Kategorie: Wirtschaft

Ursachen für die Finanz- und Wirtschaftskrise

Die Aufarbeitung der gegenwärtigen Krise müsse „ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und gegen den Shareholder-Value-Kapitalismus beinhalten“, meint der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. Damit ist er auf Regierungslinie. "Die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft müssen weltweit beachtet werden. Erst das wird die Welt aus der Krise führen", so Kanzlerin Merkel.
Michael Sommer gibt als Ziel der geplanten bundesweiten DGB-Demonstration am 16. Mai die „echte Renaissance der sozialen Marktwirtschaft“ aus. Für die Lohnabhängigen stellt sich nicht die Aufgabe, die Kapitalverwertung und damit die Grundbedingung von Verarmung und Krisen zu verteidigen, sondern sie anzugreifen.


Zyklen und Krisen

In Krisen werden Kapitalmassen, die sich nicht mehr verwerten können, vernichtet oder entwertet bzw. die Kapazitäten in Produktion, Handel, Transport und Finanzwesen abgebaut. Sie werden mitsamt der Beschäftigten abgebaut, die die Überkapazitäten erarbeitet hatten. Ist genug zerstört, beginnt der Zyklus neu auf einer höheren Stufe der Konzentration des Kapitals und der Produktivität, also auch mit einem geringeren Arbeitsvolumen.

Der jetzige Zyklus (vom Höhepunkt des Aufschwungs zum nächsten Höhepunkt) dauerte in Deutschland von 2000 bis 2007, der davor von 1991 bis 2000, der davor von 1980 bis 1991 usw.
Die Zyklen können in verschiedenen Ländern ungleichzeitig ablaufen, fallen aber infolge der wachsenden globalen Abhängigkeiten tendenziell immer mehr zusammen.

Zur Zeit verbinden sie sich zu einer tiefen und lang andauernden Krise, die möglicherweise auch den Zyklus insgesamt aus dem Gleis bringt.
Die Zyklen sind Folge der ökonomischen Gesetze der Kapitalverwertung, nicht der falschen Ideologie des Neoliberalismus oder einer periodisch auftretenden persönlichen Gier oder einer falschen Politik. Sie können folglich auch nicht durch eine Umkehr von der Gier zur Bescheidenheit (vielleicht unter dem ethischen Einfluss der Religionen) oder von einer falschen zu einer richtigen Politik behoben werden, solange die Kapitalverwertung die Grundlage der Ökonomie ist.
Es ist daher richtig, wie Wolfgang Münchau von der Financial Times Deutschland erklärt, dass die nächste Krise bestimmt kommt, wenn die jetzige zu Ende gehen wird, oder wenn Kommentatoren in den Versuchen mit Staatskrediten die Krise abzumildern, schon den Keim der nächsten Krise sehen.
Wir leben in einer Wirtschaftsordnung, in der die Menschen die wirtschaftlichen Abläufe nicht unter Kontrolle haben, sondern in der sie durch die Produkte ihrer eigenen Arbeit beherrscht werden, durch sachliche, ökonomische Gesetze, die wie Naturgesetze wirken, aber natürlich von Menschen gemacht und damit nicht ewig gelten müssen.

Verwertung von Kapital bedeutet, dass die Vermehrung des Kapitals Selbstzweck ist, dass die ungeheuren Reichtümer dieser Gesellschaft, da sie als Kapital genutzt werden, eben nicht für die elementaren Bedürfnisse der breiten Masse verwandt werden oder für sinnvolle Investitionen in Bildung, öffentlichen Nahverkehr oder erneuerbare Energien, da die Rendite die Verwendung des Kapitals steuert. Lieber werden die Reichtümer verwettet., z.B. in den riesigen Wettbüros in der Frankfurter City.

Die jetzige Finanzkrise wurde durch die Anwendung von Mitteln vorbereitet, mit denen die letzte Krise „gelöst“ wurde.

Im jetzigen Zyklus sind die Zinsspannen der Geschäftsbanken gegenüber den vorherigen Zyklen gefallen. Das gilt weltweit. Im jetzigen Zyklus ist auch die Eigenkapitalrendite im Verhältnis zum vorherigen Zyklus im Durchschnitt gesunken. Das konnte auch nicht durch international durchgesetzte Gewinnsteuersenkungen aufgehalten werden.

Wenn die Eigenkapitalrendite fällt, ist es zweckmäßig, den Kreditumsatz bei gleichbleibendem Eigenkapital auszudehnen, um die Erträge im Verhältnis zum Eigenkapital zu steigern. Alle abenteuerlichen Methoden, deren Anwendung seit der Krise Anfang dieses Jahrhunderts explodierten, hatten diesen einen gemeinsamen Zweck: mit möglichst hohem Fremdkapitaleinsatz bzw. möglichst wenig Eigenkapital zu arbeiten.

Es ging also um die maximale Ausdehnung der Kreditvergabe bzw. von Wett-Geschäften mit Zinsdifferenzen, Kurs- und Preisdifferenzen usw. Die Bilanzsumme der US-Banken und der Banken im Euro-Raum verdoppelte sich von 2000 bis 2008, in den USA von 6 Billionen Dollar auf 12 Billionen. In Europa von 12 Billionen auf 24 Billionen Euro. Die Kredite mussten irgendwo reingedrückt werden. In den USA und vielen anderen Ländern in den Immobiliensektor, weil der vorausgegangene Aktiencrash zu viel Kapital vernichtet hatte. Unabhängig von der Höhe des Zinses der Zentralbanken explodierten die kreditfinanzierten Immobilienmärkte in den USA, in Großbritannien, in Spanien, Frankreich, den Niederlanden usw.

Um die Eigenkapitalrendite zu steigern, wurden Kredite möglichst schnell verbrieft, d.h. weiterverkauft. Das setzte auf der Grundlage der Baseler Eigenkapitalrichtlinien Mittel für neue Kreditvergabe frei. Die Explosion der außerbilanziellen Zweckgesellschaften hat hier ihren Ursprung. Diese nahmen kurzfristige Kredite auf und kauften ihren Mutterbanken die Hypotheken bzw. andere Kredite an Konsumenten oder Unternehmen ab. Kredite wurden zu handelbaren Wertpapieren recycelt, deren Gewinn aus der Zinsdifferenz zwischen billigen kurzfristigen und teureren langfristigen Krediten bestand. Der Verkauf an die Zweckgesellschaften ergab Extragebühren.

Die Kreditwertpapiere wurden mit Kreditausfallversicherungen (CDS) abgedeckt, die ebenfalls als Wertpapier gehandelt wurden. Das erhöhte die Bonität der Kreditwertpapiere. Leider sind aber die Versicherungsgeber in keiner Weise verpflichtet, nachzuweisen, dass sie im Versicherungsfall zahlungsfähig sind. Es ging ihnen nur darum, die Gebühren für die CDS zu kassieren und auf das Nichteintreten des Versicherungsfalls zu spekulieren. Das real mit CDS abzusichernde Volumen von Krediten wird auf 3 Billionen Euro geschätzt. Verbriefung und die CDS machten es möglich, auch zahlungsunfähigen Haushalten Kredite zu verkaufen.

Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften wurden mit Milliardenkrediten versorgt. Als „Schattenbanken“ unterlagen sie nicht den Eigenkapitalrichtlinien. Die Extraprofite waren aufgrund der Kredithebel riesig. Die Hedgefonds ermöglichten es den Investmentbanken, hohe Kommissionen für die Abwicklung der Geschäfte der Hedgefonds zu verlangen.

Die Käufer der mit faulen Krediten verseuchten Papiere waren andere Banken, die mit den höheren Erträgen aus riskanten Wertpapiergeschäften ebenfalls ihre Margen (Gewinnspanne) aufbessern wollten. Die Bedürfnisse der weltweiten Käufer von Ramschpapieren nach einer Aufpäppelung ihrer mageren Renditen aus dem Zinsgeschäft deckten sich im Prinzip mit den Bedürfnissen der Verkäufer der Ramschpapiere. Deutschland ist keinen Deut besser als die USA.

Mangelnde Aufsicht?

Die Krise ist kein Ergebnis des Marktversagens, sondern der Funktionsweise der Märkte, besser der Funktionsweise der Kapitalverwertung. Sie ist auch kein Ergebnis eines Staatsversagens.
In der Tat machten die Baseler Richtlinien, die durch Finanzminister, Notenbanker und Aufsichtsorgane der wichtigsten Industrieländer beschlossen worden waren, alle abenteuerlichen Methoden der Renditejagd möglich. Sie erlaubten „Schattenbanken“, außerbilanzielle Geschäfte aller Art, Kreditverbriefung usw. Mehr noch: mit Basel II (seit dem 1.1.2007) wurde der Eigenkapitaleinsatz sogar noch einmal vermindert, da jetzt nur 8% der im Einzelfall risikogewichteten Aktiva mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Vorher gab es eine pauschale Risikogewichtung. Die Baseler Richtlinien sind im Interesse des Finanzkapitals, da sie trotz der enormen Ausdehnung riskanter Finanzgeschäfte die Eigenkapitalunterlegung noch verminderten. Das erhöhte die Eigenkapitalrenditen. Die beteiligten Staaten erweisen sich damit als Werkzeuge der Finanzkonzerne. Sie haben nicht versagt, es sei denn, man hat die illusorische Hoffnung, dass sie keine Werkzeuge zur Förderung der Kapitalverwertung wären.

Versagt haben nicht Markt oder Staat, versagt hat die Kapitalverwertung als Grundlage von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat.
Von Aufsicht ist auch bei der Explosion der Geldmenge keine Spur. Die Banken selbst können mit ihrer Kreditvergabe Geld schöpfen, d.h. letztlich die Zentralbank zwingen, die Geldmenge zu erhöhen, je mehr Kredite sie vergeben. Die Explosion der Kreditvergabe ermöglichte es, mit frisch geschöpftem Buchgeld Immobilien, Aktien, Unternehmen, Rohstoffe usw. auf Kredit zu kaufen und damit Preisblasen zu erzeugen, die wiederum als Sicherheiten für neue Kredite dienten.

Realwirtschaft gut – Spielcasino schlecht?

Banken, Versicherungen und Pensionsfonds verfügen über Gelder, die überschüssig sind, d.h. im Reproduktionsprozess des Kapitals zeitweise oder dauerhaft brachliegen. Diese überschüssigen Gelder werden als Kapital angelegt, um sie den Einlegern verzinsen zu können. Die Verwalter des Finanzkapitals betreiben ein riesiges globales Spielcasino, in dem mit Geldern, die keine Verwendung in der Produktion oder im Konsum finden, gespielt wird. Aber: Geld ist nichts Irreales. Es ist nur eine Form der Ware und kann, da Geld neben den anderen Waren eine selbstständige Existenz führt, selbst eine Ware sein. Geld und Ware sind nur verschiedene Formen des Kapitals. Es ist Quark, dass Waren real, Geld aber irreal sei.

Kredite erzeugen Ansprüche auf Teile des Mehrwerts von Unternehmen, auf Teile von Steuern bzw. Löhnen, in jedem Fall auf Aneignung der Ergebnisse fremder Arbeit aus dem Prozess der Reproduktion von Kapital. Ohne Mehrwertproduktion können Kredite nicht bedient werden. Kredite sind in einer warenproduzierenden Gesellschaft lebensnotwendig. Sie gehören zur kapitalistischen Realwirtschaft. Kredite können allerdings ebenfalls zur Ware werden, wenn sie als Wertpapiere gehandelt werden. In einer warenproduzierenden Gesellschaft kann alles zur Ware werden, selbst Schulden oder Ansprüche an Kapital, das längst investiert wurde. Dass Geld angeblich zu mehr Geld führt, ist eine reale Verrücktheit der realen Grundlagen des realen Kapitalismus. In den Spielkasinowetten werden im Übrigen keine Werte erzeugt. Hier nimmt nur der Eine dem Anderen Wettkapital ab. Die einzigen wirklichen Profiteure sind die „Spielbanken“, die ihre Gebühren aus der Organisation von Wetten ziehen.
Industriekonzerne betreiben im übrigen ebenfalls mehr und mehr Finanzgeschäfte, z.B. Eon im Umfang von mehreren Milliarden Euro. Oder sie betreiben Banken wie die Autokonzerne, die damit ihren Absatz gesteigert haben. Porsche wurde schon als Hedgefonds bezeichnet und Siemens als Bank mit angeschlossener Elektroabteilung.

Die Aktienrückkäufe über dutzende Milliarden, in den USA im Umfang hunderter Milliarden zeigen deutlich, dass auch die Industriekonzerne überschüssiges Kapital haben, mit dem sie nichts Besseres anzufangen wissen, als ihr eigenes Aktienkapital aufzufressen. Der Kapitalüberschuss entsteht in der „Realwirtschaft“.
Es wird behauptet, dass der Kapitalüberschuss, der die Einlagen der Finanzkonzerne explodieren ließ, ein Produkt der Umverteilung durch Lohndumping, Sozialabbau und Steuergeschenke sei. Zweifellos bleibt umso mehr „Spielkapital“ übrig, je geringer Löhne, Sozialleistungen und Unternehmens- und Einkommensteuern sind. Zweifellos wächst die Kluft zwischen Arm und Reich in allen kapitalistischen Ländern rasant. Die veränderten Verteilungsverhältnisse sind jedoch nicht das Produkt der Verteilung selbst, sondern das notwendige Produkt der kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse. Die Produktion von Kapital führt auf der Seite der Eigentümer der Produktionsmittel zu einer wachsenden Konzentration von Kapital in immer weniger Händen, auf der Seite derer, die nur Eigentümer ihrer Arbeitskraft sind, zu einer wachsenden Verarmung. Letzteres hat seine Ursache in der mit steigender Produktivität und der Konzentration des Kapitals tendenziell sinkenden Nachfrage nach Arbeitskraft. Aus diesen Gründen fallen in allen entwickelten Ländern die Lohnquoten, wächst der Umfang der prekären Beschäftigung, der Armut durch Lohnarbeit.
„Die jedesmalige Verteilung der Konsumtionsmittel ist nur Folge der Verteilung der Produktionsbedingungen selbst; letztere aber ist ein Charakter der Produktionsweise selbst“ (Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 22). Deshalb erklärte Marx: „Der Vulgärsozialismus hat es von den bürgerlichen Ökonomen übernommen, die Distribution (Verteilung) als von der Produktionsweise unabhängig zu betrachten, daher den Sozialismus hauptsächlich als um die Distribution sich drehend darzustellen“ (ebenda).

Angesichts wachsender Monopolisierung auf der einen und wachsender Arbeitslosigkeit und Armut in Arbeit auf der anderen Seite kann es auf dieser Grundlage auch keine Umverteilung von oben nach unten geben, in dem Sinne, dass die Schere zwischen Reich und Arm sich schließt, statt öffnet. Sie kann aufgrund erfolgreicher Kämpfe allenfalls langsamer auseinandergehen. Die Verteilungsverhältnisse entsprechen den heutigen Eigentumsverhältnissen, unabhängig von jeder moralischen Bewertung als gerecht oder ungerecht. Folge: Im Laufe der Entwicklung engen sich die Märkte relativ zu den mit Kredit hoch gedopten Kapazitäten immer weiter ein, da die Produktion tendenziell immer weiter über die beschränkte Konsumtion hinaustreibt. Eine andere Verteilung d.h. höhere Löhne und höhere Sozialleistungen kann diesen Prozess allenfalls verzögern, Krisen aber nicht verhindern.

Die Explosion von Krediten an Konsumenten, Unternehmen, Staaten usw. kann die Entfaltung dieses der kapitalistischen Produktionsweise eigenen Widerspruchs nur zeitweise abmildern. Die Verarmung verschuldeter Lohnabhängiger steigt am Ende noch mehr, weil das Finanzkapital seinen Tribut vom Lohn verlangt. Unternehmensgewinne fallen, wenn die Schuldenlast steigt. Am Ende droht der Staatsbankrott, wenn der Staat alle Probleme mit Staatskrediten beheben will.

Ausweg aus den sich relativ verengenden Märkten ist außer der Flucht in die Verschuldung die Flucht in den Export auf den Weltmarkt. Der aber wird seinerseits durch die ausufernde Verschuldung vieler Länder über seine Verhältnisse ausgedehnt. Die Profitmasse steigt zwar, weil der Umfang des Kapitals steigt, sie aber in industrielles Kapital profitabel rückzuverwandeln wird immer schwieriger. Es findet eine schleichende Deindustrialisierung in den Ländern des Nordens statt, sichtbar vor allem in Großbritannien und in den USA. Wohin mit den Kapitalmassen? Man überlässt sie den Vermögensanlegern. Leider aber hat der Kapitalüberschuss die unangenehme Folge, dass mit dem Überangebot an Geldkapital auch das Zinsniveau fällt.
Die jetzige Krise wird länger dauern und tiefer als die vorherigen, weil die Berge an nicht rückzahlbaren Krediten, in denen diese Kapitalmassen angelegt sind, nie gekannte Ausmaße erreicht haben und lange Zeit brauchen, bis sie abgebaut sein werden.

Erst wenn Menschen nicht mehr von den Naturgewalten der Kapitalakkumulation beherrscht werden, kann man davon sprechen, dass Zeiten angebrochen sind, in denen statt Abhängigkeit Freiheit, statt Demütigung Menschenwürde Einzug gehalten haben. Zeiten, die sich dadurch auszeichnen, dass die maximale Entwicklung des Potentials aller Menschen der einzige Zweck menschlicher Tätigkeit geworden ist.

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