Kategorie: Kapital und Arbeit

Enercon: Another one bites the dust? – Die Krise der Windkraftbranche setzt sich fort.

Ende der vergangenen Woche wurde bekannt, was unter Fachleuten schon länger befürchtet wurde, dass der Auricher Windkrafthersteller Enercon in nächster Zukunft 3000 Arbeitsplätze abbauen wird, davon 1500 in Ostfriesland.


Enercon gehört nach wie vor zu den größten Produzenten von Windkraftanlagen in Europa. Mit vielen staatlichen Subventionen wurde aus einer kleinen Werkstatt, die 1984 von Aloys Wobben gegründet wurde ein Global Player auf dem Gebiet der regenerativen Energie mit momentan noch 18.000 Beschäftigten weltweit. Auf der einen Seite ist der Konzern ein Vorreiter bei der Stromproduktion durch Windkraft, auf der anderen Seite ist er bekannt für seine gewerkschaftsfeindliche Haltung. Gründer Wobben wollte von Beginn an keine Gewerkschaften und keine Betriebsräte in seinen Betrieben. Bis heute ist der Grad der gewerkschaftlichen Organisierung relativ gering und gewerkschaftliche Betriebsräte stoßen im Konzern und den Tochterfirmen (oder Zulieferern, wie sie seit über einem Jahr heißen) regelmäßig auf Widerstand. Union Busting steht auf der Tagesordnung. (Der Funke berichtete mehrfach darüber).

Bereits im letzten Jahr wurden über 800 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten u. a. in Ostfriesland, im Emsland und in Magdeburg trotz massiver Gegenwehr der Belegschaften entlassen. Dank der öffentlichkeitswirksamen Aktionen der betroffenen Beschäftigten und der IG Metall, die über mehrere Monate gingen, wurden dir Enercon-Bosse gezwungen, angemessene Sozialpläne und Interessensausgleiche abzuschließen. Zum damaligen Zeitpunkt richtete sich die Kritik nicht allein gegen das Enercon-Management, sondern vor allem gegen die Politik der Bundesregierung, der vorgeworfen wurde, nicht genug für die Schaffung neuer Windparks zu unternehmen. Enercon-Geschäftsführer Kettwig sah allein die externen Bedingungen als Ursache für die Krise auf dem Windenergiemarkt, von Fehlern des Managements war keine Rede. Nach der Entlassungswelle von 2018 schien vorerst das Ende der Fahnenstange erreicht zu sein.

Im April 2019 meldete der Windkraftanlagenhersteller Senvion Insolvenz an, von der 4000 Mitarbeiter betroffen wurden. Ursache war in erster Linie der Einbruch auf dem deutschen Markt, aber auch der Konkurrenzkampf auf den internationalen Märkten: „Seit Jahren schon kämpfen mittelgroße deutsche Windkraftanlagenhersteller wie Senvion, Nordex und Enercon mit den Veränderungen auf dem Weltmarkt. Der globale Markt für Windkraftanlagen wächst und die Prognosen zeigen nach oben. Vor allem in China, den USA, Indien, Brasilien und Frankreich werden neue Windräder errichtet. Und hier liefern sich Hersteller wie Senvion mit großen Herstellern wie der weltweiten Nummer eins, dem dänischen Hersteller Vestas, einen gnadenlosen Preiskampf bei den Aufträgen. Großkonzerne wie Siemens und GE aus den USA haben ihre Windsparten teils durch Zukäufe erweitert. Siemens etwa hat sein Geschäft mit Windrädern mit dem spanischen Konkurrenten Gamesa zusammengelegt. Die können mit größeren Stückzahlen günstiger anbieten als kleine und mittlere Anlagenbauer.“ (WirtschaftWoche 09.04.2019) Hinzu kommt, dass der weltweit größte chinesische Markt für westliche Firmen nicht zugänglich ist.

Am 08.11.2019 kam dann die Schreckensmeldung aus Aurich. Nachdem das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Verlust von 200 Mio. Euro gemacht hatte, drohen für das laufende Jahr Verluste im dreistelligen Millionenbereich. (OZ, 08.11.2019) 1500 Beschäftigte in der Rotorblattproduktion in Ostfriesland und 1500 in Magdeburg werden Endes Jahres oder Anfang nächsten Jahres ihre Arbeitsplätze verlieren. In Aurich sind 300 der Betroffenen direkt bei Enercon beschäftigt, die übrigen 1200 bei Zuliefer- oder Leiharbeitsfirmen. Überraschenderweise erklärte sich Enercon bereit, bei den Zulieferern für die Schäden aufzukommen, um mit dem Geld Sozialpläne und Interessensausgleiche zu finanzieren.

In der OZ kam am 09.11.2019 Geschäftsführer Kettwig zu Wort, der erstmals interne Fehler bei Enercon bekannt gab. Zuerst erklärte er erneut die Bundesregierung für die Krise in der Windkraftbranche verantwortlich. Er beklagte „verfehlte Reformen“, die die Auftragslage für neue Projekte zum Erliegen gebracht habe. „Stockende Genehmigungsverfahren und neue Abstandsregeln für Windparks machen den Aurichern und dem gesamten Wirtschaftszweig zusätzlich zu schaffen.“ (OZ, 09.11.2019) Ein Fehler von Enercon sei es gewesen, an einem bewährten Typ festzuhalten und ihn lediglich zu vergrößern, anstatt – wie die internationale Konkurrenz – auf günstigere Anlagen zu setzen. Das Preis-Leistungsverhältnis habe nicht mehr gestimmt. Mittlerweile habe man auf einen neuen effizienteren Anlagetyp mit einem einfacheren, schmucklosen Design gesetzt, der auf dem Markt gut ankomme. In Zukunft werde sich Enercon verstärkt auf den internationalen Markt ausrichten und Komponenten für die Anlagen nicht mehr selbst herstellen, sondern bei anderen Unternehmen einkaufen.

Der Verlust von 1500 Arbeitsplätzen trifft die Region ziemlich hart. Nachdem auch bei VW Emden im Rahmen der Produktionsumstellung auf E-Autos mittelfristig 1000 Arbeitsplätze wegfallen können, ist das ein weiterer Schlag für die arbeitenden Menschen in Ostfriesland. Der IG Metall Bevollmächtigte Thomas Gelder versprach für jeden einzelnen Arbeitsplatz zu kämpfen und kündigte öffentlichkeitswirksame Aktionen an. Serhat Özdemir, Betriebsrat des Zulieferers WEC Turmbau, der im letzten Jahr von einem massiven Stellenabbau betroffen war, schrieb auf seinem Facebook-Account: „Ich hoffe vom Herzen, dass die Enercon-Führung diesmal mit den Betroffenen fair umgeht und diesen mindestens das was wir letztes Jahr erkämpft hatten, gewährt. Dann hätte wenigstens unser Arbeitskampf vom letzten Jahr noch Nachwirkungen. Denn leider sind die Mitarbeiter bei Enercon immer noch nicht organisiert und die, die den Kampf führen könnten, sind weg.

Schade dass so ein innovativer Konzern es nie für nötig hielt mit seinen Angestellten fair umzugehen und immer mit ihrer Angst spielt. Schade auch, dass in so einer Zeit die Belegschaft sich immer leicht verängstigten ließ und lässt.“

Den betroffenen Kolleginnen und Kollegen und der IGM stehen schwere Wochen und Monate bevor. Es ist zu befürchten, dass der Kollege Özdemir recht hat, der geringe Organisierungsgrad unter den Enercon-Beschäftigten könnte ein Hindernis für einen aktiven Kampf um die Arbeitsplätze sein. Wir haben in der Vergangenheit aber auch schon erlebt, dass Kolleginnen und Kollegen die vorher nie Mitglied der Gewerkschaft und nie von einer Mitgliedschaft überzeugt waren, in einer derartigen Situation eine 180-Grad-Kehrwende vollziehen und bereit sind, aktiv in und mit der Gewerkschaft für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen. Es kommt darauf an, ob es der IGM gelingt, diese Menschen für sich zu gewinnen und zu aktivieren.

Bereits im letzten Jahr standen die Enercon-Kollegen ziemlich allein. Zu einer Kundgebung im September in Aurich kamen nur 500 Demonstranten, von denen die meisten Betroffene und ihre Familien waren. Aus den größeren Betrieben der Regionen waren nur kleine IGM-Delegationen anwesend. Wo waren die Kollegen von VW Emden, die vielleicht demnächst selbst solidarische Unterstützung brauchen, wenn in ihrem Werk bis zu 1000 Arbeitsplätze abgebaut werden? Wo war die Unterstützung durch die Auricher Bevölkerung? Nicht einmal der damalige Bürgermeister war anwesend, weil er es sich vermutlich nicht mit den Enercon-Bossen verderben wollte.

Enercon und die gesamte Windenergiebranche sind bedeutende Unternehmen für die Energiewende. Sie konnten durch Steuersubventionen zu dem werden, was sie heute sind. Damit die erneuerbare Energie produzierenden Unternehmen auch in Zukunft grünen Strom kostengünstig für die Bevölkerung liefern können, gehören sie – wie der gesamte Energiesektor – unter Arbeiterkontrolle in die Hände des Staates.

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