Kategorie: DIE LINKE

Ein Aufruf an kritische SPD-Mitglieder: Nicht lockerlassen – sozialistischer Politikwechsel statt Großer Koalition

Die Bundestagswahl liegt erst einen Monat zurück und alle Welt rechnet jetzt mit einer Großen Koalition aus CDU/SU und SPD im Bund noch vor der Weihnachtspause. Den meisten SPD-Mitgliedern sind die negativen Erfahrungen mit einer solchen Koalition in den Jahren 2005 bis 2009 noch im Gedächtnis haften geblieben, die uns damals einen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent und die Rente erst mit 67 brachte. Die Folge war ein  Absturz bei der Bundestagswahl auf 23 Prozent und damit ein Rückfall auf das Niveau der Reichstagswahl von 1893 (!).


 

Der Anstieg auf 25,7 Prozent der Zweistimmen bei der Wahl im September 2013 ist extrem bescheiden. Das ist das zweitschlechteste SPD-Ergebnis aller Bundestagswahlen und immer noch ein Wert unter dem Ergebnis bei der Reichstagswahl von 1898 (27,2 Prozent).

 

Doch eine Bewertung und Aufarbeitung des miserablen Ergebnisses findet nicht statt und ist an der Parteispitze offenbar nicht gewollt. Dabei sind 11,25 Millionen Zweitstimmen bundesweit ein extrem bescheidener Wert angesichts der Tatsache, dass die Partei 1998 auf über 20 Millionen Stimmen kam. Anstatt diesen Zahlen nüchtern ins Auge zu blicken, tun maßgebliche Repräsentanten und Verursacher der Niederlage wie Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier so, als wäre nichts gewesen.

 

Dabei gab es bis zur Wahl die offizielle Zusage: Eine Große Koalition streben wir nicht an. Warnungen waren unüberhörbar. So lehnte etwa Klaus Wiesehügel bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wiesbaden im August eine Große Koalition strikt ab. „Das bringt die SPD in eine Zerreißprobe und drückt sie bei der nächsten Wahl unter 20 Prozent“, sagte er damals.

 

Auch wenn manche den gegenteiligen Eindruck zu vermitteln versuchen: Ein wesentlicher Politikwechsel ist mit der CDU/CSU nicht zu machen. Schon jetzt deutet sich ein Verzicht auf zentrale Forderungen aus dem Wahlprogramm an. Es ist zu befürchten, dass als Gegenleistung für ein löchriges Päckchen mit dem Aufkleber „8,50 Euro Mindestlohn“ Forderungen nach mehr Steuergerechtigkeit und Einstieg in die Bürgerversicherung auf der Strecke bleiben.

 

Viele Mitglieder haben aus der Erfahrung von 2005 bis 2009 gelernt. Der Druck war in den letzten Wochen so massiv, dass die Parteiführung rasch nachgeben und einen Mitgliederentscheid über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen versprechen musste. Das ist auch das Allermindeste, reicht aber nicht aus. Es fängt an bei der Frage, warum die Mitglieder nur per Briefwahl abstimmen können. Das öffnet Tür und Tor für Manipulationen. Warum nicht eine zentrale Abstimmung an einem Sonntag mit Stimmlokalen und anschließender transparenter, öffentlicher Auszählung der Stimmzettel? So war es 1993, als die SPD-Mitglieder im bisher einzigen bundesweiten Mitgliederentscheid zwischen drei Bewerbern für den Parteivorsitz auswählen konnten und bundesweit Stimmlokale eingerichtet wurden.

 

Es reicht nicht aus, wenn kritische SPD-Mitglieder jetzt passiv wie ein Kaninchen auf die Schlange starren und zwischen Bangen und Hoffen abwarten, was aus den nichtöffentlichen Verhandlungen nach außen dringt und was die Unterhändler vorlegen werden. Unabhängig von einzelnen möglichen Bonbons wird das Ergebnis nicht den Interessen der abhängig Beschäftigten und der Mehrheit der Bevölkerung gerecht werden und den im Wahlkampf geweckten Hoffnungen auf einen Politikwechsel einen schweren Dämpfer versetzen. Darum ist es an der Zeit, über ein klares Nein zur Großen Koalition beim Mitgliederentscheid hinaus endlich eine schlagkräftige innerparteiliche Opposition zu bilden, die sich ohne Rücksicht auf persönliche Karriereabsichten Einzelner strikt am Interesse der breiten Bevölkerungsmehrheit orientiert. Der Nährboden hierfür bestand schon vor zehn Jahren, als sich 21.000 Mitglieder für ein Mitgliederbegehren über die Agenda 2010 aussprachen. Die Initiative verlief damals aber wieder im Sande, weil niemand bereit war, die Angelegenheit ernsthaft in die Hand zu nehmen und eine solche konsequente innerparteiliche Opposition gegen alle Widerstände zu organisieren.

 

Allem Anschein nach will die Parteispitze die Mitglieder vor vollendete Tatsachen stellen und „Sachzwänge“ für eine Zustimmung schaffen - etwa nach dem Motto: „Ihr müsst uns jetzt vertrauen. Sonst gibt es Neuwahlen und dann sehen wir alt aus und das wollen wir doch nicht.“ Dabei hat der Parteivorstand in den letzten Jahren viel unternommen, um das Vertrauen und die Loyalität der Basis zu untergraben und verspielen. Die Parteiführung ist den Erwartungen an Transparenz und Mitgliederbeteiligung nicht gerecht geworden. Schon mit der Nominierung des Kanzlerkandidaten vor einem Jahr wurden an der Basis vorbei vollendete Tatsachen geschaffen. Es ist jetzt an der Zeit, dass sich die Mitgliedschaft nicht länger hinhalten und mit Illusionen abspeisen lässt.

 

Olaf Scholz begründete dieser Tage die angestrebte Große Koalition damit, dass die Partei so die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertreten könne. Damit blendet er das tatsächliche Kräfteverhältnis im Bundestag und die damit gegebenen Chancen aus. Tatsache ist, dass die drei bisherigen Oppositionsparteien SPD, Grüne und LINKE eine Mehrheit im neu konstituierten Bundestag haben. Warum nutzen wir nicht ab sofort im Interesse der Bevölkerungsmehrheit diese Mehrheit, um noch in diesem Jahr die programmatischen Schnittmengen der drei Parteien in Beschlüsse umzusetzen.

 

Warum schaffen wir nicht sofort Tatsachen und setzen im Interesse der ArbeitnehmerInnen unverzüglich

  • Mindestlohn,
  • Bürgerversicherung,
  • Steuergerechtigkeit,
  • mehr Regulierung auf dem Arbeitsmarkt

und andere gemeinsame Ziele aus den Wahlprogrammen per Bundestagsbeschluss um? Worauf warten wir dann noch?

 

Im kommenden Sommer jährt sich der Ausbruch des 1. Weltkriegs zum hundertsten Male. Damals knickte die SPD-Reichstagsfraktion unter dem massiven Druck der herrschenden Klasse ein und stimmte den Kriegskrediten zu. Eine Folge war die Spaltung der Arbeiterbewegung, die bis zum heutigen Tage nachwirkt. Vor 95 Jahren bot sich in der Novemberrevolution die einmalige Chance, eine neue, sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Weil die damalige konservative SPD-Führung in jenen Jahren hinter dem Rücken der Basis das Bündnis mit Konservativen und Kapital schmiedete, konnte sich die bürgerliche Gesellschaft wieder stabilisieren.

 

Diese Jahrestage sollten ab sofort Anlass sein, um gemeinsam mit GewerkschafterInnen und Mitgliedern der LINKEN die wechselvolle Geschichte der Arbeiterbewegung aufzuarbeiten, die sozialistischen Traditionen unserer Bewegung wieder zu entdecken und die Tagespolitik daran zu orientieren. „Diesem System keinen Mann und keinen Groschen“, war ein Leitspruch August Bebels, der aktuell geblieben ist. Orientieren wir uns am Engagement von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und vielen anderen gegen Krieg und Kungelei mit den Bürgerlichen.

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