Kategorie: Europa

Wahlen in Italien: Jetzt die linke Opposition aufbauen!

Am 13. und 14. April werden in Italien Parlamentswahlen stattfinden. Unsere Italien-Korrespondentin Serena Capodicasa analysiert die Hintergründe des Wahlkampfs und die Rolle der Linken. Ende Januar dieses Jahres musste die „Mitte-Links“ Regierung von Romano Prodi (siehe Bild) unter dem Druck ihrer eigenen Widersprüche zurücktreten. Der Justizminister Clemente Mastella und seine kleine Partei Udeur (1994 aus der ehemaligen „Democrazia Cristiana“ hervorgegangen) verursachte durch einen Bestechungsskandal, in dem sie verwickelt wurden, eine Regierungskrise.



Diese jüngste Entwicklung spiegelt einmal mehr die strukturelle Schwäche der italienischen Bourgeoisie wider, d.h. ihre Unfähigkeit ein stabiles politisches System aufzubauen, in dem weitere Angriffe gegen die Arbeiterklasse, unter denen die Konterreform des Flächentarifvertragssystems, weitere Privatisierungen und Liberalisierungen, Kürzungen der Staatsausgaben usw. möglich wären. Mehrere Versuche wurden schon gemacht: Silvio Berlusconi (der 2001-2006 regierte) war nicht fähig als Kapitalist mit seinen individuellen Interessen die Interessen der gesamten Bourgeoisie zu vertreten und löste eine breite Protestbewegung gegen seine Regierung aus. Dann kam die Regierung Prodi, die verstärkt auf Formen der Klassenzusammenarbeit setzte. Sie scheiterte nach kaum eineinhalb Jahren.

Obwohl die Linke in der Regierung Prodi, d.h. die Rifondazione Comunista (RC; Partei der Kommunistischen Neugründung), nicht imstande war, die schlimmsten Maßnahmen in den Bereichen Krieg, Renten, prekäre Beschäftigung usw. zu verhindern, stellte allein schon ihre Regierungsbeteiligung jedenfalls einen zu großen Unsicherheitsfaktor dar. Für die italienische Bourgeoisie war es daher eine notwendige Bedingung, die Linke aus der Regierung zu kicken, um härtere Angriffe zu führen. Die RC hat de facto ihre Dienste als „linkes Feigenblatt“ der Regierung Prodi schon erfüllt. Jetzt, wo ihre Autorität und Glaubwürdigkeit in den Augen der ArbeiterInnen tief gesunken sind, ist der Zeitpunkt gekommen, sie wieder in die Opposition zu schicken.

Die Gründung der Demokratischen Partei (Partito Democratico, PD) spielt im ganzen Projekt der Bürgerlichen die zentrale Rolle. Dieses neue aus dem Verschmelzen der Partei der Linksdemokraten (DS, die ehemalige Kommunistische Partei) und der Margherita (die Margerite, die katholisch-bürgerliche Partei von Romano Prodi) entstandene politische Subjekt stellt einen weiteren Versuch der Bourgeoisie dar, sich ein eigenes Instrument zu schaffen. Das Programm des PD ist eindeutig: die Linke isolieren, den Klassenkampf verleugnen und die bürgerliche Interessen – verschleiert durch eine „klassenübergreifende Rhetorik“ verteidigen. Als Zeichen dafür wurde ein Metallarbeiter der Thyssen Krupp in Turin (wo 7 Arbeiter während eines Arbeitsunfalls ums Leben kamen) als Kandidat ausgewählt, zusammen mit den Spitzen des italienischen Kapitalismus wie Massimo Calearo, Vorsitzender von Federmeccanica, Verband der Metallunternehmer und hauptsächlicher Gegner der Metallarbeiter im Kampf um den nationalen Flächentarifvertrag. Gemäβ Walter Veltroni, Kandidat der PD für die Funktion des Ministerpräsidenten, gehört der Klassenkampf der Vergangenheit an, in Wirklichkeit vertritt er eine ganz bestimmte Klasse, jene der groβen Industriellen, der Bankiers und Spekulanten.

Entwicklungen in der Gewerkschaft

Der Versuch, die politische Lage durch die Isolierung der Linke zu stabilisieren, ist auch in den Gewerkschaften deutlich spürbar. Die Gründung der Demokratischen Partei hat die Konflikte innerhalb der CGIL, dem wichtigsten italienischen Gewerkschaftsverband, beschleunigt. Die Mehrheit der Bürokratie bewegt sich nämlich immer mehr nach rechts. Schon anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens über die Sozialpolitik (das unter anderem die von der Regierung Berlusconi eingeführte Anhebung des Renteneintrittsalters bestätigte und weitere Verschlechterungen vorsah, wie die geplante Anhebung auf 61 Jahre im Jahr 2013) hatte sie sich den Positionen der CISL (der gemäßigten katholischen Gewerkschaft) angenähert. Diese „CISLisation“ der CGIL äuβert sich jetzt in dem Reformenentwurf für die Flächentarifverhandlungen, der eine Schwächung des nationalen Vertrags zugunsten der Betriebsebene vorsieht. Gleichzeitig wird die Linke der CGIL angegriffen und eine Hexenjagd gegen alle dissidenten Stimmen ist im Gange. Grundsätzlich geht es um eine Veränderung der Beziehung zwischen den Gewerkschaften und den Unternehmern, um die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen zu schwächen.

Rifondazione Comunista und „Die Linke“

Die PD hat ein Bündnis mit der sogenannten „radikalen Linke“ zurückgewiesen und hat sie gezwungen, eine eigene Wahlliste gegen ihren Willen zu präsentieren. Rifondazione Comunista (PRC), Demokratische Linke (SD, linke Abspaltung der DS, die sich der Gründung der PD entgegengesetzt hatte), die Partei der italienischen Kommunisten (PdCI) und die Grünen haben deswegen eine gemeinsame Liste gebildet: „La Sinistra, l’Arcobaleno“ („die Linke, der Regenbogen“). Dieses neue Subjekt stellt keine wirkliche Wende in der italienischen Linke dar. Die Erfahrung mit der Regierung Prodi wurde nicht kritisch bilanziert. Ein wichtiger Teil der „Linke, Regenbogen“ (auch in der Rifondazione) wünscht weiterhin eine zukünftige Koalition mit der PD. Fabio Mussi, Vorsitzender der SD und Ex-Universitätsminister der Regierung Prodi, hat neulich angekündigt, dass „die Linke die Positionen der PD verändern könnte und deshalb wieder ein Bündnis in Betracht ziehen sollte, wenn es breiten Konsens bekommen würde“. Das ist die auf die PD angewandte Übersetzung der alten Forderung der RC „die Regierung nach links verschieben“, während sie in Wirklichkeit selber von der Regierung nach rechts verschoben wurde.

Kein Zufall, dass auf lokaler Ebene (den Städten, Provinzen, Regionen) noch Verhandlungen um die Bildung von Wahlkoalitionen geführt werden, nicht zuletzt in Rom, wo ein Abkommen für die nächste Stadtratswahlen zwischen der „Linke, Regenbogen“ und der PD unterschrieben worden ist.
Dieses Bündnis der Linken kann sich auβerdem auf keine ernste politische Basis stützen. Zum Beispiel hat SD das oben erwähnte Abkommen über die Sozialpolitik unterstützt und sie hat am 20. Oktober nicht an der von Rifondazione organisierten Massendemonstration (mit mehr als 500.000 linken AktivistInnen, die auf die Regierung Druck von links ausüben wollten) teilgenommen.

Diese Widersprüche innerhalb der „Linke, Regenbogen“ spiegeln sich in einem Kompromissprogramm wider: eine der zentralen Forderungen von Rifondazione Comunista nach Abschaffung des „Gesetzes 30“ über prekäre Beschäftigung hat sich zum Beispiel in „Überwindung“ des Gesetztes 30 verwandelt. Mit diesen Voraussetzungen kann diese „neue“ Linke keine kämpferische Alternative darstellen, sondern nur die linke „Krücke“ der PD, wie es Rifondazione schon für die Regierung Prodi war.

Was für eine Linke brauchen wir?

Die Erfahrung der Mitte-Links Regierung hat gezeigt, wovor wir, die GenossInnen von der marxistischen Tendenz Falcemartello, als AktivistInnen von Rifondazione Comunista immer gewarnt hatten: die Unmöglichkeit, die Interessen der Arbeiterklasse in einer auf Klassenzusammenarbeit basierenden Koalition zu vertreten. Eine unabhängige Linke kann nur dann aufgebaut werden, wenn sie dieses Selbstverständnis als ihren Ausgangspunkt nimmt. Nur so kann sie in den Kämpfen, die sich entweder gegen Veltroni oder gegen Berlusconi entwickeln werden, eine zentrale Rolle spielen.

Die kämpferischsten Teile der Arbeiterklasse beobachten die Linke, vor allem Rifondazione, und erwarten von ihr eine Alternative nach dem Scheitern der Mitte-Links-Regierung. Das war besonders sichtbar bei der Arbeiterkonferenz von Rifondazione in Turin am 9. Februar. Die Reden, welche den größten Applaus erhielten, waren jene, die an der Linie der Parteimehrheit Kritik geübt haben, unter anderem jene von Paolo Brini, Mitglied des Zentralkomitees der FIOM (Metallarbeitergewerkschaft in der CGIL) und Unterstützter von Falcemartello. Er hat die zustimmende Stellungnahme der Parteispitze zum nationalen Metallarbeiterflächentarifvertrag, der dem Diktat von Federmeccanica über Verschlechterungen und Flexibilisierung der Arbeitszeiten nachgegeben hat, scharf kritisiert. Stattdessen hätte die Partei eine breite Kampagne vor und in den Fabriken organisieren sollen, wie es die AktivistInnen von Falcemartello mit anderen kritischen GenossInnen von Rifondazione gemacht haben, um den ArbeiterInnen die Argumente gegen den von den Gewerkschaften unterschriebenen Vertrag zu erklären und neue AktivistInnen in den Fabriken durch diese Agitation zu gewinnen.

Bei den bevorstehenden Wahlen ist ein Sieg der Rechten wahrscheinlich. Die Verantwortung dafür liegt bei der Linken, die in diesen 18 Monaten der Mitte-Links-Regierung keine einzige Verbesserung in den Lebens- und Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen durchsetzen konnte. Aus dieser Erfahrung muss die Linke die nötigen Lehren ziehen. Keine Illusionen in den PD oder in mögliche Koalitionen zwischen dem PD und der Linke (auch auf lokalem Ebene)!
Sowohl mit einer rechten Regierung als auch mit einer großen Koalition sind die Aufgaben von Rifondazione immer dieselben: eine kämpferische linke Opposition aufbauen, welche die Interessen der ArbeiterInnen unnachgiebig verteidigt, das heiβt nicht nur eine parlamentarische Opposition, sondern auch und vor allem eine in den Betrieben, den Universitäten und Schulen verankerte AktivistInnenpartei aufbauen, die eine wichtige Rolle in den Kämpfen gegen die zu erwartenden Angriffe der Bürgerlichen spielen kann.

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