. Unser Autor berichtet über seine Eindrücke, was diese Krise konkret bedeutet. Mit einer Jugendarbeitslosigkeit über 65%, einer allgemeinen Arbeitslosigkeit knapp unter 30%, dem Ausschluss von 40% der Bevölkerung von der staatlichen Gesundheitsversorgung, marodierenden faschistischen Banden und infolge der Auflösung aller Flächentarifverträge im Sturzflug befindlichen Löhnen macht Griechenland einen Prozess durch, der sich nur als völliger Zerfall der Zivilisation beschreiben lässt.


Bei der Ankunft in Athen fällt zunächst auf, dass jede Wand, jede Litfasssäule, jeder Zaun von politischer Propaganda bedeckt ist. Anarchistische, kommunistische und antifaschistische Parolen sind allgegenwärtig, ebenso Plakate und Transparente der Linkspartei SYRIZA, der kommunistischen Partei KKE  und zahlloser Antifa-Gruppen, die zu politischen Festen, Konzerten, Diskussionsveranstaltungen und Vorträgen aufrufen.

 

Die revolutionäre Stimmung, die das Land erfasst hat, ist also allgegenwärtig. Egal, mit wem man spricht, ob mit StudentInnen, jugendlichen oder erwachsenen ArbeiterInnen oder RenterInnen – der überwiegenden Mehrzahl der griechischen Bevölkerung ist völlig klar, dass revolutionäre Veränderungen nötig sind, um die Perspektive der völligen Zerstörung des Landes abzuwenden. In jedem Restaurant, jeder Bar hört man politische Diskussionen, in denen die Menschen ihrer Wut und Verachtung über die Memoranden und diese oder jene Sparmaßnahme Luft machen. Wenn man von Revolution redet, wird man mit einem Lächeln begrüßt. Es liegt also auf der Hand, dass eine konsequente revolutionäre Führung ausreichen würde, um die Macht der Troika innerhalb kurzer Zeit beiseite zu fegen. Doch diese Führung existiert nicht. SYRIZA verspricht den Menschen, „die Katastrophe zu beenden“, wie es ein Transparent der Partei ausdrückt. Deshalb hat sie im Lauf der Krise massiv an Unterstützung gewonnen und würde bei Neuwahlen wahrscheinlich stärkste Partei werden. Die Führung der Partei wäre in der Position, ein revolutionär-sozialistisches Programm umzusetzen, um die Menschen aus der kapitalistischen Krise zu befreien. Doch der Kongress der Partei, der vom 10. bis 14. Juli stattfand, spricht eine andere Sprache.

 

Bei den Wahlen im Juli 2012 wurde SYRIZA knapp zweitstärkste Partei. Dieser durchschlagende Erfolg gelang der Partei, weil sie offen von der Streichung der Staatsschulden, der Verstaatlichung der Banken und Teilen der  Industrie sowie einer revolutionären „Regierung der Linken“  sprach. Doch auf dem Kongress zeigte sich deutlich, dass die Führung der Partei unter dem Druck der Bürgerlichen weit nach rechts geschwenkt ist. Die Parole der „Regierung der Linken“ – die implizit die Bereitschaft zu einer Koalitionsregierung mit der KKE bedeutet – wurde von der Parole der „Regierung der nationalen Rettung“ verdrängt. Dies kann als ein deutliches Signal an die rechtskonservative Partei „Unabhängige Griechen“ gesehen werden, dass man zu diesem Zweck zu einer Kooperation bereit sei. Von Verstaatlichungen oder Streichung der Staatsschulden fiel kaum ein Wort, stattdessen will man die Schuldenzahlungen nun „neu verhandeln“ und weitere teilweise Schuldenschnitte erfeilschen. Schäuble, Barroso und Lagarde gelten der Parteiführung mittlerweile nicht mehr als Feinde, sondern „PartnerInnen“. Viele Reden auf dem Kongress trugen einen klar nationalistischen Charakter, revolutionäre Positionen befanden sich hingegen in einer klaren Minderheit.

 

Die offensichtliche Bereitschaft der griechischen Bevölkerung zu revolutionären Veränderungen findet also nirgends einen klaren politischen Ausdruck. Dennoch bewegen sich die griechischen ArbeiterInnen. Sie gehen revolutionäre Schritte, weil es keinen anderen Weg gibt, zur Not auch ohne Führung. So befindet sich das ehemalige öffentlich-rechtliche Fernsehen Griechenlands – ERT – nun in Arbeiterkontrolle, ebenso die Chemiefabrik VIO.ME, die Zeitung Eleftherotypia und einige Krankenhäuser. Immer wieder kommt es zu einem spontanen Aufflackern von Rätestrukturen in Form von Stadtteilversammlungen, bei denen die Menschen selbstbestimmt versuchen, ihre Probleme zu lösen. Überall im Land gibt es selbstverwaltete Initiativen, welche die Bedürfnisse der Menschen nach Nahrung,  medizinischer  Versorgung, Kultur und Bildung zu decken versuchen. Doch solang die politische Macht bei den Bürgerlichen verbleibt, sind all diese spontanen Bewegungen zum Scheitern verurteilt.

 

Indes ist der zivilisatorische Verfall deutlich sichtbar. Die Straßen und U-Bahnen Athens sind voll mit bettelnden und obdachlosen Menschen, geschlossene Geschäfte und Polizeistreifen sind allgegenwärtig. Am 14. August berichteten die Medien von einem 18jährigen, der aus einem Bus gesprungen und tödlich verunglückt ist, weil eine Fahrkartenkontrolle stattfand und er die Strafe nicht hätte bezahlen können. Die Selbstmordrate hat sich verdreifacht, und  in Gesprächen mit den Menschen weiß jedeR von einem Selbstmord aus dem näheren Umfeld zu berichten.

 

Die allgemeine Stimmung im Land ist also nicht nur von revolutionärem Hass auf die herrschende Ordnung, sondern auch von Frustration, Resignation und Hilflosigkeit geprägt. Es ist deutlich spürbar, dass die Menschen nur darauf warten, dass ihnen erklärt wird, wie sie die bestehende Gesellschaftsordnung loswerden können – wenngleich im vergangenen Jahr viele die Hoffnung aufgegeben haben, dass das möglich ist, was sich direkt auf den Rückzug SYRIZAs von revolutionären Positionen zurückführen lässt. Wenn selbst SYRIZA keine klare Alternative mehr aufzeigen kann, so eine verbreitete Meinung, dann gibt es wohl tatsächlich keine.

 

Und doch gibt es eine Alternative: Die Ideen und Methoden des Marxismus. Ein marxistisches, sozialistisches Programm kann die Katastrophe beenden, die Arbeitslosigkeit und das Elend sofort beseitigen und der  kapitalistischen Barbarei in Griechenland und auf der ganzen Welt ein Ende setzen. Die Verankerung eines sozialistischen Programms in der Arbeiterbewegung ist der einzige Ausweg aus der Krise. Griechenland ist ein klares Beispiel für die Notwendigkeit einer starken marxistischen Strömung in den Organisationen der Arbeiterklasse. Einer Strömung, die dem Druck der Bürgerlichen nicht nachgibt, sondern zielsicher und konsequent für den Sozialismus zu kämpfen bereit ist. Die „Kommunistische Strömung in der SYRIZA“, die seit dem Kongress im Juli erstmals im Zentralkomitee der Partei vertreten ist und für eine marxistische Alternative zum Kurs von Alexis Tsipras steht, arbeitet genau in diese Richtung. Unsere Zeitung steht in engem politischen Kontakt mit diesen GenossInnen und wird deren Arbeit mit aller Kraft unterstützen.

 

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