Kategorie: DDR

30 Jahre Mauerfall (Teil I): Aufstieg und Krise der DDR

Knapp 30 Jahre sind seit dem Fall der Berliner Mauer und dem darauffolgenden Anschluss der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an die Bundesrepublik vergangen.


Auch heute feiern die Bürgerlichen das Ende der DDR und den vermeintlichen Siegeszug des Kapitalismus, welcher angeblich die einzige wirkliche Alternative zum „real existierenden Sozialismus“ in Osteuropa war. Doch wie stehen Marxisten zur 1990 vollzogenen Angliederung an die BRD und Wiedereinführung des Kapitalismus? Ein Rückblick auf 40 Jahre Geschichte der DDR tut hier not.

Die Gründung der beiden deutschen Staaten BRD und DDR 1949 war eine Folge der Veränderung der politischen Lage nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Sowjetunion war Siegermacht und stieg in den Rang einer Weltmacht auf. Bei den Konferenzen von Jalta und Potsdam teilten die Siegermächte Deutschland in vier Besatzungszonen auf. Der sowjetische Staats- und KP-Chef Stalin aber war zunächst nicht an einer Abschaffung des Kapitalismus in den von der Sowjetarmee besetzten Ländern interessiert, sondern verfolgte anfänglich das Ziel der Schaffung eines neutralen, kapitalistischen und einheitlichen Deutschland. Doch aufgrund der Erfahrungen mit dem explosiven Gemisch aus Kapitalismus, Militarismus und Imperialismus in Form des Zweiten Weltkrieges machte sich in vielen europäischen Ländern, wie auch in Deutschland, eine Sehnsucht nach einem antifaschistischen, friedlichen, demokratischen und sozialistischen Neuanfang breit. Hier kam es unmittelbar nach Kriegsende in vielen Städten in Ost und West zur Bildung von Antifa-Ausschüssen (Räten), Betriebskomitees und einer Einheitsgewerkschaft mit sozialistischer Ausrichtung. Diese neuen Massenorganisationen der Arbeiterklasse setzten sich den Wideraufbau und eine rasche Entfernung von faschistischen Elementen zum Ziel.

Revolutionäre Traditionen

Diese Basisbewegung für einen sozialistischen Wiederaufbau war den Herrschenden in Ost und West ein Dorn im Auge. Schließlich war die stalinistische Bürokratie der Sowjetunion zur Absicherung ihrer militärischen Herrschaft jedoch gezwungen, in ihren besetzten Ländern schrittweise Großgrundbesitz und große Industriebetriebe zu enteignen – das waren fortschrittliche Maßnahmen. Dies galt auch für den Osten Deutschlands. Da im Westen nach einer oberflächlichen „Entnazifizierung“ Industriebosse, Bankiers und Großgrundbesitzer wieder in ihre alten Positionen zurückkehrten, hofften viele Arbeiter wenigstens im östlichen Teil Deutschlands eine sozialistische Gesellschaft aufbauen zu können. Berlin, Sachsen, Thüringen und Teile von Sachsen-Anhalt waren in den 1920er Jahren noch „rote Hochburgen“ der KPD und des linken SPD-Flügels gewesen. Solche Traditionen kamen auch nach 12 Jahren Hitlerfaschismus wieder zum Vorschein.

Jedoch handelte es sich nicht um eine durch eine Arbeiterrevolution entstandene sozialistische Demokratie. Von Anfang an setzte die sowjetische Besatzungsmacht in ihrem Machtbereich loyale Mitglieder der „kommunistischen“ Partei in die wichtigsten Staatsämter ein. Jede unabhängige, von der Arbeiterschaft ausgehende Bewegung und jede kleinste Kritik an den stalinistischen Regimes wurde unterdrückt. Unter der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) wurde das ehemalige Nazi-KZ Sachsenhausen zunächst als Speziallager weitergeführt. Den Säuberungen fielen hundertausende politisch aktive Arbeiter zum Opfer. Viele zogen sich ins Privatleben zurück. Die 1946 durch Vereinigung von SPD und KPD entstandene Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) wurde so zunehmend von einer Arbeiterpartei und Hoffnungsträgerin zum Instrument der neuen Staatsbürokratie.

Ab 1947 kehrten die Westmächte von der anfänglichen Demontage von Fabriken und Schienen ab und versuchten im Eigeninteresse den westdeutschen Kapitalismus auch als Bollwerk gegen das von der Sowjetarmee kontrollierte Osteuropa zu stärken. Wiederaufbauprogramme (Marshall-Plan) trugen zu einem wirtschaftlichen Aufschwung bei, in dessen Verlauf die Arbeiter durch Druck von unten Zugeständnisse erkämpfen konnten. Die Startbedingungen waren in Ostdeutschland jedoch deutlich schlechter. So setzte die Sowjetunion die Demontage in ihrer Besatzungszone, der späteren DDR, bis Anfang der 50er Jahre fort. Mit der Zunahme der Gegensätze zwischen Ost und West, also zwischen Kapitalismus im Westen und bürokratisch gelenkter staatlicher Planwirtschaft im Osten, wurde auch die staatliche Spaltung Deutschlands zementiert. Schon mit der Einführung der D-Mark in den Westzonen im Juni 1948 („Währungsreform“) war ein Prozess eingeleitet worden, der ein Jahr später zur Gründung von BRD und DDR und letztlich zur Integration beider Staaten in den westlichen bzw. östlichen Block führte.

Aufstand vom 17. Juni 1953

Nach dem Tod Stalins im März 1953 entwickelten sich in ganz Osteuropa Oppositionsbewegungen. In der DDR kam es im Juni zu einen Arbeiteraufstand, dem ersten in einem stalinistischen Land überhaupt. Die Bewegung erfasste schnell alle wesentlichen Industriegebiete der damaligen DDR mit Schwerpunkt in Ost-Berlin, Sachsen und Thüringen. Über 370.000 Menschen, rund 10 Prozent der Arbeiterklasse der DDR, und allein 100.000 in der Hauptstadt befanden sich damals im Streik. Auslöser waren von der SED-Führung verhängte Erhöhungen der Arbeitsnormen, was für die Arbeiter Lohnopfer bedeutete. Die Stimmungslage war bereits Monate vorher angespannt. Die Bevölkerung litt unter anderem an Versorgungsmängeln bei Lebensmitteln. Neben der Demontage von Fabriken und Infrastruktur lösten die von Stalin angeordneten Standards von Verteidigungsausgaben Spar- und Zwangsmaßnahmen durch die SED-Führung aus, um die Bewaffnung zu finanzieren. Diese Unzufriedenheit kam besonders bei den Ost-Berliner Bauarbeitern zum Ausdruck. Zu diesem Zeitpunkt waren übrigens noch 75 Prozent der Bauarbeiter an der Stalin-Allee SED-Mitglieder. Am 16. Juni marschierten 6000 Bauarbeiter zum Sitz der Regierung, um mit der Staatsführung um Walter Ulbricht und Otto Grotewohl persönlich zu sprechen. Als diese nicht erschienen, wurden aus den Reihen der Demonstranten Forderungen formuliert, die schnell politisch wurden und in einem Aufruf zum Generalstreik am 17. Juni mündeten.

Säuberungen

Diesem Generalstreik schlossen sich spontan viele SED-Mitglieder an. Hier handelte es sich nicht um eine faschistische oder pro-kapitalistische Massenbewegung. Ähnlich wie später in Ungarn 1956 war sie nichts anderes als eine spontane Bewegung gegen die stalinistische Herrschaft und mit vager Zielrichtung sozialistische Demokratie. Unter den führenden Kräften des Aufstandes waren rund ein Drittel Arbeiter, die schon vor 1933 Mitglied der KPD gewesen waren. Während des Aufstandes, der keine koordinierte Führung hatte, kam es vielerorts zur Bildung von Arbeiterräten als Machtorgane. Die Herrschenden im Westen fürchteten sich ebenso vor den Auswirkungen dieser Bewegung und verhielten sich – wie auch die Spitzen von SPD und DGB-Gewerkschaften – völlig passiv. In West-Berlin wurden „vorsorglich“ alle unangemeldeten Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen verboten.

Die Niederschlagung des Aufstandes in der DDR war der Bürokratie nur mit Hilfe von sowjetischen Panzern möglich. 260 Menschen kamen dabei ums Leben. 1300 Arbeiter kamen vor Gericht, sechs Todesstrafen und vier lebenslängliche Haftstrafen wurden verhängt. Die Ereinignisse im Juni 1953 veranlassten die Bürokratie zur ersten größeren Säuberungswelle innerhalb der SED. 62 Prozent der SED-Bezirksleitungen, 71 Prozent der ersten SED-Kreissekretäre und ein Drittel der ZK-Mitglieder wurden aus ihren Positionen entfernt. 60 bis 70 Prozent der ausgeschlossenen und degradierten SED-Mitglieder und -Funktionäre waren alte Kommunisten aus der Zeit vor 1933. Somit wurde der Prozess der Umwandlung der SED zum Instrument der abgehobenen Staatsbürokratie vorangetrieben.

Fortschritt durch Planwirtschaft

Doch der Aufstand blieb in der DDR nicht ohne Folgen. Die Bürokratie hatte sich zeit ihres Bestehens nie vollständig von jenen Ereignissen erholt. Diese hatten ihr gezeigt, dass die Arbeiterklasse auf Dauer nur durch brutale Unterdrückung nicht stillzuhalten war. Die Sowjetunion verzichtete von nun an auf weitere Demontagen und Reparationen und half beim Wiederaufbau in der DDR kräftig mit – wie etwa durch Rohstofflieferungen unter Weltmarktpreis. Die Lebensbedingungen der Bevölkerung wurden angehoben. Viele der Preiserhöhungen und auch die Normerhöhungen wurden wieder rückgängig gemacht. Allein bis 1955 wurden die Löhne in der DDR im Schnitt um 68 Prozent angehoben. In den 1960er und 1970er Jahren wurde die DDR zum „Wirtschaftswunderland“ des Ostens, mit einem gegenüber Ländern wie Polen, Ungarn oder Rumänien vergleichsweise hohen Lebenstandard.

Trotz aller Fehler, die die stalinistischen „Ostblock“-Staaten aufwiesen, waren sie Arbeiterstaaten, wenn auch deformierte. Sie waren nichtkapitalistischen Gesellschaften, in denen das Privateigentum an den Produktionsmitteln überwunden worden war. Die staatlichen Planwirtschaften gaben wichtige Errungenschaften für die Arbeiterklasse und eine gewisse kollektive Sicherheit her. Um hier einige Beispiel zu nennen: Nach der kostenlosen Ausbildung oder nach dem Studium hatte man faktisch einen Arbeitsplatz sicher, der oft auch mehr oder weniger den eigenen Fähigkeiten entsprach. Auch das Gesundheitssystem mit seinen Polikliniken war dem privatisierten und auf zwei Klassen (gesetzlich oder privat versichert) basierenden kapitalistischen deutlich überlegen. Arbeitslosigkeit war praktisch nicht vorhanden. Die Mieten waren ebenfalls gedeckelt. Auch Urlaube waren in den FDGB- oder FDJ-Einrichtungen relativ erschwinglich. So wurde in den 1970er ein höherer Lebensstandard erreicht als ihn viele Arbeiter in Südeuropa oder in der sogenannten „Dritten Welt“ hatten.

Doch der wichtigste Maßstab für die DDR-Bevölkerung blieb stets die BRD. Der höhere Lebenstandard zog vor allem in den 1950er Jahren viele Fachkräfte aus der DDR in die BRD. Der Bau der Berliner Mauer und die Schließung der Grenzen 1961 war ein Versuch der SED-Bürokratie, das Ausbluten und die „Republikflucht“ vorläufig zu stoppen. Nun versprach die Staatsführung der Arbeiterklasse das Blaue vom Himmel und dass bis in die 1970er Jahre eine höher entwickelte kommunistische Gesellschaft aufgebaut würde – mit 35-Stunden-Woche, kostenlosem Nahvervehr und uneltgeltlichen Mahlzeiten in Gaststätten für alle. Doch nach anfänglichen hohen Wachstumsraten und Fortschritten in Industrie, Wissenschaft und Technick kamen die DDR und alle stalinistischen Länder in den 1980er Jahren allmählich in eine Krise. Mit den Kommandomethoden einer zunehmend abgehobenen Bürokratie und ohne demokratische und transparente Kontrolle von unten durch die arbeitende Bevölkerung wurden viele Vorzüge einer nichtkapitalistischen Planwirtschaft zunehmend ausgehöhlt.

30 Jahre Mauerfall Teil II

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