Kategorie: Theorie

Was ist eine Revolution?

In Anbetracht des diesjährigen Jahrestages der Novemberrevolution vor 100 Jahren ist es wichtig, diese Frage zu ergründen. Foto: Rote Ruhrarmee Remscheid 1918.


Die Frage, was eine Revolution ist, beschäftigt nicht nur Marxisten, sondern gleichermaßen auch Bürgerliche. Diese fürchten sich vor Revolutionen, möchten sie aufhalten, diskreditieren und die Geschichte sozialistischer Revolutionen unter ihrer Propaganda von der Grausamkeit der Revolutionen begraben, um ihre Herrschaft zu erhalten. Aus marxistischer Sicht bietet eine Revolution dagegen Potential für gigantischen Fortschritt, wenn das alte System radikal überwunden wird und ein neues Zeitalter beginnen lässt. Aber dieser Fortschritt ist kein Automatismus oder Gesetz, er kann durch Konterrevolutionen rückgängig gemacht bzw. unterbrochen werden, oder es kommt gar nicht erst zur Revolution, obwohl sie der einzige Ausweg zu einem besseren Leben wäre.

Zurecht sagt Marx über Revolutionen, dass sie die Lokomotiven der Geschichte sind. In dem Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie erklärt er grundsätzlich, dass "eine Epoche sozialer Revolution" dann eintritt, wenn die "materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen" bzw. Eigentumsverhältnissen geraten.

Der Unterschied zwischen der proletarischen und vorherigen Revolutionen

Wir kennen den berühmten Satz aus dem Manifest der kommunistischen Partei, dass alle bisherige (verschriftlichte) Geschichte die Geschichte von Klassenkämpfen ist. Genau diese Geschichte von Klassenkämpfen ist ebenso eine Geschichte von Revolutionen, also ein Kampf um die Herrschaft (Diktatur) einer Klasse über die Andere in der Gesellschaft. Bis zur proletarischen Revolution haben jedoch alle Revolutionen nur die herrschende Minderheit ausgetauscht. Das berühmteste und großartigste Beispiel dafür ist die französische Revolution, welche die herrschende adelige Minderheit durch eine andere gesellschaftliche Minderheit ersetzte, nämlich die wohlhabenden und mächtigen Großbürger - die Bourgeoisie. Das Ziel einer sozialistischen Revolution hingegen ist es, die bisher unterdrückte und ausgebeutete Mehrheit der Gesellschaft, also die Arbeiterklasse, an die Macht zu bringen. Dies ist ein qualitativer Unterschied zu allen vorherigen Revolutionen.

Auch die Rolle der Massen unterscheidet sich zwischen den vorherigen und der proletarischen Revolution. Jede Revolution kann nur mit Hilfe der Massen einer Gesellschaft glücken, die Frage ist aber, welche Rolle diese spielen. Sind sie passive Unterstützer der wortgewandten Führer? Oder sind sie bewusst und aktiv beteiligt an der Revolution und am Aufbau der neuen Gesellschaft? Genau dies sind die unterschiedlichen Rollen. In einer sozialistischen Revolution haben die Massen eine aktive, bewusste und entscheidende Rolle, sie intervenieren gegen das herrschende System nicht nur mit (General-)Streiks und Demonstrationen, sondern schaffen mit der spontanen Gründung von Räten auf Stadt, Land und in Betrieben die Keimzellen für eine Doppelherrschaft in der Gesellschaft. Wenn sich diese Räte auf nationaler Ebene zusammenschließen haben sie die Möglichkeit, das herrschende Staatssystem in Frage zu stellen und sich selbst als neue Staatsform zu konstituieren. Gerade diese Zusammenspiel aus Massenaktion und Doppelherrschaft sind wichtige Merkmale einer proletarischen, sozialistischen Revolution.

Wie kann es nun zu einer sozialistischen Revolution kommen?

Aus den Schriften Lenins und Trotzkis über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse des Studiums des Marxismus und der russischen Revolutionen von 1905 und 1917 können wir fünf Bedingungen für eine Revolution erkennen:

1. Das herrschende System ist in einer unlösbaren Krise.

2. Die herrschende Klasse hat sich gespalten und kann nicht mehr wie früher weiter herrschen.

3. Die Massen erkennen die Notwendigkeit einer Revolution und sind bereit sich für diese zu opfern.

4. Die Mittelklassen (wie Kleinbürgertum und Bauernschaft) stellen sich hinter die Massen.

5. Es existiert eine revolutionäre Organisation, welche mit den Massen verbunden ist und diese im Kampf um die Macht führen kann.

Diese Punkte sind nur eine Verallgemeinerung bisheriger Erfahrungen, sie bilden kein formales Schema, wie eine Revolution ablaufen muss, sondern eine generelle Anleitung für unsere Analyse. Außerdem beeinflussen sich diese Punkte gegenseitig, denn je entschlossener die Massen in der Krisensituation reagieren, desto demoralisierter und schwächer wird die herrschende Klasse.

Die Spaltungen in der herrschenden Klasse sind nicht nur auf die Bourgeoisie und deren Vertreter beschränkt, sondern betreffen oft auch die staatlichen Strukturen, wie z.B. der Polizei und Armee. Vor allem die revolutionäre Rolle der meuternden Matrosen kann man hier nochmal hervorheben, ob auf dem Panzerkreuzer Potemkin in Russland 1905 oder die Kieler Genossen Ende Oktober 1918.

Einige Revolutionen bestätigen diese Punkte sehr gut, zum Beispiel in Russland. Nach dem verlorenen Weltkrieg war das System der Ausbeutung durch den Großgrundbesitz und Kapitalismus in einer vollkommenen Sackgasse, viele verschiedene brennende Fragen, wie die nationale Frage, die Landfrage und ökonomische Notwendigkeiten (Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Versorgungsknappheit), konnten nicht gelöst werden. Deshalb betraten die Massen die Bühne und intervenierten mit der spontanen Bildung von Räten (den Sowjets, wie schon in der Revolution 1905), viele Soldaten sind desertiert und es gab massive Streikwellen. Die herrschende Klasse wurde einerseits durch den verlorenen Weltkrieg geschwächt, da der Zar abdanken musste und spaltete sich weitergehend zwischen der Unterstützung für Kerenski und dem faschistischen General Kornilow. Die Bauernschaft hat sich in dieser Periode der Arbeiterklasse programmatisch angeschlossen und wurden durch die Sozialrevolutionäre vertreten. Die Abspaltung der Linken Sozialrevolutionäre haben sich weitergehend auch mit den Bolschewiki zur Machtübernahme verbündet und bildeten die erste Koalitionsregierung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik. Die bolschewistische Partei war auch die revolutionäre Organisation, welche mit den Massen organisch verbunden war und diese zum Sieg der Revolution führen konnten. Aus dem revolutionären Bündnis der Arbeiter und Bauern herrschte unter Leitung des Proletariats endlich zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Mehrheit der Gesellschaft sich selbst.

Die deutsche Revolution von 1918 begründetet sich auf die unlösbare Situation des deutschen Imperialismus, welcher sich nur durch den Weltkrieg ausbreiten, aber diesen nicht gewinnen konnte. Durch Meutereien und Massenprotesten nach Jahren des Krieges wurde der Krieg im November 1918 beendet, die Monarchie mit dem Kaiser gestürzt und die herrschende Klasse stark geschwächt. Die spontane Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten zeigten den Willen der Massen für eine Revolution und für den Sozialismus. Doch gerade das Fehlen einer revolutionären Organisation, welche in den Massen verankert und diese Leiten konnte, ist für das Scheitern verantwortlich. Im weiteren Verlauf der revolutionären Periode bis 1923 konnte man nach dem Verrat der Sozialdemokratie am Sozialismus mit dem Kapp Putsch auch eine Spaltung der herrschenden Klasse in Deutschland zu erkennen. Der Generalstreik, welcher den Kapp Putsch stoppte, bildet den Höhepunkt der deutschen Revolution. Zu dieser Zeit gab es mit der KPD dann auch eine revolutionäre Partei, welche jedoch durch verschiedene Probleme und falsche Taktik sich nicht wirklich in den Massen verankern konnte und den revolutionären Generalstreik somit nicht zum Sieg führen konnte.

Doppelherrschaft - Entscheidung über Sozialismus oder Barbarei

In jeder proletarischen Revolution hat die Periode der Doppelherrschaft, also die praktische Frage ob bürgerliche oder proletarische Demokratie, ob Parlament oder Räte, eine entscheidende Rolle gespielt. Und theoretisch gesehen ist hier die Trennlinie zwischen Reformisten und Revolutionären, zwischen der zweiten und dritten Internationale. Die Anerkennung der Diktatur des Proletariats, also der Herrschaft der Arbeiterklasse, ist der wichtigste praktische Grundpfeiler des Marxismus, wie Marx selbst über sein eigenes Werk schreibt in einem Brief an Weydemeyer.

Gerade bei der Systemfrage spielt die revolutionäre Organisation eine entscheidende Rolle und wird dies auch bei zukünftigen Revolutionen spielen. Trotzki beschreibt diesen Zusammenhang in seiner "Geschichte der Russischen Revolution":
"Von der für die Umwälzung notwendigen Zuversicht zu seinen Kräften kann das Proletariat nur erfüllt sein, wenn sich vor ihm eine klare Perspektive entrollt, wenn es die Möglichkeit besitzt, aktiv das sich zu seinen Gunsten verändernde Kräfteverhältnis nachzuprüfen, wenn es über sich eine weitblickende, feste und sichere Leitung fühlt. Das führt uns zu der – der Reihe, nicht aber der Bedeutung nach – letzten Bedingung der Machteroberung: zur revolutionären Partei, als der eng verschmolzenen und gestählten Avantgarde der Klasse." (Aus Band 2, Kapitel 20)

Es muss also eine revolutionäre Kraft geben, welche das Vertrauen der Arbeiterklasse hat, eine bessere Regierung aus den Massen für die Gesellschaft zu errichten, als die bisherigen bürgerlichen Vertreter. Eine Avantgarde also, welche die brennenden Fragen der jeweiligen Zeit lösen kann, die von der herrschenden Klasse wegen der kapitalistischen Fesseln nicht gelöst werden können.

Viele der genannten Punkte können Revolutionäre nicht beeinflussen, sie können weder die Wirtschaft in eine Krise stürzen, die Massen zu Aufständen zwingen, die herrschende Klasse spalten oder die Mittelklassen alleine überzeugen. Aber sie können eine revolutionäre Organisation aufbauen, welche in der Geschichte und Theorie des Klassenkampfes geschult ist, und diese den Massen in ihrem Kampf erklären und die Massen als energischste Kraft in ihren Kämpfen unterstützen kann. Wenn die objektiven Bedingungen für eine Revolution herangereift sind, wird der subjektive Faktor einer revolutionären Führung ausschlaggebend, um den revolutionären Kampf zu gewinnen, für eine sozialistische Gesellschaft.

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