Kategorie: Kultur

Hans-Gerd Öfinger – ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Sozialismus

Heute vor einem Jahr ist Hans-Gerd im Alter von 65 Jahren gestorben. Wir erinnern uns heute an unseren langjährigen Genossen und Freund. Nachfolgend veröffentlichen wir drei Nachrufe und ein Referat von Hans-Gerd über die Geschichte der IMT. Wir werden in seinem Sinne für die gemeinsame Sache des Sozialismus weiter kämpfen.

Bild: derfunke


Dass wir Hans-Gerd nicht mehr unter uns haben, ist ein unsagbar schwerer Verlust. Als unermüdlicher Revolutionär, Internationalist und Marxist hat er die Geschichte der IMT maßgeblich beeinflusst. Hans-Gerd war „Vater“ des Funken und schließlich der drei deutschsprachigen Sektionen der IMT.

Hans-Gerd, den alle HG nannten, war ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Sozialismus. Er war ein Vorbild für uns alle. Hans-Gerd hat mit seinem unermüdlichen Tatendrang und seiner gewaltigen Aufopferungsbereitschaft und Willenskraft die Arbeit in der deutschen Sektion geprägt. Sein Enthusiasmus für die sozialistische Revolution zu kämpfen hat uns alle angesteckt. Er ist immer vorangeschritten.

Er war sich für nichts zu schade, er hat angepackt und geholfen wo immer Not am Mann war. HG hat seine persönlichen Interessen zurückgestellt und die Organisation immer in den Vordergrund gestellt. Er war immer hilfsbereit, menschlich und voller intellektueller Energie. HG war ein guter Redner, der historische und politische Analysen spannend erzählen und auf den Punkt bringen konnte. Er war aber auch ein guter Zuhörer. Daraus entwickelte er dann seine tiefgehenden marxistischen Analysen über politische Entwicklungen und Perspektiven.

Wo immer er konnte, beteiligte er sich an Arbeitskämpfen, berichtete darüber und verband diese mit einer allgemeinen marxistischen Perspektive. Aufgrund seiner vielfältigen Fähigkeiten war er auch ein geschätzter Autor bei den linken Tageszeitungen „Neues Deutschland“ und „junge Welt“.

Politisierung

Hans-Gerd war von Beruf Diplom-Dolmetscher (Englisch und Spanisch). Er beherrschte mehrere Sprachen fließend. Schon als 15-Jähriger engagierte er sich gegen soziale Ungerechtigkeiten und schlechte Arbeitsbedingungen der „Gastarbeiter“ in seinem Heimatdorf in der schwäbischen Provinz. Schon damals zeigte sich sein journalistisches Talent, indem er in der hiesigen Ortspresse Artikel schrieb und als Reporter tätig war. Schließlich gründete er zusammen mit dem Ortspfarrer und seiner Mutter den SPD-Ortsverband.

Gegen Opportunismus und Reformismus

Im April 1973 nahm Hans-Gerd als aktives Juso-Mitglied an der Jahreskonferenz der britischen Jungsozialisten (LPYS) teil. Durch Zufall erfuhr er von einem „Osterfestival der britischen Jusos“, das ihn sofort ansprach. Der Opportunismus und Reformismus der Jusos machten ihn unzufrieden und er war auf der Suche nach klaren Ideen.

Hans-Gerd war tief beeindruckt von der Atmosphäre und vom klaren Standpunkt der britischen Jusos. Das Banner „Für Verstaatlichung und Arbeiterkontrolle“ war im Gegensatz zum deutschen Juso-Reformismus eine klare politische Botschaft, die auf die Arbeiterklasse orientierte. Ein prägendes Ereignis in seinem Bewusstseinsprozesses war der Militärputsch gegen die sozialistische Regierung Salvador Allendes in Chile im September 1973. Dieses Ereignis rüttelte nicht nur weltweit Millionen Menschen auf, sondern führte bei Hans-Gerd zur Einsicht, sich dem revolutionären Marxismus anzuschließen.

Die revolutionäre marxistische Strömung Militant gab in den LPYS den Ton an, was sich im Programm und in den Aktivitäten der britischen Jusos auswirkte. So lernte Hans-Gerd den herausragenden marxistischen Theoretiker und Revolutionär Ted Grant bei einem Militant-Treffen am Rande der offiziellen Konferenz kennen. Ted Grant hat einen starken und dauerhaften Einfluss auf Hans-Gerd gehabt. Sein Bezug auf Marx, Engels, Lenin und Trotzki weckte Hans-Gerds Interesse und ließ ihn bis zu seinem Lebensende nicht mehr los.

Geduldige Pionierarbeit

Tief beeindruckt von der Arbeit von Militant machte sich Hans-Gerd mit einer Handvoll Genossen an die Arbeit. Er setzte sich das Ziel, in der BRD eine revolutionäre Organisation in Anlehnung an Militant aufzubauen.

1974 nahm Hans-Gerd an der Gründungskonferenz des „Committee for a Workers‘ International“ (CWI) teil und gründete die deutsche Sektion. Ohne Opferbereitschaft und Pioniergeist, die Hans-Gerd wie kein anderer verkörperte, wäre der Aufbau der jungen deutschen CWI-Sektion unvorstellbar gewesen.

So entwickelte sich „Voran“ (Voran – Marxistische Zeitschrift in SPD, Jusos und Gewerkschaften) zu einer einflussreichen marxistischen Strömung in der Linken. Über Jahre gab es ein stetes Wachstum der Organisation, die sich bundesweit ausdehnte.

Bürokratisierung des CWI

Hans-Gerd hat immer den Grundsatz von Ted Grant verteidigt, dass politische Probleme nicht mit bürokratischen, organisatorischen und administrativen Maßnahmen gelöst werden können. Eine Führung, die sich ihrer Sache sicher ist und ein hohes politisches Niveau hat, muss kontroverse Debatten nicht fürchten. Ein definitiver Bruch mit dieser Maxime erfolgte im CWI im Frühjahr 1991, als eine ernsthafte Krise in der Führung ausbrach und der keine demokratischen Debatten vorausgingen.

HG stand dabei von Anfang an auf der Seite von Ted Grant, als dieser und seine Unterstützerinnen und Unterstützer 1991 aus dem CWI ausgeschlossen wurden. Hans-Gerd verteidigte trotz heftiger persönlicher Diffamierungen über Monate die Kritik der Minderheit an der Führung der deutschen Sektion. Weil Hans-Gerd und andere Vertreter der Minderheit im Leitungsgremium sich nicht klar von Ted Grant und Alan Woods distanzierten, wurden sie systematisch diskreditiert, in die Ecke gedrängt und schließlich im Januar 1992 ausgeschlossen.

Neuanfang

HG war der Garant dafür, dass der Aufbau der deutschen Sektion der IMT nach 1992 in Angriff genommen wurde. Er wurde aus der alten Organisation ausgeschlossen, dann wurde er auch aus der Minderheit ausgeschlossen, die in Deutschland aus der Opposition gegen die Entartung des CWI entstanden war und monatelang solidarisch zusammen gekämpft hatte. Sie wurde am Ende von Leuten gekapert, die nach der traumatischen Erfahrung im CWI „das Kind mit dem Bade ausschütteten“ und überhaupt keine ernsthafte revolutionäre Aufbauarbeit mehr machen wollten.

So blieben 1993 nur noch eine Handvoll Genossen übrig, die unter großen Opfern und widrigen Bedingungen bereit waren, die deutsche Sektion der IMT aufzubauen. Die erste Funke-Ausgabe erschien im Januar 1993. Im selben Jahr knüpfte HG Kontakte zu den ersten Mitgliedern der künftigen Sektion in Österreich. Ohne den unerschütterlichen Optimismus und der revolutionären Disziplin, die HG immer in seinem Leben verkörperte, hätte die deutsche Sektion die schweren politischen Zeiten der 1990er Jahre nicht überlebt. Das politische Umfeld konnte ungünstiger nicht sein.

In die Zeit der Spaltung des CWI fiel der Zusammenbruch des Stalinismus und die darauffolgende Krise der Linken. In jenen Tagen wendeten sich weltweit Millionen Aktivistinnen und Aktivisten vom Marxismus oder von dem, was sie als Marxismus verstanden, ab. Ehemalige Stalinisten wandelten sich blitzartig zu Antikommunisten und bürgerlichen Apologeten, die ideologisch zum Kampf gegen den Sozialismus bliesen. Die Sozialdemokratie ging europaweit nach rechts und das Ende der Geschichte wurde ausgerufen.

Der Marxismus, noch in den 1980ern an Schulen und Universitäten hoch im Kurs, wurde ideologisch als erledigt angesehen. HG berichtete, wie er Anfang der 1990er Jahre bei seinen Besuchen in Ostdeutschland immer wieder Autoladungen blauer und brauner Bände (Marx-Engels- und Lenin-Werke) nach Wiesbaden brachte, die sonst auf dem Müll gelandet wären.

In einer solchen historischen Epoche der Niederlage – der Zusammenbruch des Stalinismus war ein Rückschlag für die Linke, weil die Abschaffung der Planwirtschaft, trotz ihrer bürokratischen Auswüchse eine historische Niederlage darstellt – hat HG Weitsicht und klare Perspektiven aufgezeigt, weil er die marxistische Theorie verinnerlicht und auf die aktuelle Lage anwenden konnte. Nur wenige Marxisten haben diese Zeit politisch überlebt. Dabei waren die Einbindung in die IMT und die von Ted Grant geprägten Ideen entscheidend. HG haben diese Rückschläge nie erschüttert. Er hat immer nach vorne geschaut und sich an die Arbeit gemacht, die notwendig war: der Aufbau der IMT.

Vermächtnis

Es ist eine Tragödie, dass Hans-Gerd jetzt nicht mehr die positive Entwicklung der deutschen Sektion, die seit den letzten Jahren zu verzeichnen ist, erleben darf. Er hat die Grundlage dafür gelegt, dass wir jetzt ein schnelles Wachstum erleben. Ohne ihn wären wir nicht dort, wo wir jetzt sind. HG hat immer Wert auf die Ausbildung der Genossinnen und Genossen gelegt. Dies würde er auch heute den neuen und jungen Genossen sagen: Lest Marx, Engels, Lenin und Trotzki. Nur eine gut ausgebildete Mitgliedschaft ermöglicht uns den Aufbau einer stabilen Organisation, die nicht auf Sand gebaut ist. Er wäre über unseren erfolgreichen Bundeskongress Anfang April stolz gewesen, an dem so viele junge und entschlossene Genossinnen und Genossen teilgenommen haben.

Über 30 Jahre habe ich HG in Aktion, bei politischen Diskussionen und privat erleben dürfen. Abgehobenheit und Zynismus waren ihm fremd. Er hatte ein immenses Wissen nicht nur über die deutsche und internationale Arbeiterbewegung. Er lebte den Internationalismus, der für ihn nicht zu einer Floskel verkommen, sondern eine politische Notwendigkeit war. Er organisierte zahlreiche internationale Solidaritätskampagnen zur Freilassung von Genossinnen und Genossen oder politischen Gefangenen und unterstützte länderübergreifende Arbeitskämpfe wie z.B. bei der Bahn. Auch wenn HG in einem anderen Land Urlaub machte, unterstützte er immer vor Ort Arbeitskämpfe, Solidaritätsaktionen oder ging auf Demonstrationen. Das war für ihn eine Selbstverständlichkeit.

„Die beste Medizin gegen den kapitalistischen Irrsinn ist, für die Revolution zu kämpfen“, sagte Hans-Gerd bei mehreren Veranstaltungen, bei denen über die psychischen Folgen der kapitalistischen Krise diskutiert wurde. Der Marxismus bietet eine Perspektive und einen Lebensinhalt, für die es sich zu kämpfen lohnt, ansonsten verzweifelt man an den bestehenden Verhältnissen.

Sein Tod hinterlässt eine riesengroße Lücke, die nicht gefüllt werden kann. Es wird sehr schwer sein, diesen Verlust zu bewältigen. Aber das beste Andenken an HG wird es sein, dass wir seine Arbeit fortführen und die IMT aufbauen.

Der Funke Österreich: Die rote Fahne fliegen lassen
Alan Woods: In Erinnerung an Hans-Gerd Öfinger



 

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