Kategorie: Ökologie

Wie weiter mit den Klimastreiks?

Spätestens seit dem 15. März 2019, als Millionen Schülerinnen und Schüler auf der ganzen Welt in den Streik traten und demonstrierten, ist die Frage des Kampfes gegen den Klimawandel nicht mehr nur eine Frage einer kleinen Handvoll Aktivistinnen und Aktivisten, sondern ein europäisches Massenphänomen.


Es ist daher an der Zeit, eine Bilanz der bisherigen Bewegung zu ziehen.

Druck und Appelle an „die Politik“?

Eine zentrale Forderung der internationalen „Fridays for Future“ (FfF)-Bewegung ist die Ausrufung eines „Klimanotstandes“ durch die jeweiligen Regierungen. In Großbritannien etwa wurde die Forderung nach einem Klimanotstand nicht nur von Fridays for Future erhoben, sondern auch in einer sehr mutigen Kampagne des zivilen Ungehorsams von „Extinction Rebellion“ (Extinction Rebellion, kurz XR, ist eine weltweite Bewegung, die sich mit Mitteln des zivilen Ungehorsams gegen das Massenaussterben von Tieren und Pflanzen und das mögliche Aussterben der Menschheit als Folge der Klimakrise einsetzt) eingefordert. In ihrer wochenlangen Kampagne kam es nach Blockaden zu über 1100 Verhaftungen. Was war konkret bisher das Ergebnis davon? Nach einem Antrag der Labour-Opposition rief das britische Parlament tatsächlich den Klimanotstand aus. Auch in Irland passierte das, in vielen einzelnen Städten und Regionen weltweit ebenfalls. Auch in deutschen Städten wie Konstanz, Kiel und Münster wurde der Klimanotstand ausgerufen. Doch selbst bürgerliche Zeitungen bescheinigen diesen Initiativen, reine Symbolpolitik zu sein, denn praktische Maßnahmen bleiben aus.

Eine politische Positionierung für die Klimastreikbewegung

Bis auf die AfD erkennen so gut wie alle Parteien den Klimawandel an. Das tun sie seit Jahren oder Jahrzehnten. Auch die Bundesregierung hat sich auf dem Papier zum Pariser Klimaabkommen bekannt. Doch trotz aller Lippenbekenntnisse müssen wir feststellen, dass selbst von der rot-grünen Bundesregierung in den Jahren 1998 bis 2005 rein gar nichts gegen den Klimawandel unternommen wurde.

Das zentrale Problem mit der Orientierung „Wir streiken, bis ihr handelt“ ist, dass die Regierungen in unser kapitalistisches System eingebunden sind und nicht gezwungen werden KÖNNEN, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Wir müssen selbst handeln, um den Klimawandel zu stoppen – aber nicht individuell und vereinzelt durch eine Umstellung unserer Lebensgewohnheiten, sondern kollektiv, durch den politischen Kampf für ein neues System.

Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine Machtfrage. Die Kernfrage lautet: Wer regiert und kontrolliert die Welt? Eine marxistische Analyse zeigt, dass nur eine Umwälzung der Art und Weise, WIE in der Gesellschaft produziert wird und WER die Kontrolle über die Produktion hat, eine Umstellung auf umweltfreundliche Produktion möglich machen wird.

Solange eine kleine Schicht superreicher Kapitalisten die Wirtschaft kontrolliert, die ein Interesse daran haben, möglichst viel privaten Profit aus der Produktion, dem Austausch und Handel, dem Transport, dem Wohnen und letztendlich unser aller Leben zu ziehen, so lange wird der Umweltschutz (wie auch die Gesundheit und Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter) nur ein „Kostenfaktor“ sein.

Für Klimaschutz heißt gegen Kapitalismus sein!

Kampf gegen den Klimawandel bedeutet, in allen Ländern für eine ANDERE Regierung und Regierungsform und GEGEN die jetzigen Herrschenden zu kämpfen. Notwendig wären Regierungen mit sozialistischem Programm, die die Enteignung der großen Banken und Konzerne vorantreiben und eine Planung der Wirtschaft möglich machen, die statt der Jagd nach dem Profit die Bedürfnisse der Menschen und die Rettung unseres Planeten zum Zweck der Produktion machen könnte. Die Debatte um eine mögliche Enteignung von Konzernen wie BMW und von großen Wohnungskonzernen zeigt, welches Potential dieses Thema besitzt.

Unsere Verbündeten in diesem Kampf sind alle Lohnabhängigen, die durch das gleiche kapitalistische System ausgebeutet werden, das die Umwelt zerstört. Die meisten unserer Eltern, Geschwister und auch unsere Lehrerinnen und Lehrer haben als Lohnabhängige potenziell die Macht, durch Streiks die ganze Wirtschaft zum Stillstand zu bringen.

Statt Appelle an die Regierung zu richten, muss die Klimastreikbewegung daher Verbindungen mit den Lohnabhängigen suchen – insbesondere mit den in Gewerkschaften organisierten. Wie das aussehen kann, zeigt sich am deutlichsten bei den Lehrerinnen und Lehrern. Viele stehen den Schülerstreiks extrem positiv gegenüber, werden aber durch Regierungen und Schuldirektionen gezwungen, Fehlstunden einzutragen, Streiks zu verbieten oder zu verhindern. Die Lehrergewerkschaften hätten die Möglichkeit, Streiks zu organisieren, um die Klimastreiks zu unterstützen und damit die Bewegung ungemein zu stärken. Doch das gleiche gilt letztendlich für alle Bereiche der Wirtschaft: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!

Ein derartiger Appell kann aber nur Erfolg haben, wenn sich die Bewegung gegen den Klimawandel ebenso offensiv den Kampf für die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Jugendlichen und Lohnabhängigen und gegen die Ausbeutung und Unterdrückung in jeder Form auf die Fahnen schreibt. Den Anfang haben führende Mitglieder der Fridays for Future-Bewegung mit dem Aufruf zum globalen Generalstreik für mehr Klimaschutz gemacht. Den Aufruf haben Greta Thunberg und Luisa Neubauer mit Jugendlichen aus aller Welt verfasst. „Es ist Zeit für uns alle, massenhaften Widerstand zu leisten“, heißt es im Appell.

Eine solche Orientierung der Klimastreikbewegung auf die Arbeiterklasse ist aber auch völlig unvereinbar mit jeder grün-liberalen Programmatik, die die Verantwortung für den Klimawandel auf den Rücken der Einzelnen abwälzen möchte, während die Großkonzerne weiter munter die Luft verpesten und die Lohnabhängigen ausbeuten dürfen. Insbesondere neue Steuern zu Lasten der arbeitenden Menschen (CO2-Steuer), die Konsumgüter teurer machen, müssen daher mit aller Kraft durch die Bewegung gegen den Klimawandel bekämpft werden – sie ändern nicht nur nichts, wie Jahrzehnte der „Ökosteuern“ zeigen, sondern führen direkt dazu, dass viele arbeitende Menschen die Bewegung gegen den Klimawandel als ihnen gegenüber feindlich wahrnehmen. Im März 1999 wurde unter der rot-grünen Bundesregierung das „Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform“ beschlossen. Insbesondere die Grünen propagierten diese Steuer als eine wirksame Maßnahme gegen CO2-Emissionen und die Klimaerwärmung. Die Belastungen für die arbeitende Klasse sind beträchtlich. Doch die Wirkung erwies sich als höchst begrenzt. Die CO2-Emissionen sind seither weiter gestiegen. Eine CO2-Steuer ist eine sozial ungerechte Verbrauchssteuer, die die Lohnabhängigen deutlich belastet und die Armen sehr hart trifft. Eine ökologische Alternative ist nur dann gegeben, wenn sich die Lohnabhängigen auch klimafreundlichere Alternativen leisten können. Beispiel Mobilität: Ohne einen massiven Ausbau eines kostenlosen bzw. preiswerten Bahnverkehrs sind die Menschen weiterhin auf das Auto angewiesen.

Mit der CO2-Steuer wird sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößern. Sie könnte sogar Proteste wie die der Gelbwesten in Frankreich auslösen. Das Thema Klimaschutz kann aber auch in das Fahrwasser der AfD geraten, die versuchen wird, die ökologische und die soziale Frage gegeneinander auszuspielen.

Transparenz und Demokratie

Antikapitalismus auf der einen Seite und „grüner“ Liberalismus in all seinen Schattierungen und Abstufungen auf der anderen Seite stehen sich objektiv gesehen innerhalb der Bewegung gegen den Klimawandel unversöhnlich gegenüber, weil die Interessen zweier gegensätzlicher Klassen in der Gesellschaft hinter ihnen stehen. Das spiegelt sich bis zu einem gewissen Grad auch jetzt schon in der Bewegung wider. Die große Masse, die auf die Straße geht, ist sich über diese Unterschiede noch nicht im Klaren. Doch viele sind sehr aufgeschlossen für antikapitalistische Ideen.

Der Teil der Führung von FfF, der die Bewegung unter allen Umständen in den Bahnen der Akzeptanz des kapitalistischen Systems halten möchte, bedient sich daher trotz aller Beteuerungen der Transparenz und Demokratie höchst intransparenter und undemokratischer Mittel. In einigen europäischen Ländern hat sich dies in einer Reihe von Konferenzen und nationalen Treffen von Fridays for Future deutlich gezeigt. In Italien, wo es eine lange Tradition von koordinierten Schülerbewegungen gibt, fand im April eine nationale Konferenz von FfF statt. Dort wurde ein Antrag gestellt, der die Gewerkschaften zur Organisierung eines Generalstreiks am 24. Mai aufforderte. Als sich in der Diskussion zeigte, dass dieser Antrag viel Unterstützung bekam, manövrierte eine Schicht selbsternannter Sitzungsleiter die Diskussion um diese Frage herum. Obwohl etwa 50 Anwesende reden wollten, kam es zu keiner weiteren Diskussion oder Abstimmung in dieser Frage!

In der Schweiz wurde ein Antrag aus unseren Reihen zu einem antikapitalistischen Programm für Fridays for Future erst gar nicht behandelt. Stattdessen wurde nur über die Struktur der Organisation diskutiert. Auch in Deutschland sollte der Funke davon abgehalten werden, politisches Material zu verbreiten, das die Verbindung von Kapitalismus und Klimawandel erklärt. Immer wieder wird gegen die „Vereinnahmung von politischen Gruppen“ argumentiert. In Wirklichkeit droht jedoch die ursprüngliche Stärke der Bewegung, ihre Spontaneität und Unkontrollierbarkeit, ins Gegenteil umzuschlagen.

Eine demokratische und transparente Bewegung heißt, dass jede Person und jede Gruppe, die mit den grundsätzlichen Zielen übereinstimmt, das Recht und auch die Pflicht haben sollte, offen ihre Lösungen und Alternativen vorzubringen. So müssen in demokratischen Abstimmungen Beschlüsse gefasst werden und eine verantwortliche Führung gewählt werden, die für jeden klar ersichtlich ist und jederzeitig abwählbar ist.

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