Kategorie: Europa

Schottisches Referendum lehrt London das Fürchten - Der Kampf für Sozialismus geht weiter

Das schottische Unabhängigkeitsreferendum vom 18. September 2014 wirkte wie ein Erdbeben in der politischen Landschaft Schottlands und Großbritanniens.


 

Die Kampagne für die Unabhängigkeit des Landes hat die ganze Gesellschaft polarisiert und politisiert. Die Wahlbeteiligung lag bei erstaunlichen 85 Prozent, höher als bei irgendeiner anderen Wahl der vergangenen Jahrzehnte. Auch wenn die Schotten nun die Unabhängigkeit von Großbritannien mit 55 zu 45 Prozent ablehnten, haben sie damit vor allem klargemacht, dass sie genug von den Sparpaketen aus London haben. Das zeigt sich daran, dass etwa in der größten schottischen Stadt Glasgow mit ihren großen Arbeitervierteln eine Mehrheit für Unabhängigkeit stimmte. Eine Woche vor dem Urnengang gerieten die herrschenden Kreise in London in Panik, als Umfragen eine Mehrheit für die Unabhängigkeit kommen sahen. Das Referendum war für viele Menschen ein Vehikel, um ihre allgemeine Unzufriedenheit mit den Zuständen und Lebensverhältnissen auszudrücken. Das wird Folgen haben.

 

Leider haben sich etliche Organisationen der schottischen Linken jedoch von einer Welle nationalistischer Gefühle erfassen lassen. Sie haben den Klassenstandpunkt verlassen und sind der in Edinburgh regierenden prokapitalistischen Schottischen Nationalpartei SNP hinterhergelaufen. Den Vogel abgeschossen hat der ehemalige Marxist Tommy Sheridan. Einst führender Kopf und mutiger Vorkämpfer der alten Militant-Strömung in der Labour Party und der Massenbewegung gegen die Kopfsteuer (Poll Tax), dann Mitbegründer der Scottish Socialist Party (SSP), von der er sich wieder trennte, ist er jetzt voll in das Schlepptau der bürgerlichen SNP und des bürgerlichen Nationalismus geraten. So empfahl er nach dem Referendum seinen Anhängern, im kommenden Jahr bei der britischen Parlamentswahl auf jeden Fall für die SNP zu stimmen und somit für 2020 ein neues Unabhängigkeitsreferendum zu erzwingen.

 

Vergessen wir nicht, dass nach den Vorstellungen der SNP ein unabhängiges kapitalistisches Schottland Mitglied der EU und NATO bleiben sollte – mit der britischen Queen als Staatsoberhaupt und Monarchin und dem britischen Pfund als ährung. Der SNP-Führer und bisherige Ministerpräsident Alex Salmond hatte immer ieder angekündigt, er wolle durch eine Senkung von Unternehmenssteuern und Sozialabgaben Investoren ins Land locken. Das bedeutet nichts anderes als einen verstärkten Dumping- und Unterbietungswettbewerb. Auch ein formal unabhängiges Schottland stünde genau so wie andere europäische Staaten unter der Fuchtel der britischen und internationalen Konzerne und Banken. Dabei sind schottische Kapitalisten nicht besser als die in London oder im Rest der Welt. Auf der Seite der Unabhängigkeitskampagne pro Schottland engagierte sich auch der für seine Gewerkschaftsfeindlichkeit bekannte schottische Konzern Stagecoach, ein Profiteur der Privatisierung und Liberalisierung im Verkehrsbereich.

 

Die Mehrheit der schottischen Linken hat sich kurzfristig angebiedert als Trittbrettfahrer auf dem Nationalismus-Zug. Dieses Verhalten hat nichts mit den internationalistischen Positionen von Lenin (zu Polen) oder James Connoly (zu Irland) gemein und führt nicht weit. Solch ein Opportunismus zahlt sich nicht aus. Denn wenn Menschen auf Nationalismus setzen, fahren sie direkt mit der SNP. Die Pflicht der schottischen Linken besteht nicht darin, Hand in Hand mit der SNP und ihren finanzstarken Förderern zu laufen, sondern sie als die Partei darzustellen, die sie ist, nämlich eine kapitalistische Partei, die die Interessen der Arbeiterklasse nicht vertreten kann und niemals vertreten wird.

 

Dies wird sich in nächster Zeit zeigen, wenn eine neue schottische Regierung, ie von London versprochen, mit neuen und größeren wirtschaftlichen Machtbefugnissen versehen ist. In Krisenzeiten kann das nur eines bedeuten: Neue Befugnisse für Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung.

 

Einheit der arbeitenden Klasse

 

Konservative (Tories), Liberale und die rechte Führung der Labour Party aus London standen in der Kampagne "Besser gemeinsam" (Better together) zusammen. Für sie bedeutet Einheit eine Einheit der Interessen der englischen Kapitalisten und Banker. Die Arbeiterklasse in Schottland will diese Art der Einheit nicht. Sie will bessere Lebensbedingungen, sie will das gleiche, was die Arbeiterklasse auch außerhalb Schottlands will. Die arbeitenden Menschen, die abhängig Beschäftigten in England, Schottland, Wales, Irland, etc. leiden unter den selben Problemen: Arbeitslosigkeit, Armut, Niedriglöhne, Wohnungsnot, etc. Sie haben die gleichen Feinde.

 

Marx schrieb, dass das rote Blut der Revolution des britischen Proletariats durch die Adern der schottischen, walisischen und irischen Arbeiter fließt. In dieser Einheit liegt ihre Kraft. Deshalb versucht die herrschende Klasse immer die Arbeiterklasse auseinander zu dividieren; in Nationalität, Sprache, Religion, Rasse oder Geschlecht.

 

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ergebnisse des Referendums hat David Cameron (Premierminister Großbritanniens) versucht die „Englische Karte“ auszuspielen. Er fragte: Warum sollen die Schotten mehr Rechte als wir erhalten? Warum sollen englische Steuerzahler dafür zahlen, dass Schotten die Studiengebühren abschaffen? Warum sollen schottische Abgeordnete im Londoner Westminster-Parlament über englische Angelegenheiten abstimmen können, während dies den englischen Abgeordneten im schottischen Parlament verwehrt bleibt? Sie versuchen also ganz klar wieder das Teile und Herrsche-Manöver einzusetzen, um die Arbeiterklasse zu schwächen.

Als Marxisten werden wir dafür kritisiert, dass wir aktuelle, unmittelbar anstehende Probleme und Forderungen ignorieren und die Forderung nach Sozialismus stellen. Nun ja, aber Sozialismus ist tatsächlich die Lösung. Natürlich werden Marxisten für jede fortschrittliche Forderung und Reform kämpfen. Dies schließt auch demokratische Forderungen mit ein. Wir stehen und kämpfen für das Recht des schottischen Volkes auf maximale Selbstbestimmung über ihr Leben und das ohne Verzögerungen. Und dieses Recht nicht nur für Schottland, sondern für ganz Großbritannien. Abschaffung der Studiengebühren für alle, na klar!

 

Wie soll das finanziert werden?

 

Lasst uns doch mal die Monarchie und das Oberhaus, wo der Adel regiert, abschaffen. Das würde sehr viel Geld sparen, das wir für Arme, Alte und Kranke ausgeben könnten. Aber die wichtigste Sache: Enteignung der Banken und Großkonzerne, die das Blut der Menschen aufsaugen, ganz gleich ob sie Schotten, Waliser, Engländer, Iren sind oder sonst woher stammen. Und das wichtigste, um dies durchzusetzen, ist die Einheit der gesamten britischen Arbeiterklasse im Kampf gegen ihren gemeinsamen Feind, das Kapital.

 

Wo auch immer nur einen Millimeter vom Klassenstandpunkt abgewichen wird, führt dies zur Kapitulation vor dem bürgerlichen Nationalismus. Wir müssen uns mit den Grundfragen auseinandersetzen. Die zwei größten Hindernisse für die Weiterentwicklung der Produktivkräfte und somit auch die zwei größten Hindernisse für die Weiterentwicklung der Menschheit in der modernen Welt sind das Privateigentum an Produktionsmitteln und der Nationalstaat. Deswegen sind wir nicht für die Schaffung neuer Staatengrenzen, sondern für die Abschaffung aller Grenzen und Mauern. Für eine sozialistische Föderation von England, Schottland, Wales und Irland als ersten Schritt in Richtung Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa und eine Föderation der sozialistischen Welt.

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