Kategorie: Europa

"Die Partei hat an Glaubwürdigkeit verloren"

Verfahrene Lage bei Italiens Kommunisten. Die Führungsgruppe ist verschlissen, die Mitglieder sind zerstritten. Gespräch mit Claudio Bellotti. Claudio Bellotti ist Mitglied der Nationalen Leitung der italienischen Partei Rifondazione Comunista (PRC) und Kopf des linken Parteiflügels um die Zeitschrift Falce Martello (Hammer & Sichel). Das Interview von Raoul Rigault mit unserem Genossen erschien am 20.1.2014 in der jungen Welt.




Die Tagung des Nationalen Politischen Komitees (CPN) hat vor wenigen Tagen den 9. Parteitag der Rifondazione Comunista (PRC) abgeschlossen. Wie ist die Lage der Partei?


Sie ist klein und hat obendrein viel an Glaubwürdigkeit und Autorität verloren. Die Führungsgruppe um Generalsekretär Paolo Ferrero ist wegen der begangenen Fehler stark verschlissen. Der Kongreß hat vor allem Vertagungen beschlossen. Unsere Partei befindet sich in einer sehr kritischen Lage. Was die Zahl der Mitglieder, der Wählerstimmen und die Beteiligung an Aktivitäten anbelangt, hat sie einen enormen Niedergang erlebt.

Paolo Ferrero ist aber erst vor gut einer Woche wiedergewählt worden ...


... dank eines Minderheitenvotums. Von den 153 Mitgliedern des CPN haben nur 67 für ihn gestimmt, obwohl seine Fraktion dort eigentlich mit 79 Leuten vertreten ist. Das von ihm vorgeschlagene Sekretariat kam ebenfalls nur auf 70 Stimmen und gelangte nur mit Hilfe der 17 Enthaltungen ins Amt. Gleichzeitig war er nicht bereit, selbst den Genossinnen und Genossen der moderat linksoppositionellen Strömung auch nur das geringste Zugeständnis zu machen.

Es ist unwahrscheinlich, daß die PRC die nächsten Aufgaben bewältigt. Schon die Vorbereitung der Liste zu den Europawahlen im Mai wird zu einem Minenfeld. Die Aufstellung des griechischen SYRIZA-Chefs Alexis Tsipras als Spitzenkandidat reicht da nicht aus. Auch weil der sich immer mehr als linker Anhänger der EU und der Währungsunion erweist, mit einem Programm voller Ungereimtheiten, voll von Keynesianismus und zweideutigen Formulierungen über die »Neugründung Europas«. Diese Kandidatur ist zwar taktisch und mit einigen Tageslosungen gegen die europäische Sozialdemokratie gerichtet, aber es fehlen die Analyse der Krise und die Perspektive einer Alternative dazu.

Das heißt, Sie erwarten von den Linksparteien in den anderen südeuropäischen Ländern nicht viel?


In Spanien, Frankreich, Griechenland und nun auch in Portugal konnten diese Kräfte bei Wahlen kräftig zulegen. Das ist positiv und spiegelt auch einen sozialen Konflikt wider, den es dort gab und gibt. In Italien findet der noch nicht in solch generalisierter Form statt. Ich stelle aber fest, daß diese Kräfte und insbesondere SYRIZA als größte von ihnen ein ungelöstes Problem haben, über das auch wir uns den Kopf zerbrochen haben: Ist es überhaupt möglich, im Rahmen der Krise und der EU-Auflagen eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik zu machen?

Meine Antwort lautet: Nein, es ist utopisch zu glauben, man könne zwei gegensätzliche Interessen unter einen Hut bringen. Daher haben die genannten Parteien große Chancen und sind auch Hoffnungsträger, stehen aber auch vor enormen Gefahren. Wenn sie in Griechenland oder später auch in Spanien an die Regierung gelangen, ohne diese Frage geklärt zu haben, werden sie dieselbe Niederlage erleiden wie wir unter Romano Prodi.

Was sind Ihre nächsten Schritte?


Die Aktivisten, die sich um unseren Leitantrag 2 – überschrieben mit »Linke, Klasse, Revolution« – gesammelt haben, müssen zu einer politischen Bewegung mit allem Drum und Dran werden. Sie muß ihre Kräfte koordinieren und systematisch in Betrieben, mit Jugendlichen und auf den verschiedensten Konfliktfeldern arbeiten. Eine Bewegung, die nicht nur Mitgliedern der PRC offensteht, sondern allen, die sich an unserem Kampf beteiligen wollen. Dazu gehören auch die Diskussion einer programmatischen Plattform, Schulungen und eigene Propagandainstrumente. Wir werden der unfruchtbaren und abgestandenen internen Debatte den Rücken kehren, ohne uns aber von den Genossen zu trennen, die gehofft hatten, die Krise von Rifondazione durch die Unterstützung anderer Strömungen zu lösen und die nun erneut mit leeren Händen dastehen.

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