Kategorie: Wirtschaft

Wie wird der Kapitalismus nach dem Lockdown aussehen?

Die Coronavirus-Pandemie hat die grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus aufgedeckt und eine tiefe Krise in der Größenordnung der 1930er Jahre ausgelöst. Nach dem Ende der Lockdown-Phase wird es keinen Aufschwung geben, sondern eine lang anhaltende wirtschaftliche Depression.


Die Welt wurde durch die Coronavirus-Pandemie auf den Kopf gestellt. Wir sind wirklich durch den Spiegel gegangen. Das Marktsystem befindet sich in der Auflösung. Die Gesetze des Kapitalismus sind außer Kraft gesetzt. Die Produktion ist lahmgelegt, das Angebot ist zusammengebrochen. Aber mit den Menschen, die im Haus eingeschlossen sind, ist auch die Nachfrage zusammengebrochen. Die „unsichtbare Hand“ weiß nicht, in welche Richtung sie zeigen soll.

Zum ersten Mal in der Geschichte sind die Ölpreise negativ geworden. Die Zinssätze - bereits auf Tiefstständen - liegen jetzt in vielen Volkswirtschaften auch real unter null. Und die Grenze zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik hat sich aufgelöst, da Zentralbanken und Regierungen sich zusammenschließen, um das implodierende Gebäude des Kapitalismus zu stützen.

Diejenigen, die früher über die „Effizienz“ des freien Marktes gepredigt haben, fordern jetzt die extremsten Maßnahmen und staatliche Interventionen, um den Kapitalismus zu retten. Die Covid-19-Krise macht sogar „aus Tories Sozialisten“, so die konservative Zeitschrift The Spectator.

Die herrschende Klasse pumpt Billionen in die Weltwirtschaft. Bankrotte Großunternehmen fordern Rettungspakete. Und Ideen wie ein „Helikoptergeld“, einst verspottet und verachtet, werden nun von den ernsthaften Strategen des Kapitals offen in Erwägung gezogen.

Aber selbst das reicht nicht aus. Die Wirtschaft befindet sich im freien Fall und fällt schneller und tiefer als selbst beim Zusammenbruch von 2008. Die Arbeitslosigkeit schießt in die Höhe, allein in den USA sind (offiziell bisher) über 30 Millionen Menschen arbeitslos geworden. Vergleiche mit der Weltwirtschaftskrise sind keine Übertreibung. Wenn überhaupt, dann sind sie eine Untertreibung.

Schließlich ist die Weltbevölkerung - und die Arbeiterklasse - heute viel größer als in den 1930er Jahren. Und, was wichtig ist, die Weltwirtschaft ist stärker verflochten als je zuvor. Kurz gesagt, was wir heute vor uns haben, ist, anders als jeder Einbruch zuvor, eine wirklich globale Krise des Kapitalismus.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt in der Brust der Kapitalisten. Sie und ihre Bankerfreunde sagen: „Das ist doch alles nur ein vorübergehender Ausrutscher.“ Daher die optimistischen Projektionen einer „V-förmigen Erholung“: ein scharfer Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität während des Lockdowns, gefolgt von einem kräftigen Aufschwung danach.

Über den ersten Teil dieser Vorhersage gibt es keinen Zweifel. Es wird bereits vorhergesagt, dass das US-BIP im zweiten Quartal dieses Jahres, auf Jahresbasis gerechnet um etwa ein Drittel schrumpfen wird, und für das Jahr 2020 insgesamt um über 5%. Ähnliche Schätzungen wurden für die britische Wirtschaft und auch für Europa vorgenommen.

Die zweite Hälfte dieser Gleichung ist jedoch nicht so sicher. Schließlich gibt es viele andere Buchstaben im Alphabet, wenn es darum geht, die Kurven des Kapitalismus zu beschreiben. Einige haben von einer „U-Form“ gesprochen, mit einem langen Abschwung und schließlich einem Aufschwung. Andere haben den Buchstaben „W“ verwendet, der für eine „Double-Dip-Rezession“ (eine Rezession mit zwei Talsohlen) steht - eine klare Möglichkeit, falls es zu einem Ausbruch der zweiten Welle des Virus kommt. Ein „L“, das für eine neue Depression steht, wurde ebenfalls unheilvoll erwähnt. Einige haben sogar vor einem „I“ gewarnt: ein gerader Absturz ohne Ende!

Welches davon, wenn überhaupt, ist also das wahrscheinlichste Szenario? Und worauf basiert das rosarote „V-förmige“ Bild der Kapitalisten?

Diese Prognose einer raschen Erholung beruht auf der gleichen idealistischen Annahme, die die Apologeten des Kapitalismus schon immer motiviert hat: die Allmacht des Marktes und ihr ungebremster Glaube daran. Hinzu kommt der Glaube, dass die gegenwärtigen sozialen Distanzierungsmaßnahmen nur eine vorübergehende Phase darstellen.

Ja, wir stürzen vielleicht gerade ab, sagen die Kapitalisten. Aber die Krankheit wird bald unter Kontrolle sein und die „Normalität“ wird zurückkehren. Dann wird sich die Wirtschaft wieder entfalten, wie ein Tier, das aus dem Winterschlaf erwacht, voller Eifer, und das fröhliche Geldverdienen kann wieder beginnen.

In der Tat haben die meisten liberalen Stimmen die Covid-19-Krise sogar begrüßt, weil sie für einen Ausbruch „kreativer Zerstörung“ nach Schumpeter gesorgt hat. Dies ist eindeutig die Position, die von Präsident Trump in den USA vertreten wird, der behauptet hat, dass „die Heilung nicht schlimmer sein kann als die Krankheit“. Und mit der gleichen gefühllosen Linie geht ein Flügel der Tory-Partei in Großbritannien hausieren, der die Interessen des Großkapitals vertritt, das keine Skrupel hat, Profite vor Menschenleben zu stellen.

Ökonomische Ansteckungsgefahr

Die Realität sieht jedoch so aus, dass die Weltwirtschaft nicht wieder auf die Beine kommen wird. Die Pandemie wird eine dauerhafte Narbe hinterlassen. Wenn der Kapitalismus zusammenbricht, drückt er nicht einfach den Pausenknopf. Vielmehr werden Industrien eingemottet werden, und Arbeiter, die heute – „vorübergehend“ - entlassen werden, vielleicht nie wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen.

Wie das Coronavirus selbst, „ist auch wirtschaftliche Not ansteckend“, schreibt der Ökonom Tim Harford in der Financial Times. Und „die wirtschaftlichen Kosten von Lockdowns steigen ebenfalls dramatisch an“.

„Ein Tag Lockdown ist kaum mehr als ein Feiertag“, so Harford weiter. „Ein zweiwöchiger Lockdown bedroht diejenigen, die sich bereits in einer prekären Lage befinden. Ein dreimonatiger Lockdown kann weitreichenden Schäden anrichten, der jahrelang fortbestehen.“

Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass der Nachholbedarf nach Aufhebung des Lockdowns an die Oberfläche kommt. Der Tourismus, der Einzelhandel und die Unterhaltungsbranche werden vielleicht nie wieder so sein wie zuvor. Ungefähr 60-70 % der Menschen haben zum Beispiel gesagt, dass es sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus gesundheitlichen Gründen unwahrscheinlich ist, im Jahr 2021 einen Urlaub zu buchen,. Nur 20% glauben, dass sie sofort in die Geschäfte gehen werden, sobald (falls) diese wieder öffnen .

Andernorts, wo die Fluggesellschaften praktisch vom Himmel fallen und sich an die Regierungen um Rettungsaktionen wenden, wird die Zukunft der gesamten Luftfahrtindustrie in Frage gestellt. Gleiches gilt für den Ölsektor - insbesondere in den USA, wo Investoren in den letzten zehn Jahren Milliarden in die Schieferölförderung gepumpt haben. Jetzt, da die Nachfrage und die Preise einbrechen, sind die US-amerikanischen Ölgesellschaften existenziell bedroht.

Das Gleiche gilt für die großen Autohersteller weltweit, von denen viele bereits vor dem Ausbruch des Coronavirus zu kämpfen hatten. Firmen wie Fiat Chrysler werden nach nur drei Monaten Betriebsstillstand Pleite gehen. Andere, wie Ford und Renault, brauchen nur wenige Monate mehr. Und man darf nicht vergessen, dass all diese Industriezweige nicht nur Millionen von Menschen direkt beschäftigen, sondern auch ein riesiges Netz von Zulieferern unterhalten.

Gleichzeitig wurde in den letzten Jahren eine Armee von „Zombie-Unternehmen“ durch eine Rettungsleine aus dauerhaft billigen Krediten am Leben erhalten. Dieser neue Einbruch könnte sie endgültig begraben. Die Banken wappnen sich bereits für die sich daraus ergebende Ansteckung durch Schuldenausfälle, die sich über das Finanzsystem ausbreiten könnte. Und überall platzen Blasen, da sich die Investoren aus risikoreicheren Unternehmungen zurückziehen und nach einem sicheren Hafen in Form von Bargeld suchen.

Organische Krise

Der Kapitalismus ist kein Jo-Jo. Die Wirtschaft kann nicht einfach nach unten und dann wieder nach oben gehen. Es gibt Zeiten, in denen es solche Rezessionen gibt, die das rhythmische Atmen des kapitalistischen „Konjunkturzyklus“ darstellen. Aber diese Krise - die auf dem Rücken des tiefen Einbruchs von 2008 entsteht - ist eindeutig nicht so eine Zeit.

Vielmehr befinden wir uns in einer Epoche des kapitalistischen Verfalls und stehen vor einer organischen Krise des Kapitalismus: einer, in der das System in einer bösartigen Abwärtsspirale gefangen ist; in der sinkende Beschäftigung zu sinkender Nachfrage führt - was wiederum zu sinkenden Investitionen und damit zu einem weiteren Rückgang der Beschäftigung führt, und so weiter und so fort.

Darüber hinaus ist die Krise heute im Gegensatz zum Crash 2008-09 eine wirklich globale Krise. Damals konnte China, wie Martin Wolf in der Financial Times kurz und bündig erklärt, auf der Grundlage der Durchführung eines enormen keynesianischen Ausgabenprogramms ein Rekordwachstum verzeichnen. Dies wiederum zog die Volkswirtschaften der großen Rohstoffexporteure - wie Brasilien und Südafrika - und auch die der Ölproduzenten in die Höhe.

Doch nun ertrinkt China als Folge davon in Schulden. Wie ihre Amtskollegen überall haben auch die Führer in Peking keine Munition mehr, um diese Krise zu bekämpfen. Und selbst wenn die Quarantäne (vorerst) vorüber ist, steht die chinesische Wirtschaft immer noch vor einem steinigen Weg. Denn wer wird angesichts der Tatsache, dass sich der Rest der Welt immer noch in einem Zustand des Stillstands befindet, chinesische Exporte kaufen?

Dasselbe Problem stellt sich umgekehrt in jedem anderen Land. Selbst wenn das Geschäft wieder in Gang käme, wie können die USA oder Deutschland hoffen, sich zu erholen, wenn sie keinen anderen Markt für ihre Waren haben? Im Kapitalismus, so sehen wir, ist das Schicksal eines jeden Landes mit jedem anderen verbunden. Wie der amerikanische Gründervater Benjamin Franklin richtig feststellte: „Wir müssen, in der Tat, alle zusammenhängen – oder wir werden, ganz gewiss, alle einzeln hängen.“

Der gegenwärtige Einbruch ist also keine nur vorübergehende Episode. Vielmehr stellt er einen grundlegenden Wendepunkt in der Weltgeschichte dar, in der Entwicklung - und im Niedergang - des Kapitalismus. Diese harte Wahrheit wird sich, wenn sie es nicht schon getan hat, bald selbst den dümmsten Köpfen der Kapitalistenklasse ins Hirn brennen. Und es ist eine revolutionäre Realität, die auch wir Marxisten voll anerkennen müssen.

Inflation, Deflation oder Chaos?

Bei ihren Bemühungen, das System zu retten, wirft die Kapitalistenklasse Jahrzehnte - nein, Jahrhunderte - der Orthodoxie des freien Marktes über Bord. Staatliche Intervention ist das Gebot der Stunde.

Überall auf der Welt werden Regierungen als letztes Mittel zu „Kreditgebern, Kreditnehmern und Verschwendern“, die Banken und Großunternehmen schützen und die gesamte Wirtschaft stützen. Wieder einmal scheint es, dass „wir jetzt alle Keynesianer sind“.

Die Staatsverschuldung steigt in die Höhe, während die Politiker das Problem mit einem hohen Risiko angehen. Der IWF prognostiziert, dass die gesamten Staatsschulden in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern in diesem Jahr um 6 Billionen Dollar steigen werden - ein Anstieg von 105% des BIP auf 122%.

Aber besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Und andere schlagen Konzepte vor, die noch vor Monaten als verabscheuungswürdig gegolten hätten. Dazu gehört der Vorschlag, dass die Staatsschulden direkt von den Zentralbanken finanziert werden könnten.

Normalerweise werden Staatsschulden auf dem Markt in Form von Anleihen verkauft, und die Regierungen müssen willige Gläubiger finden. Aber in solchen Notzeiten sind sie bereit, die Mittelsmänner auszulassen und die Fed, die Bank of England usw. dazu zu bringen, selbst Staatsanleihen aufzusaugen.

Wie soll das finanziert werden, könnte man zu Recht fragen. Im Klartext: durch das Drucken von Geld. Dies hat verständlicherweise Fragen hinsichtlich der Inflationsgefahr aufgeworfen. Schließlich lässt die Bourgeoisie selbst keine Gelegenheit aus, mit dem Finger auf den Buhmann Venezuela zu zeigen, wo der Versuch, öffentliche Ausgaben durch die Schaffung neuen Geldes zu finanzieren, zu einer grassierenden Hyperinflation geführt hat.

Richtig ist, dass bei ansonsten gleichen Voraussetzungen eine enorme Geldspritze in die Wirtschaft zu Inflation führen sollte. Wie Marx erklärte, ist Geld letztlich ein Ausdruck des Wertes - des Wertes der im Umlauf befindlichen Waren. Wenn mehr Geld der gleichen Menge (oder weniger) an Waren nachjagt ist, dann wird es einen allgemeinen Preisanstieg, d.h. Inflation, geben.

Aber im Moment sind, wie oben betont wurde, eindeutig nicht alle anderen Dinge gleich. Es sind Gegenkräfte im Spiel - vor allem der enorme Nachfrageeinbruch, der durch den weltweiten Lockdown eingetreten ist. Das Angebot mag zwar eingeschränkt sein, aber die Nachfrage fällt noch schneller. Dies wirkt sich als massiver Druck auf die Preise aus.

Negative Ölpreise sind der schärfste Beweis dafür. Doch mit Ausnahme einiger lebenswichtiger Güter (wie Nahrungsmittel) sinken die Preise im Allgemeinen, da der Markt schrumpft und der Wettbewerb zunimmt. Industrien auf breiter Front stehen vor dem Zusammenbruch. Die Massenarbeitslosigkeit wird den Wettlauf nach unten in Bezug auf Löhne und Arbeitsbedingungen beschleunigen. Eine depressive Abwärtsspirale ist bereits im Gange. Viele der weitsichtigeren Vertreter der Kapitalistenklasse fürchten daher langfristig eine Deflation weitaus mehr als eine Inflation.

Es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Geldmenge in der heutigen Zeit nicht überwiegend von den Zentralbanken bestimmt wird. Sie sind nur für die Festlegung der „Basis-Versorgung“ zuständig. Der überwiegende Teil des Geldes in der Wirtschaft kommt in der Tat in Form von Krediten, die von privaten Banken als Reaktion auf die Nachfrage von Unternehmen und Haushalten nach Krediten und Hypotheken geschaffen werden.

Aber mit dem Rückgang der „effektiven Nachfrage“ - in Form von Investitionen und Konsum - nimmt auch die Nachfrage nach Krediten rapide ab. Mit anderen Worten: Das von den Zentralbanken öffentlich erzeugte Geld ist ein vergeblicher Versuch, den Zusammenbruch des vom Bankensystem privat geschaffenen Geldes zu überwinden.

Überproduktion

Quantitative Lockerung (QL)beinhaltet einen ähnlichen Prozess wie der neu vorgeschlagene Anleihekauf durch Zentralbanken. Aber anstatt, dass die Zentralbanken Staatsanleihen direkt aufkaufen, schaffen sie im Rahmen der quantitativen Lockerung Geld, um solche Vermögenswerte von den Banken zu kaufen, wodurch Kapital freigesetzt wird, das zur Kreditvergabe an Unternehmen in der Realwirtschaft verwendet werden könnte.

So lautet die Theorie. In Wirklichkeit hat dieses zusätzliche QL-Bargeld nie den Weg in die Realwirtschaft gefunden - daher im Wesentlichen die fehlende Inflation in der ganzen Welt in den letzten zehn Jahren. Stattdessen saßen die Banken einfach auf dem zusätzlichen Geld und nutzten es zur Gewinnsteigerung. Und da es nirgendwo rentable Investitionsmöglichkeiten gab, wurden die Vermögensblasen aufgebläht und die Aktienmärkte schäumten vor Spekulationen und Aktienrückkäufen.

Dieses fehlgeschlagene Experiment zeigt nur, wie das alte Sprichwort sagt: Man kann ein Pferd zur Tränke führen, aber man kann es nicht zwingen zu saufen. Regierungen können (über Zentralbanken) alles Geld der Welt drucken - aber sie können die Kapitalisten nicht zwingen, es zu investieren.

Der Kapitalismus ist ein System der Produktion für den Profit. Die Kapitalisten werden nur dann investieren, wenn es rentabel ist, dies zu tun. Und seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Weltwirtschaft vor allem von einer Warenschwemme, von ungenutzten Bargeldreserven der Unternehmen und von „Überkapazitäten“ geprägt.

Mit anderen Worten, die Unternehmensinvestitionen befinden sich auf einem historisch niedrigen Niveau, nicht wegen eines Geldmangels („Liquidität“), sondern aufgrund der Überproduktionskrise des kapitalistischen Systems. Und weit davon entfernt, dies zu überwinden, wird die Pandemie all diese bestehenden Spannungen noch verschärfen.

Mit dem Nachlassen der Lockdown-Situation könnte jedoch die Inflationsgefahr in bestimmten Gebieten zunehmen. Im Moment, da die Geschäfte geschlossen und die Industrie still steht, kann das Geld, das in die Wirtschaft investiert wird, nirgendwo hinfließen. Vieles wird für die Zukunft gerettet, wenn die Unternehmen wieder öffnen. Dies könnte im weiteren Verlauf zu einem Anstieg der Ausgaben führen.

Da die Produktion jedoch nur sporadisch und ungleichmäßig wieder anläuft, die globalen Lieferketten zusammenbrechen und es wahrscheinlich zu einem Protektionismus kommt, könnte diese gestiegene Nachfrage auf eine Mauer des eingeschränkten Angebots stoßen. Eine Inflation in einigen Sektoren könnte durchaus die Folge sein.

Ähnlich verhält es sich, wenn Regierungen überall auf unbestimmte Zeit Defizitfinanzierung und expansionistische Politik betreiben, dann wird auch dies letztendlich zu Inflation - und sogar Hyperinflation - führen, da die künstlich erhöhte Nachfrage mit den Grenzen der Produktivkräfte des Kapitalismus kollidiert.

Es ist unmöglich, genau zu sagen, wie sich die Dinge in der Praxis entwickeln werden. Die marxistische Wirtschaftstheorie ist keine Kristallkugel, sondern eine dialektische und materialistische Analyse des dynamischen, komplexen und widersprüchlichen Systems, das der Kapitalismus nun einmal ist.

Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass sich alle Spuren von Stabilität schnell verflüchtigen werden. Volatilität und Turbulenzen sind die „neue Normalität“, wenn es um die Weltwirtschaft geht. Inflationsschübe werden sich über ein allgemeines Bild von Depression und Deflation legen. Das vorherrschende Merkmal wird ein kapitalistisches Chaos sein.

Kein kostenloses Mittagessen

Während sie alle froh sind, dass kurzfristig Geld zur Bewältigung der Krise auf den Markt geworfen wird, wissen die ernsthafteren Kapitalisten auch, dass es so etwas wie ein kostenloses Mittagessen nicht gibt. Die jetzt aufgelaufenen Staatsschulden werden in nicht allzu ferner Zukunft zurückgezahlt werden müssen - und zwar mit Zinsen. Jemand wird für diese Krise bezahlen müssen.

In einem kürzlich erschienenen Leitartikel skizziert der Economist die Optionen, mit denen Regierungen auf der ganzen Welt konfrontiert werden, die eine starke Hebelwirkung haben. Zusammenfassend kommt die liberale Zeitschrift zu dem Schluss, dass Schulden auf eine von drei Arten angegangen werden müssen: durch Steuern, durch Inflation oder durch Zahlungsunfähigkeit.

Es wird das Beispiel des Zweiten Weltkriegs angeführt, aus dem Großbritannien mit einer Staatsverschuldung von über 270% des BIP hervorging. Damals wurde eine Kombination aus Inflationspolitik und Steuererhöhungen genutzt, um die Schulden auf unter 50% des BIP zu senken. Ein beispielloses Wachstum trug ebenfalls dazu bei, indem die Schuldenlast im Verhältnis zur Größe der Gesamtwirtschaft verringert wurde.

Der Artikel schlägt vor, heute ein ähnliches wirtschaftliches Arsenal einzusetzen. Aber wie es die Liberalen immer tun, vermeiden die Autoren des Magazins die politische Frage, die im Mittelpunkt dieser Entscheidung steht: Wer zahlt?

Keiner der drei vorgeschlagenen Angriffsziele ist „neutral“. Am Ende des Tages gibt es eine Klassenfrage zu beantworten. Steuern zum Beispiel sind keine abstrakten Zahlen. Sie müssen entweder von der Kapitalistenklasse oder der Arbeiterklasse bezahlt werden. Aber bei der ersten Maßnahme werden Unternehmensinvestitionen abgeschreckt, bei der zweiten wird der Konsum beeinträchtigt.

Ähnlich verhält es sich mit den Zahlungsausfällen. Denn wem gehören die Schulden, die ausgefallen sind? Auch hier sind es entweder die Kapitalisten, die Staatsschulden als Teil eines Investitionskorbes halten. Oder es sind die Arbeiter, in Form von Rentenkassen und anderen lebenslangen Ersparnissen.

Gleiches gilt für die Inflation, die nach eigenem Eingeständnis des Economist „willkürliche Umverteilungen des Reichtums zum Nachteil der Armen mit sich bringen würde“.

Gleichzeitig müssen wir betonen, dass die wirtschaftlichen Aussichten für die Zeit nach der Pandemie nicht auf Wachstum ausgerichtet sind. Es wird keine Wiederholung des Nachkriegsbooms geben, der aus einer beispiellosen Verkettung von Faktoren entstanden ist, die sich heute nicht wiederholen wird.

In der Tat waren die öffentlichen und privaten Schulden bereits vor der Covid-19-Krise auf einem erschreckenden Niveau. Wenn Haushalte, Unternehmen und Regierungen diese in der Vergangenheit angehäuften Schulden zurückzahlen, wird das die Nachfrage in der Zukunft unterminieren.

Wie bereits erwähnt, drückt die geringere Nachfrage wiederum auf die Preise und führt zu einer potenziellen Deflation. Und verringerte Verbrauchernachfrage bedeutet auch schwaches Wachstum - wenn überhaupt. Und all dies führt dazu, dass der reale Wert - und die Last - der Schulden steigt.

Klassenkampf

Dieser drohende Mahlstrom wird sich zu einem Tsunami von Angriffen auf die Arbeiterklasse gesellen. Die Automatisierung wird infolge der Pandemie wahrscheinlich zunehmen, da die Unternehmen versuchen, ihre Abhängigkeit von den Arbeiterinnen und Arbeitern zu verringern, was Ängste vor einem „Wettlauf gegen die Maschine“ schürt.

Und der internationale Wettbewerb zwischen den Arbeitern wird sich verschärfen, da der globale Arbeitsmarkt aufgrund der Zunahme von Telearbeit, Videokonferenzen und anderen neuen Kommunikationstechnologien am Arbeitsplatz expandieren wird.

Ohne eine entsprechende Lohnerhöhung würden die Arbeitnehmer unterdessen aufgrund einer Inflation einen realen Rückgang ihrer Löhne erleben. Dies könnte zu einer Welle von Streiks und Kämpfen in der Industrie führen, da die Beschäftigten versuchen werden, ihre Verluste zurückzufordern.

Dies - die Intensivierung des Klassenkampfes - ist die Perspektive, die in den vagen Einschätzungen der liberalen Kommentatoren fehlt. Obwohl selbst die Journalisten des Economist, die den Bezug zur Realität verloren haben, nur ungern zu diesem Schluss kommen: „So oder so werden die Rechnungen irgendwann fällig. Wenn sie fällig werden, wird es vielleicht keinen schmerzfreien Weg geben, sie zu begleichen.“

Letztlich ist die Gesellschaft grundsätzlich in Klassen eingeteilt. Entweder die Kapitalistenklasse oder die Arbeiterklasse wird für diese Krise bezahlen müssen. Und das Endergebnis wird nicht durch wirtschaftliche Gleichungen oder Entwürfe aus den Denkfabriken bestimmt werden, sondern durch einen Kampf der lebendigen Kräfte.

Wir rufen euch auf, gemeinsam mit uns, auf der Seite der Arbeiter und der Jugend, für eine sozialistische Zukunft zu kämpfen.

 

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