Kategorie: Ökologie

Kann ein Öko-Kapitalismus noch die Welt retten?

Im südafrikanischen Durban verhandeln VertreterInnen von knapp 200 Staaten vom 28. November bis zum 9. Dezember über eine Nachfolgeregelung der Ende 2012 auslaufenden Klimaschutzvereinbarungen von Kyoto. Auch auf dieser UN-Klimakonferenz werden keine grundlegenden Verbesserungen des Weltklimas erreicht. In diesem Artikel wird der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Umweltzerstörung aufgezeigt.



Wir leben in turbulenten Zeiten. Noch vor wenigen Jahren wurden Menschen, die den Gesundheitszustand unseres blauen Planeten düster malten, als Pessimisten, Nein-Sager oder bestenfalls naive Spinner abgetan. Aber nach dem Erdbeben, dem Tsunami und dem GAU in Japan scheinen selbst manche konservative Politiker und einige Kapitalisten zu sehen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Gemäß ihrer Profitlogik haben sie ein neues Konzept entwickelt: den Öko-Kapitalismus. Dieser soll die Welt retten. Nebenbei lässt sich damit viel Geld verdienen.

„Naturkatastrophen“ bringen immer auch den Zustand einer Gesellschaft auf den Punkt. So hat Hurrikan Katrina die Abgründe der amerikanischen Gesellschaft und Politik offenen gelegt. Das Jahrhunderthochwasser in Pakistan hatte morbide Helfer, die die Wassermassen umleiteten und dabei das Leid und den Ruin tausender Menschen in Kauf nahmen, um Kapital und Macht zu schützen.
Über diese reinen Naturkatastrophen lassen die systembedingten Katastrophen immer wieder aufhorchen. In den 1990er Jahren hat die geplante Versenkung von Brent Spar für Furore gesorgt und Shell einen großen Image-Schaden eingehandelt. Mit der Explosion auf der Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko und der anschließenden Ölpest hat sich letztes Jahr der British Petroleum-Konzern (BP) weltweit einen Namen für Ignoranz und Planlosigkeit gemacht.
Dabei sind Umweltprobleme im Kapitalismus nichts Neues. Der Marxismus hat den Widerspruch zwischen Kapital und Umwelt schon sehr früh erkannt. Karl Marx schreib: „Der Kapitalismus ruiniert die Springquellen des Reichtums, auf denen er beruht: den Arbeiter und die Natur.“

Was ist Öko-Kapitalismus?

Das Konzept des Öko-Kapitalismus legte der US-amerikanische Autor Paul Hawken in seinem Bestseller „Öko-Kapitalismus: Die industrielle Revolution des 21. Jahrhunderts“ dar.
Nach Paul Hawken laufen wir Gefahr, das Naturalkapital unseres Planeten zu verlieren, weil wir die „Dienstleistungen“ unseres Planeten wertlos schätzten. Diese seien durch nichts zu ersetzen. Paul Hawken und den Öko-Kapitalisten ist die Erde 400 bis 500 Billionen Dollar wert. Bereits ein Drittel dieses natürlichen Kapitals haben die Menschen zerstört, indem sie Arten ausrotteten, die Regenwälder rodeten, Ackerboden zerstörten und die Luft verpesteten.

Mit der Umsetzung des Öko-Kapitalismus könne man aber nicht nur Welt retten, sondern das Naturalkapital für uns nachhaltig nutzen. Investitionen in Klimaschutz seien volkswirtschaftlich hoch rentabel und könnten sogar ein grünes Wirtschaftswunder bewirken. Hawken stellt hierfür einen 50-Jahres-Plan auf, der die Reichtümer unserer Gesellschaft verdoppeln und zeitgleich den Ressourcenverbrauch um 80% verringern soll.

In der Politik ist der „New Green Deal“ angekommen. Nicht nur Bündnis 90/Die Grünen, sondern auch SPD und sogar CDU arbeiten aktiv an der „ökologischen Wende“ im Kapitalismus. Schon vor Fukushima hat die CDU-Vorsitzende Angela Merkel nach den Erfahrungen von Stuttgart 21 ein konservatives Ökoprogramm auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen auf die Beine gestellt. Doch damit hat sie nicht diejenigen gehalten, die sowieso gehen wollten. Aber es hat ihre loyalen Parteisoldaten und Wähler verunsichert.

Im Gegensatz dazu erkennt DIE LINKE zurecht die Schwachpunkte des Öko-Kapitalismus. „Solange Menschen aus finanziellen Gründen darauf angewiesen sind, Regenwälder abzuholzen und Walfang zu betreiben, solange wird Umweltzerstörung stattfinden. Die umweltpolitische Strategie der Grünen drückt sich vor der Frage, ob der ungezähmte Kapitalismus, in dem das Prinzip der Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung dominiert, mit Ökologie überhaupt vereinbar ist“, erklärt Oskar Lafontaine.

Öko-Sozialismus?

Die Vertreter des Ökosozialismus sehen einen unauflösbaren Widerspruch zwischen Kapitalismus und Ökologie. Historisch waren sie am stärksten in der Partei Die Grünen vertreten. Ihr Vertreter Rainer Trampert war in den 1980er Jahren sogar Parteisprecher. Die grünen Öko-Sozialisten standen für ein konsequentes ökologisches Programm und waren skeptisch gegenüber Bündnissen mit nicht-ökologischen Parteien wie der SPD. Jedoch haben sich in den frühen 1990ern bei den Grünen die Realos durchgesetzt. Viele der Öko-Sozialisten traten deswegen aus und gründeten die Ökologische Linke oder schlossen sich der damaligen PDS an. Noch heute spielt der Öko-Sozialismus in der Partei DIE.LINKE so eine Rolle.
Mit der entstehenden Umwelt-Massenbewegung in den 70er Jahren waren ökologische Betriebe eher Experimente alternativer Wirtschaftsformen. Die kleinen Läden und Betriebe sprachen mit ihren Produkten spezielle Konsumenten aus der Umweltbewegung an. Da sich so kein großer Umsatz machen ließ, bedeutete ökologische Betriebsführung meist Selbstausbeutung, die man nur durch die Überzeugung, „das Richtige zu tun“, rechtfertigen konnte.

In den 1980er Jahren wurde die politische begründete Selbstausbeutung immer mehr zum Problem: „Acht, zehn oder noch mehr Stunden teilweise harter Arbeit in alternativen Druckereien, Schreinereien usw. schlauchten, zerstören Beziehungen und Gemeinschaften oder schufen zumindest die klassische Familiensituation: EineR arbeitet, eineR macht den Haushalt“, erklärt der Jörg Bergstedt in seinem Buch „Reich oder rechts? Umweltschutz und NGOs im Filz mit Konzernen“.
Die so geschwächte Ökobewegung musste sich ändern, um bestehen zu bleiben. Von den kämpferischen Bürgerinitiativen und Basisgruppen blieben die gut bezahlten LehrerInnen, WissenschaftlerInnen und BeamtInnen übrig. Aus Bioläden wurden Bio-Boutiquen. Die so erfolgte „Kapitalisierung der Umweltbewegung benachteiligt[e] unabhängige Gruppen“ (Bergstedt). Hinzu kamen die Erfolge aus dem kapitalstarken Solar- und Energiebereich, der kein Interesse daran hatte, die Preise zu drücken, um ökologische Stromgewinnung für die Masse der Bevölkerung verfügbar zu machen.

So entstand eine elitäre Schicht von „Öko-Yuppies“, die neue Managementmethoden in die ökologischen Betriebe einführten. Kollektive, basisdemokratische Produktionsweisen wurde aufgebrochen. Verbandsmanagement, Public Relations, Imagekampagnen und Geldbeschaffung wurden wichtiger als der politische Druck. Es entstanden Öko-Konzerne mit klaren Machtstrukturen und den Zielen: Gewinnmaximierung, Wirtschaftsförderung vom Staat und Ausrichtung als Geldanlageobjekt für eine wohlhabende Schicht linker und aufgeklärter BürgerInnen.

Das Mehr an Öko-Kapitalismus verdrängte den Öko-Sozialismus, denn sichere, effiziente und rentable Investition in Ökologie „geht nur, wenn keine Spur radikalpolitischer Orientierung mehr vorhanden ist, denn keine Regierung gibt Geld für kritische Geister, und keinE linkeR BürgerIn legt Geld an in politisch umstrittenen Projekten (und wenn doch, ist es schnell verloren, denn politisch umkämpfte Projekte sind meist wirtschaftlich erfolglos, weil ihnen die reichen KäuferInnenschichten fehlen“, erklärt Bergstedt.

Seit der Jahrtausendwende entstanden neue öko-kapitalistische Ketten wie Alnatura und Projekte im Bereich erneuerbarer Energien. Immer mehr erkennt das alte, traditionell nicht-grüne Kapital die Lukrativität des neuen Sektors. Neoliberale Ideologien verwässern das grüne Programm immer weiter. Die Wandlung der grünen Bewegung ist ein Paradebeispiel für kapitalistische Anpassung einer ehemals gesellschaftskritischen Bewegung.
Lukrative Supermarktketten verdrängen die orthodoxen ökologischen Kleinbetriebe und benötigen wettbewerbsfähige Verpackung, die nicht-ökologisch ist. Die scheinbar ökologischen Ambitionen dieser Betriebe drängen die einstmals fest mit ökologischen Konzepten verknüpften sozialen Forderungen immer weiter in den Hintergrund. Solange ein staatlich geprüftes Ökosiegel gewahrt wird, können hinter verschlossenen Türen Arbeitnehmer ausgebeutet werden. PR-attraktive Fassaden dürfen uns nicht blenden. So beklagt auch die IG Metall, dass in vielen Firmen der Windkraftbranche noch „demokratiefreie Zone ohne soziale Nachhaltigkeit“ bestünden, in denen Tarifverträge Mangelware, Betriebsrenten eine Ausnahme und auch der Gesundheitsschutz und Mitbestimmungsrechte von völlig untergeordneter Bedeutung seien. Vielfach sei der Anteil von Leiharbeitern mit über 40 Prozent erschreckend hoch.

Für ein ökologisches Übergangsprogramm

Unabhängig von ihrer Parteifarbe sind Kapitalisten am Profit interessiert. Ihre Profitlogik wird immer ein ökologisches Programm verwässern und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen fördern. Statt Unterwerfung unter Arrangements mit dem Kapital, um ein paar Kilo CO2 zu sparen, brauchen wir ein ökologisches Kapitel im sozialistischen Übergangsprogramm und eine europaweite Umsetzung, bei der sich keine Land davon stehlen kann. Nur mit einer nachhaltigen gesamtgesellschaftlichen und ökologischen Logik, die die Interessen der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellt und sich von der Ausbeutung anderer Länder frei macht, können die Widersprüche wirklich beseitigt werden.

Wichtige Punkte eines solchen Übergangsprogramms könnten sein:
  • Ökologisches Existenzrecht für künftige Generationen als Menschenrecht. Damit entfiele auch die Grundlage für ein Kippen von Regelungen wie dem Automausstieg.
  • Alle Regelungen, die das ökologische Gleichgewicht künftiger Generationen stören, sind verfassungswidrig und müssen unterbleiben.
  • Für ein sofortiges Abschalten aller Atomkraftwerke. Verbot aller Subventionen für umweltschädliche Technologien und die Automobilindustrie. Statt Steuergeschenken an Fluggesellschaften: Flugbenzinsteuer in voller Höhe!
  • Ökologischer Kassensturz der Gesellschaft unter Einbeziehung nicht nur von CO2-Emissionen, sondern aller bekannten Ausprägungen, globalen Folgen und Giftstoffe, die Mensch und Natur schädigen.
  • Ökologische Kosten sind nicht handelbar! Kein Emissionshandel!
  • Konzentration auf Forschung und Entwicklung von alternativen Herstellungsmethoden und verträglicheren Produkten! Keine die Umwelt verpestende Produktionsverlagerung ins Ausland.
  • Ein konsequenter ökologischer und sozialer Umbau der Wirtschaft setzt die gesellschaftliche Kontrolle über die Schalthebel der wirtschaftlichen Macht voraus. Daher brauchen wir die Überführung der großen Industriekonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle von Belegschaften, Gewerkschaften und Umweltverbänden.
Lesetipps:

[1] Paul Hawken, Amory Lovins und Hunter Lovins: Natural capitalism: the next industrial revolution. Little Brown & Co., Boston/Massachusetts, 1999.
[2] John Peterson: New Orleans versinkt in den Fluten: Katrina und die Folgen. Workers International League, USA, 2005. http://www.derfunke.de/content/view/224/75/.
[3] Fluten zum Schutz eigener Ernte umgeleitet. Pakistaner in Deutschland klagen Eliten ihrer Heimat an. Der Funke, 2010. http://www.derfunke.de/content/view/934/75/.
[4] Interview mit Karl Marx und Friedrich Engels über Umweltkatastrophen und Kapitalismus, Der Funke, 2002.
[5] Deutsche Bahn: Nachhaltigskeitsbericht 2009.
http://www.deutschebahn.com/site/nachhaltigkeitsbericht__2009/zubehoer__assets/de/dateianhaenge/nhb__download__2009.pdf.
[6] Thomas L. Friedman: The Power of Green. The New York Times Magazine, 15. April, 2007.
[7] Thomas L. Friedman: A Warning From The Garden. The New York Times, 19. Januar, 2007.
[8] Ralf Fücks: Auf in den Ökokapitalismus! DIE ZEIT Nr.28, S.32, 5. Juli, 2007. http://www.zeit.de/2007/28/Auf_in_den_Oekokapitalismus.
[9] Marlies Uken: Das CO2-Ziel festzurren. ZEIT Online, 10. Februar, 2010. http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-02/klimaschutzgesetz.
[10] Oskar Lafontaine: Es gibt keinen grünen Kapitalismus: Zur (Un)glaubwürdigkeit grüner Umwelt- und Energiepolitik. DIE LINKE, Mai, 2011.
[11] Jörg Bergstedt: Reich oder rechts? Umweltschutz und NGOs im Filz mit Konzernen, Staat und rechter Ökologie. Iko-Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 2002.
http://www.projektwerkstatt.de/oekofilz/3_9betriebe.pdf

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