Kategorie: Theorie

Industrie 4.0: Was bringt der digitale Kapitalismus?

In Teil II unserer Serie zum Thema Industrie 4.0 wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, inwieweit der „digitale Kapitalismus“ etwas qualitativ Neues darstellt.


In der Geschichte des Kapitalismus zeigen sich immer wieder größere Umwälzungen der Produktionsmittel, also der eingesetzten Werkzeuge und Maschinen. Die Art und Weise, wie die Waren produziert werden, veränderte sich stets aufs Neue. In den Anfängen des Kapitalismus wurden die vielen versprengten selbständigen Handwerker unter einem Dach zusammengezogen und in der Manufaktur dem Kommando des Kapitals unterstellt. Die erste industrielle Revolution ersetzte menschliche Arbeitskraft durch Wasser- und Dampfkraft. In der zweiten sorgte die Elektrizität nicht nur für Glühlampen, Telegrafie oder das Telefon, sondern auch für die wirkliche Massenproduktion von Gütern. Mit der dritten kamen dann mit der Elektronik die Computer und Roboter hinzu, was wiederum eine stärkere Automation bedeutete, wie z.B. Autos, die automatisch zusammengesetzt werden.

Es waren große Wellen des technologischen Fortschritts, welche diverse bahnbrechende Erfindungen mit sich brachten. Die Folgen davon sind widersprüchlich. Anstatt Wohlstand und Überfluss bedeutete die reduzierte notwendige Arbeitszeit jeweils Massenarbeitslosigkeit. Die Digitalisierung ist nichts anderes als eine weitere Welle in der Entwicklung des technologischen Fortschritts, welche die Arbeitszeit weiter drastisch senkt. Während die bisherigen industriellen Revolutionen ihre Auswirkungen in Teilen der Produktion zeigten und damit den Arbeitsmarkt umstrukturierten, werden die Auswirkungen der Digitalisierungen in allen Bereichen Einfluss nehmen und somit viel umfassender und weitreichender werden.

Entwicklung der Produktivkräfte

Die Ursache für die immer erneuten Umwälzungen der Produktionsmittel haben ihren Ursprung in der Funktionsweise des kapitalistischen Systems selbst. Im Kapitalismus wurde erst „bewiesen, was die Tätigkeit der Menschen zustande bringen kann. Sie hat ganz andere Wunderwerke vollbracht als ägyptische Pyramiden, römische Wasserleitungen und gotische Kathedralen“. Die Bürgerlichen können „nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren.“ (Karl Marx und Friedrich Engels, in: Manifest der Kommunistischen Partei“)

Die kapitalistische Produktionsweise treibt die Kapitalisten dazu, kontinuierlich neue Innovationen hervorzubringen. Verantwortlich dafür ist die Konkurrenz unter den Kapitalisten und ihr Streben nach Profit, welches sie unaufhörlich nach Marktvorteilen suchen lässt, um selbst nicht unterzugehen. Die technologischen Entwicklungen der Digitalisierung erhöhen die Produktivität und somit kurzfristig auch die Profite einzelner Kapitalisten. Wenn die Kapitalisten eine größere Menge mit weniger Arbeit als andere produzieren lassen können, ihre Produktion also effizienter ist als die ihrer Konkurrenten, können sie sich zusätzlich einen Extraprofit aneignen. Auf der Suche nach diesen Extraprofiten treiben sie den technologischen Fortschritt unaufhaltsam vorwärts. Doch die Extraprofite können sie sich nicht dauerhaft aneignen. Denn sobald die Konkurrenz anfängt, ihr Maschinenarsenal auch zu modernisieren, beginnen die Preise und somit die Profite zu fallen.

Angeheizt wird diese Dynamik durch die vielen aufkommenden Start-Ups, welche dank des technologischen Fortschritts den Markt revolutionieren. So wurde z.B. mit der Plattform Uber das ganze Taxigewerbe und mit AirBnB die klassische Hotellerie unter Druck gesetzt. Dies geht meist einher mit einer verstärken Ausbeutung durch miserable Arbeitsbedingungen. Die Konkurrenz führt jedoch stets zum „Untergang vieler kleinerer Kapitalisten, deren Kapitale teils in die Hand des Siegers übergehn, teils untergehn.“ (Karl Marx, in: Das Kapital Band I)

Es findet ein „periodisches Abmähen der Kleinkapitale“ statt, „die dann immer wieder rasch aufkommen, um von neuem durch die Sense der Großindustrie abgemäht zu werden.“ (Rosa Luxemburg, in: Sozialreform oder Revolution)

Der digitale Kapitalismus

Die treibende Kraft hinter der Digitalisierung ist also die kapitalistische Produktionsweise. Doch ist es möglich, heute eine solidarische Marktwirtschaft zu errichten, in der Überfluss und Wohlstand allen zukommt? Die Einführung der neuen Maschinen ist immer mit Investitionen verbunden, welche sich für die Kapitalisten in Profiten auszahlen müssen. Vor allem in Krisenzeiten wie heute überlegen sie sich jede Investition sehr genau und es werden lieber billigere Arbeitskräfte gesucht: So verrichten heute viele Menschen schlecht oder ganz unbezahlte Arbeit in der Form von temporärer Zeitarbeit oder eines Praktikums.

Der digitale Kapitalismus, wie Nahles ihn nennt, ist nichts anders als der Kapitalismus auf dem heutigen Stand der technologischen Entwicklung. Während langer Zeit trieb er den Fortschritt unaufhaltsam voran und sorgte zumindest in den entwickelten Ländern für einen allgemein höheren Wohlstand. Doch heute wird die Marktwirtschaft immer mehr zum Hemmnis, wenn große Firmen versuchen, Innovationen, die ihr Geschäftsmodell untergraben, im Keim zu ersticken oder die Lebensdauer ihrer Produkte künstlich verkürzen. Der Kapitalismus bedeutet heute, dass Produkte von minderer Qualität produziert werden, die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern und die Arbeitslosigkeit steigt.

Auch die Entwicklung der Vermögensverhältnisse zeigt eine Ungleichheit, die noch nie größer war als heute. Eine Oxfam-Studie berichtete, dass acht Einzelpersonen gleich viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Menschheit. 2010 waren es noch 388 Milliardäre. Die Einkommen (fast ausschließlich Kapitalgewinne) des reichsten Prozents sind seit den 1990er Jahren um 43% gestiegen. Die Löhne der großen Mehrheit hingegen stagnieren praktisch und werden zusätzlich verstärkt belastet durch höhere Mieten und steigende Lebenshaltungskosten.

Perspektive des digitalen Kapitalismus

Die Konzentration von Kapital in immer weniger Händen und die damit verbundene Ungleichheit wächst immer schneller. Während Konzerne wie Apple, Nestlé oder die UBS über Jahrzehnte von Kapitalkonzentration und -zentralisation wuchsen, weisen Milliardenkonzerne wie Google oder Facebook eine viel kürzere Geschichte auf. Einerseits senkte die Digitalisierung in vielen Bereichen die Hürden für kleinere Kapitale, indem ein Unternehmen mit der Entwicklung einer Software anstatt einer neuen Fabrik gegründet werden kann. Andererseits beschleunigen sich ganz allgemein die Produktionszyklen.

Jeder Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung stellt sowohl einen End- wie auch einen Startpunkt eines Zyklus dar. Sobald eine Ware verkauft wird, kann das Kapital wieder investiert werden und je schneller dies der Fall ist, umso häufiger kann daraus Profit gezogen werden. Dabei ist nicht nur die Produktionszeit entscheidend, sondern auch die Zeit „während deren der Kapitalist kauft und verkauft, sich auf dem Markt herumtreibt”. (Karl Marx, in: Das Kapital Band II) Mit der Digitalisierung werden sowohl die Transport- wie auch die Kommunikationswege drastisch reduziert, wodurch die Märkte besser erschlossen werden und die Akkumulation von Kapital beschleunigt wird.

Diese Beschleunigung wird eine Intensivierung auch der negativen Aspekte der Digitalisierung bedeuten, was sich auch in der aktuellen Wirtschaftskrise zeigt. Die Kapitalisten ziehen ihren Profit aus der Arbeit der Arbeitenden, welche jedoch durch die Einführung neuer Maschinen und Computer immer weniger benötigt werden. Das bedeutet, dass es für die Kapitalisten immer schwieriger wird, sich Profite anzueignen. Wollen sie in der Konkurrenz nicht untergehen, sind sie daher zu immer stärkeren Kostenreduktionen und stärkerer Ausbeutung der Arbeitenden gezwungen.

Die kapitalistische Produktionsweise folgt nach wie vor den gleichen Gesetzen wie noch vor über 150 Jahren, als Karl Marx sein Werk ‚Das Kapital’ schrieb. Welche Auswirkung diese Produktionsweise hat, beschreibt er wie folgt: „Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol.“

Im Kapitalismus sind keine Reformen und Regulierungen des Marktes möglich, welche zum Wohlstand und Überfluss für alle führen könnten. Vielmehr führt jede Reform bestenfalls zu einer Verlangsamung des Prozesses. Solange das Privateigentum an Produktionsmitteln erhalten bleibt, wird der Markt immer durch die Jagd nach Profiten bestimmt werden und diese Jagd führt nur zu Überfluss und Wohlstand für die Kapitalisten. Das einzige, was uns aus dieser Situation retten kann, ist der Sturz des Kapitalismus und eine grundsätzliche Veränderung der Produktionsweise.

Industrie 4.0 Teil I

 

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